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Was sagen amerikanische Ökonomen zu Steuersenkungen für „Bestverdiener” und Meinungsmacher? Was bringt dagegen die Rossäpfeltheorie?
 








Fortsetzung von Abschnitt 1



Die „Bestverdiener” sind von ihrem Stimmenanteil nicht stark genug, um den Wahlausgang zu bestimmen. Aber die tonangebenden Meinungsmacher (Politiker, Journalisten, Talkshow-Vorbeter, Verbandsfunktionäre, ihre „weisen” Sachverständigen usw.) sind auch Besser- und „Bestverdiener”. Von denen gibt es zwar noch weniger. Sie haben jedoch als Medizinmänner (und -frauen) der Nation maßgebenden Einfluss auf das Bewusstsein und Abstimmungsverhalten der Wählermehrheit. Deshalb geht es bei „Steuersenkung für Bestverdiener” hier vor allem um „Steuersenkung für neoliberale Meinungsmacher”. Die politischen Machthaber füttern dabei - wie eh und je - die übrigen Meinungsmacher mit Zuckerbrot aus dem Volkseinkommen, um ihrerseits von den konformen Söldnern des Kapitals und der Proporz-Cliquen in ihren Machtansprüchen gegen Rivalen unterstützt zu werden.

Dass die übrigen „Bestverdiener” und die Einkommensmillionäre auch davon profitieren, ist anscheinend nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt der Steuersenkungs-Kampagnen, soweit die Propagandisten von ihren Oberen nicht eigens für diesen Job ausgewählt oder gefördert und evt. indirekt mit Aufstieg und Zusatzeinkommen belohnt werden.

Das beste Indiz für diese Schein-Solidarität bei den „Sozialdemokraten” ist die so genannte „Reichensteuer” (sh. unten). Bei den übrigen Neoliberalen greift jedoch nicht einmal das, weil sie jegliche Solidarität mit ihren Umverteilungsopfern ablehnen, weil sie bei der Umverteilung nach oben nicht einmal den Schein wahren, sondern ihre Bereicherung lediglich mit großen Worten beschönigen.

Eine rettende Idee der „Sozialdemokraten” zur Wählertäuschung war also die „Reichensteuer” auf Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro (für Verheiratete) bzw. 250.000 (für Alleinstehende). Nur die darüber hinausgehenden Einkommensteile sollen mit einem  tariflichen Steueraufschlag von drei Prozentpunkten zusätzlich besteuert werden. Mit dem Alibi dieser lächerlichen „Millionärssteuer” versuchen die bestbezahlten rotmaskierten Meinungsmacher, die davon überhaupt nicht betroffen sind, sich vor der Rückführung zu ihrem alten Spitzensteuersatz zu retten, sich auf Kosten der noch besser „Verdienenden” für ihre Bereicherung durch die schwarz-pinkgrünliche Senkung ihres Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent (sh. oben) freizukaufen und mit solchen Rosstäuschertricks gegen die neue Linke den falschen Anschein einer sozialen Wende zu erwecken. - Während die Mehrwertsteuererhöhung ca. 30 Milliarden Euro bringen soll, werden durch die „Volksverdummungs-Steuer” nur knapp 150 Millionen Euro erzielt (sh. hier Reichensteuer.htm).


Die Propagandisten der Umverteilung nach oben werden also verschont von der lächerlichen Reichensteuer durch die Begrenzung auf Einkünfte über 250.000 bzw. 500.000 Euro jährlich. Zugleich verschonen sie sich selbst bei ihrer rosstäuscherischen „Bürgerversicherung” durch die Beitragsbemessungsgrenzen von 63.000 Euro (in 2006, sh. aok-bv.de). Genau oberhalb dieser 63.000 und unterhalb der 250.000 liegen die Einkünfte der meisten Politiker und Meinungsmacher. Da die hohe Belastung der Löhne und Arbeitskosten durch diesen Trick nicht verhindert werden kann und die Steuersenkungen für „Bestverdiener” nur zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit geführt haben, hat Karl Lauterbach einen Solidaritätszuschlag von 6,5% zur Einkommensteuer vorgeschlagen („Gesundheits-Soli” für kostenlose Mitversicherung von Kindern). Dies bedeutet bei einem Spitzensteuersatz von 42% z.B. einen Zuschlag von 0,065 * 42 = 2,52 Prozentpunkten, nachdem dieser Spitzensteuersatz von 1999 bis 2005 gerade um 11 Prozentpunkte abgesenkt wurde. Damit tritt also Karl Lauterbach vom Neoliberalismus einen winzigen Schritt „zurück” zur Stärkung des Konsums und zur Senkung der Arbeitskosten nach dem skandinavischen Erfolgsmodell, das hier vertreten wird.

Karl Lauterbach ist einer der letzten Sozialdemokraten im Bundestag mit sozialen Gewissen. Aber mit diesem Gewissen ist er bei seiner neoliberalen Fraktionsmehrheit und bei den neoliberalen Propagandisten auf starke Ablehnung gestoßen (sh. „Quertreiber Lauterbach sorgt in der SPD für Unmut”, welt.de, 1.3.06; „Ulla Schmidt erteilt Lauterbach-Vorschlag scharfe Abfuhr”, aerzteblatt.de, 28.2.06; teilweise aggressiv auch die Art der Fragestellung von Alexander Kähler, zuletzt amtierender ZDF-Programmgeschäftsführer bei PHOENIX, in seinen Interview mit Karl Lauterbach vom 3.3.06, worauf dieser mit seinem unglaublichen Gleichmut reagierte entsprechend seinem Motto: „Ich halte mich mit negativen Gefühlen nicht auf. Das ist nur Zeit- und Energieverschwendung”. Sh. „Im Dialog”, phoenix.de. - Auszüge aus Kählers Fragen:
 

„Da ist es doch nur noch ein kleiner Schritt zum Pausenclown in der SPD-Fraktion” - „Man sagt, Sie müssen noch lernen, in der Politik zu überzeugen, anstatt jeden Tag neue Vorschläge zu machen” -  „Karlchen Überall nennt man Sie deswegen” -  „Sie halten sich für unverzichtbar in der Politik ?” – „’Für viele bin ich die lebende Anklage’; klingt das nicht ein bisschen zu selbstgefällig?”.
 

Auslöser für die Ablehnung ist natürlich, dass Lauterbach die Senkung der Sozialabgaben nicht von den Einkommensschwachen finanzieren lassen will, sondern die konjunkturschädlichen Steuergeschenke für „Bestverdiener” beschneiden möchte. Andernfalls wäre es keine Konjunkturförderung. Dazu Kähler:
 

 „Die anderen sagen, dann müsse man irgendwo anders einsparen, aber auf keinen Fall Steuererhöhungen; das sei Gift für die Konjunktur.”.
 

Die neoliberalen Meinungs-Fabrizierer bevorzugen offenbar den konjunkturschädlichen Kahlschlag bei den Gemeinschaftsaufgaben, statt selbst ihren Beitrag zu leisten. Damit begünstigen sie zugleich die „Bestverdiener”, die „über ihnen” stehen oder entsprechenden Einfluss haben, und können so in ihrem Beruf „was werden”, damit sie selbst die Meinungsmache kontrollieren.

Auch bei der Diskussion über die gesetzliche Rentenversicherung hat Karl Lauterbach bereits starke Ansätze gezeigt. Im  wiesbadener-kurier.de vom 10.2.06 wird er wie folgt zitiert:
 

„Arme finanzieren Rente der Reichen”
Die Altersvorsorge ist in Wahrheit eine gigantische Umverteilungsmaschinerie von „Arm” zu „Reich”. Mit dieser provokanten These fordert SPD-Sozialexperte Karl Lauterbach radikale Reformen im Rentensystem.
Müssten Geringverdiener ihre eigene Rente über Rentenbeiträge finanzieren, so Lauterbach, würde ein Beitragssatz von 15 Prozent statt 19,5 genügen, rechnet Lauterbach vor. Die langlebigen Gutverdiener müssten hingegen „deutlich mehr als 22 Prozent” zahlen.
 

Vielleicht ist Lauterbach so stark, dass er nach dem Prinzip „einer gegen (fast) alle” sogar gegen die vielen sozialpolitischen Zwerge in der SPD etwas ausrichten kann. Diese sind in der SPD und anderswo daran zu erkennen, dass sie die Steuerfinanzierung durch „Bestverdiener” gar nicht oder nicht ausreichend zur Sprache bringen, sei es aus Angst oder aus Eigennutz. Jedenfalls sieht man an den Angriffen auf Lauterbachs Vorschläge, dass die heftigen Reaktionen auf die hier vertretenen weitergehenden Positionen nicht nur von CDU, FDP und Grünen kommen würden und dass bisher lediglich das Linksbündnis in diese Richtung geht. Die neoliberalen Propagandisten haben mit Unterstützung des Medienkapitals eine ähnliche Lage geschaffen wie der „Informationskapitalismus” in den USA nach den Umverteilungs-Orgien durch Reagan und Bush (sh. oben).


Es spielt natürlich eine Rolle, dass die „Bestverdiener” ihre persönlichen Vorteile meist besser erkennen und wahrnehmen - nach dem bekannten Werbespruch „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf”. Oft übernimmt man auch Argumente und Überzeugungen, weil sie von den „richtigen Leuten” vorgebracht oder weitergegeben werden und weil man die Stichhaltigkeit ebenso wenig einschätzen kann wie die meisten Meinungsmacher selbst. Dagegen gibt es bei den Einkommensschwächeren sicher ein höherer Anteil von Nichtwählern oder noch stärker manipulierten Wählern.

Die Milliardäre Soros und Buffet sowie die mehr als 400 US-Ökonomen folgen jedenfalls nicht dem ehernen
Glaubensbekenntnis der meisten deutschen Meinungsmacher zur Rossäpfeltheorie. Sie besagt: Wenn man die Rösser gut füttert, fällt hinten auch genug für die Spatzen ab, wenn also die Bundesminister und etliche Chefjournalisten um jährlich mehr als 14.000 Euro entlastet werden,[57] während die Normal- und Kleinverdiener, Rentner und Studenten dafür mit höheren indirekten Steuern, Kürzungen, Gebühren und sonstigen Belastungen bezahlen müssen, denn dann werde am Ende auch schon etwas für sie herauskommen. Außerdem werde durch diese Rosskur der „Kuchen” größer, und das komme allen zugute. Kurz gesagt: Steuersenkungen für „Bestverdiener” schaffen Arbeitsplätze! Das gilt sogar dann, wenn man als Alibi die Steuern auch bei Kleinverdienern und ein paar Euro senkt, weil man bei denen auf andere Weise wesentlich mehr abzocken kann!

Solche Alibis sind aber nicht nur vorgetäuscht, denn die Verkünder dieses Evangeliums glauben meist selbst daran, zumal es ihnen nützt [58]. Es nützt ihnen um so mehr, je fester sie daran glauben und je überzeugender sie durch diesen selbst eingepaukten Glauben auf die Düpierten[59] einwirken können mit erbebendem Brustton und unwillkürlicher Körpersprache, auch wenn ihnen nicht voll bewusst ist,
 „dass der Erfolg einer Rede zu etwa 38 Prozent von der Stimme abhängt, zu 55 Prozent von der Körpersprache und nur zu sieben Prozent vom Inhalt.” (Sh. „Stimmen wirken unbewusst”, focus.de, 20.3.07).

DIE ZEIT schreibt zu den Ergebnissen der Stimmenforschung::

 
So hat beispielsweise in Schimpansengruppen das Leittier meist die tiefste Stimme. Hinzu kommt: Wenn zwei Rivalen Drohgesten austauschen, kreischt der Unterlegene in hohen Tönen. Je weiter er sich vom überlegenen Rivalen entfernt, umso sicherer wird er wieder - und umso tiefer, kraftvoller und damit drohender wird seine Stimme. „Nach wie vor spielen solche Muster in unserem Unterbewusstsein eine große Rolle”, sagt Klaus Scherer, Professor für Psychologie und Stimmforscher an der Universität Genf..


(Sh. „Kehlkopf mit Charakter”, zeit.de, 13/2002).

Der Argumentationsgehalt spielt bei dieser Indoktrinations-Methode also kaum eine Rolle. Trotz ihrer Selbst-Konditionierung liegt in diesem Glaubenseifer und dem selbstgefälligen rücksichtslosen Egoismus nicht nur Selbstbetrug, sondern auch Betrug an den Umverteilungsopfern, denn er begründet bei den Manipulateuren und zurechnungsfähigen Profiteuren zumindest einen bedingten Vorsatz (sh. „dolus eventualis” bei lexexakt.de).
Insofern ist der Maßstab in diesem Text nicht eine schwer bestimmbare „Wahrheit” oder ein moralischer Anspruch, sondern es ist der Betrug (einschließlich Wählertäuschung durch Medienmacher), also die Übervorteilung der Betrogenen durch die Profiteure der Umverteilung nach oben und deren irreführendes Auftreten im Namen des Christentums, Islams, Judentums, des Patriotismus, der Freiheit (Liberalismus), der Sozialdemokratie usw. Es geht also z.B. nicht nur um den Unterschied zwischen friedlichem Islam und Christentum gegenüber gewalttätigem Islamismus und Kreuzrittertum, sondern vielmehr zwischen humanem Islam und Christentum auf der einen Seite und nacktem Egoismus auf der anderen - unter dem Deckmäntelchen der Religion oder sogenannter „christlicher” oder „liberaler” Parteien. Das christliche „denn sie wissen nicht, was sie tun” ist hier nicht relevant. Es geht nicht um Vergebung. Vielmehr geht es um die Richtungsänderung, die sie ablehnen, denn sie wollen nicht wissen, was sie tun.


Der Lügenexperte Wolfgang Reinhard will so etwas als „krumme Touren” beschreiben. Er stellt dabei zu Recht auf die „anthropologische Konstante” des Betruges ab (sh. sein Interview zur mit sciengarden.de, 5/2006), die auch als ethologische Konstante schon im Tierreich zu beobachten ist. Reinhard spricht über die „Lügengesellschaft”. Aber im Hinblick auf die besondere Verantwortlichkeit der Politiker und sonstigen Meinungsmacher, wird hier bei der  Übervorteilung durch Irreführung das quasi strafrechtliche Element des Betruges ins Zentrum gestellt.

Die Umverteilung nach oben haben nicht die Milliardäre Buffett und Soros zu verantworten, ebenso wenig wie die 400 US-Ökonomen und ihre Gleichgesinnten in den USA, Deutschland und anderswo, sondern die neoliberalen Propagandisten und  ihr eigennütziges oder düpiertes Gefolge.

Die „Reformdividende” der Meinungsmacher und Einkommensmillionäre aus den nach oben umverteilten  jährlich zig Milliarden Euro (sh. oben) wird bezahlt durch Rentenklau nach vorheriger Zweckentfremdung der Rentenbeiträge;[60] durch Deutschlands niedrigste Geburtenrate in der EU (im Jahre 2003)[61]; durch Pisaschock,[62] vor allem aufgrund dilettantischer Zuwanderungspolitik[63] ohne die erforderliche kostenträchtige Sprachförderung; durch Plünderung der Länder- und Gemeindekassen, Notstand bei Kindergärten, Ganztagsbetreuung,[64] drastische Erhöhung der Kinderarmut von mehr als 1 Millionen im Jahr 2004 auf voraussichtlich 1,5 bis 2 Millionen im Jahr 2006 (in Hartz-IV-Ghettos)[65] mit entsprechender „sozialer Vererbung” der Chancenlosigkeit; durch wirtschaftliches Elend in Altenheimen, Fehlen von Zukunftsinvestitionen in Forschung, Bildung, Kultur, Infrastruktur, Polizei (minus 7.000 Polizisten in 5 Jahren, lt. Konrad Freiberg,  zdf.de, 22.5.06 zur rechten Gewalt und Kriminalitätszunahme); durch Kürzung des Sparerfreibetrags, Praxisgebühr (1,1 Milliarden Euro), Renten- und Lohnkürzungen für Krankengeld (das Rentner ohnehin nicht bekommen) und Zahnbehandlung - im Umfang von 4,5 Milliarden Euro; durch Kürzung der Arbeitslosenunterstützung für verzweifelt arbeitssuchende Arbeitslose, Kürzung oder Streichung der Eigenheimzulage und  weitere Schwächung der lahmenden Bauwirtschaft wie auch der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes insgesamt, denn die gesamte Umverteilung nach oben mit der Angst vor Arbeitslosigkeit schwächen den Konsum, und der Rentenklau zwingt die Zahlmeister dieser Umverteilung zur Erhöhung ihrer Sparquote.


Zur Finanzierung der Umverteilung nach oben sollen  nun auch gerade die einkommensschwachen Rentner durch die Mehrwertsteuererhöhung geschröpft werden, aber ihre Renten schrumpfen weiterhin real. Dazu sagte VdK-Präsident Hirrlinger der Berliner Zeitung: „Wer meint, Rentner zu Sparschweinen der Nation machen zu können, wird sich die Finger verbrennen” (berlinonline.de, 11.11.2005). Aber es war aber schon vor der Bundestagswahl 2005 klar,  dass nur mit einem starken Linksbündnis eine Mehrwertsteuererhöhung und die weitere Umverteilung nach oben verhindert worden wären. Deshalb muss man fragen, warum der VdK das nicht rechtzeitig deutlich gemacht hat und auch heute ignoriert.

Der brave deutsche Michel-Trott im treuherzigen Vertrauen auf eine parasitäre Obrigkeit hat gerade hierzulande eine Jahrhunderte alte Tradition
nach der altdeutschen Kleriker-Weisheit „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand” (sh. Hegels Rechtsphilosophie) oder nach der bequemen Ausrede gegen Kants Vorwurf der  „selbstverschuldeten Unmündigkeit” (sh. oben): „Die da oben sind sowieso alle gleich”. Sie sind es eben nicht, was hier vor allem gezeigt werden soll, auch in bezug auf die Einkommensmillionäre! Man muss schon näher hinsehen und nicht als Europäer meinen, dass z.B. alle Asiaten oder alle Afrikaner gleich aussehen. So viel Ignoranz erscheint absurd, aber es gibt tatsächlich bestbezahlte Kommentatoren, die die Mehrwertsteuererhöhung bei Aufrechterhaltung der Steuersenkung für „Bestverdiener” als „gerecht” darstellen, weil durch die Mehrwertsteuer angeblich alle Bürger gleich betroffen würden. Damit und mit der lächerlichen Reichensteuer würden „wir alle” zur Kasse gebeten. Tatsächlich bleiben jedoch gerade fast all diese neoliberalen Propagandisten (mit Ausnahme ihrer Konzernherren) von dieser Volksverdummungssteuer verschont, während die Einkommensschwachen auf ihre monatliche Mehrwertsteuererhöhung um 50 bis 100 Euro nur mit radikaler Konsumeinschränkung reagieren können.


Aber Deutschland hat auch eine Tradition des kritischen Geistes, und es ist bezeichnend,  dass es durch seine Propagandisten nun auch im Ersten TV-Programm auf das heutige Talkshow-Niveau heruntergebracht wurde.


Die Klein- und Normalverdiener müssten ihre Sparquote als Reaktion auf den Rentenklau noch drastisch erhöhen, aber gerade sie können sich das nicht leisten. Das folgende Beispiel der Arbeitslosen lässt sich gewiss auch auf Kleinverdiener ohne und mit Kindern übertragen:

 

Auf Grund ihrer geringen Einkommen verwendeten Haushalte von Arbeitslosen 90% ihres ausgabefähigen Einkommens für den Konsum und nur 4% für Sparzwecke. Umgekehrt war die Situation bei den Selbstständigen: Sie gaben nur zwei Drittel ihres verfügbaren Einkommens für den Konsum aus und mehr als ein Fünftel (21%) für Ersparnisse. In Zahlen bedeutet dies: Selbstständige sparten monatlich im Durchschnitt 930 Euro. Arbeitslose dagegen nur 60 Euro,
 

sh. Pressekonferenz von J. Hahlen, destatis.de, 2.12.04, S. 6. Die Belastung der Kleinrentner, Studenten, Arbeitslosen und Kleinverdiener mit indirekten Steuern  dürfte aber je nach Mietanteil allein schon bis zu einem Fünftel ihres Einkommens betragen (MWSt, Stromsteuer, Ökosteuer, Mineralölsteuer, Tabaksteuer usw.; allein 30% des Erdgaspreises,  40% des Strompreises und 70% des Benzinpreises - Paul Kirchhof spricht von 15 bis 20 Prozent des Einkommens, dlf.de, 8.7.05, 6:47h, vorübergehend dort als Audio verfügbar). Bei den Kleinverdienern kommen noch über 20% Sozialabgaben vom Bruttolohn hinzu. Das sind etwa 25% bis 30% vom Nettolohn, so dass sie - je nach familiärer Lage -  fast die Hälfte ihres ohnehin kaum belastbaren verfügbaren Einkommens quasi als Manövriermasse für die Umverteilung des deutschen Volkseinkommens nach oben ausgeben - und das schon ohne Berücksichtigung ihrer etwaigen Lohnsteuer. Gegen Ökosteuern wäre nichts einzuwenden, wenn die Konsumkraft der Einkommensschwachen dafür auf andere Weise und in gleicher Höhe wiederhergestellt würde, statt sie mit all den anderen Umverteilungsmaßnahmen noch weiter zu schwächen.

Da die Ökosteuer nicht durch entsprechende Erhöhungen bei Renten, Bafög, Sozialhilfe usw. kompensiert wurde, diente sie also eindeutig zur Umverteilung nach oben durch die Hintertür. Die neoliberalen Profiteure habe ihre wahren Absichten noch zusätzlich dadurch verschleiert, dass man angeblich nur mit genau diesem Geld die  Rentenversicherung finanziell entlasten konnte. Auf diese Weise konnten sie nämlich erreichen, dass sie selbst möglichst wenig an den Kosten für die deutsche Einheit beteiligt wurden über Steuern nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Diese Kosten der Einheit beruhen unter anderem auf der hohen Arbeitslosenquote in den versprochenen „blühenden Landschaften” bei gleichzeitigen überdurchschnittlichen Sozialversicherungs-Leistungen wegen der dortigen besseren Erwerbsbiographien. Statt dessen haben die Umverteilungs-

Profiteure zeitgleich zur Ökosteuer-Einführung ab 1999 ihren Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent stufenweise gesenkt und die Einheits-Kosten vor allem den Normalverdienern aufgebürdet (sh. die scheinbar neutrale Darstellung der Ökosteuer bei Wikipedia). Das Ganze war in Wirklichkeit offenbar als Selbstbedienung durch indirekte Rentenkürzung und andere Konsumschwächungen gedacht, da man bei direkter Kürzung gegen die verfassungsmäßigen Eigentumsrechte der Rentner verstoßen hätte. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer mit der Umlagefinanzierung der Renten seit Endes des Zweiten Weltkrieges weitgehend auf die Renditen für ihr eingezahltes Geld verzichten mussten und keine verzinslichen Reserven gebildet wurden (sh. hier rossaepfel-exkurse.htm~Rentenklau), damit die Großprofiteure des „Wirtschaftswunders” von den Kosten der sozialen Marktwirtschaft steuerlich weitgehend verschont blieben.


Die „Bestverdiener” verwenden das umverteilte Geld zum Sparen, zahlen darauf  also keine indirekten Steuern. Sie zahlen darauf auch  keine Sozialbeiträge, weil dieses zusätzliche Geld in jeden Fall über ihren etwaigen Beitragsbemessungsgrenzen liegt. Das würde sich erst ändern bei Einführung der Steuerfinanzierung aller Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung oder mit einer echten Bürgerversicherung ohne Beitragsbemessungsgrenze für alle Zweige der Sozialversicherung. Die „Bestverdiener” zahlen für ihren Nachfrageentzug also lediglich ihren drastisch verminderten Spitzensteuersatz.

Auch die Sparquote von 21% für Selbständige wäre wesentlich geringer, wenn darin nicht viele „Bestverdiener” berücksichtigt wären: „Die Hälfte aller Personenunternehmen hat einen Gewinn von unter 26.000 € im Jahr.
Dreiviertel liegen unter 52.000  €; nahezu alle unter 128.000 €!” (sh. BMF: Grafische Darstellungen, Blatt 17; sh. hier auch diese und ähnliche Zahlen auf der Seite Unternehmenssteuerreform). Damit dürfte die konjunkturdrosselnde Sparquote der „Bestverdiener” nach der drastischen Senkung ihres Spitzensteuersatzes eher beim Doppelten der obigen 21% liegen und bei den Einkommensmillionären eher bei fast 100 Prozent.

Auch das versprochene Geld für die Entwicklungshilfe von knapp 15 Milliarden Euro wird nach oben verteilt an Besser- und „Bestverdiener” durch jene jährliche „Reform”-Dividende aus den  60 Milliarden Euro (sh. oben) sowie durch milliardenschwere Steuervermeidungsmodelle, durch eher zu gering geschätzte 65 Milliarden Euro Steuerhinterziehung (sh. folgendes Zitat)[80] und durch einige zig Milliarden unnötige Lobby-Mehrkosten im Gesundheitswesen, bei Strom und Gas (zu den Lobby-Politikern sh. z.B. hier Pro7Sat1.htm#Müller&Meyer) sowie in anderen Lobby-anfälligen Bereichen (sh. z.B. Wilhelm Rühl: „Privatisierung fördert und legalisiert Korruption”, meinepolitik.de, 6.10.1995). Von diesen 15 Milliarden Euro versprochener Entwicklungshilfe werden ohnehin nur knapp 6 Milliarden aufgebracht,[81] und das geschieht häufig auch noch eher zum Vorteil der Exporteure als der Empfänger.[82]

Für die Entwicklungshilfe und zur Dämpfung der existenzgefährdenden globalen Spekulationsblasen könnte stattdessen die immer wieder geforderte Börsen-Umsatzsteuer von jährlich mindestens 12 Milliarden Euro gegen ausufernde Spekulation herangezogen werden.[83]  Der Verbleib der Reform-Beute wird vernebelt durch Sonntagsreden und perfides Schüren von Generationskonflikten („Generationen-Rassismus”) durch Verfechter der „christlichen Leitkultur”. Auch dies dient  als Hebel zur Umverteilung nach oben durch Steuersenkung für „Bestverdiener” und Sozialkürzungen. Es dient zugleich zur Durchsetzung der neoliberalen Ideologie im Stimmvolk.  „Sozial” heißt hier zwar nicht „PRO Hängematte für Lustlose”, sondern „CONTRA Umverteilung nach oben der Raffgierigen”, aber zur Ablenkung von den wahren Verhältnissen werden durch die Geier völlig falsche Dimensionen vorgetäuscht. Zum Standardrepertoire gehört das Aufhetzen der „braven Bürgersleut” gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sowie ein ganzes Sammelsurium von Ablenkungsmanövern.  Wann folgt auf die Bildzeitungs-Kampagne gegen „Florida-Rolf” (sh. Die ZEIT, 29.2.04: 17 Schlagzeilen in fünf Monaten) einmal eine Kampagne zur Klarstellung der folgenden Relation 1:540?

 

Nach Angaben des Caritas-Verbandes … gehen dem Gemeinwesen durch Sozialhilfemissbrauch jährlich 120 Millionen Euro verloren; durch Steuerhinterziehung jedoch 65 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden schätzungsweise 2,2 Milliarden Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen von Menschen, die sich ihrer Armut schämen und sich deshalb scheuen, an der „komfortablen Normalität” des Sozialstaates zu partizipieren. Missbrauchsbekämpfung ist hierzulande selektiv: Die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen[84]
 

oder mit einem Zitat von Karlheinz Deschner:
 

Auch verschämte Armut ist die Folge unverschämten Reichtums.[85]
 

Deschner hat sein monumentales Werk über Kriminalgeschichte des Christentums geschrieben bis hin zur „Machtergreifung”, zur Rolle der Kirchen beim Holokaust und zur Rolle der Steigbügelhalter nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist nun an der Zeit, über die „christliche” Ideologie heute zu schreiben.

Das Prinzip
„Fordern und Fördern” ist reine Propaganda, wenn das „Fordern” vor dem „Fördern” kommt[86] oder der Umfang des Förderns weit hinter dem Fordern zurückbleibt und man nicht zuvor die Arbeitslosenquote drastisch gesenkt hat.

Das „Fordern und Fördern” wird in Dänemark erfolgreich praktiziert mit einem Arbeitslosengeld von 90% des letzten Bezugslohns und einer Bezugsdauer von 4 Jahren,[87] allerdings mit wesentlich größeren Erfolgschancen, denn dort ist die Arbeitslosenquote mit knapp 5% in 2005 bei 59% Spitzensteuersatz und weitgehender Steuerfinanzierung  der Sozialversicherungsbeiträge (praktisch aller Arbeitgeberanteile sowie eines Großteils der Arbeitnehmeranteile - sh. unten MISSOC) nur etwa halb so hoch ist wie in Deutschland mit ca. 10% in 2005.

 

Im Jahr 2006 - nach weitgehender Abblockung der positiven internationalen Konjunktureinflüsse durch die deutsche Umverteilung nach oben - ist der Unterschied zu Dänemark mit 9,4% zu 4,0% und zu anderen Ländern noch krasser geworden (sh. „Arbeitslosenquoten”, wko.at, Mai 2006). Die Zusammensetzung der etwas anders berechnete deutschen Quote laut Statistischem Bundesamt von 10,5% per Mai 2006 (sh. Bundesbank: Monatsbericht, Stand 21.7.06) aus immerhin 9,2% in Westdeutschland und 17,4% in Ostdeutschland zeigt, dass auch in Westdeutschland die Quote etwa doppelt so hoch war wie in Dänemark!  Hierzulande werden die Sozialbeiträge von mehr als 40% als Jobkiller ausschließlich den Löhnen aufgebürdet (zusätzlich zu den Steuern), aber nur bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen. Auf diese Weise konnten die bestbezahlten Propagandisten ihren Spitzensteuersatz von 56% auf 42% senken und sich weitgehend von den Sozialbeiträgen befreien  - aus „Sorge um Deutschland”.

Abgesehen von den etwas abweichenden statistischen Erhebungsmethoden in Deutschland im Vergleich zum EU-OECD-Standard (sh. u.a. die EUROSTAT-Daten: „Saisonbereinigte Arbeitslosenquoten” im „Presseraum” der EU-Kommission), wird die Arbeitslosenquote von 10% in Deutschland nur ein wenig relativiert durch die unterschiedlichen Quoten in Deutschland West (ca. 8%) und Deutschland Ost (ca. 17,5% - sh. dbb Beamtenbund: „tacheles Sonderausgabe Einkommensrunde”, Januar 2005, S. 4). Einen erhöhten Anteil von arbeitslosen Migranten und Geringqualifizierten gibt es nicht nur hier, sondern auch z.B. in Dänemark. Ein erheblicher Anteil der Arbeitslosenquote in Deutschland ist durch die Umverteilung nach oben und die daraus folgende Konsumschwäche  bedingt, aber auch die unvermeidlichen Automatisierungs-Investitionen spielen in den Industrieländern eine erhebliche Rolle.

Während also in Dänemark das Arbeitslosengeld in Höhe von 90 Prozent des letzten Bezuglohnes bis zu vier Jahren gezahlt wird [87], drängt man in Deutschland - zur Umverteilung nach oben - einen  immer größeren Anteil der Arbeitslosen schon nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit in die Sozialhilfe:
Anfang 2005 gab es noch mehr Arbeitslosengeld-I-Empfänger als Arbeitslosengeld-II/Hartz-IV-Empfänger (sh. Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland - März 2007, Graphik S. 4). Im März 2007 bezogen schon zwei Drittel der Arbeitslosen Hartz-IV und mussten so die Folgen der Umverteilung nach oben tragen. (Zu der verlogenen Schönfärberei der Neoliberalen sh. auch die DIW-Studie lt. Artikel „ Armutszeugnis für Hartz-IV-Reform”, taz.de, 13.12.2007.)  Der Anteil der Hartz-IV-Opfer wäre noch höher, wenn nicht viele neue Arbeitslose keine Einstellungschancen mehr sähen, andererseits aber wegen der Einkünfte von Ehegatten usw. keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben (sh. IAB Kurzbericht, Ausgabe 5 / 28.2.2007, S. 4). Kritiker der Neoliberalen haben dies bereits bei Einführung von „Hartz-IV” angeprangert:
 

Insofern ist das ganze ALG-II-Gesetz ein gigantisches Täuschungsmanöver, das darauf hinausläuft, die Menschen in niedrigere Leistungsbezüge zu drängen.


(Sh. Interview mit Sozialverbands-Chef Adolf Bauer: „Sozialverband hält Arbeitslosengeld II für «gigantisches Täuschungsmanöver»”, netzeitung.de, 23.7.2004; sh. auch „Monatsstatistik hinterfragt”, jjahnke.net, Stand 30.4.2007, und hier  Hartz-IV.htm). Den best-„verdienenden” „christlichen” oder „christlich-sozialen” Volksverdummern, Propagandisten und Profiteuren der Umverteilung nach oben reicht das jedoch noch lange nicht, um ihre weiteren Steuergeschenke aus dem Volkseinkommen abzuschöpfen (sh. „Arbeitslosengeld: Söder will 'Hartz-IV' kürzen” | ZEIT online/ Tagesspiegel | 21.4.2007). „Es müsse wieder gelten, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld hat als der, der nicht arbeitet” (ebd.). Da Söder die Einführung von Mindestlöhnen gegen die Dumping-Löhne von drei oder sieben Euro ausschließt, bleibt für ihn also nur die Kürzung des Arbeitslosengeldes.

Das dänische Erfolgsmodell geht einher mit einer Staatsquote (= Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP)) im Jahre 2004 von 55% in Dänemark gegenüber 47,5% in Deutschland - bei einer Arbeitslosenquote von 5,4% in Dänemark und 9,5% in Deutschland (sh. „Staatsausgaben (Gesamtstaat) in % des BIP”, wko.at, 30.10.2005, und eurostat EURO-INDIKATOREN, Pressemitteilung 120/2005, 26.9.2005, sowie „Arbeitslosenquoten”,  wko.at, 30.10.05). Die „Arbeitskosten ... pro Stunde” sind in Dänemark noch höher als in Deutschland (sh. wko.at, 27.1.06), obwohl dort die Sozialversicherungsbeiträge weitgehend steuerfinanziert sind (sh. oben) und obwohl bei einer (teilweisen) Steuerfinanzierung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile über die alten Spitzensteuersätze die Arbeitskosten in Deutschland deutlich abgesenkt werden könnten.
Mit dem wesentlich höherem Spitzensteuersatz in Dänemark lag der dortige Anteil der Einkommensteuer an den Gesamteinnahmen des Staates aus Steuern und Abgaben im Jahre 2003 bei 53,1% und in Deutschland bei 23,9%  (sh. OECD in Figures, 2006-2007 Edition, S. 60). Den neoliberalen Meinungsmachern in Deutschland reicht das aber noch immer nicht. Sie haben ihren Anteil inzwischen durch Erhöhung der Mehrwertsteuer noch gesenkt und wollen ihn durch weitere Umverteilung nach oben noch zusätzlich senken.


Auch in Schweden war in 2004 die Staatsquote mit 57% wesentlich höher und die Arbeitslosenquote mit 6,3% deutlich geringer als in Deutschland (sh. ebd., wko.at, 30.10.05). Der kombinierte Spitzensteuersatz lag in Schweden bei 56,6 Prozent (
vgl.  Bundesfinanzministerium: „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2006”, S. 66, Tabelle 5), so dass die Arbeitslosenquote nach den Propagandaparolen der deutschen Neoliberalen nur noch steigen könnte. Da aber mit diesen Steuereinnahmen viel für Forschung, Entwicklung, Bildung, Arbeitsmarkt und Konsumnachfrage getan wird,  hat Schweden in den letzen Jahren seinen Wachstumsvorsprung mächtig verbessert gegenüber dem EU15-Durchschnitt, aber vor allem gegenüber den deutschen Konsumdrosselern und Steuersenkern für „Bestverdiener”. Durch die Vermeidung solcher Steuergeschenke und die weitgehende Steuerfinanzierung der Sozialversicherungssysteme kann die Belastung der schwedischen Arbeitskosten mit Sozialabgaben in Grenzen gehalten werden. Das Manager-Magazin schreibt zu diesen Erfolgen:
 

„Strahlender Star” Schweden
Die Spitzenposition hinsichtlich Wirtschaftswachstum, Arbeitsproduktivität, Beschäftigungsquote und öffentliche Finanzen besetzt im Ländervergleich erneut Schweden. Der „strahlende Star” unter den EU-15-Staaten, wie es in der Studie heißt, hat die Lissabon-Ziele sogar übererfüllt. Entscheidend für das sehr gute Abschneiden war die hohe reale Wachstumsrate der schwedischen Volkswirtschaft in Höhe von etwa 3 Prozent jährlich seit 2000.


(Sh. „LISSABON-AGENDA – Trendwende eingeläutet”, manager-magazin.de, 25.2.07, sowie die entsprechende Studie der Allianz Dresdner Economic Research und des Lisbon Council, einer Denkfabrik in Brüssel:  European Growth and Jobs Monitor, Frankfurt a.M. und Brüssel, 2007.) Diese Erfolgsmeldungen aus Schweden sind auch deswegen interessant, weil ansonsten häufig neoliberal verzerrte Informationen über das Land kommen durch das internationale Stockholm Network in London, zu dem in Deutschland auch die bestens finanzierten Institute INSM und Stiftung Marktwirtschaft sowie die Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und das Walter Eucken Institut gehören. Schwedische Mitglieder sind u.a. die Institute Timbro und Eudoxa. In Stockholm gibt es eine beachtliche Kapitalkonzentration. (Ausgerechnet ein Mitarbeiter des Walter-Eucken-Instituts, der Ökonom und Diplom-Theologe Niels Goldschmidt, stellt in einem Aufsatz jüngst die nachdenkliche Frage: „Ist Gier gut? Ökonomisches Selbstinteresse zwischen Maßlosigkeit und Bescheidenheit”, in: Mummert, Uwe / Sell, Friedrich L. (Hrsg.): Emotionen, Markt und Moral, Münster: Lit 2005, 289 - 313.)

Der zunehmende Wachstumsvorsprung anderer EU-Länder und das Nachhinken Deutschlands durch die abgewürgte Konsumnachfrage zeigt sich auch darin, dass Deutschland bis 2005 beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung (in Kaufkraftparitäten) auf Platz 11 im OECD-Rating der 15 alten EU-Länder zurückgefallen ist (sh. „Die OECD in Zahlen – Ausgabe 2006/2007”, Tabelle auf S. 12, besucht 28.1.2008).
 

Die Abwürgung der Konsumnachfrage und damit die Arbeitsplatzvernichtung folgt zwangsläufig aus der Umverteilung nach oben. Am meisten profitieren davon jene, die den geringsten Teil ihres Einkommens für den Konsum verwenden müssen, also den größten Teil ihres Einkommens dem Wirtschaftskreislauf entziehen können und womöglich auch in parasitäre Steueroasen verschieben. Dazu heißt es in der Netzeitung vom 12.5.2009 unter der Übeschrift „OECD vergleicht Arbeitskosten: Deutsche Geringverdiener stark belastet”:

 

Die OECD fordert seit längerem die Bundesregierung auf, Gering- und Durchschnittsverdiener mehr zu entlasten. Von den Maßnahmen in den vergangenen Jahren hätten vor allem Gutverdiener profitiert. Anders als die progressive Einkommensteuer vermuten lasse - mit jedem Euro mehr Lohn steigt auch die Steuerlast - sinkt laut OECD in Deutschland die Belastung der Arbeitseinkommen ab einem bestimmten Punkt wieder. Dies sei in kaum einem anderen Land der Fall.

 

Betrachtet man dazu noch die drastische Verschiebung des Volkseinkommens in Deutschland seit dem Verrat an der Sozialdemokratie im Jahre 1999 von den Arbeitnehmereinkommen zu den Gewinneinkommen, dann lässt sich leicht erkennen, dass die Einkommen der Arbeitnehmer und ihre Kaufkraft hierzulande noch weiter zurückgefallen sind als das deutsche Bruttoinlandsprodukt insgesamt. Dabei sind die stets hohen Reallöhne in Schweden von 1995 bis 2004 noch einmal um 25,4 Prozent gestiegen und in Deutschland während der gleichen Zeit um 0,9 Prozent gesunken. Deutschland war auch mit dieser Konsumdrosselung  das Schlusslicht in der Alt-EU, die in diesem Zeitraum einen durchschnittlichen Reallohnanstieg von 7,4 Prozent erreichte (sh. Thorsten Schulten: Europäischer Tarifbericht des WSI - 2004/2005, Abb. 1, S. 379). In den Jahren 2005 bis 2007 setzte sich diese Entwicklung fort mit Reallohnsenkungen in Deutschland um 1,4,  0,7  und 0,3 Prozent, während die Reallöhne in Schweden und etlichen anderen Ländern kräftig weiter anstiegen (sh. Thorsten Schulten: Europäischer Tarifbericht des WSI - 2006/2007, WSI-Mitteilungen 9/2007, Tabelle 3, S. 478, sh. auch Dietmar Henning: „Sinkende Reallöhne in Deutschland”, wsws.org, 4.10.2007, und  Statistisches Taschenbuch 2007 - Arbeits- und Sozialstatistik, bmas.de, besucht 27.1.2007). Zu den kaum überbietbaren Reallohnsenkungen in Deutschland heißt es in einer Meldung vom 26.8.2008:
 

Die Realeinkommen von Geringverdienern sind einer Studie zufolge in den vergangenen Jahren um fast 14 Prozent gesunken. Betroffen sei ein Viertel der Arbeitnehmer, sagte der Soziologe Bosch von der Universität Duisburg-Essen der «Frankfurter Rundschau». Dagegen habe das oberste Viertel der Beschäftigten zwischen 1995 und 2006 ein reales Lohnplus von 3,5 Prozent verbucht. Zu den Verlierern gehörten nicht nur Minijobber und Teilzeitkräfte, sondern auch Geringverdiener mit Vollzeitstellen. Dagegen seien die Realeinkommen von Besserverdienenden, die eine volle Stelle haben, mit über zehn Prozent deutlich gestiegen, berichten die Wissenschaftler.


 (Aus: ad-hoc-news.de. Sh. auch „Das Wenige wird weniger”, wdr.de, 26.8.2008, und „Ungleichheit in Deutschland wächst”, rundschau-online.de, 26.8.2008, mit dem Kommentar von Oskar Lafontaine:
 

„Die gesetzliche Verpflichtung, jede Arbeit annehmen zu müssen, zeigt ihre fatale Wirkung in der Lohnabwärtsspirale.”) Der wachsende Einkommensanteil der immer weniger werdenden „Besserverdienern” liegt vor allem an der Umverteilung zugunsten der einbezogenen „Bestverdiener”, also der großen Abzocker unter den „bestbezahlten” Managern, vorbehaltlosen Kapital-Dienern, neoliberalen Meinungsmachern und Volksverdummer sowie ihrer dicht darauf folgenden Mitprofiteuren. Die Umverteilungspolitik der Schröder-SPD im Verein mit den übrigen Neoliberalen hat im Nachkriegs-Deutschland erstmals das „Kunststück” vollbracht, dass mit zunehmendem Volkseinkommen dessen eigentliche Produzenten immer ärmer und die Abzocker immer reicher werden. Wenn sich die „christlichen” mit den „sozialdemokratischen”, „freiheitlichen” und gilbgrünen  Profiteuren zusammentun, gibt es offenbar kaum noch ein Halten bei ihrer Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen.


Trotz des wesentlich größeren Arbeitsmarkt-Erfolges in Dänemark und Schweden bei drastisch höheren Staatsquoten und höheren Arbeitskosten empören sich die neoliberalen Profiteure der Steuersenkung für „Bestverdiener” hier in allen Talkshows mit suggestivem und autosuggestivem schauspielerischem Talent über die hohen Arbeitskosten in Deutschland und über die angeblich viel zu hohen  deutsche Staatsquote als „Konjunkturkiller”. Ständig stellen sie die angeblichen „Subventionen” für die gesetzliche Rentenversicherung in Frage, die in Wirklichkeit nicht einmal reichen, um den Rentenklau (sh. rossaepfel-exkurse.de) zu kompensieren.  Sie vermeiden aber zur Verwirrung ihrer Zuhörer den Hinweis, dass in dieser „Staatsquote” auch die Leistungen an die Versicherten aus deren eigenen staatlich vereinnahmten Sozialversicherungsbeiträgen enthalten sind (sh. auch BMF: „Quoten als wichtige gesamtwirtschaftliche Größen”, Monatsbericht 05.2003), also die Sozialabgabenquote von etwa 15% des Bruttoinlandsprodukts (= Differenz zwischen der Abgabenquote von 36,2% und der Steuerquote von 21,5% in 2003, sh. übernächster Absatz). Gern profitieren sie davon, dass diese „Staatsquote” nach ihrem Gusto bestens geeignet ist, bei ihren gläubigen Laien einen falschen Eindruck zu erwecken.

In Dänemark beträgt die Sozialabgabenquote wegen der weitgehenden Steuerfinanzierung der Sozialversicherungssysteme nur etwa 1,5%, und  in Deutschland lastet sie ausschließlich auf den Arbeitnehmereinkünften, aber nur im unteren Bereich bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen.  In Wirklichkeit zielen diese Propagandisten auf die weitere Absenkung ihres viel zu niedrigen Spitzensteuersatzes, auf die weitere Umverteilung nach oben und auf Beibehaltung ihrer eigenen Bemessungsvorteile.

Dabei hatte Deutschland im Jahre 2003 mit 21,1% die niedrigste Steuerquote in der EU der 15
(sh. „BMF-Monatsbericht Januar 2006”, S. 105, Tabelle 13: „Steuerquoten ...”). Sie wurde bis 2005 durch die vorgeplanten Steuersenkungsstufen für „Bestverdiener” sogar noch weiter abgesenkt (ebd., S. 97, Tabelle 6). Zugleich hatte Deutschland mit 35,5% eine der niedrigsten Gesamt-Abgabenquoten in der EU der 15 (ebd., S. 106, Tabelle 14), aber eine überdurchschnittlich hohe Sozialabgabenquote (Differenz zwischen Steuer- und Abgabenquote) von 35,5 - 21,1 = 14,4% zu Lasten des Arbeitsmarktes. Den könnte Deutschland durch Beseitigung dieser Schieflage schlagartig beleben mit einer deutlichen Erhöhung der Spitzensteuersätze für die bestbezahlten TV-Propagandisten zur Steuerfinanzierung von Sozialbeiträgen (sh. oben: Haavelmo-Theorem).

Den Hinweis auf die obige extrem niedrige Steuerquote in Deutschland beantworten die Neoliberalen stets mit dem Verweis auf die ebenfalls oben genannte deutsche Abgabenquote (= kombinierte Steuer- und Sozialabgabenquote), die angeblich nicht so extrem niedrig ist: Für internationale Vergleiche dürfe man nicht die niedrige deutsche Steuerquote betrachten, sondern nur die Abgabenquote.
Aber auch mit der weiter abgesenkten Abgabenquote von 2004 liegt Deutschland in der EU15 mit 34,6% im Dumping-Bereich, gerade noch über dem Subventionstiger Irland (30,4%). Dagegen liegen die Sozialstaaten Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Niederlande, Österreich usw. alle zwischen etwa 40 und 50 Prozent (sh. BMF-Monatsbericht Januar 2006, S. 106, Tabelle 14), bei nur halber Arbeitslosenquote und ohne die Belastung von 80 Milliarden Euro jährlich für die deutsche Einheit!

Tatsächlich muss man auch die Abgabenquote betrachten und dabei die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge beachten, denn
die Sozialabgaben betragen zunächst einmal mehr als 40% des Arbeitslohns bis zur Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung. Für Klein- und Normalverdiener sind das 40% des vollen Lohns. Gerade  die Einbeziehung der Sozialabgaben von mehr als 40% dieses Lohnanteils in den internationalen Quotenvergleich führt jedoch zu der Frage, warum trotz dieses hohen Anteils am Lohn die Sozialabgabenquote als Anteil aller Sozialabgaben am Bruttoinlandsprodukt „nur” bei etwa 14% liegt. Die Differenz von mehr als 26% erklärt sich dadurch, dass mit der Sozialabgabenquote nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bis zur Beitragsbemessungsgrenze belastet sind. Alle übrigen Einkünfte werden damit nicht belastet, also weder die Arbeitnehmereinkünfte der angestellten Propagandisten oberhalb dieser Bemessungsgrenze noch alle übrigen Einkünfte wie Gewinne aus Unternehmen und Aktien, Zinsen, Politikerbezüge usw. Nach dem Haavelmo-Theorem und den obigen Ausführungen von Orszag und Stiglitz muss dies fatale Folgen haben.

Die Anpassung der Steuerquote einerseits und der Sozialversicherungsquote andererseits an den mittleren europäischen Standard von Großbritannien mit Umschichtung von 160 bis 200 Milliarden Euro jährlich (sh. oben) würde auch sicherstellen, dass dieses Geld nicht wieder in die Taschen der bestbezahlten neoliberalen Manipulateure umgeleitet würde – als Steuergeschenk und Lohn für ihre Manipulation zur Arbeitsplatzvernichtung, sondern dass das Geld nur der Konsumnachfrage und den Arbeitsplatzbeschaffern zugute kommt, und dies auch automatisch nur, soweit sie Arbeitsplätze schaffen oder erhalten. Es ginge also auch nicht als Steuergeschenk in die Taschen der Manager, die die satten Gewinne  ihrer Unternehmen durch Arbeitsplatzvernichtung noch weiter steigern und sich dafür durch dicke Aufschläge auf ihre üppigen Jahresbezüge bezahlen lassen.

Laut BMF/bpd.de, waren im gesamten deutschen „Steueraufkommen nach Steuerarten” des Jahres 2003 (442,2 Mrd. Euro) die Einkommensteuer mit 38,9%, die Umsatzsteuer (= Mehrwertsteuer) mit 30,9% und die Kfz-bezogenen Steuern mit 9,7% für die Mineralölsteuer und 1,6% für die Kfz-Steuer enthalten. Das sind insgesamt 81,1% der 442,2 Milliarden Euro. Der größte Teil der deutschen Steuerquote von 21,5% für 2003 erklärt sich also durch diese Steuern.  Tatsächlich entfielen im Jahre 1998 auf diese Steuern  19,8% der Haushaltsnettoeinkommen (HNE) in Deutschland (sh. „Die Einkommensbelastungen durch die Einkommen-, die Mehrwert- und die Kfz-bezogenen Steuern im Überblick 1998”, BMF Monatsbericht 10.2002), was also einem geringeren Anteil an den Haushaltsbruttoeinkommen entspricht. Interessant in dieser Tabelle ist, dass für Haushaltseinkommen (HNE) vor Steuern„im Teilbereich (Dezil) um 2.920 DM die „Abzüge insgesamt mit 19,2% fast so hoch waren wie im Teilbereich der Abgeordnetenbezüge um monatlich 14.660 DM mit 20,6%, obwohl in 1998 die Umverteilung nach oben durch die schwarz-pink-gilbgrüne Koalition der Selbstbediener mit Senkung des Spitzensteuersatzes von 53% auf 42% und Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19% noch gar nicht begonnen hatte!

Wenn also diese Selbstbediener und Propagandisten in den Talkshows sich damit hervortun, dass die Besser- und „Bestverdiener” als oberes Zehntel der Haushalte auf der Einkommensskala  mit Einkünften ab 67.000 Euro jährlich allein schon 54% der deutschen Steuern aufbringen, dann ist das eine der üblichen Steuer-Lügen. Korrigiert man diese Dreistigkeit und bezieht die 54% auf die Einkommensteuer, dann sagt die Zahl doch kaum etwas über eine progressive Verteilung der Steuern nach Leistungsfähigkeit, sondern vor allem etwas über die enorme Spreizung bei der Verteilung des Volkseinkommens
(sh. „Beitrag der Steuerpflichtigen zum Steueraufkommen 2004”, BMF Monatsbericht 10.2004, und die aktualisierten Quellen hier weiter unten bei „54 Prozent”). Man erkennt diesen Pyramidenaufbau der Einkommensverteilung auch daran, dass allein die oberen 5% der Haushalte natürlich nicht etwa die Hälfte des oberen Zehntels von 52,9/2 = 26,5% der Einkommensteuer, sondern allein schon 41,4% des Aufkommens bezahlen und nach dem ebenfalls verfälschten Prinzip „Leistung muss sich wieder lohnen” eine phänomenale Leistung im Vergleich zu allen übrigen erbringen müssten.

Schon vor der Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent blockierte Deutschland seinen Arbeitsmarkt mit einer der höchsten Sozialabgabenquoten in der EU15 und erreichte dadurch schon damals völlig unnötigerweise die niedrigste Steuerquote von allen fünfzehn EU-Staaten (sh. oben), obwohl lt. IWH-Pressemitteilung 21/2003 jährlich allein etwa 80 Milliarden Euro Nettotransferleistungen für die national erwünschte deutsche Einheit aufzubringen sind.

Der dänische Erfolg könnte also auch in Deutschland erreicht werden durch weitgehende Rücknahme der Umverteilung aus den jährlich etwa 60 Milliarden Euro (sh. oben) und Einführung von Einkommensteuersätzen wie in den USA vor Nixon und Reagan (sh. oben) oder wie in Dänemark, wo die  „Lohnzusatzkosten„[89]  praktisch komplett aus den höheren Steuern finanziert werden. (Sh. Europäische Kommission: „Vergleichende Tabellen zur sozialen Sicherheit”, Tabelle I - Finanzierung, S. 84 bis 93,  MISSOC, 1.1.2005, und übersichtlicher mit dem MISSOC-Index per 1.1.2002, wonach sich die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung insgesamt nur auf 8% + x entsprechend ca. 10% der Bruttolöhne belaufen. Diese knapp zehn Prozent sind jedoch steuerlich absetzbar, so dass sie den Arbeitnehmer nur etwa mit der Hälfte belasten; vgl.
sh. Tax in Denmark 2006, a.a.O.,  skm.dk.)

Sogar Wolfgang Clement vom rechten SPD-Flügel, Wirtschaftsminister von PinkGrün und INSM-Sympathisant (sh. unten), hat im Interesse der Wirtschaft schon in diese Richtung gedacht, aber wohl kaum zu Lasten seiner Steuergeschenke für sich und die übrigen „Bestverdiener” und auch nicht durch Steuerquoten für Bestverdiener-Einkünfte wie in Skandinavien oder z.B. in Großbritannien, mit denen man die Sozialbeiträge weitgehend steuerfinanzieren könnte:
 

Der Wirtschaftsminister hatte sich vorige Woche dafür ausgesprochen, die Löhne im unteren Einkommensbereich generell von Sozialabgaben zu befreien. Das Vorhaben ist aber extrem teuer. Es kostet je nach Ausgestaltung bis zu 30 Milliarden Euro. „Das lässt sich nun wirklich nicht darstellen”, sagt ein mit den Programmberatungen vertrauter Sozialdemokrat,
 

sh. Ulrich Schäfer: „SPD will Millionäre stärker besteuern”, sueddeutsche.de, 21.6.05. Das einzige Problem bei der weitgehenden Steuerfinanzierung von Sozialabgaben aus einer normalisierten Steuerquote für „Bestverdiener” wäre das propagandistische Sperrfeuer und die neoliberale Indoktrination des Wahlvolks durch die bestbezahlten Söldner des Kapitals  und der Proporz-Cliquen.

„Das Vorhaben” der Niedriglohnentlastung ließe sich spielend „darstellen”
mit zusätzlichen Steuereinnahmen von mehr als 160 Milliarden Euro, die sich ergeben, wenn man auch nur die Steuerquote von Großbritannien hätte (sh. oben). Damit ließe sich dann auch die Sozialabgabenquote reduzieren.

Erst wenn das Geld nach Rückkehr zu Einkommensteuersätzen wie in Deutschland während der Wirtschaftswunderjahre oder wie in Dänemark  noch immer nicht für die überwiegende Steuerfinanzierung der Sozialabgaben reicht, könnte man zur Förderung des Arbeitsmarktes über eine ansonsten konjunkturdrosselnde  höhere Mehrwertsteuer nach dänischem Muster nachdenken.

Die Steuerfinanzierung von z.B. 10% Arbeitnehmeranteilen in Deutschland nach dänischem Vorbild (sh. unten, Abschnitt 1) entspräche einer Erhöhung des Nettoeinkommens um etwa den gleichen Prozentsatz (je nach Steuerprogression bei den Vorsorgeaufwendungen). Trotz der dafür erhöhten Einkommensteuer um z.B. gleichfalls 10 Prozentpunkte in den oberen Einkommensgruppen (plus Bürgerversicherungszuschlag für bisher sozialabgabenfreie Einkommensteile) könnte davon in den unteren und mittleren Einkommensgruppen noch deutlich mehr Nettoeinkommen verbleiben - bei unverändertem Bruttoeinkommen! Durch die damit verbundene Senkung der Arbeitslosenquote profitieren mittelfristig auch die übrigen Beschäftigten, z.B. bei Renten und Pensionen. Die Arbeitsplatzbeschaffer profitieren sowieso – durch Senkung der „Lohnzusatzkosten”. Die Renten, Sozialleistungen usw. müssten nach dem damit gestiegenen Nettoeinkommen angepasst werden! 

Auf diese Weise könnten die Einkommensschwachen trotz der Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19% und trotz der derzeitigen Ökosteuern deutlich mehr konsumieren und die Wirtschaft ankurbeln
, zumal die Miete von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist. Da die Kaufkrafterhöhung insoweit nicht durch Erhöhung der Bruttolöhne erfolgte, würde sie auch keine kaufkraftschwächenden Preissteigerungen auslösen. Außerdem sollte - ebenfalls nach skandinavischem Vorbild - ein erhöhter Mehrwertsteuersatz für Luxusgüter eingeführt werden. Nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte könnten einen Gehaltsausgleich bekommen. Die neoliberalen  Propagandisten wären jedoch nur durch Druck zu „überzeugen”. Der ist aber schwer herzustellen, da sie ja selbst die Meinungsmanipulation betreiben und auch noch bestens dafür bezahlt werden.

Auch ohne Erhöhung der übrigen Mehrwertsteuersätze ließe sich so die Forderung der Unternehmer nach Senkung ihrer Lohnzusatzkosten erfüllen
durch (teilweise)  Einkommensteuerfinanzierung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung oder durch eine möglichst gleichwertige Bürgerversicherung ohne Beitragsbemessungsgrenzen. Damit könnte man der Arbeitsplatzvernichtung entgegenwirken, die durch die  fortschreitende Steuerbegünstigung der „Bestverdiener” und des großen Kapitals zu Lasten des Faktors Arbeit entstanden ist und die wiederum weiteren Druck der Kapitalbesitzer auf die Arbeitnehmer erleichtert. 
 

Ferner könnten auch mit einem ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz für konsumnahe Dienstleistungen viele neue sozialversicherte Arbeitsplätze geschaffen werden durch Eindämmung der Schwarzarbeit und Marktanreize für weitere bezahlbare Leistungen. Allein für das deutsche Gaststättengewerbe wäre so mit 70.000 neuen Arbeitsplätzen zu rechnen (sh. „EU will Mehrwertsteuer für gastronomische Dienstleistungen senken”, ahgz.de, 27.6.2008). Das Vielfache käme hinzu für die übrigen konsumnahen Bereiche.

 

Sogar der rechte französische Ministerpräsident Sarkozy versteht so einfache Regeln und forderte zumindest für sein Gastronomie-Gewerbe die deutsche Zustimmung zu seiner drastischen Senkung dieses Mehrwertsteuer-Satzes - nach seinem spöttischen Motto „Frankreich handelt, Deutschland denkt noch nach” (sh. „Merkel und Sarkozy – Streit war gestern”, tagesspiegel.de, 13.3.2009).  Aber solche Vernunft missfällt sowohl der „christlichen” Bundeskanzlerin Merkel als auch dem „sozialdemokratischen” Finanzminister Steinbrück (sh. „Mehrwertsteuer – 'Madame Non' stoppt Sarkozy”, focus.de, 12.12.2008, und  „Steinbrück: 'Wir sind nicht in einer Rezession'”, dradio.de, 12.9.2008.), denn mit einer Mehrwertsteuersenkung beschneiden sie stets den Spielraum für die Umverteilung nach oben durch Senkung der Einkommensteuer für sich selbst und für ihre bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher (sh. auch hier Journal-1.htm: CDU-Geheimplanungen”). Statt dessen spendieren sie sich 3,3 Milliarden Euro für die steuerliche Absetzbarkeit von „haushaltsnahen Dienstleistungen” wie Haushaltshilfen und Handwerkern, von denen die 50 Prozent der nahezu einkommensteuerfreien Einkommensschwachen gar nichts haben. Dies ist genau der Grund, aus dem die Umverteilungsprofiteure diese Selbstbedienung für  „zielgenauer halten als z.B. einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz, den Frankreich im Dienstleistungssektor zur Beschäftigungsförderung einsetzt„ (sh. „Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen”, handelsblatt.com, 12.9.2008, und Bundesministerium der Finanzen: „Datensammlung zur Steuerpolitik - Ausgabe 2007”, Tabelle 4).

Letztlich konnten sie ihre Blockade der EU-Untergrenze für die Mehrwertsteuer gegen Sarkozy jedoch nicht durchhalten, denn inzwischen hat dieser den Mehrwertsteuersatz für seine Gastronomie von 19,6 auf 5,5 Prozent gesenkt, während ihn Deutschland von 16 auf 19 Prozent erhöht hat! Nun fordert selbst  der „christliche” Ministerpräsident Oettinger einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für das Gastronomie-Gewerbe, allerdings nicht zu Lasten seiner eigenen Steuergeschenke, sondern auf Kosten der Ärmsten durch Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von derzeit sieben Prozent (sh. „Mehrwertsteuer-Streit mit Frankreich - Steinbrück gibt Widerstand auf”, spiegel.de, 3.3.2009, und „Debatte um ermäßigten Mehrwertsteuersatz - Oettinger hält Steuererhöhung für denkbar”, tagesschau.de, 26.6.2009.)
 

Die Großspender und Einkommensmillionäre honorieren dagegen die Aussicht auf die Schröpfung der Ärmsten zur Finanzierung von weiteren Senkungen ihres Spitzensteuersatzes durch zusätzliche Wahlkampfspenden für die „Christlichen”, die ihnen auch in der Finanzmarktkrise noch Steuersenkungen versprechen. Frank Walter Steinmeier sagte in dem TV-Duell mit Angela Merkel zu diesen „Spenden”: „Die CDU bekommt mit rund drei Millionen mehr als zehn Mal so viel wie die SPD.” (Sh. frankwaltersteinmeier.de, besucht am 14.9.2009).

Auch in den Vorjahren ließen sich die Großspender die Aussicht auf weitere Steuergeschenke etwas kosten. So heißt es bei n-tv.de zu dem Spendenaufkommen für 2008 am 27.1.2009 unter der Überschrift „Großspenden der Großbanken - 'Peanuts' für die Union”:

 

Mit Abstand die meisten Großspenden aus der Wirtschaft und von Privatleuten bekamen die Unionsparteien. Nach den Bundestags-Zahlen erhielten CDU und CSU insgesamt mehr als 3,5 Millionen Euro. Es folgen die FDP mit mehr als 930.000 Euro, die SPD mit mehr als 650.000 Euro und die Grünen mit 60.000 Euro. Die ebenfalls im Bundestag vertretene Linke bekam demnach keine Großspenden.
 

Für die Wahlkampfspenden von „Großbanken” ist es gewiss hilfreich, wenn Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zur Image-Politur seine Geburtstagsgäste ins Bundeskanzleramt einladen darf (sh. „Geburtstagsessen im Bundeskanzleramt - Merkel hofiert Ackermann auf Staatskosten”, handelsblatt.com, 24.8.2009). Für gute Stimmung bei den Groß-Profiteuren sorgt auch das neoliberale Guttenberg-Papier (sh. Journal-2.htm).
 

„Peanuts” sind das vor allem im Vergleich zu den Steuergeschenken, die schon ein einzelner Einkommensmillionär für jede Einkommensmillion erhält, wenn sein Spitzensteuersatz nach dem „christlichen” Fernziel von 45 auf 25 Prozent gesenkt wird  (sh. hier rossaepfel-theorie.de), denn das macht für ihn allein je Einkommensmillion schon 200.000 Euro jährlich auf Kosten der Mehrwertsteuererhöhung und sonstiger Schröpfungen der Ärmsten. Dieser „christliche” „Segen” ist also mit den „Spenden” von 3,5 Millionen Euro billig erkauft.

 

Die Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen dient aber den Neoliberalen überhaupt nicht zur Umverteilung des Volkseinkommens in ihre eigenen Taschen. Sie erhöhten – ganz im Gegenteil - noch die Mehrwertsteuer noch um drei Prozentpunkte, und Angela Merkel blockierte - getreu ihrer neoliberalen Arbeitsplatzvernichtungspolitik - bei ihrem Besuch in Paris die Absenkung der Mehrwertsteuer in der dortigen Gastronomie auf 5,5% (sh. „Frankreichs Wirte werden ungemütlich”, tagesspiegel.de 23.1.06, mit dem Zitat: „Dass die deutsche Regierung, die im eigenen Land die Konsumsteuern erhöht, den Franzosen keine Extrawurst gönnen kann, hat man verstanden”).  Eine solche Blockade der Schaffung von Arbeitsplätze lassen die EU-Vereinbarungen bei der Mehrwertsteuer ausdrücklich zu, währen sie Mindestsätze bei den Steuern für „Bestverdiener” und internationale Konzerne durchaus nicht vorsehen. Die Ablehnung der neuen neoliberalen EU-Verfassung durch Franzosen und Holländer ist also als Druck zur Schaffung eines neuen Verfassungs-Geistes durchaus zu begrüßen.
 

Man hätte das Scheitern vor allem dazu nutzen können, die entscheidenden Verteilungsfragen öffentlich zu diskutieren und die Mauscheleien in den Hinterzimmern zu beenden. Aber die lichtscheuen Abkassierer wollen gerade eine öffentliche Diskussion über ihr Steuer- und Sozialdumping vermeiden. Von ihren Dumpingopfern fordern sie statt dessen das Vertrauen, das sie längst verspielt haben.

 

Um den Wählerwillen auszutricksen und weitere Volksbefragungen zu vermeiden, haben die Umverteilungs-Profiteure ihre neu präsentierte neoliberale Verfassung durch deren geänderten Titel trügerisch etwas tiefer gehängt und als „EU-Reformvertrag” bezeichnet. Lediglich in Irland  - als einem der größten Profiteure des vertragsmäßigen asozialen Subventions- und Steuerdumpings - konnte jetzt die Volksbefragung verfassungsrechtlich nicht umgangen werden.  Auch das Lohn- und Sozialdumping soll für die Lobbyisten weiter zementiert werden, indem es den notwendigen Abstimmungs-Neuregelungen klammheimlich beigepackt wird durch juristische Verklausulierungen, die die EU-Richter weiterhin zu Urteilen im Sinne der Abkassierer zwingen  (sh. hier Steuer-Parasitismus.htm, EU-Lohndumping.htm und Demokratie-Kauf.htm). Die Entscheidungen des EuGH für Lohn- und Sozialdumping sind also nicht nur ihm selbst anzulasten, sondern auch und vor allem den neoliberalen Politikern und Eurokraten, die die EU-Verfassung und ihre vorbereitenden Gesetze mit Trojanern gespickt haben – im Interesse ihrer Kundschaft und gegen ihr Wähler-Volk. Dennoch erscheinen solche Urteile als Justiz-Skandale, wie jüngst erst wieder das EuGH-Urteil gegen automatischen Inflationsausgleich für Arbeitnehmer und vor allem gegen die Überprüfung von Lohn- und Sozialdumping bei Arbeitnehmer-Entsendungen nach Luxemburg durch die Kontroll-Behörden des Landes. (Sh. Hans-Dieter Hey: „Urteile des EuGH immer häufiger gegen Bürgerinnen und Bürger – Gericht entscheidet für Lohn- und Sozialdumping”, Neue Rheinische Zeitung, 4.7.2008. Sh. auch den Bericht von Tonia Koch: „Furcht um soziale Errungenschaften, EuGH beschneidet Arbeitnehmerrechte”, dradio.de, 3.7.2008, 9:24h, dort gespeichert). Während einem von den neoliberalen Medien massenhaft Irreführungs-Propaganda zugunsten des EU-Reformvertrages aufgetischt  wird, findet man die eigentlich wichtigen Informationen dort allerdings nur mit großer Mühe.

Man versucht nun also, die Iren unter Druck zu setzen mit der Behauptung, dass die meisten EU-Mitglieder dem „Reformvertrag” schon zugestimmt hätten. Aber in Wirklichkeit wurde das Volks sonst nirgendwo befragt und auch nicht über die wesentlichen Punkte informiert.  

 

Die Vertragsablehnung durch die Iren hat einen besonderen moralischen Wert, denn es kommt selten vor, dass die Hauptprofiteure von asozialen „Reformen” mehrheitlich dagegen stimmen - aus teilweise ehrenwerten Motiven. Dies sieht man unter anderem an der nahezu einhelligen Zustimmung der europäischen Neoliberalen zu ihrem „Verfassungs-Machwerk in Geheimsprache, das von Kritikern wie Attac - noch allzu milde – als „Mogelpackung” bezeichnet wird. Genau jene Neoliberalen, die ihre Forderung nach Steuervereinfachung stets als Einleitung für ihre weitere Steuersenkungs-Forderungen missbrauchen, betreiben hier ihre maximale Sprachverwirrung und lenken davon ab mit der Begründung „Europa ist halt kompliziert” (sh. Ein langes Jahr für den EU-Reformvertrag”, deutsche-welle.de, 13.2.2008).  Zur dieser mutwilligen Kompliziertheit heißt es bei Attac:

 

Der Hauptunterschied ist, dass der neue Text vollkommen unlesbar ist, indem auf verwirrende Weise etwa 360 Änderungsartikel zum Vertrag von Maastricht (Vertrag über die Europäische Union) sowie zum Vertrag von Rom eingefügt wurden, der bei der Gelegenheit umbenannt wurde in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union”.

 

(Sh. Einführung zum Vertrag von Lissabon, attac.de, mit vielen Materialien  - Seite besucht am 19.6.2008).

 

Der Attac-Sprecher Gerold Schwarz sagte:

 

Der Vertrag hätte die neoliberale Schlagseite der Europäischen Union auf Kosten der Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürgern für lange Zeit festgeschrieben, sowie die weitere Militarisierung der EU vorangetrieben.

 

(Sh. Linke und Attac begrüßen Irlands Nein zum EU-Vertrag”, pr-inside.com, 13.6.2008.)


Auch die bedrängten Arbeitnehmervertreter in der ehemaligen Arbeitnehmerpartei SPD lehnen den Vertrag ab. Dazu Lothar Bisky (Die Linke):

 

Zwar seien die Linken im Bundestag die Einzigen, die dem Vertrag von Lissabon die Zustimmung verweigerten. „In der Gesellschaft und in Europa stehen wir mit unserer kritischen Haltung keineswegs allein da, betonte Bisky. Auf der europäischen Ebene - auch in Deutschland hätten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ihre Bedenken „gegen den neoliberalen Geist des Lissabon-Vertrages” deutlich gemacht, so Bisky. „Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, AfA, lehnt den Lissabon-Vertrag ab und fordert die SPD-Abgeordneten auf, diesem Vertrag im Bundestag nicht zuzustimmen. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges fordern, den EU-Vertrag nicht zu ratifizieren. Ob Pax Christi oder Attac, sie alle weisen darauf hin, dass der Lissabon-Vertrag nicht den Interessen der Mehrheit der Menschen entspricht.„
 

(Sh. „Bundestag ratifiziert EU-Reformvertrag”, ngo-online.de, 24.4.2008.)

 

Die Neoliberalen überlegen statt dessen, wie sie ihre Chancen für die Vertragsannahme durch die Iren bei einer erneuten Volksbefragung verbessern können. Dabei setzen sie vor allem auf Garantien zur Fortsetzung des Steuerdumpings und sonstiger Maßnahmen gegen das Volk, also zu den asozialen Kernstücken, die sie für sich selbst sowieso mit dem Vertrag zementieren wollen.

 

In Brüssel erhielten die Iren Signale, dass man an eine Art „erklärendes Protokoll”, dem Reformvertrag anzuhängen, denkt, in dem die bei der Ablehnung vorrangigen Sorgen um irische Neutralität, irische Steuerhoheit, irisches Arbeitsrecht etc. durch verbindliche Zusagen beseitigt werden sollen. Solch ein Protokoll würde keine Vertragsneuverhandlung nötig machen; schon in Brüssel hat eine Nein-Gruppe wie Sinn Féin angedeutet, dass man bei Klarstellungen dieser Art einer erneuten Vorlage des Reformvertrags zustimmen könnte.

            

(Sh. „Wie aus Irlands Nein doch noch ein Ja werden kann”, welt.de, 21.6.2008.)



Ein Vorbild gegen solche asoziale Politik sind Dänemark und auch die übrigen skandinavischen Länder im Gegensatz zu anderen nur scheinbaren „Erfolgsmodellen”, vor allem deshalb, weil sie diesen Erfolg trotz ihrer Randlage erreichen mit ordentlichen Sozialsystemen bei entsprechenden Spitzensteuersätzen, den niedrigen Sozialbeiträgen einschließlich der „Lohnzusatzkosten” und ohne Schmarotzertum bei der Fluchtkapital-Besteuerung etc. auf Kosten anderer Länder.

So hat Dänemark zum Beispiel die niedrigste Kinderarmut in Europa (sh. „Kinderarmut in Europa”, arte-tv.com.de, 10.1.06), die höchste Entwicklungshilfe-Quote aller Industrieländer (0,83% des Bruttosozialprodukts in 2003, sh. „Millennium...” Report, Mai 2004, unter undp.org, Annex 1); es hat nach Finnland und Neuseeland die geringste registrierte Korruptionsquote von 145 Ländern (sh. Corruption Perception Index 2004, über transparency.de, 21.10.04); es gelang dort sogar erstmals in Europa bei einem Ehrenmord wegen missliebiger Heirat, auch die heimlichen Anstifter in der Familie lebenslänglich einzusperren (sh. „Dänemark: Familie wegen Ehrenmords verurteilt”, welt.de, 29.6.06); Dänemark hat von 24 OECD-Staaten die geringste Spreizung bei der Verteilung des Volkseinkommens.
 

Über die Folgen der Umverteilung nach oben zu Lasten der Kinder in Deutschland heißt es in einer internationalen UNICEF-Vergleichstudie aus dem Jahre 2005:

 

Der UNICEF-Vergleich zeigt krasse Unterschiede zwischen den reichen Ländern auf. Am niedrigsten ist die Kinderarmut in Dänemark und Finnland (unter drei Prozent). Besonders hoch ist der Anteil armer Kinder in den USA (über 20 Prozent). Deutschland liegt im Mittelfeld auf Platz 12. Vergleicht man die Entwicklung der Kinderarmut seit 1990, fällt Deutschland aber auf Platz 18 von 24 OECD-Staaten zurück. Die Rate der Kinderarmut wächst hierzulande schneller als unter Erwachsenen und Kinder sind häufiger von Armut betroffen. Vor allem Kinder aus Zuwandererfamilien und Kinder Alleinerziehender leiden unter Armut. 40 Prozent der Kinder Alleinerziehender sind arm.

 

(Sh. „Kinderarmut in reichen Ländern steigt, Zunahme in Deutschland höher als in den meisten OECD-Staaten”, unicef.de, 1.3.2005.)


Im Jahre 2000 hatte in Dänemark das einkommensstärksten Fünftel (=  „Quintil” ) der Haushalte lt. OECD-Statistik  „nur„  das 3,1fache der einkommensschwächsten 20%; in Deutschland belief sich dieses  „Einkommensquintilverhältnis„  S80/S20 in 2001 auf das 4,3fache, sh. „Income Distribution and Poverty ... , oecd.org 3/2005, S. 77, wo auch die Spitzenposition Dänemarks nach den Eurostat-Werten ausgewiesen ist; deren starke Schwankungen  sieht man im Falle von Deutschland beim „vollständigen Herunterladen” von „Strukturindikatoren” in selbst zusammengestellten Tabellen unter Eurostat. Sie wirken sich offenbar auch aus auf den „Human Development Report” (HDR) der UN (S. 273) über dessen Weltbank-Quellen (Tabelle 2.7) und deren Quelle beim Lisproject.org (Tabelle S. 103).

Die starken Eurostat-Schwankungen ergeben sich wohl aus problematischen Erhebungsmethoden auf diesem schwierigen Gebiet, obwohl das Anteilsverhältnis S80/S20 weniger fehleranfällig ist als das interessante Verhältnis S90/S10, das man im HDR (a.a.O.) ebenfalls findet.

Laut DIW-Vorausberechnungen hat sich die Spreizung beim „Haushaltsäquivalenzeinkommen„  nach Steuern und Sozialabgaben zwischen dem
obersten und untersten Zehntel aller Haushalte in Deutschland in nur zwei Jahren von 27,72/4,29 = 6,46 im Jahre 2003 auf 28,72/4,20= 6,83 im Jahre 2005 verschärft (sh. die Modellrechnungen von Stefan Bach et al.: „Aufkommens- und Belastungswirkungen der Lohn- und Einkommensteuer 2003 bis 2005”, Tabelle 6-1, S. 78, Berlin, April 2004 / Dezember 2003). Zur Erklärung heißt es in der interessanten Studie auf S. 77:
 

Diese Effekte sind weitgehend auf die Wirkungen der kommenden Stufen der Einkommensteuerreform zurückzuführen, die die Steuerpflichtigen mit höheren Einkommen deutlich entlasten, wie es auch in den vorangehenden Abschnitten deutlich geworden ist.
 

Eine weitere Bestätigung für diese Folgen der schwarz-gelb-pink-grünlichen Umverteilung nach oben findet man in einem Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin 10/2008 S. 101 – 2008). Dort heißt es unter der Überschrift „Schrumpfende Mittelschicht – Anzeichen einer dauerhaften Polarisierung der verfügbaren Einkommen?”:
 

Die Schicht der Bezieher mittlerer Einkommen ist in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft. Ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung ging von 62 Prozent im Jahr 2000 auf 54 Prozent 2006 zurück. Entsprechend gestiegen ist der Bevölkerungsanteil an den Rändern der Einkommensverteilung, wobei in der Mittelschicht die Abwärtsmobilität stärker ausgeprägt war als der Aufstieg in höhere Einkommensklassen. Auch wenn sich der konjunkturelle Aufschwung im Jahr 2007 fortgesetzt hat, dürfte sich an der relativen Einkommenssituation in der Mitte der Gesellschaft nur wenig verändert haben.

 

(Sh. auch die DIW-Definition der Mittelschicht: „Die DIW-Forscher definieren als Mittelschicht Menschen, die über 70 bis 150 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen” unter der Überschrift „Millionen Deutsche ins Abseits gerutscht”, ZDFheute.de, 4.3.2008, mit weiteren Erläuterungen.)

Wahrscheinlich hat sich die Einkommensschere nach  2006 doch noch weiter geöffnet als nach den Formulierungen des DIW, denn
durch den Zufluss von kaum mehr konsumierbarem Einkommen bei den Best-„Verdienern” wächst auch deren Vermögensanteil immer mehr, so dass die Spreizung zusätzlich durch vermehrte Vermögenserträge verschärft wird. Das wird sich mit der unsäglichen Abgeltungssteuer von 25 Prozent ab 2009 noch drastisch zuspitzen. Das DIW zeigt im letzten Satz also eher jene Neigung zur Beschönigung des Neoliberalismus, was seit dem erzwungenen Abgang von Gustav Horn unter dem Präsidenten Klaus F. Zimmermann nicht verwundert (sh. „Über Methoden, mit denen Neoliberale die Säuberung des DIW von nachfrageorientierten Ökonomen rechtfertigen”, nachdenkseiten.de, 4.5.2005). Selbst die Kurzmitteilungs-Schreiber von WELT ONLINE als Angehörige der Mittelschicht verzichten in ihrer Überschrift hier auf Abwiegelung (DIW-Studie: „Mittelschicht schrumpft dramatisch”, welt.de, 4.3.2008).


Auffallend ist in dem Zusammenhang, dass der Anteil der reichsten 10% am westdeutschen privaten Nettovermögen (auch durch die Steuersenkung für „Bestverdiener”) von 1993 bis 2003 von 41,0% auf 44,8% gestiegen ist, während der Anteil der gesamten unteren Bevölkerungshälfte dort in der gleichen Zeit von 5,4% auf 4,4% abnahm (sh. Zweiter „Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung”, Februar 2005, S. 36, Tabelle I.9, und Wikipedia: Reichtum). Die Spreizung bei der Einkommensverteilung lässt sich von der Spreizung bei der Vermögensverteilung nicht trennen: Das angesammelte Volkseinkommen wird mit Hilfe der Neoliberalen in zunehmendem Maße dort privatisiert, wo es für den Konsum schon längst nicht mehr wirksam werden kann und nur noch als Mittel zur weiteren Ausartung der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen dient - mit progressivem Verlauf.

Bezieht man die Vermögensanteile im Jahre 2009 auf das gesamte Bundesgebiet, so hatten 10 Prozent der Bundesbürger einen Anteil von 46,4 Prozent am gesamten Privatvermögen von ca. 5 Billionen Euro  (ebd. S. 36 und S. 32 und jetzt die nachfolgende Grafik der Hans-Böckler-Stiftung für 2009). Das entspricht ca. 2.300 Milliarden Euro. In wenigen Jahren werden die zehn Prozent wohl etwa die Hälfte des privaten Volksvermögens haben (sh. hier die Grafik zur Umverteilung des Volkseinkommens).


 



Die „oberen zehn Prozent der Einkommensteuerzahler” bestreiten angeblich „54 Prozent des Steueraufkommens”.

Diese irreführende Parole wiederholen die Neoliberalen möglichst in jedem Interview und in jeder Talkshow zur Einkommensverteilung. So auch der zugehörige Kanzler der Bosse in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 1./2.10.2004. Gerhard Schröder:
 

Wenn die oberen zehn Prozent der Einkommensteuerzahler 54 Prozent des Steueraufkommens bestreiten, das ist so in Deutschland, muss man diese Art der Diskussion wenigstens hinterfragen.
 

Es ist zugleich ein weiteres windiges Abzocker-Argument, wenn man nicht mehr leugnen kann, dass die Umverteilung nach oben nicht zur Schaffung, sondern zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führt.  (Sh. zu dem Schröder-Interview auch die Anmerkungen von Wolfgang Lieb nachdenkseiten.de, 8.10.04, mit Quellenangaben).

Tatsächlich wurden aber im Jahr 2003 überhaupt nur 38,9 Prozent „des Steueraufkommens” durch die Einkommensteuer einschließlich Lohnsteuer aufgebracht (das sind 38,9 % von 442,2 Mrd. staatlichem Steueraufkommen, also 0,389 * 442,2 = 172 Mrd. Euro; sh. „Zahlen und Fakten - Ökonomische Grundlagen und Finanzierung”, Seite 4, bpb.de). Von diesen 38,9 % tragen also die „oberen zehn Prozent” nur etwa die Hälfte (54 Prozent = 93 Mrd. Euro oder 0,389* 54 = 21% des gesamten Steueraufkommens), obwohl die reichsten zehn Prozent in 2003 schon 46,8 % des Volksvermögens (= 0,468 * 5.000 Mrd. = ca. 2.300 Mrd. Euro) bei sich angehäuft hatten. Man muss sich also nicht wundern, wenn ihr Anteil am Volksvermögen immer größer wird, zumal die Substanzsteuern in Deutschland wesentlich geringer sind als in vergleichbaren Ländern. Zu den genannten 54-Prozent-Anteil sh. BMF: „Datensammlung zur Steuerpolitik”, Ausgabe 2005, mit der Passage auf Seite 4:
 

Die – gemessen an der Höhe der Einkünfte - oberen 10 v. H. der ESt-Pflichtigen zahlen 54,1 v. H. des gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommens (Tabelle 4 ).
 

Schon 5 % Durchschnittsrendite auf die 2.300 Mrd. Euro Volksvermögens-Anteil brächte einen Vermögenszuwachs der Reichsten vor Einkommensteuer von 115 Milliarden Euro jährlich, und bei 50 % Durchschnittsbesteuerung immer noch eine Netto-Vermögenszuwachs von 57 Mrd. Euro sowie einen Anteil am Einkommensteuer-Aufkommen von ebenfalls 57 Mrd. Euro. Damit wäre also schon ein Gutteil ihres obigen Einkommensteueranteils von 93 Milliarden Euro allein durch die Einkommensteuer auf die bescheidene Kapitalrendite von 5 % gedeckt, und die Schere zwischen Arm und Reich würde trotzdem automatisch immer weiter auseinander gehen.

Die Gruppe der oberen zehn Prozent begann im Jahre 2005 bereits bei Jahreseinkünften von 67.300 Euro pro Haushalt (sh. BMF: „Datensammlung zur Steuerpolitik”, Ausgabe 2005, Tabelle 4), so dass man getrost alle Politiker und bestbezahlten neoliberalen Propagandisten dazu rechnen kann.

Dagegen resultierten in 2003  47,4 % „des Steueraufkommens” aus Verbrauchsteuern, die besonders zu Lasten der Ärmsten und Manipulationsopfer gehen, also Mehrwertsteuer, Versicherungssteuer, Mineralölsteuer, Kfz-Steuer, Tabaksteuer (sh. bpb.de, a.a.O). Dies wird durch die 3%ige Mehrwertsteuererhöhung noch verschärft. Hinzu kommt, dass die staatlichen Sozialausgaben der geplünderten Zwangsversicherungs-Systeme einschließlich Sozialkosten der deutschen Einheit  zum weitaus größten Teil von den Klein- und Normalverdienern finanziert werden. Diese Abzüge verzehren schon ohne die Lohnsteuer einen  fast doppelt so großen Anteil ihres Einkommens wie die Einkommensteuer bei den Best-„Verdienern”. (Sh. z.B. „durchschnittlicher effektiver Steuersatz„ von 23,8 Prozent in 2007  für die oberen 10% der Einkommensteuerpflichtigen  (bpb.de)  im Vergleich zur Lohnbelastung mit Sozialabgaben von über 40 Prozent.)
Auch die Springer-Medien spannen gern den Facharbeiter für ihre Steuergeschenke ein, um ihn als Rentner, bei seinen teuer bezahlten Sozialleistungen und auf allen anderen Gebieten ausplündern zu lassen:

 

Heute ist der Mittelstand, auch der Facharbeiter schon, nur noch Melkkuh einer Nation, in der 40 Prozent der Menschen gar keine Steuern zahlen. Ökonomischer Sachverstand macht sich im politischen Diskurs rar, Wirtschaftskrise und drohende Linkspartei erschweren das Differenzierungsvermögen.

 

(Sh. „Kommentar: Die Last der Steuern”, welt.de, 5.1.2009,  wo nun auch die Finanzmarktkrise herhalten muss für die weitere Umverteilung nach oben; sh. auch  hier in Abschnitt 1.)


In Deutschland hat man bei 0,8 Prozent Substanzsteuerquote (
Grundsteuer-, Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer als Anteil vom Bruttoinlandsprodukt) eine Arbeitslosenquote von etwa 10%. In Großbritannien liegt die Substanzsteuerquote bei 4,3% und die Arbeitslosenquote nur bei 4,7 Prozent (sh. rossaepfel-exkurse.de/Sammlung.htm#Peter_Krämer  und Arbeitslosenquoten”, wko.at, Stand 22.2.06). Die Differenz zwischen den 4,3 und 0,8 = 3,5% vom Bruttoinlandsprodukt entspräche im Jahr 2004 allein schon Zusatzeinnahmen von 0,035 * 2.215,7 Mrd. Euro = 77,5 Mrd. Euro (sh. Wirtschaftsleistung”, wko.at, Stand 22.2.06). - Man muss die Diskussion nicht immer auf die Problematik einer zu hohen oder zu niedrigen Vermögensteuer ablenken: In Ländern wie Großbritannien sind die Substanzsteuern wesentlich höher als in Deutschland, so dass die konjunktur- und demokratieschädliche Ausartung der Ungleichverteilung etwas gebremst wird.

Statt daraus zu lernen, haben die „christlichen” Lobbyisten im schwarz-rotgesprenkelten Koalitionsvertrag zur Umverteilung nach oben nicht nur die Mehrwertsteuererhöhung, sondern auch einen vollständigen Fortfall der Erbschaftsteuer  durchgedrückt, falls der Betrieb  noch für zehn Jahre nach dem Erbfall fortgeführt wird (sh. den Koalitionsvertrag mit dem mit dem blumigen TitelGemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit”, Ziffer 2.5.  Zur Kritik der Begründung siehe „Erbschaftssteuer: Die absurden Reformpläne der Bundesregierung”, MONITOR Nr. 549 vom 6.7.2006, und  rossaepfel-exkurse.de/Sammlung.htm#Peter_Krämer).

Man kann nur staunen, in welchem Ausmaß die Vermögenskonzentration mit Hilfe dieser Lobbyisten Deutschland auch ohne dies schon gefördert wird durch den Verzicht auf eine angemessene Erbschaftsteuer nach dem Vorbild von Ländern mit viel geringerer Arbeitslosenquote wie Dänemark, Niederlande, USA usw. (sh. BMF: „Monatsbericht 06/2004 -Erbschaftsteuerbelastung im internationalen Vergleich”, Abbildung 2: „Übertragung eines Unternehmens an ein Kind”). Dabei wäre eine  hohe Erbschaftsteuer in Deutschland viel dringender erforderlich als in Dänemark, weil hier die Einkommensspreizung wesentlich krasser ist als dort (sh. oben).



Dänemark ist eines der wenigen Länder mit großer Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten einschließlich von Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzverwaltung zur Vermeidung von Steuerverkürzung und -betrug auf Kosten der Lohnsteuerzahler; bei der (allerdings subjektiven) Frage nach Glück und Zufriedenheit liegen die Dänen unter den ersten fünf von 91 Nationen (z.B. mit einem Index 8,2 von 10 bei steigender Tendenz gegenüber Deutschland mit 7,2 von 10 bei gleich bleibender Tendenz; sh. Ruut Veenhoven, mit Rank Report 2005/1 und ders. et Wim Kalmijn: Inequality-Adjusted Happiness in Nations, 2005, was nicht durch eine geringere Suizidrate anderswo widerlegt wird, etwa in ärmeren katholischen Ländern mit größerer Jenseitsfurcht und -hoffnung (sh. z.B. Tryptichon) als Beruhigungsmittel gegen extreme Ungleichverteilung; sh. auch OECD: „Social Indicators” und clubofrome.org mit [„Happiness as a motivation ...„]). -
Schon während der Nazi-Besetzung in Dänemark zeigte sich dort ein gemeinschaftliches soziales Niveau (als Gegensatz zu „asozial”), das man außerhalb von Skandinavien vergeblich sucht. Dank dem lebensgefährliche Engagement des deutschen Diplomaten Georg Ferdinand Duckwitz und zahlloser Dänen wurden dort fast alle Juden vor der Ermordung bewahrt (sh. Wikipedia: „Rettung der dänischen Juden”), während andernorts viele vor allem vom Judenmord profitiert und sich bereichert haben.


Durch den Raubtier-Kapitalismus wird auch das gegenseitige Vertrauen der Umverteilungsopfer zueinander untergraben. Die soziale Marktwirtschaft kann dagegen in den skandinavischen Ländern einen gewissen Ausgleich schaffen, so dass in Dänemark und Schweden mehr als 60 Prozent der Menschen einander vertrauen und dementsprechend auf der Glücksskala von Veenhoven (sh. oben) einen Wert von 8 erreichen, während das gegenseitige Vertrauen in Deutschland nur noch bei etwa 30 Prozent und der Glücks-Index auf dieser Skala nur noch bei 6,5 liegt (lt. Studie der Deutsche Bank Research mit dem irreführenden Titel  „Die glückliche Variante des Kapitalismus”, Frankfurt a.M. 2.4.2007, S. 9, bezogen auf die World Database of Happiness, World Value Survey).


In einem Interview mit dem US-„Glücksforscher” Daniel Gilbert (DER SPIEGEL 31/2006, S. 118) fragte der
 

SPIEGEL: Sie behaupten auch, Geld sei ein überschätzter Stimmungsaufheller. Wollen Sie ernstlich behaupten, Ihr Gehalt als Harvard-Professor trage nicht entscheidend zu ihrem Wohlbefinden bei?

Gilbert: Studien legen nahe, dass die erste Hälfte meines Gehalts ganz wesentlich zu meinem Glück beiträgt. Die zweite Hälfte jedoch ist überflüssig, unnötig und ohne Belang. Wenn sie es einmal in die Mittelschicht geschafft haben, dann erkauft Ihnen mehr Geld kaum zusätzliches Glück.
 

Statt dafür zu sorgen, dass das gemeinsam erwirtschaftete Volkseinkommen die Menschen glücklicher macht, überlassen es die neoliberalen Politiker der bloßen pathologischen oder obszönen Gier von nimmersatten Abzockern, insbesondere durch die steuerliche Umverteilung nach oben. Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD)  hat eine Ahnung vom unterschiedlichen Glücksbeitrag jedes einzelnen Euros. Er spürt, dass der zusätzliche Euro des Profiteurs diesem viel weniger Glück bringt als er dem abgezockten Kleinverdiener und ruinierten Hartz-IV-Konkursopfer nimmt. Immerhin hat Steinbrück für seine Umverteilung nach oben eine Monatspension von etwa 10.000 Euro zu erwarten (sh. „ täglich NRW (18)”, tagesspiegel.de, 25.5.05),  aber dennoch war er schon unter Rot-Grün maßgeblich daran beteiligt, seine Steuern darauf um monatlich mehr als 1.000 Euro zu senken. Ein laues Quentchen mehr Glück hat ihm das anscheinend trotzdem gebracht, denn er zitierte dazu im DW-Radio den Satiriker Peter Zudeick mit den Worten:
 

Das schöne Gefühl Geld zu haben, ist nicht so intensiv wie das saublöde Gefühl, kein Geld zu haben.
 

(Mitgeschrieben nach dw-radio.de vom 6.1.07, ca. 9:20h, und nachzulesen unter  „Der satirische Wochenrückblick von Peter Zudeick”, Sendung vom 4.11.06, wdr5.de.)
 

Selbst das Verfassungsgericht proklamierte einmal einen „Halbteilungsgrundsatz”, wonach das „arbeitende” Privateigentum nur bis zur Hälfte seines Ertrages mit Steuern belastet sein darf. Mittlerweile wird von den neoliberalen Meinungsmachern – auch für die größten Beutestücke aus dem Volksvermögen – eine Ertragsbelastung von höchstens 30 Prozent angestrebt. Eine solche Heiligung der großen Privatisierungen berechtigte schon den altrömischen „pater familias” über Jahrhunderte, das „Privateigentum” (von lateinisch privare = berauben, befreien) an seinen unerwünschten Neugeborenen aufzugeben und sie auf öffentlichen Dunghaufen auszusetzen! (sh. Wikipedia: Römisches_Eherecht).

Die Dänen halten in ihrer Mehrheit offenbar nichts von asozialer Politik. Die Mentalität ihrer Mehrheit dürfte auch an den dänischen Bestverdienern nicht spurlos vorübergehen. Daher ist dort auch bei den Meinungsmachern in Verteilungsfragen eine gewisse Aufrichtigkeit zu erwarten, während hierzulande von den Neoliberalen nur die verlogene Thatchers TINA-Phrase gedroschen wird („keine Alternative!” - sh. unten). Ein kleines Land wie Dänemark könnte Modelle liefern für Ertragsteuern, Abgaben und Transparenz in Deutschland. Dann könnte Deutschland - in Verbindung mit anderen Ländern - Modelle liefern gegen die weltweite neoliberale „Epidemie” (sh. hier weiter unten).

Unter den neuen Beitrittsländer erreicht nur Slowenien mit dem Eurostat-Wert S80/20-Wert vom 3,2 eine ähnlich ausgeglichene Verteilung des Volkseinkommens wie Dänemark (sh. „ Monetäre Armut in den neuen Mitgliedsstaaten und den Bewerberländern”, Eurostat, 12/2004, sowie die dort verwendeten Länderkennzeichen: Slowenien = SI).


Aus den eingangs zitierten Ausführungen von Orszag und Stiglitz lässt sich ableiten,  dass Maßnahmen zum Ausgleich des obigen Einkommens-Anteilsverhältnis S80/S20 letztlich zugleich Handlungsvariable zur Förderung der Konsumnachfrage und des Arbeitsmarktes sind,
auch wenn bei ungünstiger Verteilung z.B. eine Konjunktur „auf Pump” oder durch Parasitismus und Sonderfaktoren möglich ist.


Zur charakterlichen Verfassung der neoliberalen Meinungsmacher in Deutschland im Vergleich zu ihren moralisch weit entfernten „ Kollegen” in Skandinavien schreibt der Journalist Harald Schumann in seinem Artikel „ Wer nicht richtig rechnet”, tagesspiegel.de, 10.10.04 (sh. oben):
 

Der Blick in die erfolgreichen skandinavischen Länder offenbart, wo das eigentliche Problem liegt: Dort stehen die Eliten zu ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl und den sozialen Zusammenhalt. Hierzulande strebt die Mehrheit der Gewinner eine gespaltene Gesellschaft nach angelsächsischem Vorbild an. Das aber ist ein Spiel mit dem Feuer, weil es große Teile der Bevölkerung zuerst in die Resignation und dann den rechtspopulistischen Verführern in die Arme treibt. Wie groß das Risiko ist, war Ludwig Erhard noch bewusst...
 

Auf  Kosten der Skandinavier betreibt Deutschland selbst Steuerdumping trotz jährlich 80 Milliarden Euro Einheitskosten, und es soll nach dem Willen der schwarzen und gelben Neoliberalen mit weiter abgesenkten Spitzensteuersätzen noch mehr zum Einkommensteuer-Paradies für sie und ihre bestverdienende Kundschaft werden als zuvor schon unter Rosa-Gilbgrün. Es reicht also nicht, das Glück der Volksbetrüger und sonstigen „Bestverdiener” auf Kosten aller übrigen sicherzustellen oder die Raffgierigen zu „beglücken”, die sich sowieso mit nichts zufrieden geben.

Das dänische „Fordern und Fördern” ist offenbar auch kein nationales Glücks-Problem bei der vorbildlichen Arbeitslosenunterstützung in Verbindung mit der niedrigen Arbeitslosenquote dank Steuerfinanzierung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Damit könnte man in Deutschland auch die Kombilöhne im Niedriglohnbereich vermeiden und die Hartz-IV-Zuschüsse für 300.000 Vollzeitarbeitskräfte im Niedriglohnbereich weitgehend einsparen (sh. „300.000 trotz Vollzeitjob arm”, taz.de, 3.4.06).

Zur Vermeidung von weiterem Lohndumping durch Missbrauch von Kombilöhnen usw.  sind jedoch gesetzliche Mindestlöhne nach dem Vorbild anderer Länder einzuführen (sh. hier Mindestlohn.htm).  Außerdem sind gesetzliche Mindestlöhne ohnehin erforderlich, um sie nach EU-Recht verbindlich vorschreiben zu können bei der Öffnung des Dienstleistungsmarktes für Auslagerung von Dumping-Dienstleistern nach Polen, Tschechien usw. (sh. hier EU-Lohndumping.htm).

Statt den gesetzlichen Mindestlohn und eine verstärkte Steuerfinanzierung von Sozialabgaben einzuführen, verwaltet man in Deutschland eine etwa doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie in Dänemark und lässt sich das 100 Milliarden Euro im Jahr kosten (sh. Interview mit Hans-Werner Sinn, derstandard.at, 11.1.06). Als Vertrauen schaffende Maßnahme zum Hartz-Spektakel  hat man zumindest die sprachliche Aufrüstung auf ein gewisses „modernes” Standing gebracht:
 

Ein Arbeitsloser kommt ins Job-Center, trifft am Front Desk auf den Case-Manager, der auf Grundlage eines Tiefenprofilings mit Unterstützung des Back Office ein Vermittlungsangebot an die PSA macht.[94]
 

Mit diesem nutzlosen Hartz-IV-Brimborium werden die Kosten für das Arbeitslosengeld II für das Jahr 2005  auf fast 30 Milliarden Euro ansteigen. Bundesminister Wolfgang Clement hat gleich nach der Bundestagswahl 2005 während seiner letzten Tage als Bundeswirtschaftsminister etwa 26 Milliarden Euro zugegeben, während er kurz vor der Wahl noch auf  14,6 Milliarden  Euro tiefgestapelt hatte.

Zur Ablenkung von seinen falschen Angaben und vom  Arbeitsplatzvernichtungsprogramm der Neoliberalen hat Clement zeitgleich mit diesem Kassensturz eine populistische Missbrauchskampagnen gegen die Arbeitslosen inszeniert
  - mit weiteren Kostensteigerungen durch Kontrollbesuche, Kontrollanrufe und mit zusätzlichen Aufwendungen für schlagzeilenträchtige Anwesenheitsprogramme, weil die Arbeitslosenquote von ca. 10 Prozent lt. Clement um „mindestens 10 Prozent” überschätzt werde (also tatsächlich um einen Prozentpunkt(!) bei versteckter Arbeitslosigkeit von etlichen Prozentpunkten). Siehe dazu „Hausbesuche gegen Hartz-Missbrauch”, spiegel.de, 8.10.05, und  „Clements Anti-Abzocke-Plan”, Berliner Zeitung, 8.10.2005. Mehr oder weniger erzwungener Missbrauch im Millionen-Euro-Bereich wird flugs zur Ablenkung von Falschangaben im zweistelligen Milliardenbereich missbraucht mit
Clements Volksverhetzungsbroschüre:  "Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, 'Abzocke' und Selbstbedienung im Sozialstaat", mit der er sich wieder einmal als einer der  „Anständigen” outet (sh.  „Clement angezeigt” , taz.de, 29.10.05). Persönlich hat es sein Schäfchen allerdings im Trockenen (sh. oben und „Auch Clement sahnt ab”, berlinonline.de, 14.2.06). Bei der industriefinanzierten Meinungsfabrik INSM hält er sich aber nun im Hintergrund, nachdem er dort seinen Posten als „Kurator” aufgegeben hat (sh. hier auch Meinungskauf/Wir-Papst-Du- Deutschland.htm). So hält er sich dort mit weiteren ausgetreten „Botschaftern” wie seinem Gesinnungsgenossen Gerhard Schröder diskret im Hintergrund (sh. ebd. und unter INSM bei Wikipedia; sh. hier auch Clements Lobbyismus für die Energiepreis-Treiber von RWE).

Clements „Abzocke” soll also den neoliberalen Ministern, Propagandisten und sonstigen „Bestverdienern” vorbehalten bleiben bei ihrer Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung in die eigenen Taschen. Zur Finanzierung dieser Umverteilung nach oben wurde auch die Arbeitslosenunterstützung auf Hartz IV gekürzt, obwohl eigentlich die Verantwortlichen mit 347 Euro monatlich die Folgen ihrer Politik zu tragen hätten und damit noch überbezahlt wären.

Es war zwar konsequent, dass Clement schließlich unter Druck der SPD den Rücken gekehrt hat und dann bei der Bundestagswahl 2009 ausgerechnet für die FDP und ihre Regierung mit den „Christlichen” in den Wahlkampf gezogen ist (sh. „ Clement wirbt für Westerwelle”, stern.de, 25.9.2009), aber die Frage ist doch, warum die SPD solche Figuren zusammen mit Schröder und seinem Tross so lange in ihren Reihen geduldet hat und dadurch erst die Hälfte ihrer Wählerstimmen und Mitglieder verlieren musste, bis sie vielleicht zur Besinnung kommt.

Der Anteil der Hartz-IV- und Sozialgeld-Bezieher, die sich „vor der Arbeit drücken” oder „illegal” etwas hinzuverdienen, liegt nach allen Recherchen im Minimalbereich. Ein viel höherer Anteil von ihnen verzichtet sogar auf die Brosamen, die ihnen zugestanden werden. Dagegen entspricht der Anteil der tonangebenden Meinungsmacher, die den Wähler- und Selbstbetrug zur Umverteilung der jährlichen vier- und mehrstelligen Steuergeschenke (sh. oben) in ihren eigenen Taschen betreiben, genau den Neoliberalen unter ihnen. Das ist aber ihre weit überwiegende Mehrheit der Unersättlichen, unter denen auch noch etliche durch Hetze gegen ihre Umverteilungsopfer von ihrem Betrug ablenken.


Im Dilemma zwischen diesen teilweise drastischen Kürzungen zugunsten jener Profiteure und dem Verlust der Arbeitsplätze werden die Arbeitslosen aus Existenznot gewissermaßen in die Illegalität oder zumindest in Ausweichgestaltungen gedrängt. - Um die geringe Differenz zwischen Nettolöhnen und Lohnersatzleistungen im unteren Bereich nach der Forderung der Neoliberalen zu vergrößern, könnte man wenigstens hier übergehen zu einer (teilweisen) Steuerfinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern oder zu  einer negativen Einkommensteuer. Da dies aber mit einer Rückkehr der „Bestverdiener” zu ihrer früheren Steuersätzen verbunden wäre, schlagen die „Wirtschaftsweisen” (mit Ausnahme von Peter Bofinger) und die sonstigen Neoliberalen statt dessen noch weitere Kürzungen der Ersatzleistungen vor, um den Anreiz zur Annahme der nicht vorhandenen (vernichteten) Arbeitsplätze zu erhöhen (sh. „Bofinger hat wieder 'eine andere Meinung'”, netzeitung.de, 9.11.05) bei einer Arbeitslosenquote von etwa 10%!
 
Volker Kauder und Ole von Beust (beide CDU) begründen solche Kürzungen sogar mit ihrer Irreführungsparole von der „ Aufstiegsgesellschaft” (sh. „ Söder poltert, Thierse mahnt”, spiegel.de, 21.12.06), als ob die Opfer ihrer Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben selbst diese zynische Politik reparieren könnten.

Auch der frühere Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven ist nicht zufrieden mit den 347 Euro monatlich plus Sozialmiete. Die Rheinische Post zitiert ihn wie folgt (sh. „Minijobs sollen Kombi-Löhnen weichen”,  rp-online.de, 2.1.06):
 

Zum anderen sollte man das Arbeitslosengeld II drastisch kürzen. Damit würde der Staat zugleich den Anreiz für die Arbeitslosen erhöhen, sich einen gering entlohnten Job zu suchen.
 

Weiter heißt es dort zu dem sympathisch erscheinenden Liebling der neoliberalen Medien Hans-Werner Sinn:
 

Sein Kollege Sinn hatte bereits früher gefordert, die frühere Sozialhilfe um mehr als 30 Prozent zu senken.
 

Auch für die meisten übrigen „Bestverdiener” unter den deutschen Ökonomen ist ein Teil der 347 Euro in ihrem Portemonnaie besser aufgehoben als bei den Hundert-Prozent-Konsumenten, die durch mangelnde Konsumnachfrage ihre Arbeitsplätze verloren haben und aus diesem Grund auch keine mehr finden. Diese Mainstream-Ökonomen spielen daher geflissentlich das Verhältnis der Arbeitslosenquote zur Quote der offenen Stellen herunter (sh. Beveridge-Kurve), das bis Anfang der siebziger Jahre einmal einen Stellenüberschuss auswies. Im Jahre 1980 lag die Arbeitslosenquote im siebenten Jahr der Regierung von Helmut Schmidt noch unter 4% (sh. hier Kohl-Verteilung.htm), und zwar bei mindestens gleichem Kündigungsschutz wie heute, obwohl dieser heute verstärkt vorgeschoben wird (sh. plusminus vom 11.3.03), um von der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben abzulenken. In den Jahren 1981 und 1982 schnellte die Quote jedoch durch den zweiten Ölpreisschock kurzfristig auf 7,5% hoch und konnte durch die anschließende Umverteilungspolitik der Regierung Kohl ab 1982 nicht nachhaltig zurückgeführt, sondern nur noch erhöht werden (sh. hier Kohl-Verteilung.htm). Bereits im Jahre 1996 stand einer Arbeitslosenquote von 9% eine Vakanzquote (= offene Stellen/Erwerbspersonen) von 1% gegenüber (sh.  much-magic/wiwi.uni-frankfurt.de -Prof. R. Hujer, und SVR-Gutachten 2005/06, Ziffer 228, S. 166, Schaubild 33). Bis zum Jahr 2004 verschlechterte sich dieses Verhältnis noch weiter auf ca. 9% zu ca. 0,7% (sh. auch  OECD-Wirtschaftsberichte - Deutschland, August 2004, S. 28, Abbildung 1.6).
 

Es war ein erster Lichtblick, dass mit Peter Bofinger auch einmal ein neuer deutscher Wirtschaftsweiser öffentlichkeitswirksam in wichtigen Punkten von der neoliberalen Linie abweicht. Dazu heißt es in der Berliner Zeitung:
 

Heftige Kritik an der Hartz-IV-Reform übte derweil der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Das Gesetz sei zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ungeeignet. Es komme ihm vor wie eine „Bypass-Operation für einen Asthmakranken. Dem Patienten wird viel zugemutet, doch er profitiert davon nicht”, sagte Bofinger. Das Problem sei nicht mangelnder Druck auf die Arbeitslosen, sondern der Mangel an Jobs.[95]
 

Als Beispiel zur Entwicklung solcher Medizin empfiehlt sich auch der „köstliche” Titel „Warum hat Ludwig XIV. so gestunken?” von Hans Conrad Zander (sh. vorübergehend als „Audio-on-Demand” unter dradio.de, 27.12.05, 10:36 Uhr, danach als Hörkassette, z.B. „ZanderFilets”, antiquarisch, mit anderen Titeln im Handel).

In einem mutigen Interview von Peter Bofinger mit der taz konnte schließlich auch noch von prominenter Seite eine kurze Bestätigung der Kernthese gefunden werden, die hier vertreten wird: [96]
 

Die Sozialabgaben sind zu hoch. Weniger Sozialbeiträge, mehr Steuern - dann wären wir im europäischen Maßstab wieder richtig positioniert …

Bei Steuersenkungen profitieren eher die Gutverdienenden. Wenn man geringe und hohe Einkommen um den gleichen Prozentsatz entlastet, hat der Wohlhabende absolut gesehen mehr Geld in der Tasche. Bei den Sozialabgaben hingegen profitieren kleine und mittlere Einkommen - Wohlhabende zahlen ja nicht in die kollektive Versicherung ein. Der Schub für die Wirtschaft wäre größer, weil Kleinverdiener zusätzliches Geld fast vollständig wieder ausgeben …
Die Sozialabgaben sind auch deshalb gestiegen, weil sie für viele Aufgaben benutzt werden, die man aus Steuergeldern bezahlen sollte: die ostdeutschen Renten nach der Wiedervereinigung oder die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen...
 

Dennoch zitiert BILD (am 28.2.2005) Hans-Werner Sinn weiterhin mit der richtigen Beschreibung der Symptome und der falschen Überschrift:
 

Steuern runter!
Es ist absurd, wenn der Staat von dem Geld, das ein Kunde für die Überstunde eines Malergesellen zahlt, 64 Prozent über Steuern und Sozialabgaben wegkassiert. Das ist Gift für die Motivation und ein Turbo für die Schwarzarbeit.
 

Hans-Werner Sinn propagiert allerdings selbst auch nur neoliberale Rezepte.

Warum kommen die Experten nicht auf die einfachen Konsequenzen, die von den 400 US-Ökonomen sowie Orszag und Stiglitz so allgemeinverständlich dargestellt wurden? Warum wollen sie nicht die Umverteilung zu ihren Gunsten korrigieren? Liegt es an einer Denksperre, Denkschulen-Fixierung, an Ideologie, Gewohnheit, Konformismus, Gruppenzwang, Eigeninteresse? Oder weiß man hier alles besser? Warum ist ihnen ihre übervolle Brieftasche wichtiger als die Verfassung?

Dazu sagt der Bundesrichter und parteilose Kandidat des Linksbündnisses Wolfgang Neskovic, selbst kein Geringverdiener, aber vor allem kein Charakterloser, in einem DLF-Interview vom 26.7.05:
 

Den Spitzensteuersatz zu senken und gleichzeitig mit Hartz IV gesetzlich Armut zu verordnen, ist zwar neoliberale Politik, hat aber mit dem Grundgesetz nichts zu tun. Wer meint, wir könnten uns den Sozialstaat nicht leisten, bewegt sich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, denn wir müssen uns den Sozialstaat leisten, weil das Grundgesetz ihn fordert,
 

und weiter auf die Frage „ Sind Sie ein Idealist?”:
 

Als Richter ein Idealist zu sein, mag träumerisch erscheinen, aber ich glaube daran, dass es möglich ist, Gerechtigkeit herzustellen, wobei ich es mir nicht anmaße, Gerechtigkeit zu definieren, aber ich weiß konkret, was Ungerechtigkeit ist, und gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, stellt den Weg zur Gerechtigkeit dar.
 

Herbert Schui (WASG), emeritierter Ökonomie-Professor und ebenfalls Kandidat des Linksbündnisses, erläutert die wirtschaftlichen Gründe in seinem Artikel „Produktivität und Wohlstand - Grundlagen für eine andere Politik”, 7.8.2004, unter linksnet.de:
 

Tatsächlich werden die meisten Menschen trotz der steigenden Produktivität ihrer Arbeit immer ärmer. Das ist absurd...
Die Förderung der Gewinne zu Lasten der Löhne und Steuereinnahmen schafft nicht nur zunehmend ungerechte Verteilungsverhältnisse. Sie setzt auch eine verhängnisvolle gesamtwirtschaftliche Dynamik in Gang: Sie drosselt die private Konsumnachfrage und die staatlichen Ausgaben, weil aus einem Gewinneuro weniger Cent ausgegeben werden als aus einem Euro Lohneinkommen, Staatseinnahmen oder Einnahmen der gesetzlichen Sozialversicherungen. Dieser Rückgang der Konsumnachfrage wird nicht ausgeglichen durch steigende private Investitionsausgaben. Denn steigende Gewinne sind für die Unternehmen kein Anlass zu investieren. Das mäßige Wachstum der Nachfrage steht einer Vergrößerung der Kapazitäten entgegen...
Die Folge ist, dass der Binnenmarkt austrocknet und die Binnennachfrage insgesamt schrumpft. Die Unternehmen kürzen ihre Investitionsausgaben, auch wenn sie angesichts der hohen Gewinne mehr Ausgaben finanzieren könnten...
Weil Produktion und Beschäftigung von der Nachfrage abhängen und weil die Verteilung des Volkseinkommens die Nachfrage beschränkt, verliert das Wirtschaftswachstum weiter an Dynamik...
 

Im Unterschied zur obigen Argumentation von Orszag, Stiglitz, O'Neill und Haavelmo wird hier die Umverteilungswirkungen nicht im Hinblick auf die „Bestverdiener” im allgemeinen, sondern speziell im Hinblick auf die Unternehmensgewinne betrachtet. Dabei wird aber besonders die bekannte Tatsache beleuchtet, dass auch diese Gewinne keineswegs überwiegend als arbeitsplatzschaffende Investitionsnachfrage in den Kreislauf zurückfließen, sondern ihm vielfach ebenfalls entzogen werden. Ohne sinnvolle Verwendung der volkswirtschaftlichen Überschüsse zur Entlastung der angebotenen Arbeit von den falsch verteilten Kosten des Sozialstaates werden Investitionen eher zur Vernichtung von Arbeitsplätzen eingesetzt.

Statt eine geringere Belastung der Löhne durch Rückkehr zu ihren alten Spitzensteuersätzen zu fordern, wartet die weit überwiegende Mehrheit der Meinungsmacher in Politik, Medien und Wissenschaft mit einem Schwall von Ablenkungsmanövern auf, fordert für den Waren-Exportweltmeister Deutschland in ihren Instituten oder in den Talkshows die weitere Export- und Konjunkturförderung durch realen Lohnstopp und Lohnsenkungen im untersten Bereich - bei gleichzeitiger Absenkung der Sozialhilfe zu Lasten der Konsumnachfrage, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel usw.

Die neoliberalen Meinungsmacher verweisen ständig auf die hohen Lohnstückkosten des Exportweltmeisters (sh. die typische Pressemitteilung vom Institut der deutschen Wirtschaft:
Lohnstückkosten - Ausland um 17 Prozent billiger”, presseportal.de, 5.10.05, und die seriösere Darstellung von Alois Guger: „ Internationale Stückkostenposition 2004 verbessert”, wko.at, 11/2005). Sie reden aber stets darum herum, dass diese Spitzenposition bei der Kostenbelastung durch die einseitige hohe Belastung ausgerechnet der Löhne mit den Kosten des Sozialstaates entstanden ist. Bei etwas mehr Ehrlichkeit müssten sie nämlich auf ihre Steuergeschenke verzichten. Auch die konjunkturschädlichen Reallohnsenkungen der letzten fünfzehn Jahre, z.B.  von etwa 7 Prozent zu Lasten der Arbeiter (sh. Pressemitteilung destatis.de, 27.11.06: 25% - 32%),  bei deutlichem Lohnanstieg in dem umgebenden EU-Ländern werden von ihnen mit dem Hinweis auf das hohe und überfrachtete deutsche Ausgangsniveau heruntergespielt.  Die Nutznießer des Exportbooms und der Reallohnsenkungen wollen einfach nur ihre Gewinne noch weiter erhöhen auf Kosten der Konsum- und Gesamtnachfrage und damit per Saldo auch zu Lasten der Arbeitsplätze (sh. hier Kohl-Verteilung.htm#Lohnanpassung).

Die Umverteilung zugunsten der Export-Gewinne und zu Lasten der weit wichtigeren Binnennachfrage kommentiert Peter Bofinger wie folgt:
 

Das Problem ist, dass die Binnennachfrage den größten Teil unserer Gesamtnachfrage ausmacht, dass also etwa zwei Drittel der Gesamtnachfrage auf die Binnennachfrage entfallen. Und wenn dieses Herz der Konjunktur nicht richtig schlägt, dann fehlt es an Dynamik, auch wenn die Exporte ganz toll laufen...
Entscheidend ist, dass unser Aufschwung anhält. Wir wollen ja nicht nur ein Jahr Aufschwung wie im Jahre 2006, wir wollen einen Aufschwung in 2007, 2008, damit die Arbeitslosigkeit nachhaltig zurück geht. Damit wir so einen selbst tragenden Aufschwung bekommen, muss auch der private Verbrauch stärker steigen.

 

(Sh. „Satte Gewinne, sinkende Löhne”, zdf.de, 7.2.07, mit Video und Grafik der Entwicklung von Kapital- und Lohneinkommen.)
 

„Zum Weltwirtschaftsbericht des Internationalen Währungsfonds erklärt Herbert Schui, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag” lt. die-news.de vom 5.4.2007:
 

Deutschland braucht die Exportkrücke, weil die Binnennachfrage krankt.


Über den Beginn des Jahres 2007 hinaus wird die Konjunkturankurbelung durch den Mehrwertsteuer-Endspurt zwar etwas weiter getragen von der starken Weltkonjunktur, aber der minimale Beschäftigungsanstieg, besonders bei den prekären Arbeitsverhältnissen, ist nicht wegen, sondern trotz dieser Umverteilung nach oben erfolgt.

Zum Misserfolg dieser deutschen neoliberalen Politik äußerte sich Anfang April 2007 der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem neuesten Bericht:
 

IWF: Weltwirtschaft robust - Deutschland hinten
Die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr trotz einer leichten Abschwächung weiter robust - allerdings muss sich Deutschland im internationalen Wachstumsvergleich mit einem der hinteren Plätze begnügen. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist 2007 weltweit mit einem Wachstum von 4,9 Prozent zu rechnen, nach 5,4 Prozent 2006. Während die USA 2007 ein Plus von 2,2 Prozent erwarten dürfe, blieben Deutschland und Italien mit je 1,8 Prozent Schlusslicht unter den großen Industrieländern.

 

(Sh. abendblatt.de, 12.4.2007, und  IMF: WORLD ECONOMIC OUTLOOK APRIL 2007. Vgl. auch ROUNDUP/IWF: „Weiter robustes Wachstum weltweit - Deutschland aber hinten”, finanznachrichten.de, 11.4.2007). Die etwa 5 Prozent Wachstum der Weltwirtschaft sind der stärkste Wert seit dreißig Jahren (sh. „ G7-Minister – Weiteres Wachstum erwartet”, n-tv.de, 14.4.2007, aber den weltweiten Aufschwung  gibt es schon seit vielen Jahren (sh. „ Weltwährungsfonds veröffentlicht Herbstgutachten”, swr.de, 18.10.2007), ohne dass Deutschland mit seiner Konsumdrosselung davon profitieren konnte. Noch im April 2007 erwartete man hierzulande ein Wachstum für 2007 von nur 1,2 Prozent (sh. „Wirtschaftswachstum„ wko.at, Stand 12.4.2007) und nicht ca. zwei Prozent nach den neusten Prognosen des IWF. Im übrigen sind die bestbezahlten Meinungsmacher und Leitungsfiguren des IWF für ihre eigene neoliberale Politik berüchtigt und fordern deren Fortsetzung auch für Deutschland (sh. dazu auch das Interview mit dem ehemaligen Vize-Chef der Weltbank und Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hier unter Linksbuendnis.htm).


Das deutsche Wachstum von ca. 2,5% in 2006 ist - im Hinblick auf den Mehrwertsteuer-Endspurt - im internationalen Vergleich weiterhin kläglich (sh. „Wirtschaftswachstum” im internationalen Vergleich, wko.at, Stand 13.1.07) und kann auch bei dieser Konsumdrosselungs-Politik auch nicht besser sein. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen sind zwar im Jahr 2006 um 6,9 Prozent gestiegen (sh. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung „ Deutsche Wirtschaft im Jahr 2006 kräftig gewachsen”, destatis.de, 11.1.07, gefunden über Menüpunkt PRESSE > „Pressekonferenzen”).  Aber der durchschnittliche Einkommensanstieg der Arbeitnehmer von 1,3 Prozent (ebd.) deckt bei weitem nicht ihre Mehrbelastungen durch die Umverteilung nach oben (sh. „Deutsche Inflationsrate angestiegen”, finanztreff.de, 22.12.06), vor allem nicht bei den Lohngruppen im unteren Bereich und mit deutlich geringerem prozentualen Anstieg.
Zur Fortsetzung dieser Politik in 2006 und 2007 sagte Oskar Lafontaine (sh. presseportal.de, 12.1.07):
 

Die Schönfärberei der Bundesregierung wurde damit als politische Zweckpropaganda entlarvt, denn diese Zahlen machen deutlich: Die Politik der Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt. Während eine Minderheit über immer höhere Einkommen und größere Vermögen verfügt, muss die große Mehrheit der Bevölkerung Verzicht üben. Die Arbeitnehmer auf Weihnachts-, Urlaubsgeld und angemessene Lohnerhöhungen, für die Rentner gibt es eine Nullrunde nach der anderen,  Sozialleistungen werden gekürzt.

Die Bundesregierung setzt auch 2007 diese skandalös unsoziale Politik fort. Mehrwertsteuererhöhung, Kürzung von Pendlerpauschale und Sparerfreibetrag belasten Arbeitnehmer, Rentner, Geringverdiener mit 30 Milliarden. Die Unternehmen aber sollen um zehn Milliarden Steuern entlastet werden. In dieses Bild passt, dass das reine
Geldvermögen in Deutschland bei wachsender ungleicher Verteilung um sechs Prozent auf 4,54 Billionen Euro gestiegen ist. Dennoch weigert sich die große Koalition des Sozialabbaus die Vermögensteuer wieder zu erheben.


Dennoch klingen die Parolen der Neoliberalen für den Laien oft so überzeugt und ehrlich, dass sie am ehesten mit profitablem Selbstbetrug zu erklären sind. Grundlage hierfür ist die egoistische Selbst-Indoktrination, die über den Standesdünkel bis zum Rassenwahn geht. Bestenfalls kann man den Profiteuren Ignoranz oder blindes Vertrauen in falsche Ratgeber zubilligen, das im Fall der verantwortlichen Politiker und anderen Meinungsmacher kaum entschuldbar ist und sie zumindest für diese Funktionen disqualifiziert. Das gilt auch dann, wenn jemand in eine parasitäre Ideologie hineingewachsen ist und sich noch als Erwachsener mental bequem zurückzieht auf diese  „selbstverschuldeten Unmündigkeit” (zu diesem Begriff sh. Immanuel Kant: „Was ist Aufklärung?”). Man kann sich in seiner Bequemlichkeit nicht immer damit herausreden, dass man von allem Unrecht und Elend nichts gesehen und gewusst habe, dass man auch politisch immer nur mit der Propaganda der Profiteure gefüttert worden sei. Dennoch ist es fraglich,
ob die Neoliberalen die Folgen ihres Verhaltens für andere genau im Blick haben. Wahrscheinlich wirkt auch hier - schon in der Wahrnehmung - meist der profitable Selbstbetrug. (Zur Psychologie des Wegschauens sh. z.B. hier die Übersetzung der Rezension von Roger-Paul Droit: „Das Verbrechen der Gleichgültigkeit” zum Buch von André Glucksmann: Das Gute und das Böse). Die Macht des Geldes findet – wie die nackte Gewalt – stets ihre willigen Vollstrecker und manipulierten Mitläufer.

Abgesehen von der physischen Gewalt ist es demnach ähnlich wie zum Beispiel im „Dritten Reich”, wo die
propagandistische Rechtfertigung von Plünderung und Massakern von den kleinen Geiern gern als selbstbetrügerischer Freibrief übernommen wurde. Man konnte sich damit sogar moralisch und vaterländisch aufblasen bei der Verdammung und Erschießung von Deutschen, die von der Führer-Fahne geflohen sind oder gegen die Raubzüge opponiert haben. Diese Heuchelei der Möchtegern-Profiteure diente auch als Rechtfertigung für die feige Respektierung des Kapitulationsverbot durch General Paulus in Stalingrad, wodurch er hunderttausenden seiner Leute in den Tod durch Hunger, Kälte und Massaker zwang, in Kannibalismus und psychischen Zusammenbruch, während er selbst bei Cognac, Braten und Zigarrenrauch (lt. Hauptmann Gerhard Dengler, sh. „Kadavergehorsam”, zdf.de, 14.1.03) bis zur letzten Minute ängstlich seinen manipulierten Eid auf den Ober-Propagandisten als Ausrede vorschob. - Viele wurden schon in sehr jungen Jahren der rechtfertigenden Rundum-Manipulation zu Raub und Plünderung ausgesetzt und im Elternhaus nicht dagegen immunisiert. Ehe sie recht zur Besinnung kamen, wurden sie schon zu Vollstreckern gepresst oder „ geadelt”. Es sind also  nicht alle subjektiv und von Anfang an schuldig, die an die Propaganda glauben.

Das Geheimnis erfolgreicher Verdummungs-Rhetorik ist jedenfalls, dass der Redner glaubt, was er sagt. Tatsächlich bringen diese Umverteiler auch manchmal recht plausible Gedanken, solange es nicht an ihr eigenes Portemonnaie geht. Das Geheimnis ihres Verdummungserfolges liegt gerade in der geschickten Mischung von Wahrheit und Betrug. Die Wahrung ihres zusätzlich ergatterten Besitzstandes steht über allem, auch wenn sie ihre Steuergeschenke nur noch horten können. Aber die deutsche Konjunktur kann nicht allein dadurch an Fahrt gewinnen, dass der Exportweltmeister noch billiger fürs Ausland produziert.

Es geht um eines der letzten Tabus, auch in den USA, wo zum Beispiel die Schaffung einer allgemeinen Krankenversicherung und sonstiger sozialstaatlicher Selbstverständlichkeiten durch Korrektur von Bushs und Reagans Steuersenkungen für „Bestverdiener” nicht einmal von den Demokraten offen angesprochen werden kann, denn die hochbezahlten TV-Wirtschafts-Kommentatoren, neoliberalen Politiker, Lobbyisten und sonstigen Propagandisten als Medizinmänner der Nation haben durch ständige Verbannung dieser Möglichkeit und durch die Zauberformel „Steuererhöhungen„ mit ihrem mächtigen Medienapparat und gewaltigem Kapitaleinsatz bei der Tabuisierung ganze Arbeit geleistet.

In Deutschland darf sich das Unwort „Steuererhöhung” bestenfalls auf die Mehrwertsteuer beziehen, weil dadurch die bestbezahlten neoliberalen Propagandisten kaum betroffen sind. Sie wissen das genau und vermeiden daher in ihren flotten Interviews, strammen Verlautbarungen und übrigen Absonderungen peinlichst die Frage nach Erhöhung ihres Spitzensteuersatzes, fordern jedoch ständig (in bezug auf Umsatzsteuer und Umverteilung nach oben) „Es darf keine Tabus geben!”. Aber nachdem die Steuersenkung für „ Bestverdiener” in Deutschland zu einer der niedrigsten Steuerquoten in der EU geführt hat, würde eine Erhöhung der Mehrwertsteuer „ der Volkswirtschaft endgültig den Garaus machen”.[98]

Vielleicht tummeln sich auch deswegen so viele Juristen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, weil es dort gar nicht vorrangig um die Lösung ökonomischer Probleme, sondern lediglich um ihre eigenen finanziellen Interessen und die Wünsche zahlungskräftiger Lobbygruppen mit Hilfe von Gutachtern geht.[99]
Aber auch die meisten prominenten Wirtschaftsexperten in Deutschland verhalten sich wie Juristen in eigener Sache. Ihr  „Erkenntnisinteresse” oder „erkenntnisleitendes Interesse” ist nicht das Interesse an Erkenntnis oder am Gemeinwohl, sondern an der eigenen Brieftasche. Dagegen gibt es zumindest im Linksbündnis prominente Juristen, die - wie die amerikanischen Ökonomen (sh. oben) - längst begriffen haben, dass die Umverteilung nach oben zur Arbeitsplatzvernichtung führt.

Diese Tabuisierung und der Eigennutz der „Bestverdiener” gingen in den USA so weit, dass Bushs historisches Umverteilungspaket einschließlich Aussetzung der Erbschaftsteuer im US-Senat mit der Unterstützung von 12 der 50 demokratischen Senatoren durchgedrückt wurde![100] Ohne diese Überläufer zur Bush-Partei wäre das Stimmenverhältnis 50 zu 50 gewesen. Die Nichtwähler in den USA hätten es also nicht leicht, das geringere Übel zwischen den Parteien zu wählen. Aber die pinkgrünliche Schröder-Regierung hatte ihre drastische Senkung des Spitzensteuersatzes von 53% auf zunächst 45% ja sogar unabhängig von CDU und FDP geplant! Laut Heiner Geißler fühlten sich die Schwarzen auf diese Weise noch weiter nach rechts gedrängt.[102] Damit dürfte die Schröder-SPD den Weltmeistertitel bei der Umverteilung nach oben in der Kategorie der „Sozialdemokraten” errungen haben.

Peter Bofinger wird sich mit der entscheidenden Forderung in dem taz-Interview vom 17.3.2004 nach Entlastung der Kleinverdiener[103] durch seine Art der  „Gesundheitsprämie„ im Sachverständigenrat nicht durchsetzen. Die Unterstützung der manipulierten Wähler für seine Position ist noch zu schwach. Das Jahresgutachten 2004/05 schließt mit seiner Unterschrift die Mehrwertsteuererhöhung, also die konjunkturschädlichste aller Lösungen zur Mitfinanzierung dieser Kopfpauschale (sh. unten) nicht aus, sondern gibt ihr vielmehr einen Freibrief.[104]  Beim Jahrsgutachten 2005/06 konnte sich Bofinger allerdings mit seiner Ablehnung der Mehrwertsteuererhöhung gegen die übrigen vier durchsetzen - aus welchen Gründen auch immer (sh. „Wirtschaftsweise raten von höherer Mehrwertsteuer ab”, zdf.de, 9.11.05). Das Gutachten kam auch noch rechtzeitig zur Warnung der pinkschwarzen große Koalition für die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben bei ihrer Vereinbarung dieser Mehrwertsteuererhöhung  um drei Prozentpunkte (sh. „Nur Lügen aufgetischt”, n-tv.de, 11.11.05).

Auch die Gilbgrünen und der am weitesten vergilbte SPD-Flügel haben schon früh mit einer Mehrwertsteuererhöhung geliebäugelt. Wirtschaftsminister Clement (SPD) wollte lt. seinem Interview mit dem Berliner Hauptstadtbrief vom 25.3.2005 zwar zur Beibehaltung der Steuersenkung für „Bestverdiener” gern mit höherer Mehrwertsteuer bei den Ärmsten abkassieren, aber nicht sofort, also nicht vor der Wahl. Die grünliche „Haushaltsexpertin” Anja Hajduk könnte sich lt. Interview mit dem Hamburger Abendblatt vom 27.3.2005 wohl auch gleich bei garantierter Senkung der „Lohnnebenkosten” eine Mehrwertsteuererhöhung von 16% auf 18% vorstellen, um die Steuersenkung für sich, die Meinungsmacher und die übrigen „Bestverdiener” beizubehalten, kann sich damit aber nach den ersten Erfolgen des Linksbündnisses in ihrer Partei nicht mehr durchsetzen. Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ist für eine neue „Offenheit”, solange sie sich nicht auf die Korrektur seines Spitzensteuersatzes bezieht:
 

Man müsse „offen über eine Mehrwertsteuererhöhung reden”, um die Lohnnebenkosten senken zu können, sagte Koch mit Blick auf sozialpolitische Reformen im Wahlprogramm der Union, das am 11. Juli vorgelegt werden soll,
 

lt. sueddeutsche.de vom 17.6.2005, Titel „Diskussion über CDU-Programm”.

Überhaupt bestätigt auch die CDU-Programmdiskussion den obigen Untertitel „Fast ein Krimi” mit Doku-Anspruch durch ihren neoliberalen Quantensprung:
 

Huber [Erwin Huber, CSU] sprach am Donnerstag in Berlin von einem Programm „völlig neuen Typs”. Es werde „spannend wie ein Krimi und realistisch wie ein Dokumentarfilm sein, erhellend und aufbauend zugleich”, sagte er;
 

sh. „Wahlprogramm der Union - 'Spannend wie ein Krimi'”, sueddeutsche.de, 16.6.05. Es wird in der Tat außerordentlich „erhellend” und „aufbauend” für den Durchblick sein, wenn der kleine Zahlmeister in den nächsten Jahren merkt, wie die großen Profiteure mit ihrer geheuchelten Sorge um das Gemeinwohl ihren Würgegriff gegen ihn noch verschärfen, sich die Taschen füllen, den Konsum weiter drosseln und dadurch die Arbeitsplätze zusätzlich gefährden.

Peter Bofinger als „Neuer” im Sachverständigenrat  (seit dem 1.3.2004) gegen vier Recht(s)denkende und deren Anhang mit „Korpsgeist” [105] sowie gegen das gesamte Korps der neoliberalen Meinungsmacher hat einen schweren Stand. Selbst von den bestbezahlten Gewerkschaftsbossen, die ihn als Sachverständigen vorgeschlagen haben sollen, oder von allzu menschlichen Notabeln in „Grundwerte”-Kommissionen kann man in diesem Punkt keinen nennenswerten Rückhalt erwarten, nicht für die Korrektur der Umverteilung nach oben und deshalb auch nicht für ein Linksbündnis. Von den Gewerkschaftsbossen hat einmal Frau Mönig-Raane bei Sabine Christiansen den Mut aufgebracht (am 1.8.2004), von sich aus ihre Scham über ihre skandalösen pink-grünlichen Steuergeschenke zu bekennen.
Erst gut drei Jahre später sagte auch IG-Bau-Chef und SPD-Mitglied Klaus Wiesehügel immerhin:
 

„Es ist merkwürdig, den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent und am liebsten noch weiter zu senken und dann über Höchstgehälter zu reden.” Dies sei „einfach Heuchelei …Alle die jetzt schreien 'Wir sollten was tun', sollten schreien 'Wir sollten den Spitzensteuersatz wieder anheben' - das wäre ehrlicher.„
 

(Sh. „MANAGERGEHÄLTER: Gewerkschaftsboss sieht 'Gipfel des Populismus'”, spiegel.de, 15.12.2007, und „'Gipfel des Populismus' – Selbstkritik in der SPD”, n-tv.de, 15.12.2007.)


Ansonsten hört man fast nichts von diesen bestbezahlten „Arbeitnehmervertretern” zu ihren Spitzensteuersätzen. Von den obersten Gewerkschaftsspitzen ist also kaum Unterstützung für eine soziale Steuerpolitik zu erwarten.

Auch die geplanten Zuschüssen zum sozialen Ausgleichssystem dürften im Laufe der Jahre wegen der angeblichen „Sparzwänge” eher abgeschmolzen als erhöht werden, so dass am Ende amerikanische Verhältnisse drohen. In einem Artikel zur Arbeitsweise der bestbezahlten Gutachter heißt es:
 

Unter Gerhard Schröder wurde turnusmäßig fast der gesamte Sachverständigenrat ausgetauscht. Aber man kann nicht sagen, dass der Rat linker geworden wäre, auch wenn zwei Mitglieder das SPD-Parteibuch besitzen.105
 

Wen kann das wundern!  Dieser „Genosse der Bosse” mit seinem Tross, „Vorsitzender der Deutschland AG” (sh. „Die 50 Mächtigsten - Wer die Deutschland AG steuert”) und seiner Ich-AG, der überraschenderweise auch noch das SPD-Parteibuch besitzt, wurde  ja gerade für seine Umverteilung nach oben von den neoliberalen Meinungsmachern dermaßen hochgejubelt  - ebenso wie sein oberster „Wirtschaftweiser” und VerDi-Mitglied Wolfgang Wiegard (sh. Petra Schwarz: „Der neoklassische Sozialdemokrat”, Handelsblatt, 12.11.02). Gutachter, die auf dieser Linie lagen, waren sicher nicht schwer zu finden. Die gewünschte Wirkung bleibt nicht aus:
 

Trotzdem ist es dem Rat auf erstaunliche Weise gelungen, das Denken in der Bundesrepublik zu beeinflussen. Fast erscheint es so, als diffundiere das, was in der Professoren-WG im zwölften Stock gedacht wird, nach und nach in die Gesellschaft.105
 

Wie die „Meinungsbildung” mit Hilfe der „Wissenschaft” zum Beispiel zugunsten der Tabakindustrie erfolgte zeigt folgende Passage aus dem SPIEGEL-Artikel „Die Strippenzieher”, DER SPIEGEL, 24/2006, 12.6.06, über den deutschen „Verband der Cigarettenindustrie (VDC):
 

Undenkbar wäre der Erfolg des VDC gewesen ohne das fein abgestimmte Doppelpassspiel mit deutschen Wissenschaftlern. Dem Zigarettenkartell gelang es, weite Teile einer Berufsgruppe als Hilfstrupp zu gewinnen, die wegen ihrer vermeintlichen Unbestechlichkeit höchste Reputation genoss (SPIEGEL 49/2005). Zahllose Mediziner ließen sich von der Tabakindustrie bezahlen … Im Jahr 1975 gründete der VDC den „Forschungsrat Rauchen und Gesundheit”. Laut Dokumenten wurde der Rat genutzt, um tabakkritische Wissenschaftler in Schach zu halten und die Gefahren des Rauchens zu verharmlosen...
 

Ähnlich wie bei den neoliberalen Meinungsmachern, Abzockern und Profiteuren der Umverteilung nach oben dient der spendable Lobbyismus gegen das Volk auch hier nur dem „Gemeinwohl” (sh. ebd.):
 

Der VDC rechtfertigt seine Lobbyarbeit mit seiner Verantwortung für die deutsche Volkswirtschaft: Jede Steuererhöhung mindere den Absatz, koste Arbeitplätze und fördere den Schmuggel nicht versteuerter Zigaretten.
 

Der Erfolg der finanzstarken Lobbyisten zeigt sich schon daran, dass Deutschland und Luxemburg im Juni 2006 die einzigen EU-Staaten sind, die das EU-Tabakwerbeverbot noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben (sh. Wikipedia: Tabakrauchen). Eine ähnliche Rolle spielt die „Wissenschaft” auf dem Pharma-Markt, aber natürlich auch bei der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben mit Hilfe der Söldner-Trupps in den „Denkfabriken” und der übrigen neoliberalen Volksbetrüger.


Die Frage ist also, wie man den Geist aus der Flasche bändigt oder ob der sich wie in Grimms Märchen freiwillig ins Glas zurückzieht,[106] vielleicht weil sich der wirtschaftstheoretische Wind in den USA dreht[107] und die Auswirkungen sogar in der deutschen Provinz nicht mehr ignoriert werden können oder noch eher wegen des neuen Linksbündnisses. Die ständige Verfeinerung von wissenschaftlichen Details wird dazu aber nicht reichen:
 

„Wir verkünden nicht mehr so viel mit dem Brustton der Überzeugung”, sagt Wolfgang Wiegard. Dafür ist das Gutachten angereichert mit komplizierten statistischen und ökonometrischen Abhandlungen. 105
 

Dies könnte vielleicht sinnvoll sein, wenn die Grundannahmen stimmten, wie etwa die obigen Ausführungen von Orszag und Stiglitz über den einen Dollar. (Zum Sachverständigenrat und zu Peter Bofinger siehe hier auch „Wolfgang Wiegard”, „Wolfgang Franz”, „Peter Bofinger”,  „Wirtschaftsweise” und „Abgeltungssteuer”).


Heiner Geißler, Ex-CDU-Generalsekretär und - neben dem Ex-Minister Norbert Blüm  - wohl einer der letzten christlichen Vertreter der „Christlichen Union”, sagte vor einiger Zeit:
 

 …solidarische Lösungen bieten sich an in Form der Bürgerversicherung wie in der Schweiz, die man nicht desavouieren darf durch falsche Begriffe wie sozialistische Einheitsversicherung oder wie in Schweden, indem man die sozialen Sicherungssysteme eben über die Steuer finanziert. Der jetzt eingeschlagene Weg, der ja in Richtung Privatisierung geht, das ist der amerikanische Weg und er führt in die Irre, ja sogar ins Elend... Ja, es ist ganz sicher so, dass bei uns in Deutschland eine fundierte wirtschaftswissenschaftliche Diskussion über die Ökonomie der Zukunft noch gar nicht begonnen hat. Die läuft gerade in Amerika zurzeit also auf voller Höhe, nicht mit großer Intensität. Denn die jetzige Ökonomie, also das jetzige ökonomische System, das man auch als Spätkapitalismus bezeichnen kann, hat ja nun mit Sicherheit keine Zukunft. Man kann nicht auf die Dauer Millionen von Menschen ausgrenzen, ohne dafür nicht irgendwann einen politischen Preis zu bezahlen. Und wir bräuchten heute den Entwurf einer internationalen sozialen Marktwirtschaft, besser einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft mit bestimmten Regeln für die globale Wirtschaft, in der es ja zurzeit keine Ordnung gibt, keine Regeln, kein Gesetz. Ein Wirtschaftssystem, von dem die Mafia und die internationale Kriminalität genauso profitiert wie die Terroristen. 102
 

Norbert Blüm ergänzte in der Süddeutschen Zeitung vom 27.9.05 unter der Überschrift „Die CDU ist von der neoliberalen Epidemie infiziert”:
 

Die christlich-soziale Bewegung ist heimatlos geworden. Von der SPD fühlt sie sich nicht angezogen, von der CDU im Stich gelassen. Denn: Kopfpauschale und Einheitssteuer stehen im Widerspruch zu allen Vorstellungen über Gerechtigkeit.
 

Man sieht jedoch, dass die Christen in der CDU noch nicht ganz ausgestorben sind. Blüm und Geißler gehörten auch zur letzten halbwegs christlichen Bastion in der CDU gegen deren rücksichtslose Umverteilung nach oben (sh. Walter Kannengießer: „Wenig Glück mit 'großen' Steuerreformen”, in der „trend-zeitschrift” des CDU-Wirtschaftsflügels, Heft 90, I. Quartal 2002, mit folgendem Zitat):
 

Die Repräsentanten des linken Flügels der CDU, Geißler und Blüm, aber auch die Ministerpräsidenten Vogel und Albrecht entfesselten eine Kampagne mit ideologischer Schlagseite gegen die Senkung des Spitzensteuersatzes.
 

Auch Blüm stellte sich also im Extremfall der asozialen Umverteilung nach oben entgegen, obwohl er mit seinem  berühmt-berüchtigten Spruch „Unsere Renten sind sicher” wohl eher die eigene „Rente” und die der übrigen Parlamentarier meinte.

Sehr zurückhaltend, aber mit ungewohnten Tönen, äußert sich zum Schein-Christentum der CDU auch Robert Zollitsch, neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofs-Konferenz. Zollitsch:
 

die CDU hat sich stärker neoliberalen Thesen angenähert - und steht dabei in der Gefahr, die soziale Marktwirtschaft oder das Soziale nicht mehr genügend im Blick zu haben.” Die Nähe zwischen katholischer Kirche und CDU sei „ deshalb geringer geworden”.
 

(Sh. „ Oberster deutscher Katholik hält Zölibat für 'nicht notwendig'”, spiegel.de, 16.2.2008.)


Die neoliberale Epidemie ist nach ihrer Dynamik vergleichbar mit der Verbreitung des Faschismus als Reaktion auf die Rebellionen gegen den Parasitismus in Russland und anderswo. Für dieses Aufbegehren bedurfte es anscheinend erst des Elends und Reichtums nach dem Ersten Weltkrieg, als das Großbürgertum einträchtig mit Papst und Kirche und mit dem eingespannten Kleinbürgertum gegen die verelendeten Massen stand. Diese Epidemie gelangte bis in die USA (McCarthy) und nach Japan. Dagegen begann die neoliberale Epidemie schon mit voller Wucht unter Ronald Reagan, erreichte Deutschlands „Sozialdemokraten” aber erst nach dem Zusammenbruch des konkurrierenden scheinsozialistischen Systems.

Nach Ausbruch der „neoliberalen Epidemie” kann die CDU/CSU immerhin noch mindestens diese zwei christlichen Demokraten aufweisen. Die neoliberale Wende zum Goldenen Kalb ist aber unvereinbar mit dem Namen einer „christlichen” Partei, denn in den Zehn Geboten heißt es:
 

1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben
2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.
 

Dass diese „christlichen” Parteien ohne die entscheidenden christliche Werte dennoch die Wahlergebnisse von Volksparteien erreichen, könnte man nur mit einem „Wunder” und unendlicher Gnade erklären, wenn man nicht um die Manipulation der Wähler durch die neoliberalen „Bestverdiener” wüsste, besonders auch durch die Klerikalen unter ihnen, die maßgeblich zum pseudo-christlichen Wahlsieg in Süddeutschland und anderen ehemals erzkatholischen Regionen beigetragen haben dürften (sh.  btw2002.de > „Ergebnisse 2005” > „Zweitstimmen [Java]” - mit den Vergleich der Bundestagswahlen von 2002 und 2005 - und zu den Landtagswahlen die „Wahlergebnisse im Überblick”, stern.de - sowie zur Konfessionsverteilung die Karte von 1925 in Reiner Henkel: „Die römisch-katholische und evangelische Kirche” aus „Nationalatlas Deutschland - Bildung und Kultur”, S. 122, unter elsevier.de, letztere evt. nach vorherigem Herunterladen durch „Ziel speichern unter...” auf dem Desktop).

Wenn man den deutschen Wahlatlas mit dem Konfessionsatlas vergleicht und dieses Bild nach Skandinavien erweitert, dann ahnt man einen tieferen Grund dafür, dass das soziale Gewissen bei den Wahlen in Skandinavien eine größere Rolle spielt als in Deutschland. Zum Beispiel gehören 85 Prozent aller Dänen zur dänischen Nationalen Evangelikalen Lutherischen Kirche. Die hält von der Bergpredigt offenbar mehr als von der traditionellen eigennützigen Unterstützung der Privilegierten beim Melken der übrigen durch deren Unterdrückung und Gängelung mit der Kandare des Vergebungs- und Ablassmonopols für selbst erfundene Todsünden der Unkeuschheit usw. (sh. hier z.B. die Kritik von Norbert Blüm am  „Impulstext” der deutschen katholischen Bischöfe sowie die Bemerkung des Jesuiten Friedhelm Hengsbach zu deren „ Sozialwort”: Manche der dort vertretenen Positionen „könnten aus dem Tagebuch von Guido Westerwelle stammen„ [1106]). Auch in anderen Ländern  gibt es ein regionales neokonservatives oder konservatives Gefälle, z.B. in Richtung „Bibelgürtel” der USA, also besonders dem ehemaligen Sklavenhaltergebiet, oder bei der Akzeptanz von „ Ehrenmorden” in Richtung Ost-Anatolien (sh. „ Türkische Studenten halten Ehrenmorde für legitim”, welt.de, 27.10.06).

Die US-Wähler im Bibelgürtel mit ihren kreationistischen Schulbuchaufklebern gegen die darwinsche Evolutiontheorie waren bisher die entscheidende Stütze für ihren „wiedergeborenen Evangelikalen George W. Bush. Bei den Kongresswahlen vom November 2006 zeigte sich jedoch, dass die Glaubwürdigkeit ihres Umverteilungs- „Priesters” Bush mit seinen Republikanern ebenso gelitten hatte wie der Glaube an das „Christliche” der CDU/CSU in Deutschland oder an das „Soziale” der deutschen SPD. Auch wenn erst das Debakel des Irak-Kriegs die Wende bringen konnte: Bush’s frommer Berater David Kuo hatte zuletzt das Buch „Tempting Faith” geschrieben, und darin den Missbrauch der Gläubigen durch die Bush-Partei angeprangert: „ Nützliche Idioten, Stimmvieh seien sie gewesen, sagt er.” (Sh. „ Qual der Wahl”, Deutschlandfunk, 4.11.06.) Die Umverteilungs-Profiteure müssen also mit ansehen, dass sie vorerst nicht einmal mit ihren Milliarden Dollar Wahlkampf-Spenden den Endsieg des Raubtierkapitalismus sichern können.

In den päpstlich-katholischen Gebieten mit „Beicht-Sakrament” ist die Ausschlachtung der erfundenen Todsünden zur Sicherung des Vergebungs- und Gehirnwäschemonopols um so wichtiger, je seltener die Umverteilungsopfer tatsächlich irgendwelche „schweren Sünden” begehen. Für schwerste Verbrechen und Vergehen bei Hexenverfolgung, Inquisition, Kreuzzügen, Glaubenskriegen, Schröpfung der Ärmsten zur Umverteilung nach oben  usw. brauchen die „armen Sünder” sowieso keine Absolution, weil sie für solche Taten ja von vornherein den Segen von Kirche und Staat erhalten haben und die innerkirchlichen Kritiker solcher Obrigkeit prompt vom Dienst suspendiert werden. Früher konnten sie einfach der „heiligen Inquisition” übergeben werden, weil der Klerus noch mehr Macht hatte (sh. Deschner: „Kriminalgeschichte des Christentums”, a.a.O.,  und die jüngste Geschichte der Befreiungskirche in Lateinamerika).

Auch in der  SPD gibt es zumindest noch fünf Politiker mit sozialem Gewissen (die „feigen und kleinkarierten” Abweichler mit dem „weißen Fuß” - sh. Linksbuendnis.htm). Aber Oskar Lafontaine mochte sich bei der Entscheidung für seinen Rücktritt und späteren Parteiaustritt offenbar nicht als Alibi-Sozialdemokrat hergeben für die asoziale Politik der „Infektions”-Deformierten. So etwas wollte sich auch der spätere Parteivorsitzende Kurt Beck nicht zumuten (sh. hier Beck-Rücktritt.htm).

Die derzeitigen Parteien in Deutschland und den USA beschränken sich aufs Umverteilen nach oben. Auch in den USA fehlt ein Linksbündnis. Es fragt sich, warum Soros, Buffett und ihre Bush-kritischen Gesinnungsfreunde nicht dafür einmal ein paar hundert Millionen spenden, ohne die in den USA bekanntlich gegen die Meinungs-Oligopole nichts auszurichten ist.

Auch die Milliardenspenden von Bill und Melinda Gates in Verbindung mit der Stiftung von Warren Buffett sind zwar höchst ehrenwert, aber sie können nicht im entferntesten die Beträge ausgleichen, die den Entwicklungsländern vorenthalten werden durch Unterlassung der versprochenen Hilfen aus den USA, Deutschland und den restlichen reichen Ländern, die den armen Ländern vor allem entzogen wurden und werden durch Kolonialismus und weitere Ressourcen-Vereinnahmung sowie durch die ruinöse Subventionspolitik der Industrieländer gegen die Dritte_Welt. Überhaupt würde ein massiverer Einsatz solcher Spendengelder gegen die Wählertäuschung durch das Medienkapital und gegen die Meinungsmacher am Gängelband des Großkapitals wesentlich mehr für die Dritte und Erste Welt erreichen. Lediglich George Soros hat solche Spenden wirklich großzügig für den demokratischen US-Wahlkampf und in Osteuropa eingesetzt. Die US-Demokraten können jedoch gegen die kapitalgesteuerte Wählertäuschung  kaum eine vernünftige Politik machen, und in Osteuropa richtete sich der Einsatz von Soros weniger gegen die kapitalistische als gegen die verblassende kommunistische Ideologie.


Aber man kann von diesen Milliardären trotzt einiger Charakterbeweise wohl nicht erwarten, dass sie sich gegen ihre beherrschende Moral der Bestverdienenden noch ein derart konträres Gewissen bewahren, wie etwa der Industrielle, Marx-Koautor, -Freund und -Mäzen Friedrich Engels das konnte [109] wie auch - als einer der letzten bekannten Sozialdemokraten - Oskar Lafontaine, der im Gegensatz zu den neoliberalen Polit-Bestsellerautoren unentbehrliche Beiträge liefert. Ein Beispiel aus der Antike ist  Tiberius Sempronius Gracchus, Angehöriger der römischen Oberschicht, der von einer Senatoren-Meute und ihren Bütteln erschlagen wurde wegen seines Kampfes gegen deren schamlose Bereicherung auf Kosten der Ärmsten. Später wurde sein Bruder Gaius Sempronius Gracchus bei diesem Kampf in den Tod getrieben.

 

Der Protest gegen die  Umverteilung nach oben ist für solche Charaktereigenschaften vielleicht beweiskräftiger bei jemandem, der von dieser Umverteilung mit einem kleineren Beuteanteil spürbarer profitiert  als ein Milliardär mit seinen großen Steuergeschenken - ähnlich wie die Kleinspende des Kleinrentners oft einen anderen Stellenwert hat als die Großspende eines Millionen-Rentiers. Dennoch kann man das Protest-Verhalten solcher Millionäre und Milliardäre nicht hoch genug einschätzen. Es müssen keine Heiligen sein. Zunächst geht es nur um den Unterschied zwischen Wahrheitsliebe und Verlogenheit. Insofern gibt es viel mehr Besser- und „Bestverdiener”, die sich hier bewähren könnten, als Einkommensmillionäre, und überhaupt kann jeder seinen Beitrag leisten, indem er nach seinen Möglichkeiten mehr oder weniger selbstlos eintritt für die Opfer oder gegen die Täter.

Wer allerdings selbst zu den Umverteilungs-Opfern gehört, ist in der glücklichen oder misslichen Lage, dass er zwar mit Recht protestiert, aber seinen Charakter durch den Protest gegen die Täter nicht beweisen muss oder kann. Das ist für ihn jedoch auch nicht der entscheidende Punkt. Wichtig ist, dass er konsequentes Handeln beweist, indem er sich gegen das Unrecht politisch engagiert und sich von den Neoliberalen nicht verdummen lässt.

Es gibt vereinzelt auch etablierte „Marxisten”, die gegen den Neoliberalismus nicht gefeit sind, allein schon dadurch, dass sie die Steuersenkung für Bestverdiener und die Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen nicht als das eigentliche Problem begreifen und sich statt dessen lieber mit großen Worten und Theorien begnügen. Wenn sie zudem auch noch gegen Oskar Lafontaine polemisieren,  können sie sogar als „ Salon-Kommunisten” in die Schickeria der Schicki-Micki-Gesellschaft „ aufrücken”.


Lafontaine und Gysi werden von Däniken, Helsing und den neoliberalen Propagandisten schon als Reinkarnationen von Marx und Engels beargwöhnt (sh. agitart.de, mit interessanten Hinweisen).  Ansonsten bietet sich vor allem das Bild der freien Wildbahn, wo die (finanziell) Stärksten noch zusätzlich die größten Brocken (vom Volkseinkommen) auf Kosten der Geprellten ergattern wollen.

Die etablierten Grünen, auch soweit sie sich früher einmal revolutionär gebärdet haben,  waren der SPD-Mehrheit bei dieser Umverteilung des Volkseinkommens stets mit wohl gesetzten Worten ein paar Schritte voraus, seitdem nach ihrer Selbstfindung als eine Art vergilbter Öko-FDP („ Radieschen-FDP”) [110] die amtliche Ökologie und Antje Vollmer nur noch in diesem gelben Doppel- oder Multipack mit Eumeln[111] zu haben sind. Dazu heißt es bei wsws.org:
 

Der Vorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, behauptete in grotesker Verkennung der Wirklichkeit, die SPD habe im Saarland Stimmen verloren, weil sich führende saarländische SPD-Politiker vom Reformkurs der Bundesregierung distanziert hätten. Die Grünen, die sich vorbehaltlos mit diesem Kurs identifizierten, hätten dagegen Stimmen hinzugewonnen. Kein Wunder, hat doch eine Studie der Universität Mainz gezeigt, dass inzwischen die Grünen, und nicht die FDP, die eigentliche „Partei der Besserverdienenden” sind. Die Studie untersuchte, wie viele Wähler über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 3000 Euro und mehr verfügen. Bei den Grünen waren es 32 Prozent, wesentlich mehr als bei der Union (26 Prozent) und der FDP (20 Prozent). Die SPD rangierte mit knapp 17 Prozent hinter der PDS.[112]
 

Da es jedoch auch etliche „Bestverdiener” mit sozialem Gewissen gibt (sh. hier in Abschnitt 1), sollte man die Einordnung der Grünen eher an ihrer Einstellung zur Umverteilung nach oben messen. Dazu schreibt DIE ZEIT 17/2000:

 

Die Grünen sind ins klassische Links-rechts-Schema ohnehin nicht einzuordnen. Ging es um Ökosteuern, den Atomausstieg oder das Braunkohle-Projekt Garzweiler, legten sie sich regelmäßig mit der Wirtschaftslobby an. In der Haushalts-, Finanz- und Rentenpolitik standen sie schon in der vergangenen Legislaturperiode der Union deutlich näher als der SPD.

 

(Sh. Elisabeth Niejahr: „Kaputte Beziehung”, zeit.de, 17/2000.) Recht hat sie mit der Einschränkung auf das „klassische” Links-rechts-Schema. Aber für eine Einordnung als linke Partei reicht mit Sicherheit nicht die Entscheidung für die Natur und gegen den Menschen.

 


Die Grünen haben tatsächlich noch eine schwache Erinnerung daran, dass der Mensch ein Teil ihrer wahlwirksam plakatierten Natur ist und nicht nur der Profitmaschine dient, denn immerhin wollten sie sich bei der Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen mit einer Absenkung ihres Spitzensteuersatzes von 53 auf 45 Prozent begnügen, während die FDP den staatlichen Etat für Gemeinschaftsaufgaben mit ihrem Spitzensteuersatz von 35 Prozent auslaugen wollte (sh. die Wahlprogramme von FDP und Grünen für 1998) und dafür - dank ihrer „edlen Spender” - teilweise mehr Geld für Wahlplakate ausgegeben hat als die großen Parteien. Vom Liberalismus im positiven Sinne ist dieser neoliberalen Partei praktischen nichts mehr geblieben, nachdem Mitglieder wie Ingrid Matthäus-Maier und Hildegard Hamm-Brücher ausgeschieden sind oder keine Rolle mehr spielen. - Einige neoliberale Ökopaxe mögen sich kurioserweise sogar noch als „Linke” betrachten, weil sie die übrigen Neoliberalen in ihrem skrupellosen Egoismus noch nicht ganz eingeholt haben oder weil sie  ihren Ökopazifismus als hinreichendes Merkmal von sozialem Gewissen erscheinen lassen wollen.

Die CDU bietet mit ihrem Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramm ein noch „ moderneres” Konzept mit dem schönen bzw. geschönten Namen: „ Ein modernes Einkommensteuerrecht für Deutschland, Zehn Leitsätze für eine radikale Vereinfachung und eine grundlegende Reform des deutschen Einkommensteuersystems”.[113]  Mit dem Bierdeckel-Trick[114] wollte sie den Spitzensteuersatz nach dem „Merz-Konzept” noch weiter absenken: von 42% auf 36% [113], was auch Friedrich Merz bei seiner Arbeit für den Hedge-Fonds TCI, als dessen Aufsichtsrats-Favorit für die Deutsche Börse und für andere Lobbyisten zugute käme (sh. hier „Linksbuendnis.htm”). Nicht ohne Grund will er gegen die Veröffentlichungspflicht seiner diversen „Nebeneinkünfte” klagen (sh. BILD: „Warum wollen diese Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte verbergen?”, 9.3.06, Chin Meyer: „Merz und seine Finanz-Bulimie”, BERLINER KURIER, 1.3.06, und hier Linksbuendnis.htm#Scheingeschäfts-Legalisierung).
 
 

Nachdem Friedrich Merz keine weitere steuerliche Umverteilung in die eigenen überfließenden Taschen durchsetzen konnte, hat er bereits neue Ideen, wo das Geld zu holen ist, und zwar von den Ärmsten, die von 351 Euro im Monat plus Kosten für ihre Sozialwohnung leben müssen. Dabei findet er auch die anstandslose Weiterverbreitung durch Axel-Springer-Schreiber. So titelte und schrieb das Hamburger Abendblatt:

 

Merz lobte die umstrittene Chemnitzer Studie zweier Wirtschaftsprofessoren, die 132 Euro im Monat für Hartz-IV-Bezieher als ausreichend genannt hatten… Merz sagte, es müsse manchmal auch eine Begrenzung des Sozialstaats geben… Westerwelle sagte zu Merz, er hoffe, „ dass so eine Rede auch einmal vor der CDU/CSU-Fraktion gehalten wird”.

 

(Sh. „ Merz lobt Hartz-IV-Studie: 132 Euro sind genug”, abendblatt.de, 13.9.2008.)

 

Die Hannoversche Presse titelte und schrieb dazu in ihrer Druckausgabe vom 13./14.9.2008: „132 Euro zum Leben”, diesmal etwas kritischer als sonst:


Als Gast einer Klausurtagung der FDP-Bundestagsfraktion in Wiesbaden sagte der CDU-Politiker, allzu schnell habe die Politik eine umstrittene Hartz-IV-Studie der Technischen Universität Chemnitz beiseite gelegt. Ihr Fazit: Der gängige Hartz-IV-Satz von 351 Euro sei zu hoch. 132 bis 278 Euro würden völlig ausreichen.

Merz wählte einen glanzvollen Rahmen für seinen Auftritt. Er sprach als „Dinner Speaker” zum Abschluss eines viergängigen Menüs im noblen Wiesbadener Kurhaus, wo sich seit jeher die gut Betuchten von aufwendig gestalteten Fresken und antiken Statuen inspirieren lassen. Kurz gefasst lautet seine These: Je weniger ein Arbeitssuchender zur Verfügung hat, um so mehr steige seine Antriebskraft.

 

Der absolute Zwang zur Unterwerfung unter jede Lohnsklaverei ist aus dieser Sicht um so wichtiger, je mehr ordentliche Arbeitsplätze durch die Umverteilung nach oben vernichtet oder in Verarmungsjobs umgewandelt werden.



Auch die Senkung des Spitzensteuersatzes für ihn und die übrigen „Bestverdiener” auf 36% konnte Merz nicht durchsetzen. Am 12.10.04  legte er seine Parteiämter nieder, scheinbar aus Entrüstung über so viel Unverständnis, und begnügte sich - neben seinen vielen lukrativeren sonstigen Ämtern und Aufsichtsratsmandaten - mit seinem Bundestagsmandat. Zu seinen sonstigen Bezügen heißt es auf seiner Bundestagsseite - fast eineinhalb Jahre nach Konstituierung des neuen Bundestages im Oktober 2005 - vorläufig nur im Amtsdeutsch „Veröffentlichungspflichtige Angaben: Die nach den Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages veröffentlichungspflichtigen Angaben werden zum Zeitpunkt des Erscheinens des 2. Teils des Amtlichen Handbuches veröffentlicht” (sh. bundestag.de, Stand 10.3.07).


Merz und die übrigen Kläger von CDU und FDP (einer sogar von der SPD) argumentieren, dass man durch mehr Transparenz ihrer Einkünfte etliche erwünschte Mandats-Bewerber abgeschreckte und dadurch die Qualität des Parlaments leiden würde, als ob die Parlamente z.B. in den skandinavischen Staaten mit höchster Transparenz nicht wesentlich korruptionsfreier und erfolgreicher arbeiteten als die deutschen parlamentarischen „Bestverdiener”-Lobbyisten.

Offenbar wollte Merz als „Aushängeschild” der CDU mit den Bierdeckel-Kunststückchen das Vertrauen zurückgewinnen, das für die Politiker inzwischen auf 3% abgesackt ist, so dass auch das Vertrauen in die Demokratie und Marktwirtschaft nach seinem Allensbach-Zitat einen Tiefpunkt erreicht hat: 50% in Westdeutschland und 25% in Ostdeutschland (siehe Frank J. Heinemann: „Zeit des Argwohns”, Deutschlandfunk, 16.1.05). Dieses Restvertrauen ist aber in großer Gefahr, wenn man solchen abenteuerlichen Hedge-Fonds nicht bald die Zulassung entzieht und die Propagandisten der Umverteilung nach oben entlarvt. „Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, hat die Hedgefonds unlängst als 'großes schwarzes Loch' der internationalen Finanzmärkte bezeichnet”, sh. presseportal.de, 19.1.06. Darin könnte manche private Altersvorsorge verschwinden, wenn bestimmte Anlageberater ähnlich schönfärberisch daherreden wie die neoliberalen Politiker.

Mit der Vorverlegung der Bundestagswahl und durch die Entstehung des Linksbündnisses ist für die neoliberalen Meinungsmacher plötzlich alles anders geworden. Die Sumpfblütenträume auf weitere Umverteilung nach oben und fette Beute für „Bestverdiener” mit einem anvisierten Spitzensteuersatz von 36% nach „christlichem” oder „liberalem” Programm haben sich zunächst zerschlagen.  Inzwischen konnte Oskar Lafontaine zum CDU-Programm feststellen:
 

„Schon jetzt zeigt sich, dass diese Partei ein Programm des Ungewissen und der Unsicherheiten vorlegen wird.” Die Konzepte der Kopfpauschale zur Reform der Kranken- und der Pflegeversicherung und der „Bierdeckel-Steuerreform” seien schon längst zerfleddert worden. Auch mit Kritik an dem SPD-Wahlmanifest, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde, sparte Lafontaine nicht.
„Das Manifest ist zu einem Manifest der Unglaubwürdigkeit geworden”, sagte er,
 

sh. „Linksbündnis: Lafontaine und der Tatort-Kommissar”, stern.de, 4.7.05.

Die zusätzliche Beute des „christlichen” Kreuzzugs gegen die Armen und für die „Bestverdiener” sollte schließlich mit einem geplanten Spitzensteuersatz von 39% nun etwas magerer ausfallen. (Sh. „30.000 Euro den Millionären. Spitzenverdiener können erneut die Champagnerkorken knallen lassen”, ver.di, Juli 2005). Der kleine  Zahlmeister sollte dafür geschröpft werden durch Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16% auf zunächst „ nur” 18%, auch wenn das Erhöhungsaufkommen von jährlich 16 Milliarden Euro angeblich lediglich den Arbeitgebern zugute kommen sollte - zur Senkung ihrer „ Lohnzusatzkosten”. Mit dieser angeblichen „ Vorfahrt für Arbeit” hatten die Umverteiler von der Union natürlich die „ 'Weitestgehende Zustimmung' von BDA-Chef Hundt”, welt.de, 5.7.05.

Aber eine solche „Vorfahrt für Arbeit” durch Mehrwertsteuererhöhung statt Rückkehr zu den alten Steuersätzen für diese Politiker, Herrn Hundt und die übrigen Meinungsmacher ist in Wirklichkeit ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Damit können sie dem Arbeitsmarkt „endgültig den Garaus machen” (sh. o. und auch „Radikale 'Einfachsteuern' würde viele Arbeitnehmer benachteiligen” mit Weblink zur WSI-Studie vom März 2004). Mit dieser trickreichen Begründung für ihr Wahlprogramm 2005  gehen die „Christlichen” noch weit über ihre bekannte Bierdeckel-Gaukelei  hinaus. Ihre Pseudo-Einsicht lautet, dass man nun etwas „auf der Einnahmenseite” tun müsse, ALSO die Mehrwertsteuer erhöhen müsse. Eine logische oder taschenspielerische Glanzleistung!

Die schein-christlichen Meinungsmacher vertrauten vielleicht zu sehr auf ihre Verdummungserfolge in den Talkshows und sonstigen Medien, wenn sie glaubten, dass der  Zusammenhang zwischen der Senkung ihres Spitzensteuersatzes und der Mehrwertsteuererhöhung von kaum einem Wähler bemerkt würde. Mit diesem Gipfel der Wählertäuschung nach dem Margaret-Thatcher-Motto „There Is No Alternative” (TINA) übertreffen sie noch die Scheinheiligkeit der „Reichensteuer” von SPD und Grünen. Mit der Verbreitung des Fernsehens erhält die Lügen-Propaganda eine völlig neue Dimension im Vergleich zur ehemaligen Verbreitung des Rundfunks und des begleitenden Tingeltangels im Tonfilm. Was zur Aufklärung gegen die „selbst verschuldete Unmündigkeit” (sh. oben) dienen könnte, wird von den Profiteuren sofort vereinnahmt und umfunktioniert. Die direkte Manipulation zum Umverteilung nach oben ist nur ein Teil dieser „Aufklärung als Massenbetrug” (sh. Wikipedia: „Dialektik der Aufklärung”).

Als Ausrede für die Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte verweisen die Rotgesprenkelten auf die „Christlichen” und diese auf die gleichzeitige Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte, von der die eigentlich bedürftigen Kleinverdiener fast nichts und die übrigen  Einkommensschwachen gar nichts haben (sh. das Interview mit Peter Müller, CDU-Ministerpräsident des Saarlandes: „Müller: Verfassungskonformer Haushalt ist nicht möglich”, dradio.de, 14.11.05). Was bleibt, ist die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Umverteilung nach oben. Peter Müller spricht gar geschwollen von einer „objektiven Unmöglichkeit” der Verfassungstreue, von den „Vätern und Müttern des Grundgesetzes” und nennt als einzige Alternativen weitere massive Kürzungen bei den ausgeplünderten Rentnern oder die Streichung des Kindergeldes für Kinder über 25 Jahren bei gleichzeitiger Einführung von Studiengebühren durch die meisten Landesregierungen mit CDU-Beteiligung (sh. „Studiengebühren in Deutschland - Stand März 2007”). Es stört ihn aber nicht, dass die CDU-Ministerpräsidenten sich ihre fünfstelligen jährlichen Steuergeschenke durch die Studenten oder deren überforderte Eltern mitfinanzieren lassen und dass er - wie auch die übrigen Best-„Verdiener” - durch ihre eilig beschlossene Dauerverkürzung des Kindergeldes mehr als das Doppelte über Ausbildungsfreibeträge einheimsen, von denen der Normalverdiener kaum profitiert (sh. hier Gesundheitsreform.htm).
In Hessen bedurfte es schließlich im Jahre 2008 noch einer modellhaften gemeinsamen Abstimmung von SPD mit der Linken gegen die CDU mit ihrem amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch, um deren Selbstbedienung mit Hilfe der Studiengebühren zu stoppen. Dabei reklamierte Koch einen Kopierfehler in der Gesetzesvorlage absichtlich so spät, dass er damit die Abschaffung der Gebühren noch unnötig hinauszögern konnte. (Sh. „ Koch blockiert Abschaffung der Studiengebühren”, zdf.de, 5.6.2008).


Roland Koch macht sich große Sorgen um die SPD, falls sie sich für eine Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen gegen seine Umverteilung nach oben entscheidet. Er analysiert die Richtungsentscheidung wesentlich deutlicher, als es solche Taktierer in der SPD zugeben wollen. Der Mitteldeutschen Zeitung sagte er:


Wenn sie es falsch macht, wird es dazu führen, dass die Linkspartei stärker wird als die SPD. In der neuesten Umfrage ist der Abstand bei 20 Prozent für die SPD und 14 Prozent für die Linkspartei schon auf nur noch 6 Prozent geschrumpft. Insofern ist Hessen eine Art Labor. Der Ausgang wird entscheidenden Einfluss auf die nationale Politik haben. Da sollte sich niemand etwas vormachen. Und nach Hessen kann der SPD nicht mehr geglaubt werden, dass sie etwas anders machen würde als in Hessen. Wenn es ihr keiner mehr glaubt, wird sie es irgendwann auch machen. Denn warum soll man eigentlich den maximalen Schaden von Unglaubwürdigkeit erzielen, um dann das, was ohne hin alle erwarten, nicht zu tun?

 

(Sh. das Interview: „Hessen - Eine Art Laborversuch - Die MZ im Gespräch mit Roland Koch: Der Ministerpräsident will seine Macht nicht abgeben”, mz-web.de, 13.8.2008.)

 

Seine Sorgen gelten aber auch der eigenen Partei, denn bei einer Zusammenarbeit mit der Linken wäre die SPD für seine „Christlichen nicht länger die Garantin für die Umverteilung in die eigenen Taschen. Zugleich spürt man seine Interessen-Gemeinschaft mit den großen Umverteilungs-Profiteure in der alten Schröder-SPD. Sie könnten bei einer Rückbesinnung der hessischen SPD-Basis auf sozialdemokratische Grundsätze noch als deren Verräter entlarvt werden und vielleicht nicht länger ihre Beute kassieren. Aber die Profiteure haben ihre Steuergeschenke so fest im Griff, dass eine Rückkehr gegen die Medienmacht der bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher auch deren Entlarvung erfordert. Der Druck auf Ypsilanti zur übereilten und törichten Festlegung gegen die Linke kam jedenfalls nicht von der irregeführten Basis, sondern von der SPD-Führung und von den übrigen Neoliberalen in Parteien und Medien. Ypsilantis „Verrat an den Verrätern wäre ein schwacher Versuch zur Wiedergutmachung an den Opfern.

 

In dem viel zitierten gemäßigt-sozialdemokratischen Text „Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken„ vom 1.9.2008 kritisieren die 60 Erstunterzeichner aus den Reihen der SPD indirekt die Agenda 2010 und die neoliberale Wende ihrer Partei. Darunter sind zwar prominente Namen, jedoch nur 19 der derzeit aktiven 222 SPD-Abgeordneten im 16. Bundestag. Es handelt sich überwiegend um Abgeordnete, die sich ihre Abweichung mit Rückendeckung der Gewerkschaften leisten können.  Von den SPD-Mitgliedern der Bundesregierung ist überhaupt niemand vertreten. Die taz titelt also mit Recht: „ Papier der SPD-Linken – Die Schwäche der Agenda-Gegner”, taz.de, 3.9.2008, und schreibt über diese opportunistische Linke:

 

Nun hat sie sich mit einer scharfen Abrechnung mit der Schröder-Politik zu Wort gemeldet. Unter dem Titel „Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken” verlangen 60 SPD-Politiker die Rücknahme der Rente mit 67, die Einführung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Praxisgebühr. Unter Rot-Grün, so die Analyse, sei die Kluft zwischen Arm und Reich enorm gewachsen. Die Angst der Mittelschicht vor Armut wachse, die Aufstiegsmöglichkeiten seien geschrumpft, die Löhne gesunken...

 

Außerdem soll eine reformierte Erbschaftsteuer dem Staat zehn Milliarden Euro jährlich mehr bringen. Höhere Steuern für Reiche, mehr Sozialstaat, bessere Bildung, weg mit der Agenda 2010, so das Credo der Thesen, die in manchen Passagen an Ideen des Realoflügels der Linkspartei erinnern.

 

Auffällig ist, dass die Namen der bundespolitisch einflussreichen SPD-Linken unter dem Papier fehlen. Weder die SPD-Vize-Chefin Andrea Nahles noch prominente SPD-Linke wie Niels Annen, Hermann Scheer oder Michael Müller haben das Papier unterschrieben. Auch die der Linken zugehörigen Landeschefs von Schleswig-Holstein und Hessen, Ralf Stegner und Andrea Ypsilanti, blieben auf Distanz. Es gebe, so Stegner, nach dem Hamburger Parteitag vom Oktober 2007 keinen Bedarf für eine neue Programmdebatte.

 

Auch der etwas linke Karl Lauterbach mochte sich offenbar nicht dem übermächtigen Druck der Neoliberalen in seiner Partei aussetzen.

Von den „Christlichen” ist ohnehin keine soziale Marktwirtschaft zu erwarten. Die früher anscheinend guten Absichten der CDU-Familienministerin von der Leyen bei der Familienförderung werden von ihren übrigen „christlichen” Neoliberalen ins Gegenteil verkehrt mit ihrem
Elterngeld bis zu 1.800 Euro für maximal 14 Monate statt der 300 Euro für 24 Monate an alle Eltern. Ihre Selbstbelobigung ist – wie üblich – reine Wählertäuschung. Sie betreiben auch hier nur Umverteilung nach oben. Die Besserverdienerin mit ihren maximal 1.800 Euro hat so zwar 1.500 Euro mehr im Monat als bisher und wird deshalb ihre Kinderwünsche weniger zurückstellen. Aber dafür müssen fünf Kleinverdiener und sonstige Bedürftige auf ihre monatlichen 300 Euro Erziehungsgeld für das zweite Jahr verzichten.
 

In den europäischen OECD-Staaten ist die Kinderarmut nur in Polen, Spanien, Portugal und im reich-subventionieren Irland noch größer als im neoliberal regierten Deutschland, obwohl der deutsche Staat mehr Geld für Kinder aufwendet als andere OECD-Staaten. Hierzulande lebt jedes sechste Kind unter der OECD-Armutsgrenze von 50% des Durchschnittseinkommens, im OECD-Durchschnitt ist es jedes achte Kind und in Dänemark nur jedes 37. Kind  (sh. „Große Kinderarmut trotz hoher Direktzahlungen“, AP/de.news.yahoo.com, 1.2.2009, zum Bericht der OECD, vgl. auch http://www.oecd.org/de/kinderbericht). Dort werden auch alleinerziehende Mütter nicht in die vererbliche Armut gestoßen, sondern haben schon einen Anspruch auf einen Kita-Platz, wenn ihre Kinder gerade einmal sechs Monate alt sind. Sie können also in ihrem Beruf zumindest den Anschluss halten (sh. „ Alleinerziehende: 'Große Benachteiligung'”, fontal21, 1.8.2009).
 

Auch für die Bildung fehlt das Geld, das die deutschen Neoliberalen in ihre eigenen Taschen umgeleitet haben. Laut OECD-Bericht ist Deutschland von 1995 bis 2006 mit seinen Bildungsausgaben auf Platz 24 von 28 OECD-Staaten abgesackt. (Sh. den OECD-Bericht „ Highlights from Education at a Glance 2009”,  Figure 3.4, Seite 55 (Blatt 57), und von dort weiter zu der entsprechenden OECD-Tabelle „Education at a Glance 2009” unter http://dx.doi.org/10.1787/664243822887.)  In 1995 betrug Deutschlands Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch 5,1 % und fiel bis 2006 auf 4,8 %, obwohl sich unsere neoliberalen Selbstbediener ständig mit ihren Sprüchen von der Bildung als unserem wichtigsten Rohstoff in Szene gesetzt haben. Der OECD-Durchschnitt lag in 2006 bei 5,7 %. Die ersten Plätze bei den Bildungsausgaben (anstelle von bloßem Bildungs-Gerede) belegten in 2006 die USA, Korea und Dänemark mit 7,4 % und 7,3 % des BIP (sh. ebd.).


Zwar holen sich die Umverteilungs-Profiteure inzwischen  in den „christlich” regierten Ländern von den einkommensschwachen Studenten noch zusätzliche Studiengebühren zur angeblichen  Verbesserung des Studienangebots. Aber dieses Angebot ist damit oft noch schlechter geworden und die Zahl der Studenten in Deutschland liegt deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Dazu heißt es in der Tagesschau vom 14.9.2009 unter der Überschrift „ Neue OECD-Studie - Deutschland hinkt bei der Bildung hinterher”:

 

Deutschland liegt mit seinem Bildungssystem trotz leichter Verbesserungen international weiter zurück. Dies geht aus dem neuen weltweiten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der in Berlin veröffentlicht wurde.
 

So erwerben in anderen Industrieländern deutlich mehr junge Menschen einen Hochschulabschluss. Ebenso beteiligen sich dort erheblich mehr Ältere an hoch qualifizierter Weiterbildung. Auch der Anteil der Bildungsausgaben am Brutto-Inlandsprodukt ging in Deutschland erneut leicht zurück. Während Spitzenreiter wie die USA, Korea und Dänemark einen Anteil von mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Ausbildung investierten, erreichte Deutschland im Jahr 2006 lediglich einen Anteil von 4,8 Prozent. Unter den OECD-Ländern hätten nur Irland, Spanien, die Slowakei und die Türkei weniger für Bildung ausgegeben als Deutschland...
 

Dem Bericht zufolge schlossen 2007 in Deutschland 23 Prozent eines Jahrganges ein Studium ab. 1995 waren es erst 14 Prozent. International stieg die Absolventenquote im gleichen Zeitraum aber von 18 auf 36 Prozent. 2008 legte die Studienanfängerquote in Deutschland allerdings auf 36 Prozent zu.
 

Auch hier gehört Dänemark - trotz seiner ungünstigen Randlage in Europa - wieder zu den Spitzenreitern. Den irischen Kirchenfrommen war anscheinend ihre Forderung nach einem Abtreibungsverbot auch bei Vergewaltigung  wichtiger als die Bildung, und der massenhafte Missbrauch von Kindern in katholischen Internaten verdrängte ebenfalls das wichtige Bildungsthema. Auch in Spanien hat es die Linke schwer, sich gegen den alten Filz von Kirche, Faschismus und Korruption durchzusetzen. In der Slowakei ist wegen des Einheitssteuersatzes von 19 Prozent für Arm und Reich sowieso kein Geld für Bildung vorhanden (sh. hier rossaepfel-theorie.de), und in der Türkei reicht das Geld - zumindest in den meisten Schulen - wohl eher für eine stramme nationalistische und glaubenstreue Erziehung.

 

In Deutschland besteht auch ein gewisser Trend zu den alten Werten der „christlichen” Volksverdummung und -ausplünderung. Trotz aller groß angekündigten Bildungsinitiativen der Neoliberalen ging also „der Anteil der Bildungsausgaben am Brutto-Inlandsprodukt” noch weiter zurück. Die Mehrbelastungen der Studenten oder ihrer Eltern mit Studiengebühren werden gleich nach oben umverteilt.

 

Die naiv zitierte Erhöhung der „Studienanfängerquote” in 2008 auf 36 Prozent dürfte aber bei den hiesigen Studienbedingungen weiterhin zu einer „Absolventenquote” um die 23 Prozent führen. Im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten und durch die hiesige Umverteilung nach oben droht  Deutschland  allmählich zum Entwicklungsland zu werden.

 

 

Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach sagte zu dieser Armutsfalle für Bedürftige: „Ich halte die Benachteiligung für katastrophal” (sh. „Bis zu 340.000 Familien Verlierer beim Elterngeld”, VdK, 11.5.06).
 

Das Elterngeld führe zudem zu verstärkter Kinderarmut. „Es kann nicht sein, dass die SPD einem Konzept zustimmt, das Einkommensmillionären 1800 Euro im Monat schenkt und 100.000 Kinder in die Kinderarmut schickt”, sagte Lauterbach. 
 

(Sh. www.asg-minden-luebecke.de, Stand 23.5.07). Offenbar gehört Lauterbach zu den wenigen in der SPD, die nicht vom Virus der Schröder-Koalition befallen sind. - Im übrigen ist die Finanzierung dieser Kinderförderung für Besserverdiener völlig ungesichert und dürfte - wie jetzt üblich - auch wieder ausschließlich zu Lasten der Klein- und Normalverdiener gehen. Das gleiche dürfte gelten für die Finanzierung des überfälligen Anspruchs auf Krippenplätze, den man mit viel Eigenlob vorsichtshalber erst  für das Ende der nächsten Wahlperiode im Jahr 2013 angekündigt hat.


Indem Müller die Verfassungstreue in der Finanzpolitik vorläufig ausschließt, versucht er, sich nach üblicher CDU/CSU-Manier, als Beschützer der Armen aufzuspielen. Müller erwähnt  mit keinem Wort, dass man ja als Alternative seine Einkommensteuer und die der übrigen „Bestverdiener” wieder auf den Stand vor der großen neoliberalen Wende bringen könnte. Dabei hilft ihm sein Interviewer und Namensvetter Dirk Müller, indem er diesen wichtigsten Punkt vorsichtshalber gar nicht anspricht bis auf die unvermeidliche Ausweichfloskel „von der Reichensteuer einmal ganz abgesehen”.  Statt dessen palavert er sofort von „Subventionskürzungen”. Damit liefert er ein Musterbeispiel für die übliche Interviewführung. Selbst die wenigen Journalisten, die diese mit Abstand wichtigste Frage vielleicht stellen möchten, vermeiden einen solchen ungeheuerlichen Tabubruch.

Aber selbst wenn sie wenigstens diese Frage stellen würden, bekämen sie nur Ausflüchte zu hören wie Oskar Lafontaine am 13.11.05 bei Christiansen (sh. oben) von dem zugeschalteten abgewählten NRW-Ministerpräsidenten und schwarzroten Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der ebenso penetrant wie Peter Müller und  alle vernünftigen Alternativen ignorierte, auch als ihm Lafontaine einige nannte. Der neue Sparminister platzte fast vor Selbstbewusstsein bei seiner Irreführung mit seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm und nannte - wie sein anscheinend seelenverwandter Peter Müller - „Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme” und „Rentenkürzungen„  als „einzige Alternativen”. Er beanspruchte sogar mit erhabenem Brustton „ Aufrichtigkeit” für seine eigene Besitzstandswahrung: „ Dass wir über eine Mehrbelastung der Besserverdiener unsere Probleme lösen könnten, ist unaufrichtig”. Auch die „SPD-Linke” hat eine Ahnung, warum ausgerechnet Steinbrück zum schwarz-rötlichen Finanzminister gemacht wurde: „ Bei ihnen steht Steinbrück unter Generalverdacht, der Merkel-Union näher zu stehen als dem eigenen Parteiprogramm. Zudem gilt Steinbrück als 'ruppig' im Umgang, selbstverliebt und arrogant” (sh. „ Hilfe für Steinbrück bei Steuerreform”, welt.de, 17.6.06). Jedenfalls ist Steinbrück genau der richtige Mann zur Einspannung der SPD für die neue Etappe der Umverteilung nach oben. Zu diesem Zweck wünscht er sich auch die Fortsetzung der Großen Koalition von „Sozialdemokraten” und „Christlichen” gegen die Linke nach 2009 (sh. „ Steinbrück - Große Koalition nach 2009”, stern.de, 13.7.2008).

In einem Interview der WELT ONLINE wurde einmal wieder die ökonomische Kompetenz des apostrophierten „ Weltökonomen” Lafontaine in Frage gestellt im Vergleich zum „ gelernten Volkswirt Steinbrück”, wohl wissend, das es bei Steinbrücks „Ökonomie” nur um das Schulden-Management geht zur Finanzierung von egoistischen Interessen der bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher, Politiker und sonstigen „Bestverdienern”. Es geht also um das genaue Gegenteil von Kompetenz, nämlich um die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben. Zunächst beschrieb Lafontaine mit bewundernswerter Zurückhaltung die Rolle des Axel-Springer-Verlages bei diesen Kampagnen gegen die einfachsten ökonomischen Grundsätze (sh. welt.de, 18.8.06):
 

WELT ONLINE: Eine Verschwörung gegen die Linkspartei?

Lafontaine: Es gibt die Erklärung des Springer-Verlages, zu dem auch die WELT gehört, im Wahlkampf keine Anzeigen der Linkspartei zu veröffentlichen. Bild und BamS haben im letzten Jahr sogar Wahlkampf gegen uns gemacht. Trotzdem lese ich Ihre Zeitung regelmäßig, damit ich weiß, was der politische Gegner denkt. Der kann jetzt bei Ihnen lesen, was ich denke…

Lafontaine:
Steuern und Abgaben erhöht man, wenn die Wirtschaft in Schwung ist. Wer bei schwacher Binnenkonjunktur die Mehrwertsteuer erhöht, hat schlicht keine Kenntnis von Ökonomie. Oder wie Peer Steinbrück sagt: der hat das erste Semester Volkswirtschaftslehre nicht absolviert. Geboten wäre jetzt die Anhebung jener Steuern, die der Konjunktur weniger schaden. Also der Vermögens-, Erbschafts-, und Börsenumsatzsteuer sowie des Spitzensteuersatzes.

WELT ONLINE: Vielleicht sollte der Weltökonom Lafontaine das dem gelernten Volkswirt Steinbrück einmal erklären.

Lafontaine: Ich habe Schwierigkeiten mit der Logik von Herrn Steinbrück. Er behauptet, wer die Mehrwertsteuer nicht erhöht, muss die Renten kürzen. Das ist so, als ob man sagt, wer keine Bananen isst, muss Möhren essen. Unabhängig davon werden die Renten durch Nullrunden und die Rente mit 67 gekürzt. Jetzt rät Peer Steinbrück den Leuten nicht in den Urlaub zu fahren, damit sie fürs Alter vorsorgen können. Das ist absurd. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Für Deutschland wäre es gut, wenn Steinbrück lange Urlaub nähme.

 

Tatsächlich kann der „Weltökonom Lafontaine … dem gelernten Volkswirt Steinbrück” nichts erklären, was der und die übrigen Profiteure der Umverteilung nach oben aus verständlichen Gründen einfach nicht begreifen wollen. Auch die sollten – zusammen mit Steinbrück – endlich ihren Dauerurlaub nehmen.

Vielleicht war es auch die SPD-Kritik an Steinbrück, die den SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck zur verspäteten Kritik an der erfolgten Mehrwertsteuererhöhung veranlasste (sh. „ Struck: Mehrwertsteuererhöhung unnötig für Reformpolitik”, faz.net, 24.6.06).  Statt dessen „wären knallharte Einsparungen in jedem Ressort nötig gewesen, aber es wäre gegangen”, so Struck in dem Interview (sh. faz.net, 25.6.06). Es ging ihm also offenbar nur um andere Formen der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben zugunsten der bestbezahlten Politiker und der übrigen Meinungsmacher, denn zugleich lobte er in dem Interview Gerhard Schröder und seine Agenda 2010.

Der Karriere-Ökonom Stefan Homburg, der schon Gerhard Schröder, Angela Merkel und Friedrich Merz beraten hat (sh. Stefan Deges: „ Deutsche Elite-Ökonomen”, merkur.de, 22.9.05), sprach im ZDF klar aus, dass auch für ihn nur die Umverteilung nach oben in Frage kommt:
 

Ich halte eine Reichensteuer für ausgeschlossen. Man muss bedenken, dass die rot-grüne Koalition den Spitzensteuersatz in diesem Jahr erst gesenkt hat. Es ist unvorstellbar, dass er im nächsten Jahr wieder erhöht wird, und weil die Tabaksteuer und die anderen Verbrauchssteuern weitgehend ausgereizt sind, kommt dann wohl nur die Mehrwertsteuer in Betracht und natürlich die Sozialversicherungsbeiträge...
Man bräuchte ein Haushaltsbegleitgesetz, in dem über alle Leistungsgesetze und Subventionsgesetze eingespart wird...
Es ist so ähnlich wie beim Rasenmäherprinzip. Ein Haushaltsbegleitgesetz würde in alle Bereiche eingreifen. Da würde das Arbeitslosengeld II eben zum Beispiel gekürzt, statt wie jetzt überlegt, erhöht. Es würde das Wohngeld gekürzt oder das Bafög, die Sozialhilfe, die Renten, die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung - das würde alles gekürzt. Das ist die Alternative: Entweder erhöht man die Steuern oder man kürzt die Ausgaben.
 

(Sh. „ Staatsausgaben radikal kürzen”, zdf.de, 28.10.05). Die monatlich 347 Euro zum Lebensunterhalt sind für Homburg also anscheinend zu viel, und das zugehörigen Wohngeld für eine Sozialwohnung braucht er ebenso wenig. Auch das Bafög seiner Studenten verführt diese nur zur neoliberalen Denkweise der Bestversorgten. Aber die Sozialabgaben könnten nach Ansicht der Neoliberalen schon etwas höher sein (z.B. bei der Kopfprämie im Gesundheitswesen), weil die Erhöhung nur zu Lasten der Gering- und Normalverdiener geht. Die Wirkungen für Konsum und Arbeitsmarkt sind für den Schröder-, Merz- und Merkel-Favoriten Homburg anscheinend nicht der Erwähnung wert. Dafür wird er jedoch von den Neoliberalen hoch gelobt und mit staatlichen Sonderaufgaben bedacht, während ihn die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) einen 'wild gewordenen Neoliberalen' nennt” (sh. „ Deutsche Elite-Ökonomen”, merkur.de, 22.9.05). Dennoch sind seine Rezepte unter den hochgelobten deutschen Ökonomen keineswegs die Ausnahme, sondern eher die Regel (sh. in diesem Abschnitt die Ausführungen zu Peter Bofinger).

All die „christlichen” und unchristlichen Neoliberalen  kommen inzwischen zu der scheinbaren Selbstkritik, dass sie diese Umverteilung in ihre eigenen Taschen trotz aller Talkshow-TINA-Gebetsmühlen-Leier und Selbstdarstellungs-Gehabes noch immer nicht richtig „kommuniziert” hätten, sondern sich zu sehr auf ihre „Kommunion” als Gemeinschaft der Heiligen und „Rechtgläubigen” beschränken (sh. Katechismus-Frage 40):
 

Wer gehört zur Gemeinschaft der Heiligen?
Zur Gemeinschaft der Heiligen gehören:
1. die Rechtgläubigen auf Erden,
2. die Heiligen im Himmel,
3. die armen Seelen im Fegefeuer
 

(vgl. Kleiner Katechismus der katholischen Religion (1932), passend gegen Links zur Machtübernahme 1933.  Sh. auch „Lafontaine nennte Regierung 'Irrenhaus'” , BILD.de, 3.7.2005, was natürlich nach der Koalition der Pseudo-Linken mit den Pseudo-„Christlichen” noch mehr gilt). Ihre „christlichen” Vorgänger waren jedenfalls über viele Jahrhunderte erfolgreicher mit der autoritären „Kommunikation” eines Weltbildes, bei der die Erde mit den Verteidigern des rechten Glaubens und seiner Profiteure im Mittelpunkt der Welt stand (sh. zu den Gründen für die Etablierung der aristotelischen geozentrischen Ideologie gegen die konträren Weltbilder des Philolaos und Herakleides von Pontos: Jochen Koubek: Vernetzung als kulturelles Paradigma, Berlin 2003).

Nachdem die „Christlichen” mit diesem durchsichtigen Manöver zur Bundestagswahl im Oktober 2005 auf 35,2% der Wählerstimmen abgestürzt waren (sh. tagesschau.de/Infratest dimap) und nach einem Zwischenhoch seit Juli 2006 wieder dort angekommen sind (sh. wahlrecht.de~dimap.htm), suchen sie die Gründe - zur Ablenkung von ihrer doppelten Umverteilung nach oben - jedoch eher in einem Mangel an „Kommunikation” solcher Absurditäten und an positiver „Emotionalisierung” ihrer Mehrwertsteuererhöhung bei gleichzeitiger Absenkung ihres Spitzensteuersatzes (sh. „Wahlkampfanalyse - Liebeserklärung kostet Wahlsieg”). Maßgebend für die Wende im Wahlkampf zugunsten von Schröder und zu Lasten von Merkel sei gewesen, dass er seinen Auftritt im TV-Duell gegen sie zu einer öffentlichen Liebeserklärung für seine Frau Doris genutzt habe, so CSU-Chef Stoiber (sh. ebd. und morgenpost.berlin1.de, 23.10.05). Die „Emotionalisierung” wird also demnächst nach US-amerikanischem Muster noch mehr auf Irreführung als auf klare Wahlprogramme setzen. In der taz wurde dieses Erfolgsrezept sofort registriert von Cosima Schmidt, als sie dort bereits am 20.9.05 schrieb:
 

Die Solidarität von Frau zu Frau ist ein wichtiger Faktor - aber nicht der einzige. Mit ihm wetteifert die Sympathie für den Mann Schröder, der sich in den Medien charismatisch darzustellen weiß und Gemüter weichspült, indem er noch im TV-Duell ein „Ich liebe meine Frau” unterbringt.
 

(Sh. „Merkels vorhersehbare Misere: Keine Spur von weiblicher Solidarität”, taz.de, 20.9.05.) 

Die FDP-Politiker sind natürlich mit ihren Steuergeschenken für sich und die übrigen „Bestverdiener” noch viel großzügiger als die CDU. Auf ihrem Wege der skandalösen Umverteilung nach oben folgt die Union der FDP als „Partei der Besserverdienenden„[115] und Missionarin für eine neue „Werte”-Debatte,[116] die ihn mit ihrem angestrebten Spitzensteuersatz von 35% schon lange vorgezeichnet hat.[117]

Nach der kalten Abfertigung von Norbert Blüm will seine „christliche” Partei außerdem bei den Krankenversicherungsbeiträgen für Kleinverdiener wesentlich kräftiger zulangen und die normalverdienenden Beitragszahler oberhalb des Sozialhilfeniveaus mit ihrer „Gesundheitsprämie„ zur Kasse bitten.
Als Deckmantel dient die Forderung nach mehr „ Gerechtigkeit” durch „ marktwirtschaftlichen” Sozialstaats-„ Umbau”.

Dieses Kopfgeld ist für die „christlichen” und die übrigen neoliberalen Propagandisten das mit Abstand größte Reserve-Potenzial zur weiteren Senkung ihres Spitzensteuersatzes in Richtung Kirchhof-Niveau und zur gigantischen Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen. Für diese Riesen-Beute ist die wachrüttelnde Bezeichnung als „Hartz V” eher noch gemäßigt
(sh. „Lafontaine: Gesundheitsprojekt ist das Projekt 'Hartz V'”, journalMED, 27. 6.06, und hier: „'Gesundheitsfonds' zur Umverteilung nach oben”).
Nach einer solchen Schröpfung zugunsten der Volksbetrüger und sonstigen Best-„Verdiener”  müsste der Pförtner denselben Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen wie der Chefarzt, wenn dieser sich nicht vorher schon durch Privatversicherung aus dem Kranken-„Solidarsystem” ganz verabschiedet hätte. Die Lohnabzüge für Kleinverdiener insgesamt werden also kräftig erhöht und lediglich in Härtefällen Sozialzuschüsse gewährt.

Die „christlichen” Propagandisten behaupten zwar, dass man diese „Gesundheitsprämie” nur zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze einführen will,  verschweigen aber tunlichst, dass durch ein solches Kopfgeld Konsum und Arbeitsmarkt noch zusätzlich geschwächt und gerade dadurch die Arbeitsplätze vernichtet werden.

Mit dieser Umverteilung ist die Staatskasse dann so geschröpft, dass es wieder einmal „keine Alternative„ (sh. oben die „TINA”-Formel) zur Schröpfung der Ärmsten gibt. Durch die Begrenzung der Zuschüsse zur Kopfprämie nach Hartz-IV-Standard lässt sich dann fast ein Drittel der Bevölkerung (zur eigenen Bereicherung am Volkseinkommen) bequem auf Sozialhilfeniveau heruntermanipulieren. Auch mit den neuen Studiengebühren lässt sich dieser Effekt bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen erzielen und die Geburtenrate weiter drosseln. Am Ende können die Profiteure dann ihr größtes „ Christfest” veranstalten - mit glänzenden Eurozeichen in den Augen und den oben zitierten knallenden Champagnerkorken. Siehe dazu den ZDF-Bericht „ Kopfprämie macht ein Drittel zu Bedürftigen”.[119]

Die „christlichen” Kahlschläger diesseits und jenseits des Atlantiks könnten gelegentlich einmal wieder in die Bibel schauen, denn dort steht geschrieben:
 

„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen” (Matth. 7, 16) und
„Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe” (Matth. 7,15).[120]
 

Es genügt den Bierdeckel-Gauklern also bei weitem nicht, dass sich nach der Steuersenkung für „Bestverdiener” durch RosaGilbgrün der Bevölkerungsanteil mit Einkommen unterhalb der EU-Armutsgrenze von 12,1% auf 13,5% und der Anteil der Reichsten 10% am Volksvermögen in etwa 5 Jahren von 45% auf 47% erhöht hat und dass sich die Zahl der sozialhilfebedürftigen Kinder von inzwischen 1,1 Millionen mit drastisch verminderten Bildungschancen demnächst durch Hartz IV noch einmal verdoppeln könnte.65[121]
 

Nicht nur die Zahl der Armen wächst, immer größer wird auch der Abstand zu den Wohlhabenden der Republik. In den vergangenen Jahren sind die Reichen reicher und die Armen ärmer geworden, zeigt eine neue Analyse des Statistischen Bundesamtes. Danach stieg das durchschnittliche Nettogeldvermögen des reichsten Viertels gegenüber dem ärmsten vom Achtfachen auf das Zwanzigfache
 

und dazu die Frage von Andrea Noll (Attac) nach dem Verbleib des weggerafften Volkseinkommens und der abgewürgten Konsumimpulse:
 

Die Kassen leer? Wer hat die Hand in der Kasse, ist wohl eher die Frage.[121]
 

Auch der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (seit 2002), Professor Wolfgang Wiegard (SPD), schlug im Einklang mit weiteren „Wirtschaftsweisen” zum eigenen Vorteil eine Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 35% vor [122] - bei gleichzeitiger Kürzung der monatlichen 347 Euro Hartz IV und Sozialgeld  um 30% ! [123] - Früher erinnerte der „Weise” eher an einen genügsamen Eremiten, an einen Professor im Elfenbeinturm, an Askese. Aber heute denkt man an Hirn ohne Herz auf äpfelndem Ross.

Mit ihren 35% Spitzensteuersatz lägen die „Weisen” schon unter den 36% nach dem Merz-Konzept der CDU,[113] deren Parteichefin Angela Merkel kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sagte:
 

Alles was wir tun, muss sich der Wirtschaft unterordnen: Entsteht dadurch Arbeit oder verschwindet dadurch Arbeit.
 

Mit ihrer dreisten Umverteilung nach oben durch weitere Senkung des Spitzensteuersatzes und Erhöhung der Mehrwertsteuer würde sie der „ deutschen Wirtschaft endgültig den Garaus machen”,[98] da diese Geldhortung an der Spitze nur durch mangelnde Nachfrage des Staates und der kleinen Konsumenten bezahlt werden kann. Schon am Tag nach der Konstituierung des neuen Bundestages konnte Merkel vor den Spitzenvertretern der Arbeitgeberverbände als schwarzrötliches Antrittsgeschenk verkünden, dass die Folgen dieser fortdauernden Umverteilung nach oben weiterhin auch durch reale Rentenkürzungen bezahlt werden (sh. „Merkel schließt Rentenerhöhung aus”, zeit.de/Handelsblatt, 19.10.05, 21:31h).  Wenn die Opfer dieser Umverteilung und Arbeitsplatzvernichtung als Wähler auf solche Scharlatanerie hereinfallen, verdanken sie dies vor allem der Gehirnwäsche durch die Propagandisten.

Zur Umverteilungswirkung schreiben die Ökonomen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik an der Universität Bremen  im „WASG-Newsletter” vom 1.5.05:
 

Das gesamtwirtschaftliche Wachstumsproblem, das der Bundesrepublik anhaltende und weiter steigende Rekordarbeitslosigkeit beschert, ist im Kern ein Verteilungsproblem, d.h. auf eine falsche Einkommens- und Vermögensverteilung zurückzuführen. Die Binnennachfrage, deren Stagnation auch durch die Position des Exportweltmeisters nicht wettgemacht werden kann, hängt vor allem von der privaten und öffentlichen Verbrauchsnachfrage ab, die ihrerseits die Absatzaussichten für die Unternehmen und damit auch deren Investitionen bestimmen.
 

Der fortschreitende Kahlschlag und die geplante Mehrwertsteuererhöhung bei gleichzeitiger Senkung des Spitzensteuersatzes werden von den Hauptprofiteuren nur deshalb als alternativlos dargestellt, weil die konjunkturfördernde Alternative die Rückkehr zu ihren früheren Spitzensteuersätze wäre. Es fällt auf, dass diese echte Alternative auch gerade von den bestbezahlten und hochgejubelten „wissenschaftlichen” Sachverständigen (vielleicht mit Ausnahme von Bofinger) peinlichst ignoriert wird. Zu diesem Standardtyp von „ Arbeitsplatzbeschaffern” sagte Oskar Lafontaine (sh. „ Lafontaine wirft Union Feigheit vor”, morgenpost.de, 11.7.05):
 

Die Schwarzen wollen die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöhen weil sie zu feige sind, die Reichen mehr zu besteuern.
 

Man kann auch sagen: „zu feige und zu gierig!”: Es ist die Feigheit der Vor- und Nachbeter, überhaupt auch nur die richtigen Fragen zu stellen und auf einer Antwort zu bestehen, weil das zum Karriereknick  führen könnte. Außerdem könnten sie dadurch selbst zum Diffamierungsopfer werden. Zu dieser Feigheit gehört aber auch die Raffgier der überversorgten Nimmersatten, die sich opportunistisch den Manipulateuren andienen. Die Gier als eine der „Sieben Todsünden (sh. die Darstellung von Hieronymus Bosch) hat auch Tradition bei den Schwarzen und beginnt schon vor dem Judaslohn.

Die neoliberalen Söldner des Medienkapitals und der Proporz-Cliquen werden ja nicht nur mit der Peitsche des Ausschlusses in die Spur gebracht, sondern noch mehr mit dem Zuckerbrot für Linientreue überfüttert. Das Zuckerbrot erhalten sie von ihren neoliberalen Brötchengebern nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Wählertäuschung zur Umverteilung nach oben. Da sind jene Anfänger am ehesten willkommen, die von vornherein schon auf der Linie der „Bestverdiener” liegen. Mit schwarzem Humor könnte man „entschuldigend” sagen, dass die maßlose Raffgier auf Kosten anderer beim Homo „sapiens” (lat. dem „Wissenden”) nicht nur das „Volk ohne Raum” bestimmte, sondern in anderer Form weltweit auf dem Vormarsch ist, und dass solche Hominiden am ehesten  in passende Positionen kommen. Die Frage ist dann aber, warum die ausgeplünderten Anderen solche verkappten Vertreter des Sozialdarwinismus auch noch ins Parlament wählen. Der wichtigste Grund dürfte sein, dass auch die meisten übrigen Meinungsmacher auf Seiten der Raffgierigen stehen.

Auch solche Vertreter der Winner-Loser-Ideologie bezeichnen zu Recht den (normativen oder resignativen) Sozialdarwinismus (sh. socialinfo.ch) heute als „wissenschaftlich diskreditierte gesellschaftswissenschaftliche Theorie” (sh. Wikipedia: „Sozialdarwinismus”, Stand 25.7.06).  Die neoliberalen Ideologen für das „Überleben der Angepasstesten” („survival of the fittest”, sh. Charles Darwin: „On the Origin of Species”), wollen sich jedoch nicht auf den Begriff bringen lassen. Sie lasten daher dem allgemeinen Sprachgebrauch kurzerhand einen Verständnismangel für hier angeblich relevanten Unterschiede zwischen den Theorien von Lamarck und Darwin an und versuchen so - zur Irreführung -, die anschauliche Bezeichnung „Sozialdarwinismus” einfach als „irreführend” zu tabuisieren mit Aussagen der folgenden Art: „Sie trägt allerdings größtenteils lamarcksche und nicht darwinistische Züge, weswegen die Bezeichnung heute als irreführend angesehen wird„  (sh. Wikipedia, ebd., Stand 25.7.06).

Gegen das Menschenbild der „ Hochreligionen” stehen naturalistische Ansätze wie z.B. Konrad Lorenz mit seinem Buch „ Das sogenannte Böse - Zur Naturgeschichte der Aggression”. Dies relativiert auch Kants „Selbstverschuldung” der Unmündigkeit, allerdings bei erheblicher Naturalisierung des allgemeinen Menschenbildes gegen Kants Idealismus, aber immerhin erträglich aus der Sicht einer allgemeinen Naturverbundenheit und mit pragmatischen Folgen für die Schaffung einer humanen Gesellschaft. Das manipulative Milgram-Experiment und der Pawlowsche Hund stehen nicht nur für die jeweiligen Versuchs-Situationen. Die Konditionierung durch den manipulationsstärksten US-Sender Fox-TV von Rupert Murdoch und dessen Meinungskauf wurden bereits eingehend untersucht und gemessen anhand der Akzeptanz von Irak-Lügen bei dessen Massenpublikum im Vergleich zu Nutzern anderer Informationsquellen (sh. Steven Kull et al.: „Misperceptions, The Media and the Iraq War”, Menlo Park, California, 2.10.2003, sowie „Kognitive Dissonanz”, „Rationalitätenfalle”, Orwells „Doppeldenk” und hier zum Kreationismus von George Bush).  Zur Quasi-Vereinnahmung von Tony Blair und Hillary Clinton durch den Bush-Unterstützer Murdoch sh. z.B. den Artikel „ Sag mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist”, wsws.org, 10.5.06). Es gehört auch zur Desinformation und Wählertäuschung, wenn die neoliberalen Manipulateure deren Wirkung auf das Wahlverhalten herunterspielen. Außerdem genügen oft schon wenige Stimmenprozente mehr oder weniger für eine völlig andere Politik.

Dem „sogenannte Böse” der „höheren Lebewesen” im Sinne von Konrad Lorenz sind bei der Raffgier allerdings Grenzen gesetzt, weil das übermäßige Zusammenraffen von Gütern oder Werten auf Kosten der anderen nur dem sogenannten „Homo Sapiens” (dem „wissenden” oder „vernunftbegabten” Menschen) möglich ist. Die übrigen Säugetiere können sich nur sattfressen oder ausreichende Vorräte für einen Winter anlegen. Für sie gelten lediglich die Tierschutzgesetze.
 

Vor diesem krassen Hintergrund mag das goethesche Pathos noch erlaubt sein:

 

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.

 

Die Raffgier der „Vernunftbegabten” ist allerdings nur ein sichtbares Zeichen für den „urwüchsigen” Charakter der Neoliberalen. Noch deutlicher wird dieser Charakter mit ihren betrügerischen und selbstbetrügerischen Rechtfertigungen sowie in Kombination mit ihrem Mobbing gegen alle, die dagegen stehen, also insbesondere mit Schnüffeleien in deren Privatleben und mit konstruierten Affären (sh. hier z.B. Linksbuendnis.htm#Lafontaine… und Diffamierungs-Resistenz.htm). - Das „sogenannte Böse” sucht seine Rechtfertigung darin, dass es auch allen anderen die eigene selbstgefällige Niedertracht unterstellt. Man würde ihm auf den Leim gehen, wenn man das eigene Menschenbild von dieser Verallgemeinerung auf alle bestimmen ließe.

Typisch ist auch die fortschreitende anachronistische Verunsicherung der Amerikaner in ihrem Weltbild zur Entstehung des Menschen oder seiner Erschaffung in seiner heutigen Form durch einen einmaligen Schöpfungsakt nach Vorstellung von George W. Bush und seinen Wahlhelfer in den US-Kommerzkirchen (sh. Wikipedia: Kreationismus):
 

So stieg die Zahl derer, die sich „nicht sicher über die Evolution” sind, von sieben Prozent im Jahr 1985 auf 21 Prozent im Jahr 2005…
 So stimmen 20 Jahre nach Beginn der Debatte 40 Prozent der Befragten der Aussage [Evolutionstheorie] zu, fast ebenso viele (39 Prozent) lehnen den Evolutionsgedanken jedoch geradeheraus ab... Lediglich in der Türkei sei man für eine wissenschaftliche Erklärung der menschlichen Herkunft noch weniger aufgeschlossen als in den USA. Das berichten US-amerikanische und japanische Forscher in „Science”, die Daten von 34 Ländern ausgewertet hatten. Island, Dänemark, Schweden und Frankreich führen mit 80 Prozent Zustimmung oder mehr die Rangliste der Evolutionsbefürworter an, Deutschland liegt mit etwa 70 Prozent auf Platz zehn.
 

(Sh. „US-Bevölkerung ist verunsichert über Evolution”, welt.de/dpa, 12.8.06.) Typisch sind auch die guten Plätze für Skandinavien und der mäßige Platz für Deutschland mit seinen schwarz indoktrinierten Regionen. Wenn die rechten Ideologen den Wählern sogar den Glauben an den Kreationismus eintrichtern können - gegen die wissenschaftlich klar belegbare Evolutionstheorie, dann muss man sich über ihre Erfolge bei der egoistischen Verbreitung ihrer Ideologie zur Umverteilung nach oben und bei der Diffamierung der Linken nicht wundern. Auch beim Kreationismus sieht man wieder, wie weit die Verdummungserfolge der Rechten in den USA, aber auch in Deutschland gehen, ganz im Gegensatz zu Skandinavien..


Ähnliche Erfolge haben die skrupellosen Ideologen bei der Manipulation von Kindersoldaten zu gewissenlosen Killermaschinen oder bei päpstlichen Fegefeuer-Ablässen, die Kreuzfahrer durch ihre Raubmordzüge erlangen konnten, oder bei der Gängelung und späteren Ausbeutung der christlichen „ Lämmer” durch ihre „ Oberhirten” mit Höllenängsten vor Todsünden durch die natürliche Entwicklung der Sexualität. Die hatte man stets verfügbar zur Manipulation nach dem geläufigen Motto „ Habe ich Unkeusches mit Wohlgefallen geredet, angehört, gesungen, gelesen?” (sh. „ Trau Dich zum Beichten!”, padre.at). Daraus wurde in „gläubigeren” Zeiten durch Ablasshandel gewaltiges Kapital geschlagen, und damit wird bis heute vielerorts der Parasitismus gesichert - zum Beispiel in Lateinamerika, wo Papst Karol Wojtyla (Johannes Paul II.) die Aktion der Glaubenskongregation (früher Inquisition) von Kardinal Joseph Ratzinger und der Geheimorganisation Opus Dei gegen die Befreiungstheologen massiv umsetzte (sh. M. Stankiewicz: „USA-Vatikan-Connection”, jungewelt.de, 5.4.05, und hier Dritte_Welt.htm) bis hin zum kirchlichen Verbot von Kondomen in den Hauptverbreitungsgebieten von Aids, das Ratzinger als Papst Benedikt XVI.  („Wir sind Papst”) erneuerte (sh. geilundsafe.at und etliche Quellen, die mit den dortigen Zitaten über Google zu finden sind). Aber eine solche unverantwortliche Borniertheit lässt sich bei Aids anscheinend nicht mehr länger durchhalten. Immerhin schien es zunächst so. (Sh. „Papst will offenbar Kondome für HIV-Infizierte”,  tagesschau.de, 24.4.06).

Aber kurz nach Ratzingers Aufhebung der Exkommunikation von antichristlichen Holocaust-Leugnern (sh. Papst spricht von 'Pannen'”, tagesschau.de, 11.3.2009) gab er den Ewiggestrigen erneut Rückendeckung: Während des Fluges zu seiner ersten Afrikareise sagte er, man könne das Aids-Problem nicht mit der Verteilung von Kondomen lösen. Ganz im Gegenteil! Sie verschärften das Problem(!), wenn die Sexualität seelenlos bleibe, wenn die Afrikaner einander nicht unterstützten! (Sh. den verkürzten Text des Papst-Interviews unter „ blog.beliefnet.com”, 17.3.2009, sowie „ Pope and condoms: The Full Monty”,  catholicnews.com, 17.3.2009, und mit der Einschränkung „se non c'è l'anima...” im Osservatore Romano, 17.3.2009). Statt Kondomen forderte der Papst eine Humanisierung der Sexualität, als ob die Aids-Gefährdeten in Afrika so auf Kondome verzichten könnten! Auch eine Abtreibung bei Vergewaltigung ist anscheinend weiterhin tabu (sh. „ Papst beharrt auf Abtreibungsverbot”, tagesschau.de, 20.3.2009). Eine Humanisierung wäre gewiss dringend geboten in Zeiten der Internet-Pornographie mit ihren Auswüchsen und deren Deformations-Risiken für die Entwicklung von Jugendlichen. Sie müsste aber vor allem auch gelten für die reaktionäre päpstliche Haltung zur Ausplünderung der Ärmsten in aller Welt und gegen die satte Abwiegelung zugunsten der Umverteilungs-Profiteure nach dem traditionellen Motto des päpstlichen Osservatore Romano „Unicuique suum” („Jedem das Seine”).
 
Statt dessen ergreift diese Art von Christentum unter Papst Benedikt XVI. noch immer streng deren Partei  gegen die ausgesaugten Umverteilungsopfer und gegen „Gefährliche Thesen” (Titel der Süddeutschen, 11.3.07) von Befreiungstheologen wie etwa Jon Sobrino. Wieder zeige ein Armenpriester zu „viel Solidarität, zu wenig Erlösung”, wie es der Sender n-tv.de am 12.3.07 im Titel zusammenfasst. Im Ergebnis ist es der alte antichristliche Pakt zwischen weltlicher und „geistlicher” Obrigkeit gegen die gemolkenen Ärmsten als ihre Alimentierer. Ähnliches findet man auch in anderen Religionen, stets mit dogmatischer Unterstützung der gehobenen Kasten, die ebenfalls davon profitieren..


Die BILD-Marketing-Strategen konnten ihren „Wir sind Papst”-Anstecker mit „dezent” aufgedrucktem BILD-Logo auf dem Weltjugendtag 2005 „eine halbe Million Mal” loswerden. (Mehr siehe unter: Wir-Papst-Du-Deutschland.htm.)

Mit dem naturalistischen Menschenbild erklärt sich auch - bei den Meinungsmachern wie in anderen Lebensbereichen - der Hang zur jagenden und übermächtigen Meute (z. B. „Meute-Journalismus” - sh. das Zitat von Canetti zur „Hetzmasse„ hier unter Linksbuendnis.htm).

Selbst Journalisten von der die Financial Times Deutschland können gelegentlich die Volksverdummung der übrigen Meinungsmacher nicht mehr ertragen. In dem Leitartikel „Sinnentleerte Expertise” heißt es dort am 20.10.05 unter anderem:
 

Der Staat muss sparen, die Steuern senken und sein Defizit abbauen. Was die Experten der sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute da präsentiert haben, klingt umwerfend...

Just in dem Moment, in dem Deutschlands neue Regierung über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs verhandelt, verabschieden sich die Institutsökonomen aus einer ernst zu nehmenden Rolle. Ihr Gutachten strotzt vor altgewohnten Weisheiten und mangelnder Selbstkritik. Mit internationalen Analysestandards, wie sie Praktiker der großen Banken erfüllen, hält das Ergebnis kaum noch mit.

Richtig einig scheinen sich die Experten selber nicht zu sein. Da wird im Prognoseteil nüchtern diagnostiziert, dass verfügbare Einkommen und Konsum 2005 durch Kürzungen der Sozialtransfers gedämpft werden. Wenige Seiten später, bei den Politikempfehlungen, wird dann empfohlen, noch rabiater Ausgaben zu kürzen. Flugs ist es da nicht mehr die Entwicklung der Einkommen, die den Privatverbrauch bestimmt, sondern dass die Leute angeblich aus Angst vor Steuererhöhungen nicht mehr konsumieren - eine These, die sich empirisch nicht ansatzweise belegen lässt und von Nobelpreisträgern wie Robert Solow verspottet wird.
 

Den Ausweg aus dieser Lage zeigt das Linksbündnis. Die Exkurse hierzu waren zwar in Abschnitt 1 eigentlich unentbehrlich, wurden seit Ende Mai 2005 aber immer umfangreicher. Daher wurden sie Ende Juni 2005 hier ausgelagert  nach Linksbuendnis.htm(2).

Auch mit seiner niedrigen Abgabenquote von etwa 36%  betreibt Deutschland mittlerweile selbst eine Art Steuerdumping gegenüber den meisten sozialen Marktwirtschaften in Europa (sh. BMF: Monatsbericht Mai 2005, S. 100), allerdings nur zugunsten der „Bestverdiener”, aber zu Lasten des Konsums, der Investoren und der Arbeitsplätze (sh. unten „korrektive Nachveranlagung”). Außerdem finanzieren die künftigen Arbeitslosen in Westeuropa mit ihrer Steuermilliarden die EU-Subventionierung der Dumpingsteuern zur Arbeitsplatz- und Gewinnverlagerung in parasitäre Steueroasen vor der Haustür. Die Kosten für die Arbeitsplatzverlagerung können ihre Noch-Arbeitgeber dank Ignoranz vieler Politiker und bester Lobbyarbeit immer noch voll von der Steuer in Deutschland absetzen. Auf diese Weise wurde schon der „keltische Tiger” Irland als Steuerfluchtburg für Großprofiteure hochgepäppelt, aber diesmal geht es um einen Massen-Exodus - gerade mal in die unmittelbare Nachbarschaft.

Beim deutschen Exportüberschuss mit diesen Ländern ist zu beachten, dass dort viele Komponenten zur Montage von Aggregaten in Deutschland „just-in-time” gefertigt werden (mit kostengünstiger Montagelagerhaltung in LKWs auf den Autobahnen durch staatlich gesteuerte Verlagerung der Betriebskosten hin zu den Umwelt- und Gemeinschaftskosten zur Vergesellschaftung der Lasten bei Privatisierung der Gewinne einschließlich der verkürzten Steuern - sh. unten). Im Extremfall könnte es so sein, dass Komponenten im Wert von 100 importiert und nach der Montage das Aggregat im Wert von 130 wieder dorthin exportiert würde. Auf diese Weise würden zur Gewinnmaximierung oder Verlustvermeidung in jene Länder Arbeitsplätze verlagert für die Wertschöpfung von 100, während für die Arbeitsplätze in Deutschland nur eine Wertschöpfung von 30 übrig bliebe. Aber auch diese gescholtene „Basar-Ökonomie„  dient dem gegenseitigen Vorteil, wenn durch die günstige Beschaffung um so mehr Güter gewinnbringend  in die übrige Welt exportiert werden können - bei halbwegs erträglicher Verteilung des Nutzens zwischen Arbeit und „arbeitendem” Kapital.

Außerdem könnte es sein, dass ein Gutteil der 100 aus der manipulativen Überhöhung der konzerninternen Verrechnungspreise bestünde, um
den steuerpflichtigen Gewinn in Deutschland zu mindern und ihn so für den Konzern zu den Dumpingsätzen dieser Länder zu versteuern. Auch wenn in dem Preis von 100 nur eine kaum nachweisbare Preisüberhöhung von 5 enthalten wäre und der deutsche Anteil von 30 für sich allein einen Kalkulationszuschlag von 20% = 6 tragen könnte, so würden diese 6 weitgehend aufgezehrt durch die Überhöhung um die vorgelagerten 5, die über das Weltmarktniveau hinausgehen. Es ließe sich für die Besteuerung in Deutschland also gerade noch ein Gewinnzuschlag von 1 auf die 130 realisieren, während die 5 von Deutschland in die „Oasen” verlagert werden und dort mit dem übrigen Hauptteil der Gewinne nur minimal zu versteuern sind.

Ähnliche Effekte werden erzielt durch massenhafte Nachbearbeitung von ausländischen Fehlprodukten in deutschen Stammwerken zu deren Lasten, durch Export von Anlagen unter Selbstkosten in Niedrigsteuerländer, um sie von dort dann mit dem eigentlichen Konzerngewinn in das tatsächliche Zielland zu exportieren usw. Auch bei der Abschöpfung von EU-Subventionen sind solche Dreiecksgeschäfte keine Seltenheit - wie früher bei der Abschöpfung der Berlinförderung durch Hin- und Rücktransport von Schweinen, denen dort lediglich zur „Veredelung” die Ohren abgeschnitten wurden.
Es ist also tatsächlich so, dass einige in Deutschland und anderen Alt-EU-Ländern von der EU-Erweiterung viel mehr profitieren als die meisten in den neuen Beitrittsländern und dass dort wiederum einige reichlich profitieren zu Lasten ihrer übrigen Landsleute und der Dumpingopfer in Westeuropa. Diese müssten sich also EU-weit solidarisieren.

Die neoliberalen Politiker erlauben diesen Unternehmen obendrein  noch, dass sie ihr Kapital und ihre Lizenzen in parasitäre Steueroasen verlagern, um sich beides von dort gegen Zinsen und Lizenzgebühren zurückzuholen und so durch fingierte Verlagerung ihrer Gewinne die Bemessungsgrundlage für ihre Steuern in Deutschland auszulaugen (sh. z.B. das obige taz-Interview von Lorenz Jarass sowie den Artikel von Lorenz Jarass und Gustav M. Obermair:  „Sinkende Steuerbelastung von Unternehmens- und Vermögenseinkommen”, insbesondere den Abschnitt „Verschiebung von steuerlichen Bemessungsgrundlagen in Steueroasen: Steuerdumping” und die dort folgenden Abschnitte, Wirtschaftsdienst  2004, Heft 3, S. 152-160). Die Unternehmen werden aus Wettbewerbsgründen durch den Gesetzgeber geradezu gezwungen, auf diese Weise einen großen Teil des deutschen Steueraufkommens ins Ausland zu verlagern.


Es gibt auch Politiker, die die Konzerne bei der Gewinnverlagerung sogar beraten, so z.B. Friedrich Merz, CDU (sh. Linksbuendnis.htm  mit dem Suchwort „Doppelbesteuerungsabkommen”), als Totengräber des Sozialstaats. Dies geschieht mit Hilfe von Gerichten, aber vor allem des Gesetzgebers im Schlepptau der Steuerflucht-Lobbyisten gegen das Grundgesetz (sh. Art. 20, 28 GG; zu Art. 14 Grundgesetz sh. hier auch Linksbuendnis.htm). Zu den Methoden sh. auch das Buch von Ernst Schmiederer und Hans Weiss: Asoziale Marktwirtschaft, Köln, 2004, mit Textproben und Pressestimmen unter asoziale-marktwirtschaft.com, sowie dazu single-generation.de und  Robert Misik: „Wir könnten uns den Sozialstaat leisten”, taz.de, 9.10.04.

Die verfassungsmäßigen Sozialstaatsfinanzierung wird auch mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ausgehöhlt; sh. dazu die Große Anfrage vom 23.2.05 der FDP-Abgeordneten im Deutschen Bundestag: „ Europarechtswidrigkeit steuerlicher Vorschriften und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs”, Drucksache 15/4965, die - ganz gleich aus welchen Motiven - zur Klärung beitragen könnte. Einerseits blockieren die Profiteure des Steuerdumpings in der EU eine Vereinheitlichung der EU-Ertragsbesteuerung und Mindeststeuern, indem sie dies mit lauen Absichtserklärungen auf die lange Bank schieben. Andererseits wird ihr Schmarotzertum aufgrund ihrer trojanischen Richtlinien auch noch durch den EuGH gegen die deutsche Verfassung geschützt (sh. hier auch den Exkurs: Steuer-Parasitismus.htm).

Der nationale Egoismus beim Dumping-Wettlauf führt jedoch am Ende in die Rationalitätenfalle zwischen individueller und kollektiver Rationalität - wie bei einer Theater-Veranstaltung, wo keiner besser sieht, wenn einer nach dem andern aufsteht und am Ende alle stehen. Hier geht es um die Rationalität der Staaten, wonach am Ende alle verlieren – bis auf die Couponabschneider. Die kleinen Staaten wissen jedoch, dass sie eher vom Parasitismus leben können als die großen, solange diese sie gewähren lassen. Die Profiteure der Arbeitsplatzverlagerung in Deutschland wissen, dass sie dank der Dumping-Spirale auch die Plausibilität ihrer eigenen weiteren Steuersenkungen vortäuschen können.

Johanna Hey, Lenkungsgruppenmitglied der Kommission „Steuergesetzbuch„ für die neoliberalen  „Stiftung Marktwirtschaft”, kann sich sogar vorstellen, dass man die Unternehmenssteuern ganz abschafft, wenn die ausgeschütteten Unternehmensgewinne bei den Eignern voll besteuert werden (sh. „ Eine verkürzte Sicht von Gerechtigkeit”, taz.de, 29.3.06). Damit würde zumindest das Halbeinkünfteverfahren  gegenstandslos, durch das Kapitalerträge besonders bei niedrigen Einkommen erheblich mehr belastet und bei Steuersätzen über 40% entlastet wurden (sh. auch DGB). Durch eine solche Mehrbelastung der Kleinsparer ohne Recht auf Steuererstattung finanzieren diese jedoch noch zusätzlich die Steuersenkungen für Meinungsmacher und sonstige Bestverdiener. Wenn die Unternehmensgewinne erst bei ihrer Ausschüttung besteuert würden, könnten die Anteilseigner zur Steuervermeidung auf Ausschüttungen weitgehend verzichten und die Gewinnansammlungen mit ihren Anteilen später verkaufen, sei es nach Ablauf von Spekulationsfristen oder auch weit unter ihrem persönlichen Steuersatz – dank der Abgeltungssteuer zur Umverteilung nach oben. Sie könnten am Ende sogar mit ihren Anteilen in eine parasitäre Steueroase der EU umziehen und dort weitgehend steuerfrei Kasse machen, wenn die „Wegzugssteuer” für Steuerflucht nach Österreich und in andere EU-Fluchthelfer-Staaten demnächst von den Eurokraten ganz zu Fall gebracht wird.  Das Problem der Gewinnverschiebung durch fingierte oder manipulierte Rechnungen usw. ist allerdings anders anzugehen (sh. hier Unternehmenssteuerreform.htm).

Die Begründung des äußerst problematischen Halbeinkünfteverfahrens findet man in den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Zur Kritik schreibt Wolfgang Scherf in seinem Skript : Öffentliche Finanzen I - II, Uni Giessen, 2005/06, S. 15, dort eingestellt 13.10.2004, erreicht auch über die Download-Seite http://wiwi.uni-giessen.de/dl/det/Scherf/6713/:
 

Fazit: Das Halbeinkünfteverfahren war der falsche Weg einer Unternehmenssteuerreform. Der Gesetzgeber hat ein prinzipiell überlegenes Steuersystem ohne überzeugende Gründe durch ein in nahezu jeder Hinsicht problematisches Verfahren ersetzt.
 

Die Besteuerung der tatsächlichen Wertschöpfung mit den persönlichen Steuersätzen der Gewinnbezieher nach den traditionellen Bemessungsgrundlagen der Gewerbesteuer wäre also auch im Hinblick auf das EU-Recht tatsächlich möglich. Aber im Gegensatz zu den völlig anderen Kommissionsvorstellungen von Johanna Hey müssten dabei auch die einbehaltenen Gewinne mit den Einkommensteuersätzen der Wirtschaftswunderjahre besteuert werden, wenn man keine gleichwertige und steuerfluchtssichere Wertzuwachssteuer durchsetzen kann, denn vor allem aus den einbehaltenen Gewinnen ergibt sich oft der weitaus größte Teil des veräußerbaren Vermögenszuwachses bei den Anteilseignern.

Gerade die einbehaltenen Gewinne können in den Dumpingsteuer-Ländern  - mangels politischen Drucks - bestens verschleiert werden. Dagegen hilft nur eine neue Art der Besteuerung von Marktwert-Zuwächsen bei den Anteilspapieren.  Johanna Hey weist selbst darauf hin, dass es sich um politische Entscheidungen handelt. Die hängen aber davon ab,  in welchem Maße die Manipulationen der öffentlichen Meinung durch die neoliberalen Meinungsmacher Erfolg haben. In jedem Fall dürften von Heys neoliberaler Kommission kaum ernsthafte und kurzfristig umsetzbare Vorschläge zur steuerlichen Belebung des Arbeitsmarktes und zur Bekämpfung des EU-subventionierten Steuerdumpings zu erwarten sein, denn diesen „Bestverdienern” geht es wohl eher um Unternehmenssteuersenkungen und um die Umverteilung nach oben, wodurch weitere Arbeitsplätze vernichtet werden. Nach den hier bereits erwähnten Beiträgen von Finanzminister Steinbrück (SPD!) zur Umverteilung nach oben scheint der Transparenzaufruf von Lobbycontrol.de an ihn zum Steuergesetzbuch und zur „Stiftung Marktwirtschaft„  mehr als gerechtfertigt (sh. den Offenen Brief vom 30.1.06 und „Die großen Einflüsterer, Thinktanks als Lobby der Freien Marktswirtschaft”, nachdenkseiten.de, 18.11.05. Vgl. dazu hier die Seite „Unternehmenssteuerreform.htm”).

Überhaupt hat man den Eindruck, dass es sich bei dieser Steuersenkungs-Kommission von Notabeln um eine reine Lobbyveranstaltung  handelt, die von den Profiteuren bestens honoriert wird und in den neoliberalen Regierungspolitikern ihre willfährigen Gehilfen findet (sh. die Fakten bei L. Jarass und G. M. Obermair: Unternehmenssteuerreform 2008, Wiesbaden, 10.5.2006, insbesondere Seite 13 ff., sowie ihre übrigen Texte zur Abwehr der Steuerflucht unter jarass.de). Johanna Hey ist ehemalige Schülerin des Kommissionsvorsitzenden Joachim Lang, FAS-INSM-Preisträger des Jahres 2005 (lobbycontrol.de). Dessen Interview mit dem DLF vom 19.5.06 zeigt klar die Umverteilungs-Vorgaben durch die „Stiftung Marktwirtschaft” und durch die INSM für das Steuergesetzbuch der schwarzrötliche Regierung.

Unter dem Kanzler der Bosse wurde im Jahre 2004 das Programm „Seitenwechsel„ eingeführt, wonach mittlerweile einige hundert industriefinanzierten Lobbyisten an den Schreibtischen in den Ministerien sitzen. Sie „arbeiten” dort an Gesetzesformulierungen im Sinne ihrer Brötchengeber und reichen denen interne Informationen aus den Ministerien weiter. Auch Minister und Mitarbeiter im Sold der Politik können die „Seiten wechseln”, wenn es sich lohnt - wie z.B. bei Gerhard Schröder, Werner Müller, Alfred Tacke, Martin Bangemann (sh. anstageslicht.wordpress.com, Stand 9.9.2007) und nicht zuletzt Friedrich Merz, der hier leider immer wieder genannt werden muss. Mit der offiziellen Einführung und Ausweitung des längst vorher praktizierten „Seitenwechsels” konnten der „Genosse der Bosse” und sein neoliberaler Tross ihr Politikverständnis verdeutlichen. Von den neoschwarzen Koalitionären der Rotkarierten wurde dieser Verkauf der Politik erwartungsgemäß dankbar aufgenommen und perfektioniert (sh. „Heimliche Interessenvertreter: Lobbyisten in Bundesministerien”, Monitor vom 3.4.2008, mit Beispielen von CSU-Wirtschaftsminister Glos). Aber er funktioniert auch dann, wenn die Lobbyisten ihre trickreichen Gesetzesformulierungen nicht an Schreibtischen in den Ministerien aushecken, sondern in externen Netzwerken zur Umverteilung nach oben, z.B. bei den Steuergesetzen.

Während alle zusätzliche Steuern und Abgaben zu Lasten von Klein- und Normalverdienern ohne entsprechende Lohnsteigerungen tendenziell die Konjunktur drosseln, so kann jegliche Besteuerung von Unternehmen zu Arbeitsplatzverlagerungen führen und jedwede Besteuerung von Kapitalerträgen gewisse Kapitalfluchttendenzen auslösen. Die schrittweise Anhebung der Quellenbesteuerung von 15 auf 35 Prozent nach der EU-Zinsrichtlinie in 22 von 25 EU-Staaten und in einigen weiteren Staaten bis zum Jahre 2011 ist wegen ihrer vielen Ausnahmen viel zu halbherzig (sh. „ EU trocknet Steueroasen aus”, handelsblatt.com, 30.6.05). Die Abschöpfer des Volkseinkommens scheinen gerade durch den EU-geförderten Steuerparasitismus.

Die Dumping-Opfer müssen also schnellstens eine EU-rechtskonforme und effektive Umstellung ihres Steuersystems in Angriff nehmen
.
Dabei ist schrittweise ein Optimum anzustreben zwischen den stets unvermeidlichen Ausweichversuchen der Abschöpfer und der erforderlichen Steuererhebung für die staatlichen Aufgaben einschließlich der Standortsicherung. Mit einer Planung dieses Systemwandels kann man aber keinesfalls die „bestverdienenden” Neoliberalen betrauen, weil deren Hauptziel die Steuersenkung für „Bestverdiener” ist und weil die Förderung des internationalen Steuerdumpings gerade diesem Ziel dient (vgl. dazu hier die Seite „Unternehmenssteuerreform.htm”).

Die Untersuchungen von Jarass und Obermair sind nach Kenntnis des Verfassers der bemerkenswerteste und fundierteste Zugang zum Problem der Steuerflucht und zur Neuregelung des Steuersystems in Deutschland. Allerdings sind hierzulande ansonsten kaum kurzfristig und einzelstaatlich durchsetzbare detaillierte und sinnvolle  Vorschläge zu diesem Thema zu finden, wenn auch die geforderte Wertschöpfungsabgabe des Linksbündnisses in die richtige Richtung weist und die engagierten Schriften z.B. von Jörg Huffschmid und von Sven Giegold wichtige Beiträge zum Thema enthalten.

Ein Paradebeispiel von Jarass und Obermair ist der bestverdienende IKEA-Konzern des Schweden Kamprad mit persönlichem Steuerfluchtsitz in der Schweiz,  der seine etwa neunprozentige (!) Umsatzrendite vom goldenen Absatzmarkt Deutschland mit Hilfe von Fremdkapitalzinsen und Lizenzgebühren weitgehend in ausländische Dumping-Systeme verschiebt.

Grundlage für die Vorschläge von Jarass und Obermair ist eine Wertschöpfungs-Besteuerung nach Art der Gewerbesteuer. Sie erfasst also auch die von der Betriebsstätte „verdienten” Aufwendungen für Fremdkapital oder ausgelagertes Eigenkapital, Lizenzgebühren usw. in ihrer Steuerbemessungsgrundlagen
(volle Differenz zwischen solchen Aufwendungen und Erträgen, Einbeziehung der Freiberufler und weiterer Gruppen).  Im Gegensatz zu anderen Modellen der Wertschöpfungssteuer (sh. auch IniFES: Finanzierungsalternativen, 2/2006, S. 73. f.) orientiert sich die aktualisierte Gewerbesteuer aber - wie die traditionelle Gewerbesteuer - mehr an der betrieblichen Leistungsfähigkeit und erfasst natürlich nicht die bereits übermäßig belasteten Löhne. (Mehr dazu sh. hier im Exkurs Unternehmenssteuerreform).

Die richtungweisenden  Arbeiten von Jarass und Obermair werden hier weitgehend als Maßstab zugrunde gelegt (sh. ebd.) 


Mit dem Verzicht auf die Besteuerung von Unternehmenserträgen im Unternehmen nach den stellvertretenden Gedankenspielen von Johanna Hey wäre das Dumping-Problem lediglich verlagert von der mangelnden Kontrolle der Unternehmensgewinn-Verschiebung zur mangelnden Kontrolle der Kapitalertrags-Verschiebung. Mit dem möglichen Verzicht auf steuerliche Bilanzprüfungen bei Kapitalgesellschaften würde man außerdem noch ohne Not ein wichtiges Instrument zur Ertragskontrolle im Inland aus der Hand geben. Sinnvoller wäre eine Unternehmensbesteuerung mit ermäßigten Sätzen unter Hinzurechnung von (möglicherweise fingierten)  Zinsaufwendungen, Lizenzgebühren usw. zu den Erträgen - nach Art der Gewerbesteuer (sh. L. Jarass und G. M. Obermair: Effiziente Unternehmensbesteuerung durch Besteuerung aller Kapitalentgelte”, Wiesbaden, 21.4.06). Die zunehmende Umschichtung des Steueraufkommens vom Unternehmenssektor zu den Lohnsteuerzahlern erfordert Gegenmaßnahmen, aber die steuerliche Wiedererfassung der tatsächlichen Wertschöpfung ließe sich zugunsten der Unternehmen ein wenig kompensieren durch teilweise Steuerfinanzierung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Damit sollte ein möglichst weitgehender Ausgleich geschaffen werden für die lohnintensiven kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre Gewinne nicht ins Ausland verschieben können und die aufgrund solcher Maßnahmen zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Wie weit dies bereits mit den modellmäßigen Steuersätzen von Jarass und Obermair finanzierbar ist, muss hier noch nicht geklärt werden

Zur Steuerflucht ist davon auszugehen, dass die großen Länder nicht vom Steuer-Parasitismus leben können. Etliche kleinere wollen nicht davon leben. Sie alle müssten  von ihren Bürgern durch entsprechendes Wahlverhalten gezwungen werden zu massivem politischen und wirtschaftlichen Druck auf parasitäre Staaten gegen Steuerdumping, Ertragsverschiebung und Gewinnverschleierung im Ausland.


Durch Beseitigung der Schlupflöcher ließe sich die Steuerquote der Unternehmen  wieder auf das frühere Niveau anheben. Dagegen würde die Absenkung der deutschen Unternehmenssteuer-Sätze auf das etwas niedrigere skandinavische Niveau nicht viel gegen die Verlagerung nützen, wie das Beispiel Borealis zeigt. Dennoch ließen sich die deutschen Unternehmenssteuern auf diese Sätze absenken bei gleichzeitiger Anhebung des Einkommensteuer-Spitzensatzes auf das skandinavische Niveau oder auf das Niveau der Wirtschaftswunderjahre. Voraussetzung dafür ist eine korrektive Nachveranlagung der Unternehmensgewinne mit diesen und den übrigen individuellen Einkommensteuersätzen bei Gewinnentnahme oder spätestens beim Anteilsverkauf - zu Lasten der einkommensstarken und  zu Gunsten der einkommensschwachen Anteilseigner (sh. zur ersten Orientierung BMF: „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich”, Ausgabe 2004, S. 4 bis 22). 

Ferner ist nicht einzusehen, warum Unternehmen bei der Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland alle gewährten Vorteile mitnehmen sollen. Dazu sagte Rudolf Hickel in einem DLF-Interview vom 25.4.06:
 

Mir will auch nicht einleuchten, dass wir etwa das nicht machen, was andere Länder machen, dass wir für wegziehende Unternehmen - da gibt es gerade einen Vorschlag von Steinbrück -, die aus Deutschland rausgehen, durchaus überprüfen, inwieweit sie noch steuerlich belastet werden können.
 

Allerdings dürfte eine Besteuerung von nicht realisierten Wertzuwächsen beim Wegzug in EU-Dumpingsteuerländer gegen das „Benachteiligungs”-Verbot gemäß Art. 43 EG (alt: Art. 52) verstoßen (sh. zur „Wegszugsbesteuerung”, WamS, 21.11.04, und  EuGH, Urteil C-9/02 vom 11.3.2004), so dass hier ebenfalls massiv gegen den Parasitismus vorgegangen werden muss.

Auch eine Streichung der EU-Subventionen für die Arbeitsplatzverlagerung durch Steuerdumping aus den Steuern der künftigen Arbeitslosen in Westeuropa ist dringend geboten - ebenso wie ein Stopp für die steuerliche Absetzbarkeit von Verlagerungskosten und ein Ende der schwarz-rosa-gilbgrünen Steuergeschenke für Konzerne und „Heuschrecken” durch ihre Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen (sh. „Regierung Schröder hat die 'Heuschrecken' eingeladen und steuerfrei gestellt”, nachdenkseiten.de, 2.5.05, und hier: Unternehmenssteuerreform.htm).

In Fällen wie Borealis geht es ja um die Körperschaftsteuer des Unternehmens und nicht um die Einkommensteuer der Unternehmer. Die bestverdienenden Unternehmer müssen deshalb nicht wegen skandinavischer Einkommensteuersätze wie nimmersatte Systemprofiteure ihr Heimatland verlassen. Nach den obigen Ausführungen über Dänemark (sh. hier bei „Corruption”) würde man so etwas dort auch nicht für normal halten. Tatsächlich ergibt sich die
Systemkorruption hier auch aus dem international wabernden „Heuschrecken”-Kapital (in diesem Fall aus der Steuer-„Oase” Abu Dhabi - sh. obiges Zeitungszitat), dem die seit 2001 regierende, weiterhin konsensorientierte, aber liberalkonservative Koalition in Dänemark anscheinend auch noch keine Schranken gesetzt hat (zu den asylpolitischen Gründen für den Regierungswechsel in Dänemark sh. hier Linksbuendnis.htm#Dänemark).

Dagegen wird mit der weiteren Absenkung des Spitzensteuersatzes dieser Würgeeffekt gegen Konsum und Arbeitsmarkt  noch verstärkt wegen der Überwälzung der Soziallasten auf die Ärmsten und  - nach dem Willen der „Christlichen” - sogar durch die Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung solcher Geschenke (aber natürlich mit vorgeblich anderem Zweck - von der rechten in die linke Tasche).

Den Spitzen- und Einheitssteuersatz nach Vorschlag des ehemaligen Verfassungsrichters (Steuerrechts-Professors und Verfechters einer maximal hälftigen Ertragsbesteuerung) Paul Kirchhof von 25% fände der letzte oberste Wirtschaftsweise Wiegard „ natürlich noch viel schöner”.[122] So ließe sich Kirchhofs quasi-legislativer „
Halbteilungsgrundsatzes” aus seiner Zeit als Verfassungsrichter vielleicht zu einem „Viertelteilungsgrundsatz” weiterentwickeln.  In einem Urteil vom März 2006 hat ein völlig neu besetzter Zweiter Senat des Bundesverfassungsgerichts den neoliberalen Halbteilungsgrundsatz von Kirchhof und seinen Gefolgsleuten jedoch gekippt (sh. Christian Rath: „Karlsruhe korrigiert Kirchhof-Kurs”, taz.de, 17.3.06).

Die verheißenen Steuergeschenke von Angela Merkels „Visionär” wären zwar wieder zu Lasten der Einkommensschwachen und der Konjunktur gegangen, aber dem Einkommensmillionär brächte es für jede weitere Million noch einmal eine Ersparnis aus der Differenz von jetzt 42% zu dann 25%, also von 170.000 Euro - zusätzlich zu den 110.000 Euro, die ihm Rosa-Gilb mit Unterstützung der CDU schon zugeschanzt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon der Grenzsteuersatz von 42% (für Einkommenssteigerungen von z.B. 100 Euro minus 42 Euro Steuern in dieser Tarifstufe) lediglich einer durchschnittlichen Belastung des gesamten Einkommens von etwa 30% entspricht (sh. Bundesfinanzministerium: „ Steuerreform 2000 - Grafische Darstellungen und internationale Vergleiche”, Version 1.8.2005, Blatt 5 - Erstellt Dezember 2003. Die BMF-Webseiten ziehen dort häufiger um - ohne Link-Weiterleitung!). 

Auch der Professor für Finanzwissenschaft
Wolfgang Wiegard würde in der Größenordnung von Politikern von der Senkung auf 25%  reichlich profitieren. Ihm ganz besonders missfällt die Opposition Peter Bofingers:
 

Dieser habe sich im letzten Jahresgutachten des Gremiums zur Steuerpolitik geäußert, „ wovon er erwiesenermaßen überhaupt nichts versteht”.[124]


Das sagt ausgerechnet Wolfgang Wiegard, der noch am 19. April 2007 in einem morgendlichen DLF-Interview eine Senkung des Spitzensteuersatzes über den Solidaritätszuschlag (für sich und die übrigen Best-„Verdiener”) forderte statt einer Rücknahme der arbeitsplatzvernichtenden Mehrwertsteuererhöhung oder einer Steuerfinanzierung von Sozialabgaben. Damit wird er einmal wieder zum Kronzeugen für die bestbezahlten Stimmungsmacher von der BILD-„Zeitung” (sh. z.B. Georg Gafrons versteckte Kampagnen-Drohung: „ Wer ist jetzt gegen Steuersenker?”, bild.de, 20.4.2007). Wiegard unterstützte Michael Glos sogar bei dessen Forderung nach Abschaffung der Erbschaftsteuer (sh. hier Unternehmenssteuerreform).  Mit solchen Wirtschaftsweisheiten wird der Abstand zwischen Arm und Reich immer größer, denn eine automatische Verdoppelung von Millionenvermögen durch Zins und Zinseszins bringt mehr als eine Verdoppelung von einigen Spargroschen, um so mehr, wenn sich diese Verdopplung periodisch wiederholt und die Millionen höhere Renditesätze bringen als die Spargroschen mit ihren Sparkassenzinsen. Die von den Neoliberalen vorgegaukelte Chancengleichheit beim Start rückt also in immer weitere Ferne.

Es ist auch kennzeichnend für den gesamten Sachverständigenrat und die übrigen bestbezahlten Hohenpriester der deutschen Voodoo-Ökonomie, wenn Wiegard zu seinen Forderungen richtig bemerkt:

 

Es ist glaube ich nicht ganz richtig, dass sich einige Forscher aus dem Sachverständigenrat anders geäußert haben. Genau ein Mitglied hat sich anders geäußert.

Interviewer: Peter Bofinger!

Wiegard: Genau, nur Herr Bofinger. Alle anderen Mitglieder haben sich eigentlich für Steuersenkungen ausgesprochen. Und ich denke auch, dass die Mehrheit der Ökonomen sich für Steuersenkungen ausspricht. Auch die Institute haben jetzt ins Gespräch gebracht, dass Steuersenkungen erforderlich sind.

 

Mit der „Mehrheit der Ökonomen” können allerdings nicht auch die ganz anders qualifizierten Ökonomen in den USA gemeint sein, wie man aus der obigen Zeitungsanzeige in der New York Times mit den Ausführungen von Orszag und Stiglitz entnehmen kann. Kennzeichnend für das große Geld der Meinungsmacher im Hintergrund ist auch die obige Bemerkung von Jim O’Neill zur Mehrwertsteuererhöhung: „Da haben die Unternehmerverbände gute Lobby-Arbeit geleistet.„

 

Die obige Warnung vor Schaffung einer inkompetenten Kompetenz-Monopolisierung nach Art der mittelalterlichen Orthodoxie-Einpeitscher – selbst gegen Ökonomen anderer Fachgebiete - mit Dogmen oder  „komplizierten statistischen und ökonometrischen Abhandlungen„[126] scheint hier im nachhinein bekräftigt, denn damit wird es immer schwerer, die obigen einfachen Überlegungen von Orszag und Stiglitz zu dem einen Dollar und die simplen Überlegungen der 400 US-Ökonomen nachzuvollziehen. Statt dessen werden die neoliberalen axiomatischen Grundlagen als Glaubenssätze vorausgesetzt und die Umverteilungsaxiome mit einem verblüffenden Theoriegebäude überfrachtet. Da bringt es selbst dem begeisterten Modelltheoretiker und Mathematik-Fan wenig, sich in einer esoterischen Priestersprache zu verlieren, durch deren Einführung alle Ungläubigen ausgeschlossen werden sollen - zum Vorteil der weltlichen Macht hinter diesen Hohen Priestern. Die plötzliche einfache Erklärung der einfachen Zusammenhänge durch Oskar Lafontaine wird von beiden also als gefährlich empfunden. Dazu der Politikwissenschaftler Franz Walter:
 

Ich glaube aber, dass jene, die Lafontaine nun anspricht, unseren Expertendiskurs auch als gefährlich empfinden, weil sie dabei ausgeschlossen werden,
 

sh. das taz-Interview mit ihm: „ Die SPD kann sich bei Lafontaine bedanken”, taz.de, 7.7.05. Auch der Kanzler Schröder will eine offene Fernseh-Debatte mit Lafontaine tunlichst vermeiden; sh. „ Schröder schließt Zusammenarbeit mit Linksbündnis aus”, dw-world.de, 5.7.05. Die „Zusammenarbeit” mit ihm wurde ja verständlicherweise bereits vom Linksbündnis kategorisch ausgeschlossen.

Mit der plötzlichen Stellung der richtigen Fragen werden auch die ehrgebietende Ausschließlichkeit und die zusätzlichen Autoritäts-Vorteile für die Nutznießer dieser Voodoo-Ökonomie[127] in Frage gestellt und Peter Bofinger hätte mehr Rückendeckung. Vorläufig kann er sich jedoch als einziger gegen die restlichen Vier nicht durchsetzen: Auch
 

der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz, der auf Empfehlung der Arbeitgeber im Rat sitzt, schloss sich Wiegards Kritik an: „Bofinger ist nicht teamfähig”, sagte Franz dem Handelsblatt.[128]
 

Wolfgang Franz , „auf dem Arbeitgeber-Ticket bei den Wirtschaftsweisen” (zeit.de, 6.6.05), ist  Direktor des ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, das gerade eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7% für Lebensmittel usw. auf 16% gefordert hat. [129]  Die CDU ließ sich von ihren Meinungsmachern erst einmal die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 16% auf 18% und die Senkung des Spitzensteuersatzes von 42% auf 39% ins Wahlprogramm schreiben. Wenn das kein Umverteilungs-Zusammenhang ist, nachdem die Absenkung des Spitzensteuersatzes von scheinbaren 53% auf 42% gerade abgeschlossen wurde!

Das ZEW versorgt auch die deutschen Meinungsmacher mit einflussreichen „Studien” zu der bekannten Tatsache, dass die kombinierten nominalen Unternehmenssteuersätze in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern am oberen Ende liegen (sh. „Unternehmenssteuern: Einseitige Rechnung des ZEW - Falsches Jammern auf falschem Niveau”, taz.de, 19.4.06, und „Wieviel Steuern zahlen deutsche Firmen? – ZEW kritisiert hohe Unternehmenssteuern in Deutschland – Andere Steuerexperten halten dagegen”, taz.de, 19.4.06). Die neoliberalen Medien nehmen das begierig und kritiklos, um es weiter zu verbreiten. Leider erklären sie und das ZEW dazu nicht die Tatsache, dass Deutschland die niedrigste Steuerquote unter den 15 westlichen Mitgliedern der EU hat. Mit einer Steuerquote wie Großbritannien hätte der deutsche Staat jährliche Mehreinnahmen zwischen 160 und 200 Milliarden Euro, die man zur Absenkung der Sozialabgabenquote verwenden könnte (sh. oben). Die Unternehmenssteuern ließen sich ebenfalls drastisch senken, wenn die Bruttogewinne aus den Unternehmen mit den Sätzen anderer Länder bei den Empfängern besteuert würden. Da solche Zusammenhänge von den neoliberalen „Denkfabriken” trotz bester Sachkenntnis regelmäßig unterschlagen werden,  muss man sich fragen, wann deren Publikationen überhaupt als „Studien” zu bezeichnen sind.

Man fordert in solchen „Denkfabriken” durchaus die Konjunkturförderung durch Senkung der Sozialbeiträge, will aber mit scheinbar wissenschaftlicher Klarsicht nicht zugeben, dass man dafür auf eigene überflüssige Steuergeschenke für „Bestverdiener” verzichten muss. Man will dort offenbar nicht wahrhaben, dass man seine Umverteilungsbeute aus dem Volkseinkommen nicht zu Lasten der Ärmsten und der Konjunktur sichern kann, indem man sich und die Couponabschneider beschenkt oder die Umsatzsteuer auf Lebensmittel usw. mehr als verdoppelt und damit den schwachen Konsum noch weiter drosselt.

Die neoliberale Front gegen Bofinger weitete sich erwartungsgemäß schnell aus:
 

„Wenn es den Ratsmitgliedern nicht gelingt, sich intern wieder zusammenzuraufen, muss letztlich einer der Beteiligten zurücktreten”, sagte der langjährige SVR-Generalsekretär Michael Hüther, heute Präsident des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Das ehemalige Ratsmitglied Rüdiger Pohl legte dem wegen seiner Alleingänge attackierten Peter Bofinger nahe, aus dem Rat auszutreten: „Wenn man sich in voller inhaltlicher Konfrontation sieht, dann muss man zurücktreten”, sagte Pohl der Nachrichtenagentur Reuters.[130]
 

Hüther meinte natürlich auch nicht den Rücktritt von Wiegard, sondern von Bofinger, um die Eintracht und Schlagkraft der „Bestverdiener” für die Umverteilung zu ihren Gunsten wieder herzustellen und die Hauptfinanziers seines Instituts der deutschen Wirtschaft e.V. (IW) zu bedienen.

Die Professoren Wolfgang Franz vom arbeitgebernahen ZEW und Winfried Fuest vom industriefinanzierten IW sind auch vertreten im „Kronberger Kreis”, dem „wissenschaftlichen Beirat” der „Stiftung Marktwirtschaft”, deren Vorstand Michael Eilfort von 2000 bis 2004 Büroleiter bei Friedrich Merz (CDU) war. Die „Stiftung Marktwirtschaft” ist jetzt wieder maßgeblich beteiligt an der Ausarbeitung des „vereinfachenden” Steuergesetzbuches, dessen Umverteilungs-Ziele beim Merz- und Kirchhof-Konzept oben schon erwähnt wurden. Man will Steuerschlupflöcher für die eigene Kundschaft aber nur schließen, wenn man den Spitzensteuersatz für sich selbst und die übrigen „Bestverdiener” im Kuhhandel noch einmal drastisch senken kann. Dies würde gerade den Propagandisten und „Experten” helfen, weil sie sich nicht so leicht wie viele Einkommensmillionäre ohnehin auf Sozialhilfeniveau arm rechnen können.

Solche Professoren sind aber nicht nur aktiv in den industriellen Lobbyisten-Vereinen, sondern zugleich auch
Prüfer für eine neue gleichgeschaltete Generation von deutschen Studenten, die auf das neoliberale Dogma eingeschworen werden und zumindest im universitären Bereich ohne diese Dogmentreue keine Chance haben. Diese Chancenlosigkeit würde auch gelten für Heiner Flassbeck, Chef-Volkswirt der UNO-Organisation UNCTAD mit Sitz in Genf und einer der ganz wenigen deutschen Ökonomen, die sich vom neoliberalen Mainstream deutlich abheben (sh. oben und folgendes Zitat aus den nachdenkseiten.de, 5.9.06, Stand 10.3.07):
 

Ausgangspunkt war eigentlich die Aussage des Hinweises des Tages:  „10. Heiner Flassbeck: Wie Steuersenkungen wirken” Unkenntnis elementarer ökonomischer Zusammenhänge wirft ihm nun der Kölner Finanzwissenschaftler Clemens Fuest vor und sagt, jeder Student in Köln würde bei einer solchen Argumentation in der Prüfung durchfallen.
 

Es geht Heiner Flassbeck also nicht viel besser als Peter Bofinger und allen anderen Ökonomen, die die reine Voodoo-Lehre noch nicht verinnerlicht haben - und das ausgerechnet bei der Steuerwirkungslehre, von der die neoliberalen Finanzexperten und Lobbyisten nicht einmal die einfachsten Grundlagen wahrhaben wollen (sh. hier weiter oben das lange Zitat aus dem Aufsatz von Peter Orszag und Joseph Stiglitz sowie dort die weiteren Zitate zu diesem Thema. Deutschland hat schon einmal einen gewaltigen Aderlass an Wissenschaftlern erlitten und auch dadurch – im Vergleich zu den USA – kaum noch international beachtliche Nationalökonomen aufzuweisen. Heute würden solche Ökonomen hierzulande nicht vertrieben, sondern eher „in der Prüfung durchfallen” oder jedenfalls kaum zu Professoren werden.

Dabei wissen die Strategen von der INSM sehr wohl, dass Deutschland gegenüber anderen Ländern weit zurückgefallen ist mit einem realen Wachstum von 20% seit 1991 gegenüber einem Weltwirtschafts-Wachstum von 67% (sh. hier Kohl-Verteilung.htm und die Fortsetzung der Umverteilung nach oben durch den Kanzler der Bosse mit seinem Tross, hier weiter oben).  Fuest und die INSM erklären auch, worum es geht (unter der blumigen Überschrift „Mehr Wachstum schafft Wohlstand für alle!”, insm.de, 30.11.06:
 

„Heute werden Werte über 2 Prozent von der Politik bereits als „Durchbruch” gefeiert. Daher sind  durch weitere Reformen die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu stellen  um die Bundesrepublik hier wieder  auf die  vorderen Plätze zu hieven.” (Zitat: Professor Winfried Fuest, IW Köln).
 

Aber als „weitere Reformen” sehen sie nicht der Verzicht auf ihre Steuergeschenke und die Beendigung der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben, sondern nur eine Verschärfung dieser neoliberalen Politik.


Die „Stiftung Marktwirtschaft” „finanziert sich  durch ihre Publikationen sowie durch die Unterstützung zahlreicher Spender und Mitglieder”, wobei der Markt für ihre Publikationen eher beschränkt sein dürfte und die großzügigen „Spender und Mitglieder”, die ihre „Unabhängigkeit” sichern, nicht genannt werden. Sie erhält wichtige Impulse durch das arbeitgeberfinanzierte Netzwerk „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM), dessen Lobbyisten für ihre öffentliche Gehirnwäsche zur Umverteilung nach oben 8,8 Mio. Euro jährlich ... von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie kassieren - offenbar von den Verbänden auf  ihrer „Träger”-Liste; sh. deren verlinkte Webseite und Götz Hamann: „Lautsprecher des Kapitals”, DIE ZEIT, 19/2005. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es auch in der Wikipedia zahlreiche Manipulationsversuche; sh. z.B. „Wie versucht wird, Wikipedia zurecht zu trimmen”, nachdenkseiten.de, 8.3.06.  (Mehr zur INSM siehe hier unter: Wir-Papst-Du-Deutschland.htm.) Auch hier führt der Meinungskauf letztlich zum Stimmenkauf gegen die Interessen der Gekauften.

Gegen die Manipulation der Demokratie durch das große Medienkapital mit seinen neoliberalen Politikern und bestbezahlten Propagandisten können auch die wenigen politischen Gegner der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben nur ihre abgedrängte und allzu schwach finanzierte Aufklärungsarbeit leisten. Die leistet Wolfgang Thierse zwar auch nicht, aber immerhin beschreibt er das Problem der Medien-Demokratur andeutungsweise (sh. „Thierse warnt vor Beschädigung der Demokratie”, dlf.de, 30.12.05):
 

Die Hartz-Reformen sind auf heftigste Kritik gestoßen, eben weil es zu viel und zu hart war und zu schnell war, den anderen ging es nicht brutal genug zu. Also, da ist das Volk durchaus in seinen Empfindungen und in seiner Situation widersprüchlich. Und dass Politik dann auch nicht ganz einfache Antworten liefern kann, dafür bitte ich dann auch um Verständnis.
 

Im März 2005 hat sich IW-Präsident und INSM-„Kurator” Michael Hüther erneut profiliert mit der Forderung nach Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte „ zur” Senkung der „ Lohnnebenkosten”. Ohne diese Verwendungen sieht er bei der diskutierten Erhöhung durch die „Christlichen” um z.B. 4 Prozentpunkte, entsprechend ca. 30 Milliarden Euro (sh. wams.de, 5.6.05), ein  „Horrorszenario” (lt. welt.de, 24.6.2005) und   „verheerende Auswirkungen” für die Wirtschaft mit zusätzlichen 500.000 Arbeitslosen (sh. dasselbe in: IW-Pressemitteilung, 27/2005, 15.6.05). Nach den Planungen frisch installierten großen Koalition soll nun aber die Mehrwertsteuer nicht nur um zwei, sondern um drei Prozentpunkte erhöht werden, und davon sollen zwei Prozentpunkte zum Stopfen von Haushaltslöchern, aber nicht zur Senkung der „Lohnnebenkosten” verwendet werden (sh. „Koalitionsvertrag - Was Union und SPD vereinbart haben”,  spiegel.de, 18.11.05). Diese zwei Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung zum Stopfen von Haushaltslöchern müssten also mit ihrem Inkrafttreten ab 2007 nach der vorstehenden IW-Prognose allmählich 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze kosten, wenn dies nicht durch irgendwelche konjunkturellen Zufälle abgemildert wird. Wegen der kräftigen Kürzungen zu Lasten des Konsums und zugunsten der bestbezahlten Propagandisten könnte die Arbeitslosenquote jedoch noch wesentlich stärker steigen.

Im Umkehrschluss würde die IW-Prognose bedeuten, dass allein die Senkung der „Lohnzusatzkosten” um „mehr als drei Prozentpunkte” (sh. wams.de, 5.6.05) schon weit mehr als 500.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen könnte, wenn sie durch Korrektur der Steuersenkung für Hüther und die übrigen „Bestverdiener” erfolgte, denn in diesem Falle würde ja nicht nur umverteilt zu Lasten der Konsumausgaben von Einkommensschwachen (oberhalb der mehrwertsteuerbegünstigten Grundausgaben für Miete und Lebensmittel - Mehrwertsteuer gegen „Lohnzusatzkosten”), sondern es würde totes Volkseinkommen aus der gemeinschaftlichen Güterproduktion für den Wirtschaftskreislauf wiederbelebt.

Durch Rückführung der abgesahnten Finanzmittel in den Wirtschaftskreislauf könnten viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden, besonders im Dienstleistungssektor. Im Hinblick auf die fortschreitende Automatisierung und Kapitalkonzentration erscheint die Idee der „Vollbeschäftigung” mit  40-Stunden-Woche als Normalfall allerdings ohnehin veraltet in einer Gesellschaft, in der die Produktion weitgehend durch das gemeinschaftlich produzierte und sich selbst vermehrende Abschöpfungskapital der Profiteure erfolgt.

Selbst der neoliberale Nobelpreisträger Milton Friedman hat schon im Jahre 1962 in seinem Buch „Capitalism and Freedom” ein Grundeinkommen in Form einer negativen Einkommensteuer vorgeschlagen (sh. auch Herbert Schui: „Vordenker der modernen Rechten - Zum Tod von Milton Friedman”, jungewelt.de, 20.11.06). Diese Negativsteuer ließe sich zunächst ausweiten als weiterhin motivierendes, aber existenzsicherndes Grundeinkommen ohne soziale Stigmatisierung (sh. Christoph A. Schaltegger: „Die negative Einkommensteuer ...”, Bern, 19.11.2004, S. 2). Auch die sogenannte „bedarfsorientiert Grundsicherung” im Alter ließe sich entsprechend weiterentwickeln. Diese längerfristigen Gesichtspunkte werden hier aber erst in späteren Abschnitten behandelt. Zunächst sollen die dominierenden neoliberalen Propagandisten lediglich beim Wort genommen werden mit ihrem angeblichen Vorrang für die Schaffung von Arbeitsplätzen nach ihrem Irreführungs-Motto „Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft”, das sie zur Umverteilung in die eigenen Taschen missbrauchen..

Die Forderung der Industrieverbände durch ihr  Institut der Wirtschaft (IW) nach Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde also verbrämt mit ihrer konditionierten Scheinabwehr. Sie wurde von ihnen nur akzeptiert für den Fall, dass ihr Mehrertrag ausschließlich den eigenen Verbandsmitgliedern und den übrigen Arbeitgebern zufließt, damit die wenigen „Bestverdiener” unter ihnen ihre Steuergeschenke behalten können und ihr Spitzensteuersatz noch weiter gesenkt wird. Die CDU ließ sich das von diesen Lobbyisten so in ihr Wahlprogramm schreiben. Dabei machte sie lediglich die Einschränkung, dass sie auch einen Teil dieser Mehrbelastung für die Ärmsten zum Stopfen von Haushaltslöchern verwenden will, die durch die Umverteilung nach oben entstanden sind. Die FDP vertrat dagegen zunächst lautstark und zum Schein die wirtschaftspolitische Vernunft, will aber die Steuern für ihre „Bestverdiener” noch weiter senken als die CDU. Lediglich bei Koalitionsverhandlungen mit den „Christlichen” will sie auch „staatspolitische Verantwortung” für eine Mehrwertsteuererhöhung übernehmen, die ihr in Wirklichkeit zur Finanzierung ihrer Umverteilung mindestens ebenso willkommen ist wie der CDU.

Der soziale Ausgleich wird von den Neoliberalen nicht nur auf den Begriff der „Lohnnebenkosten” oder „Lohnzusatzkosten” reduziert. In den Vorschlag anlässlich der neuen Arbeitslosenzahl von 5,2 Millionen verpackte man auch gleich die Forderung nach einer weiteren Steuersenkung für „Bestverdiener” durch Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
Der Begriff „Solidaritätszuschlag” wäre für den irreführenden Ausdruck  „Lohnnebenkosten” oder „Lohnzusatzkosten” schon angemessener, zumal von einem „Solidaritätszuschlag„  nicht lediglich die Einkünfte und die „Solidarität” bis zur Beitragsbemessungsgrenze betroffen wären, wie die „Bestverdiener” von  SPD und Grünen das planen. Allerdings geht es nicht nur um „Solidarität”, sondern vor allem um die Korrektur der Umverteilung nach oben. Dementsprechend müsste man den jetzigen Solidaritätszuschlag zur Erfüllung des Sozialstaatsgebots nicht abschaffen, sondern zur Minderung der Sozialbeiträge von Unternehmen und Beschäftigten deutlich erhöhen mit Ausgleich für alle Normalverdiener (sh. oben das dänische Beispiel). Damit wäre auch den Arbeitsplatzbeschaffern viel mehr geholfen als durch die eigennützigen Vorschläge der bestbezahlten Propagandisten.

Hüther wird bei seiner Forderung unterstützt durch weitere Nutznießer einer solchen Umverteilung wie den Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, der schon bei der Entlassung des Mainstream-kritischen DIW-Konjunkturexperten Gustav Horn eine Rolle gespielt hat, und durch den Instituts-Direktor des HWWI, Thomas Straubhaar (sh. „Mit höherer Mehrwertsteuer zu mehr Wachstum”, netzeitung.de, 11.3.2005).
Überhaupt werden die politischen Entscheidungspositionen auch in den öffentlich-rechtlichen Medien und in den überwiegend öffentlich finanzierten ökonomischen Forschungsinstituten vorzugsweise mit Meinungsmachern auf der Linie der herrschenden neoliberalen Parteien besetzt, ganz zu schweigen von den privaten oder privat mitfinanzierten Instituten. Man mag all die neoliberalen Direktoren staatlicher ökonomischer Institute durchgehen und in ihren Jahresberichten nachschauen, von welchen Landes- und Bundesministern ihre Finanzierungen stammen (z.B. „ifo-Jahresbericht 2006”, S. 164). Damit kann man dann den Grad des Neoliberalismus von Institut und Ministerium vergleichen und auch einschätzen, wie gern solche Institute von den neoliberalen Massenmedien als Kronzeugen zitiert werden. Auch die Präsenz in den wahlwirksamen Talkshows lässt sich damit verstärken.

 

Die Abservierung von Gustav Horn als Gegner der Agenda 2010 im DIW unter dem linientreuen Direktor Klaus F. Zimmermann [86] dürfte also nur ein Beispiel sein, wie weit die neoliberalen Hintergrund-Akteure bei der Posten-Besetzung gehen.  Zimmermann hätte nichts dagegen, die Mehrwertsteuer zu Lasten der Ärmsten auf 30 Prozent zu erhöhen und damit die Senkung seines Spitzensteuersatzes auf 25 Prozent zu finanzieren, wie es schon Merkels Visionär Paul Kirchhof propagierte.  Die Hälfte seines DIW-Forschungsetats muss Zimmermann inzwischen durch Aufträge von potenten Geldgebern einwerben. Dabei kommt ihm seine Unterstützung der Umverteilung nach oben gewiss zugute.  (Sh.  den wohlwollenden Bericht des Springer-Chefkorrespondenten Joachim Stoltenberg: „ Ein Professor, der seine Grenzen kennt”, morgenpost.de, 10.6.2008.) Es wundert also nicht, dass  Zimmermann - im Gegensatz zu Gustav Horn - auch ein Verfechter von Schröders „ Agenda 2010” ist. Sein SPD-Parteibuch hat Zimmermann aber wieder zurückgegeben und damit auch seinen wissenschaftlichen Anspruch unterstrichen. (Ebd.) Es ist kennzeichnend für die Irreführung durch die FDP und ihren Generalsekretär Christian Lindner, dass er dieses Institut noch im Jahre 2010 als „ gewerkschaftsnah” bezeichnet (sh. Interview mit ihm: „ Wir brauchen noch viel mehr Pauschalen”, dradio.de, 9.12.2010).

Die Abschaffung des jetzigen Solidaritätszuschlages von 5,5% auf die 42% (also von maximal 0,055 * 42 = 2,3 Prozentpunkten) brächte schon bei einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro immerhin eine jährliche Steuerersparnis von etwa 1500 Euro. Der zugleich vorgeschlagene Beitragsnachlass von 1% auf die Arbeitslosenversicherung bringt dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einem Jahresbrutto von 30.000 Euro aber gerade mal je 0,005 * 30.000 = 150 Euro. Das wird jedoch beim Arbeitnehmer allein schon durch die erhöhte Mehrwertsteuer sofort mehr als aufgezehrt. Den Kleinverdienern, Normalrentnern, Studenten usw. nützt die Abschaffung des Solidaritätszuschlages überhaupt nichts, weil er bei ihnen gar nicht anfällt (Freibetrag in 2005 ist Jahressteuerschuld von je 972 bzw. 1944 Euro).

Die Umverteilung nach oben und Konsumdrosselung läuft also immer nach dem gleichen Muster mit den gleichen Knallbonbons ab. Da nützt es auch kaum etwas, wenn mittelfristig die durchaus vorrangigen Mehrwertsteuerermäßigungen für den konsumnahen Bereich usw. zur Eindämmung der Schwarzarbeit vorgeschlagen werden.

In diesem Sinne spricht Heiner Geißler von einem
 

Meinungskartell von Ökonomieprofessoren und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müsse funktionieren wie DaimlerChrysler, und die sich beharrlich weigern, anzuerkennen, dass der Markt geordnet werden muss, auch global Regeln einzuhalten sind ...,
 

in: Heiner Geissler: „ Wo bleibt Euer Aufschrei?”, DIE ZEIT 11.11.2004 Nr. 47, wobei auch der skrupellose Egoismus von Politikern, Verbandsfunktionäre usw. nicht zu vergessen ist, die ihre Sorge um das Gemeinwohl heucheln. Den Profiteuren geht es stets um das „Wohl des Vaterlandes”, wie man das auch in den Angriffs- und Pseudo-Verteidigungskriegen, bei ethnischen „Säuberungen” usw.  immer wieder erlebt hat.

Aber man unterschätzt Bofinger wahrscheinlich, wenn man annimmt, dass er sich diesem Gruppenzwang völlig unterwirft und die letzte Position der Düpierten im Sachverständigenrat aufgibt. Es reichen allerdings nicht die Kaufkraftsteigerungen durch Lohnanpassung an den Produktivitätsfortschritt, wenn das Volkseinkommen aus dem Gemeinschaftsprodukt immer mehr nach oben verteilt wird, dorthin, wo die Kaufkraft verpufft.

Wenn  bei Karstadt-Quelle nach harten Einschnitten noch ca. 5.000[131] und bei Opel Deutschland 8.000 Arbeitsplätze[132] verloren gehen, werden dafür vielleicht einige neue bei den Herstellern von Luxuskarossen entstehen.

Dieser Arbeitsplatzabbau zur Verlustvermeidung infolge arbeitsplatzfeindlicher Steuerpolitik ist jedoch eher nachvollziehbar als die
Arbeitsplatzverlagerung zur Gewinnmaximierung mit Hilfe von EU-subventionierten Dumping-„ Oasen”, besonders unter dem Einfluss von eigens dafür ausgewählten „Top-Managern”, die für diese „Spitzenleistungen” im Dienste des Großkapitals und seiner Parasiten teilweise mit jährlich zig Millionen Dollar Sonderprämien aus Aktienoptionen belohnt werden. Es handelt sich also nicht um die oft nur vorgeschobene Produktion auf neuen Märkten eigens für diese Märkte.

Ähnliche Effekte gab es schon bei der staatlich geförderten Produktionsverlagerung zum Subventions-„Tiger” Irland, das es so inzwischen auf das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen in der Alt-EU der Fünfzehn gebracht hat, während Deutschland auf Platz elf im OECD-Rating zurückgefallen ist
(sh.
Die OECD in Zahlen – Ausgabe 2006/2007”, Tabelle auf S. 12, besucht 28.1.2008  wko.at, beides in Kaufkraftparitäten, und bpb.de, 2004, in absoluten Zahlen). Trotzdem kassiert Irland immer noch Netto-EU-Subventionen vom deutschen Steuerzahler  (sh. „ EU-Haushalt - Deutschland zahlt, Irland kassiert”, manager-magazin.de, 17.10.05). Dabei haben jedoch die unteren Einkommensgruppen - ähnlich wie hierzulande - in Irland nicht viel von dem Geldsegen: Die Spreizung bei der Verteilung des Volkseinkommens S80/20 (sh. oben und Lorenz-Kurve) lag dort mit 5,0 nach OECD-Werten für das Jahr 2000 klar über dem EU-Durchschnitt. Die internationalen Werte für Lorenz-Kurven als „Distribution of income or consumption” findet man bei worldbank.org, 2005, als Tabelle 2.7.

Aber im Hinblick auf die zehn neuen Mitglieder unmittelbar vor der Haustür handelt es sich bei den Verlagerungsanreizen um eine neue staatlich geförderte Dimension des Raubtierkapitalismus mit EU-subventionierten Dumpingsteuern, satten EU-Verlagerungsbeihilfen und Absetzung von Verlagerungskosten in Deutschland, alles finanziert aus den Steuern der zukünftigen Arbeitslosen in Westeuropa, jedoch  hier ebenfalls vor allem zugunsten der steuerflüchtigen Großprofiteure im Subventionsgebiet und vor allem in Deutschland. Zur Verschleierung der staatlichen Fehlsteuerungen spricht man bei diesen Marktverzerrungen einfach von „ Globalisierung”.

Auch Continental-Chef Manfred Wennemer als treuer Diener seiner Kapitalgeber (und seiner selbst) verschmäht offenbar nicht diese Förderung neben den unbestrittenen Lohnkostenvorteilen zur Verlagerung der bisher hochprofitablen Reifenproduktion von Hannover ins Ausland (sh. „Kräftiges Plus - Continental auf Kurs”, n-tv.de, 2.11.05,   „Arbeitsplätze ins Ausland! Kein Ende bei Conti”, n-tv.de, 26.11.05).


Ein noch krasserer Fall dieser Art ist die Verlagerung der höchst profitablen Handy-Produktion durch Nokia von Bochum nach Rumänien. Dort lockt der EU-subventionierte Einheitssteuersatz von 16% und die übrigen indirekten EU-Subventionen noch mehr als die Niedriglöhne, zumal der Nokia-Lohnanteil in Deutschland ohnehin nur bei 5% lag. Mit diesem Einheitssteuersatz von 16%,  finanziert durch die künftigen deutschen Arbeitslosen, übertrumpft Rumänien noch die Slowakei als bisherige Spitzenreiterin beim EU-subventionierten Steuerdumping. Dieser Hauptgrund wird aber von den neoliberalen Umverteilern in Deutschland möglichst übergangen, weil sie selbst von der Steuerspirale nach unten profitieren wollen. Die Kritik daran durch Oskar Lafontaine bei Maybrit Illner am 24.1.2008 beantwortete Guido Westerwelle nur mit dem populistischen Beifalls-Knaller, dass man doch wohl das komplizierte deutsche Steuersystem nicht auf anderen Länder übertragen wolle. Die würden sich doch an den Kopf fassen. Die EU-finanzierte Dumping-Abwerbung als eigentlicher Kritikpunkt war von den bestellten und übertölpelten Claqueuren daraufhin sofort vergessen. Mit der gleichen Dreistigkeit unterstellte er Lafontaine immer wieder, dass dieser gleiche Mindestlöhne für die gesamte EU wolle, obwohl Lafontaine das schon längst richtiggestellt hatte. Für Nokia lohnt sich mit dem EU-finanzierten Steuerdumping nicht nur die Verlagerung der Arbeitsplätze, sondern vor allem die teilweise Verschiebung des explodierenden Konzerngewinns nach Rumänien, der im Jahr 2007 auf  etwa 7 Milliarden Euro angewachsen ist (sh. „Nokia feiert Traumgewinn von 7,2 Milliarden Euro”, welt.de, 24.1.2008.) bei einer Umsatzrendite von 15,9 Prozent im vierten Quartal 2007 (sh. „ Nokia verdient sieben Milliarden”, stern.de, 24.1.2008). Laut Nokia sind die Gewinne in Bochum allerdings niedriger, als sie aufgrund der steuerlich anzuwendenden internationalen Verrechnungspreise erscheinen (sh. „Nokia dementiert: Bochum-Werk brachte keine hohen Gewinne”, golem.de, 31.1.2008, ferner: „Nokia zahlt in Rumänien keine Immobiliensteuer – 30 Jahre lang”, spiegel.de, 31.1.2008). Die Bemessungsgrundlage für die Steuern in Deutschland ist demnach angeblich überhöht, was noch ein zusätzlicher Grund für die Produktionsverlagerung in den Bereich des EU-finanzierten Steuerdumpings wäre.


Die finanzpolitische Systemfrage stellt sich aber auch, soweit die Arbeitnehmer die EU-Subventionen zur Verlagerung ihrer Arbeitsplätze nicht selbst finanzieren. Überall dort, wo die Traumrenditen durch Arbeitsplatzvernichtung zu Lasten der Allgemeinheit erzielt werden, sollte die Profiteure durch die Finanzpolitik zumindest teilweise an diesen Lasten beteiligt werden. Ein Beispiel dafür sind die Stellenstreichungen beim PERSIL-Konzern (sh. „ Henkel streicht 3000 Stellen – trotz Rekordgewinns”, welt.de, 27.2.2008). Auch für die Milliardärs-Familie Quandt als Großaktionärin  von BMW steht Profitsteigerung über Arbeitsplatzsicherung. Mit ihrem BMW-Anteil von knapp der Hälfte gegen die restlichen Streubesitz-Aktien könnte sie sich  auch mit weniger als den angestrebten „schwindelerregende(n) 26 Prozent” Eigenkapitalrendite  zufrieden geben (sh. „ Ade, Rheinischer Kapitalismus”, fr-aktuell.de, 28.2.2008, sh. auch ) und dadurch viele Arbeitsplätze retten. Zu dieser Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben berichtet die Deutsche Welle:
 

BMW-Personalvorstand Ernst Baumann sagte am Mittwoch (27.02.2008) in München, der Autokonzern müsse seine Rendite wieder verbessern…
Von den 8100 Stellenstreichungen sind 7500 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen.
 

(Sh. „Trotz Rekordgewinnen – Stellenstreichungen bei BMW und Henkel”, dw-world.de, 28.2.2008.)
Dass sich viele Wähler solche Exzesse nicht länger bieten lassen, sieht man an dem Stimmenzuwachs der Linken.
(Sh. auch „ Lafontaine: Gier und Maßlosigkeit der Konzerne”, diepresse.com, 28.2.2008.) Ohne Abwahl der verantwortlichen Parteien fragt es sich, wie lange die Demokratie die ständigen Beschwichtigungen oder Vertröstungen durch die neoliberalen Meinungsmacher noch aushält.
(Sh. dazu auch die halbherzige Kritik: „Politiker verschlafen die Kapitalismus-Revolution”, spiegel.de, 28.2.2008). Das gilt um so mehr, als diese Umverteilung nach oben von den neoliberalen Parteien noch drastisch verstärkt wird durch die Absenkung des Steuersatzes für solche Groß-Profiteure von ehemals 56 und 53 Prozent auf die unsägliche Abgeltungssteuer von 25 Prozent ab 1.1.2009.
 

Den vorherrschenden Zwängen nach sind die angestellten Manager grundsätzlich Vertreter der Kapitalinteressen – ob sie wollen oder nicht. Zugleich steigern sie durch Massenentlassungen den Wert ihrer Aktienoptionen und damit ihre Millionenbezüge. Diese Interessen richten sich mit zunehmenden Renditeansprüchen und Konkurrenzkämpfen der Investment-Fonds immer mehr gegen die Interessen der Arbeitnehmer, die die Unternehmen aufgebaut haben. Aber auch einzelne Großunternehmer wie die Quandts unterliegen dieser Konkurrenz des Kapitalismus um die besten Renditechancen. Diese lassen sich nur durch staatliche Eingriffe im Sinne des Gemeinwohls verändern, also durch Steuern, Subventionen, Sonderabgaben usw. Die neoliberalen Politiker stehen dieser Entwicklung jedoch absichtlich hilflos gegenüber, denn sie haben zum Vorteil der Profiteure die „Deregulierung” auf ihre Fahnen geschrieben.

 

Der Staat müsste z.B. marktkonform durch Steuerfinanzierung der allgemeinen Sozialkosten den Grenzertrag des Arbeitseinsatzes fördern, ihn also nicht einseitig mit Gemeinschaftsaufgaben belasten, aber nicht  den Grenzertrag des Kapitals arbeitsmarktwidrig stärken durch die absurde Abgeltungssteuer der schwarz-rötlichen Koalition. Auch die kleinen und großen Conti-Aktionäre verschmähen nicht die parasitären Gewinne durch Verlagerung profitabler Arbeitsplätze. Die kleinen „Volksaktionäre” der käuflichen Gesellschaften werden insofern überall bewusst vor den Karren des Großkapitals gespannt (H. O. Solms, FDP: „Ein Volk von Eigentümern”, Plenarprotokoll 14/195 v. 18.10.01, S. 19068). Abgesehen von den existenznotwendigen Vorsorge-Ergebnissen der vorgeschobenen und praktisch stimmlosen kleinen Aktionäre und Investment-Sparer ist dieses marktbeherrschende System die institutionalisierte Gier. Die Kleinsparer in diesem scheinbaren „Volkskapitalismus” nach US-Vorbild haben meist ohnehin nur Anteile an Investmentfonds, von denen man lediglich eine halbwegs sichere und akzeptable Wertentwicklung erwartet. - Schuld sind vor allem die neoliberalen Meinungsmacher und die Regierungen, die die parasitären Profitsteigerungen auch noch mit allen möglichen Steuervorteilen und Subventionen anreizen und belohnen.

Statt die Subventionierung von Dumpingsteuern zu beenden, soll künftig lediglich jede EU-Direktsubvention von neuen Arbeitsplätzen daraufhin geprüft werden, ob der Subventionsempfänger mit diesem Geld die Arbeitsplätze aus anderen EU-Ländern nur früher oder später verlagert. Diese Initiative propagiert DIE WELT als Erfolg des neuen Wirtschaftsministers Michael Glos (sh. „EU-Förderung wird stärker überwacht”, welt.de, 6.5.06), obwohl sie bereits lange vor seinem Amtsantritt begann (sh. Stellungnahme des EU-Parlamentsausschusses, 20.6.05; Hutchinson-Bericht, 30.1.06;  „ Wirtschaft aktuell 5/2006”, igmetall-wob.de). Ganz nebenbei liefert der Axel-Springer-Verlag also den willig nachplappernden Meinungsmacher wieder Propaganda-Material zugunsten der CDU/CSU. Der kleine Erfolg gegen die Verlagerungs-Investitionen könnte aber immerhin damit zu tun haben, dass Michael Glos die frühere einsame Initiative seines Parteifreundes Edmund Stoiber und des ebenfalls neoliberalen französischen Innenministers Sarkozy (sh. hier „Karstadt als Grenzanbieter”) gegen die Subventionierung des Steuerdumpings einen Trippelschritt weiter fortgeführt und wenigstens nicht blockiert hat. Ein Anstoß dafür war die geplante Verlagerung der bayerischen AEG-Arbeitsplätze nach Polen (sh. „ Kein Geld mehr für Verlagerung in billigere EU-Länder”, tagesschau.de, 30.4.06).

Ein besonders markanter Fall ist die Ausschlachtung des Armaturenbauers Grohe zu Lasten seiner deutschen Beschäftigten: Zunächst hatten die Erben im Jahre 1999 ihre Firma an einen Finanzinvestor verkauft und sind dann in die Schweiz gezogen (sh. Arne Storn: „Abgedreht”, zeit.de, 9.6.05 Nr. 24, und Der Fall Grohe liefert Zündstoff”, faz.net, 27.5.05). Dort können sie ihre Erträge aus den Erlösmilliarden nach ihren pauschalierten Lebenshaltungskosten weit unter ihrem tatsächlichen Einkommen versteuern, so dass Millioneneinkünfte weitgehend unversteuert bleiben - wie bei ihren Mitflüchtlingen Michael Schumacher, den Flick-Erben usw.  (sh. Martin J. Kaufmann: „Die helvetische Pauschalbesteuerung”, steuer-newsletter.de, 14.5.04). Diesen Coup erklären sie mit den „unerträglichen politischen Rahmenbedingungen in Deutschland” („Warmer Regen dank Duschköpfen”, manager-magazin.de, 16.7.04), obwohl doch die pinkgrünliche Regierung gerade eine unglaubliche Steuersenkung für Einkommensmillionäre auf den Weg gebracht und damit die niedrigste Steuerquote in der EU noch weiter abgesenkt hatte.
Als Kapitalfluchtburg für deutsche und internationale Steuerflüchtlinge sowie Geldwäscher steht die Schweiz zwar auf Platz eins, als deutscher Handelspartner jedoch nur auf  einem der letzten Plätze: Der Anteil der deutschen Exporte dorthin lag im Jahre 2005 nur noch bei etwa 3,8 Prozent und hielt sich mit den deutschen Importen von dort in etwa die Waage („Konjunkturmotor Export„ destatis.de, 30.5.2006, S. 12). Außerdem werden die Brüder Grohe auch noch freundlich unterstützt bei ihrer Flucht in die Dumpingsteuer dank des absurden deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens.

Wie bei solchen Firmenhändlern üblich, haben  die Finanzinvestoren die Fa. Grohe nach einigen Jahren weiterverkauft - diesmal an den Finanzinvestor Andrew Dechet von der „Oberheuschrecke” Texas Pacific Group TPG (sh. „Unter Heuschrecken”, manager-magazin.de, 19.4.06). Er verschärft die kreditfinanzierte Substanz-Abschöpfung und will - trotz bester Umsatzrendite - einen Großteil der deutschen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern (sh. „20 Prozent Rendite – 1500 Stellen weg”, abendblatt.de, 25.5.05, und „Der Fall Grohe: Drama in fünf Akten”,  su-consulting.de, 31.12.05).

Unlängst hat sich die TGP auch über die bis dahin ertragreiche Mobilcom hergemacht, um auch dieses Unternehmen möglichst kostenlos zu schlucken bzw. auszuschlachten. Dies soll geschehen durch Fusion der Mobilcom mit ihrer Tochterfirma Freenet zur Aufdeckung stiller Reserven. So fabriziert man bei der Mobilcom hohe bilanziellen Beleihungswerte zur anschließenden Refinanzierung ihres Kaufs durch die TGP. Die größte Hilfe dabei ist die Steuerfreiheit des Aufdeckungsgewinns, die vom Kanzler der Bosse und seiner pinkgrünlichen Regierung eingeführt wurde. Damit konnten diese Pseudo-Sozialdemokraten und Gilbgrünen die schwarzgelbe Front zur Umverteilung nach oben ein weiteres Mal rechts überholen. Leider hat Franz Müntefering dies bei seiner Heuschrecken-Schelte nicht erwähnt. Die neue Schuldenbürde der Mobilcom zur Refinanzierung ihrer eigenen Verscherbelung oder Ausschlachtung kann - wie im Falle Grohe - „die Zukunft des Unternehmens und damit Tausende von Arbeitsplätzen gefährden” (sh. „mobilcom/Freenet-Fusion weiterhin unklar”, mobile2day.de, 15.5.06, und „'Aasgeier' trifft 'Heuschrecke'”, stern.de, 24.8.05, und den Film „ Mit Charme und Dollars - Ein Kapitalist macht Beute”, arte.tv, 7.10.2008, als Beleg dafür, dass Heuschrecken mit ihren Selbstdarstellungs-Künsten teilweise noch unsere neoliberalen Umverteiler übertreffen.)

Dass sich die Parasitismus-Opfer zumindest die Steuerflucht der Profiteure durch den Missbrauch der Doppelbesteuerungsabkommen auch von der Schweiz nicht bieten lassen müssen, zeigt die Ermahnung des Schweizer Ständerates durch das Bundesratsmitglied Kaspar Villinger in der Sitzung vom 2.6.03, 18:15h:
 

Wir müssen mit den Amerikanern und als Welthandelsnation auch mit allen uns umgebenden Staaten zu einem Einvernehmen kommen. Wenn uns drei, vier Staaten das Doppelbesteuerungsabkommen kündigen, haben wir ein Problem, und zwar ein echtes und ein substanzielles.
 

Die neoliberalen deutschen „Finanzexperten” und Eurokraten haben aber offenbar gar kein Interesse an der Eindämmung des Steuerdumpings, weil sie in dessen Rückwirkung einen Hebel zur Senkung ihrer eigenen Steuersätze sehen (sh. auch hier Steuer-Parasitismus.htm).

Beim Dumping zur Umverteilung nach oben gab es unter den Neoliberalen auch in den Talkshows stets nur Scheingefechte. Der engagierte Liedermacher Konstantin Wecker zeigt sich als Freund einer deutlichen Sprache, wenn er schreibt:
 

Jeden Sonntag Abend geben sich Millionäre bei Frau Christiansen ein Stelldichein und faseln davon, dass mit mehr Profit für die Konzerne neue Arbeitsplätze geschaffen werden.[133]
 

In der Tat: „There's No Business Like Show Business”, aber es müssen nicht alles Millionäre sein. Trotz scheinbarer Unversöhnlichkeit der Standpunkte sind sich fast alle geladenen „Bestverdiener” in einem Punkt einig: Die konjunkturschädliche Steuersenkung für sie darf weder angetastet noch überhaupt zur Sprache gebracht werden. Durch ständiges Aneinanderreihen von Ablenkungsparolen vor einem Millionenpublikum werden deren Unwahrheiten und Halbwahrheiten zu grundlegenden Volksweisheiten umfabriziert und so der Wähler nach Kräften manipuliert. Der Medienkanzler Schröder hat richtig erkannt, dass man gegen „BILD, BamS und Glotze” hierzulande keine Politik machen kann (sh. hier Meinungskauf/Pro7Sat1.htm). Der Einfluss der Politiker beim Wegmobben Lafontaines und bei der anschließenden extremen Umverteilung nach oben wurde also wahrscheinlich noch weit übertroffen vom Einfluss der übrigen neoliberalen Propagandisten durch ihre Kampagnen in dieser Richtung unter der „Obhut” des Medienkapitals. Es geht also nicht nur um die Besitzstrukturen hinter dem Medienkapital, sondern auch um den Wählerbetrug durch seine tonangebenden Söldner zugunsten eigener Steuergeschenke. Diese „Bestverdiener” wollten unbedingt die neoliberale Wende nutzen, um eine weitere drastische Absenkung ihrer Spitzensteuersätze durchdrücken. Etliche Beispiele unterschiedlicher Meinungsmacher finden sich bereits in diesem Abschnitt (sh. auch die Kampagnen hier im Inhaltsverzeichnis unter „Meinungskauf”). Dabei ist es unerheblich, ob sie sich diesen Willen selbst eingestanden haben, oder ob der uneingestandene Zweck nur der objektive Hintergrund ihrer Kampagnen war.

Die Privilegierten haben den Unterprivilegierten zu allen Zeiten eingeredet, was für sie gut sei, aber diese spüren mit wachsender Ausplünderung allmählich, dass mit dem vermeintlichen Wohlwollen und Sachverstand ihrer Meinungsmacher etwas nicht stimmen kann, dass deren wohlmeinenden Sprüche nur deren eigenes Wohl bezwecken, nur Lug und Trug sind. An diesem Punkt haben die Parasiten früher stets auf ihre privilegierten Militärs vertraut. Heute reicht schon der Einsatz des Medienkapitals und der bestbezahlten Volksbetrüger, um die Düpierten von der angeblichen Unausweichlichkeit ihrer Lage zu überzeugen.

Vernünftiger Unternehmensgewinn muss sein, aber kein Diktat des Shareholder-Value. Als erstes müssen die Manager-Verträge einschließlich ihrer Aktienoptionen offen gelegt werden, so dass jeder nachvollziehen kann, wie die Managerbezüge durch die „Entlassungsproduktivität” (sh. Unwort des Jahres 2005) renditestarker Unternehmen steigen, denn ein kleiner oder mittelständischer Unternehmer wird sich normalerweise nicht so verhalten. Steuersenkungen für „Bestverdiener” und Konzerne vermindern nicht nur die schwache Konsumnachfrage, sondern auch die Mittel zur Senkung der „Lohnnebenkosten” und tragen dadurch zur Vernichtung von Arbeitsplätzen bei. Die Gründe für die Akzeptanz solcher Umverteilungsideologien lassen sich kaum mit ökonomischen Theorien verstehen, sondern eher mit Kategorien der Soziologie, Psychologie, ja besonders auch der Biologie bzw. Verhaltensforschung, am einfachsten aber mit dem gesunden Menschenverstand, wenn der nicht schon durch die ständige Indoktrination geschädigt ist.

Inzwischen zeichnet sich beim neoliberalen Mainstream in den USA bereits der steuer- und sozialpolitische Super-GAU ab durch Marktfundamentalisten, Steuerfundis und Junta-Schmiede, die den Staat „in der Badewanne ertränken wollen - mit den mächtigen Einpeitschern Grover Norquist von der Kahlschlagsvereinigung Amerikaner für Steuerreform und Stephen Moore von der Spenden-Pressure-Group Club for Growth”:
 

Der beste Weg, all die Vorschriften und Gesetze und Kontrollen loszuwerden, ist für Leute wie Norquist, die Steuersätze so weit nach unten zu bringen, dass dem Staat kein anderer Weg bleibt, als sich zurückzuziehen. Raus aus der Erziehung, aus der Wohlfahrt, aus dem Gesundheitssystem. „Ich würde den Staat in 25 Jahren gern um die Hälfte schrumpfen lassen”, sagt er - „auf eine Größe, dass wir ihn in der Badewanne ertränken können.„

Und was wäre für ihn ein fairer Steuersatz?  „Acht Prozent. Meinetwegen auch zehn.” So, wie er das sagt, klingt das fast großzügig …

Irgendwann fing Norquist an, republikanische Politiker eine Selbstverpflichtung unterschreiben zu lassen, dass sie niemals für Steuererhöhungen stimmen werden. Er nannte das den „ Eid”.

Präsident George W. Bush hat unterschrieben und auch Vizepräsident Dick Cheney, 8 Gouverneure, 42 Senatoren, 217 Abgeordnete. Der Eid wird im Beisein zweier „Zeugen” abgegeben, und wer ihn einmal abgelegt hat, ist „fürs Leben gebunden”. Es ist inzwischen eine ziemlich ernste Sache.

In seinem Portemonnaie hat Norquist einen Zettel mit den Namen der republikanischen Senatoren und Kongressabgeordneten, die sich geweigert haben, den „Eid” abzulegen … Insgesamt sind es 21 Namen. Ab und zu nimmt Norquist den Zettel heraus und streicht einen durch. Niemand zweifelt mehr daran, dass es gelingen könnte, die Zahl der Namen in absehbarer Zeit auf null zu bringen...

Moore sorgt für die nötige Disziplin - durch Einschüchterung. Es gibt niemanden, vor dem liberale Republikaner mehr Angst haben müssen.

Moore verfügt über das wertvollste Gut, das es in Washington neben einem direkten Draht zum Präsidenten gibt: Er hat Geld zu vergeben. Hinter seinem Club for Growth stehen etwa 15 000 Mitglieder, die meisten sind Banker und Geschäftsleute. „Tatsächlich sind wir heute außerhalb der Partei der größte Einzelspender der Republikaner”, sagt Moore mit unüberhörbarem Stolz.

Der Club for Growth setzt sein Geld vorzugsweise gegen eigene Parteimitglieder ein, und zwar gegen solche, die Moore  „Rinos”  nennt -  „Republicans in Name Only”, Republikaner nur dem Namen nach. Bei der zweiten großen Steuerrunde schaltete er Anzeigen, in denen er die Senatoren Snowe und Voinovich mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac verglich, dem Erzverräter...[134]
 

Hier sind es also nicht die Fundamentalisten vom 11. September, sondern die Fundis der US-Rechten, die mit Unterstützung von George W. Bush diesmal nicht einen Ort, sondern das ganze Land verheeren wollen. Durch eine derartige Spendenbündelung lassen sich die negativen Wirkungen des „Kapitalismus” auch ohne große „Kapitalisten” erzielen, wenn man vom Medienkapital einmal absieht.
 

Diese konsumdrosselnde Verschiebung des Volkseinkommens nach oben und nach außen wird allerdings nicht nur propagiert mit dem platten „Steuersenkungs”-Mantra nach Art der FDP und anderer überbezahlter Meinungsmacher zur Senkung ihres Spitzensteuersatzes, sondern es lässt sich sogar sprachkünstlerisch und „philosophisch” verbrämen, wie etwa durch Peter Sloterdijk in seinem Beitrag „ Die Revolution der gebenden Hand”, faz.net, 13.6.2009, mit den Worten: „ So ist aus der selbstischen und direkten Ausbeutung feudaler Zeiten in der Moderne eine beinahe selbstlose, rechtlich gezügelte Staats-Kleptokratie geworden.” Man will also mit dem Staat zugleich auch die Verfassung des sozialen Rechtsstaats „ in der Badewanne ertränken”. Dies ist offenbar ganz im Sinne der bestbezahlten FAZ-Herausgeber, denn sie haben für ihre Artikelserie zur Umverteilung nach oben auch andere hochgejubelte Neoliberale eingeladen wie den INSM-Propagandisten Meinhard Miegel, und Merkels „Visionär” Paul Kirchhof, der seinen Spitzensteuersatz auf 25 Prozent senken will (sh. rossaepfel-theorie.de).


Auf diese Drittweltverhältnisse warten hier schon hoffnungsvolle Propagandisten mit zurechtgestutzten ökonomischen „Theorien” gegen die „Arbeitslosigkeit” durch weitere Steuersenkungen für sie und die übrigen „Bestverdiener” frei nach Ronald Reagans Motto: „Der Staat ist nicht die Lösung, wie wir immer gedacht haben, sondern er ist das Problem” (zitiert nach Claus Leggewie aus der Monitor-Sendung zur INSM, wdr.de, 13.10.05).  Sie folgen den amerikanischen Neoliberalen mit deren Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush als Totengräbern der Solidargemeinschaft.

Zu deren Auffassungen neigte auch der Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman  mit seiner Gegenposition zu Joseph Stiglitz und den übrigen Ökonomie-Nobelpreisträgern sowie zur Anzeige vom 11.2.2003 der mehr als 400 Ökonomen gegen die steuerliche Umverteilung nach oben durch George W. Bush (sh. oben). In einem Artikel vom 19.1.2003, ausgerechnet für das Wall Street Journal, schrieb Friedman (*1912; † 2006):
 

Ich sage schon lange „Ich habe noch nie eine Steuersenkung gesehen, die mir nicht gefiel„… Der Grund für meine pauschale, gewagte („flat, unhedged”) Aussage ist weder die keynesianische Annahme eines ökonomischen Impulses durch Steuersenkungen, die ich für falsch halte, noch die Annahme der Angebotstheorie, wonach von Steuersenkungen ein günstiger ökonomischer Anreiz ausgeht, was ich für richtig halte („believe”). Es ist vielmehr die Wirkung von Steuersenkungen auf das Ausgabeverhalten der Regierung …
Wie die Sache auch immer ausgeht, eine große Steuersenkung ist ein Schritt zu einer kleineren Regierung, und ich glaube, dass die meisten US-Bürger dies wünschen.„
 

(Sh. „ THE GREEDY HAND - What Every American Wants – I never met a tax cut I didn’t like, and I like President Bush’s a lot”, opinionjournal.com, 19.1.2003, übersetzt vom Verfasser.) Solcher Art sind die Vorlagen für jene, die den „Staat in der Badewanne ertränken” wollen (sh. oben). Man hat also auch hier einen Fall der „Theorie” als Ideologie für die Profiteure der Umverteilung nach oben. Zugleich sieht man, wie ein Ideologe politisch zu einer alles überragenden Bedeutung hochgejubelt werden kann, wenn die herrschenden Meinungsmachern davon profitieren. Im Gegensatz zu den reinen Ideologen, für die die „Wissenschaft” lediglich als Rationalisierung ihrer Profitinteressen zu dienen hat,  präsentiert Friedman als Wissenschaftler immerhin seine Bekenntnisse zur Umverteilung des Volkseinkommens nach oben nicht als wissenschaftliche Lehrsätze, sondern als seine persönlichen Glaubenssätze („believe”).  Das bewahrt ihn aber nicht vor dem Vorwurf, seine Stellung in der Wissenschaft für sich und seine Mitprofiteure missbraucht zu haben.


Zu den angeblichen Wünschen der „meisten US-Bürger” und zur Wählertauschung über diese Wünsche sagte der US-Medienforscher Noam Chomsky:
 

Die meisten Amerikaner wünschen sich einen niedrigeren Verteidigungsetat und statt dessen höhere Sozialausgaben und mehr Geld für die UNO und für Entwicklungs- und humanitäre Hilfe. Viele meinen, die von Präsident Bush beschlossenen Steuererleichterungen für die Reichsten sollten zurückgenommen werden. Auf all diesen Feldern verfolgt das Weiße Haus eine Politik, die der öffentlichen Meinung diametral entgegenläuft. Aber die Meinungsumfragen, die den Willen des Volkes deutlich dokumentieren, werden in den Medien nur selten veröffentlicht. Die Bürger werden also nicht nur von der politischen Entscheidungsfindung ferngehalten, sondern auch über die öffentliche Meinung in ihrem Land in Unkenntnis gelassen.


(Sh. „ Gespräch - Zum Besten der Beherrschten”, taz.de, 10.8.2007.) Jedenfalls würden die meisten Bürger in den USA und in Deutschland nicht derartige Steuersenkungen wünschen, wenn sie nicht von den neoliberalen Meinungsmachern über deren tatsächlichen Wirkungen aus Eigennutz getäuscht würden. Die angeblich demokratische Meinungsmache in den Massenmedien ist gekauft (sh. hier z.B. Demokratie-Kauf.htm, Plutokratie.htm, Pro7Sat1.htm, Wir-Papst-Du-Deutschland.htm). Sie liegt voll in den Händen jener, die von der Umverteilung des Volkseinkommens nach oben profitieren und die von ihren Brötchengebern zur Wählertäuschung engagiert werden.


In Deutschland sieht es kaum besser aus als heute und damals in den USA. Seit dem Verrat an der Sozialdemokratie durch den Kanzler der Bosse mit seinem Tross und seinen grünlichen Gehilfen ab dem Jahre 1999 geht die letzte Hoffnung auf ein soziales Gewissen in Deutschland allmählich verloren. Auch auf Lafontaine, der die SPD wegen dieses Verrats verlassen hat, und auf das Linksbündnis konnte diese Hoffnung nur mit einer Wählerquote von etwa 10 Prozent übertragen werden, weil es den neoliberalen Meinungsmachern und Profiteuren der Umverteilung nach oben mit ihren Massenmedien bisher gelungen ist, ihre Beute durch Diffamierung der Linken zu sichern. Das Gift dringt über die Medien in die Köpfe und Herzen:
 

Von je 100 Befragten nennen als größte Zukunftssorge: … Soziale Kälte,
 

42 in 1999
52 in 2003
58 in 2007
62 in 2010*
75 in 2020*
 

* Prognosen: „Was passiert, wenn nichts passiert…„


(Aus einer Repräsentativumfrage der BAT Stiftung für Zukunftsfragen: „Kalt und kinderfeindlich!” Die größte Sorge der Deutschen zum Jahreswechsel. Im europäischen Vergleich weist Deutschland die höchsten Problemwerte auf;  Forschung aktuell, Ausgabe 202, 28. Jahrgang, 27.12.2007.)

Dazu heißt es auf der BAT-Webseite:
 

„Eine Eiszeit in den mitmenschlichen Beziehungen können wir uns nicht leisten. Wir brauchen eine Verantwortungsgesellschaft, in der man wieder mehr Verantwortung für einander trägt”, so Professor Dr. Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der BAT Stiftung.


Diese Rhetorik wird aber sogar von CDU/CSU, FDP und den übrigen neoliberalen Meinungsmachern geübt, solange sie die ursächliche Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen nicht in Frage stellen müssen.

 
Der fortgesetzte und allmählich durchschaute Vertrauensbruch durch die meisten Meinungsmacher (sh. Florian Rötzer: „ Kein Vertrauen in Politiker”, telepolis.de, 17.9.05) schadet auch dem Vertrauen der Betrogenen untereinander (sh oben zur „Vertrauens- und Glücksskala”). Die Raffgier jener „Bestverdiener” und den Hang zur Meute (sh. oben) veranschaulicht die Feststellung von Sigmund Freud zur Banalität des Alltags: „Die Decke der Kultur ist sehr dünn” (zitiert nach Stephan Harbort: „ Das Kannibalen-Syndrom”, zu finden auch über www.der-serienmoerder.de > „Aufsätze”). Zur „Banalität des Bösen” sh.
Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem, ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 1964, und hier Dritte_Welt.htm mit den Ausführungen zum Buch von André Glucksmann: Das Gute und das Böse.

Neuere Hirnforschungen mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie zeigen, dass bei Gewalttätern die Gehirnregionen für das Mitgefühl auf Reize kaum reagieren (sh. z.B. den TV-Film „Der Sitz des Bösen Entstehen Verbrechen im Gehirn?” mit Bezug auf  die problematischen Schlussfolgerungen des bekannten Hirnforschers Gerhard Roth; Wiederholung lt. Programm dw-world.de für 9.3.06). Es wäre jedenfalls falsch, diese regionale Erschlaffung vor allem genetisch zu erklären, denn eine historische und psychologische Betrachtung zeigt, dass das selbstgewählte oder aufgezwungene soziale Umfeld und die profitable Autosuggestion gegen das Mitgefühl eine entscheidende Rolle spielen.

Die nackte Gewalt in der Natur und in früheren Gesellschaftsformen wird in unserer spät-primitiven Gesellschaft ersetzt durch die ungezügelte Machtausübung mit Hilfe des Kapitals
und seiner egoistischen Diener in Medien und Politik.

Bei solchem ideologischen und „intellektuellen” Müll grenzt der neoliberale Missbrauch der Apotheose von Beethoven und Schiller als Europahymne an ein Sakrileg.  Das Werk schwebt zwar über den Urinierern, aber viel besser passt ein „Gedicht” der Trash-Literatur[135] ohne besonderen literarischen Anspruch, mit dem Charles Bukowski bereits zur Regierungszeit des frömmelnden Ronald Reagan[136] dem Einzug des Raubtier-Kapitalismus mit Reagans Republikanern begegnet ist. Untermalt von der amerikanischen „Star Spangled Banner”-Hymne in der Version von Jimmy Hendrix (hier zum „Genießen”)[137] würde es sich gut zur Globalhymne eignen. Es beginnt (in möglichst wörtlicher Übersetzung) wie folgt:

 

Verwesung

Neulich
hatte ich den Gedanken
dass dieses Land
zurückgefallen ist
um vier oder fünf Jahrzehnte
und dass aller
sozialer Fortschritt,
das gute Gefühl von
Mensch
zu Mensch,
hinweggewischt
und verdrängt wurde durch dieselben
alten
Scheinheiligkeiten.[138]

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