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Zuletzt ergänzt am 26.2.2010.




 

Exkurs: Steuer-Parasitismus, Zocker-Billionen und

Risiko-Verschleierung





1) Einleitung
2) Beispiel: Die Zumwinkels in Liechtenstein
3) Beispiel: Österreichs Neoliberale gegen EU-Solidarität
4) Deutsche Arbeitnehmer finanzieren den Export ihrer Arbeitsplätze
5) Maßnahmen gegen weltweiten Steuer-Parasitismus

und gegen Zockerei auf Kosten der Steuerzahler

6) Verbal-Radikalismus von Finanzminister Steinbrück

7) Untersuchungsausschuss zum Kontrollversagen bei der Hypo Real Estate

8) G20-Krisengipfel - Schwarzer Tag für Schwarze Liste

 




 

1) Einleitung

 

27.5.2009 eingefügt zu Beginn der Einleitung bei Steuer-Parasitismus.htm:

"Steuerparasitismus" innerhalb von Deutschland

 

 

In diesem Exkurs geht um den Parasitismus der Steuer-"Oasen" durch deren Hilfsangebote

bei der Hinterziehung von Steuern auf Kapitalerträge. Es handelt sich also um die Verschleierung von Kapitalerträgen in parasitären Steueroasen – unter anderem in Verbindung mit der Finanzmarktkrise sowie mit der ursächlichen Billionen-Zockerei und Risiko-Verschleierungen.

 

Dagegen wurde der Steuerparasitismus durch direkte Gewinnverschiebungen hier schon im Haupttext und im Exkurs Unternehmenssteuerreform.htm an etlichen Stellen ausführlich behandelt. Dabei geht es meist um die Subventionierung aus EU-Mitteln von Produktions- und Gewinnverlagerung in Niedrigsteuer-Länder wie die Slowakei mit einem Einheitssteuersatz von 19 Prozent. Folge ist die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland mit den Steuergeldern der künftigen Arbeitslosen. Vorreiter war und ist der Subventions-Tiger Irland, der immer noch Subventionen aus Deutschland erhält, obwohl das dortige Durchschnittseinkommen dank solcher Gewinnverschiebungen und Subventionen schon deutlich höher liegt als in Deutschland.

 

Zum Thema Steuer-Parasitismus im weiteren Sinne gehören aber auch Gewinn- und Produktionsverlagerungen innerhalb von Deutschland in Bundesländer, die bei der Hilfe zur Steuerhinterziehung durch künstliche Verknappung von Betriebsprüfungen eine Spitzenposition einnehmen. Dazu zählen seit langem insbesondere die finanzstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg. Obwohl  durch diese Heuchelei wohl noch viel mehr Milliarden hinterzogen werden als durch die vorstehenden Parasitismus-Formen, kann dazu in diesem Exkurs nur auf ein Interview mit der häufig zitierten Steuer-Fahnder Reinhard Kilmer verwiesen werden. (Sh. "INTERVIEW - Es wird zu wenig geprüft", verdi.de, 3/2008, 13.3.2008). Es geht um zwei bis dreistellige Milliarden-Beträge, auch abhängig davon, ob man die vielen kleinen Mogeleien mit einbezieht oder nicht. Über den Großbetrug jener, die es wirklich nicht nötig hätten, sagt Kilmer (ebd.):

 

Auch der Bundesrechnungshof kritisiert, dass zu wenig geprüft wird! Bei einer Erhebung zeigte sich, dass nur jeder sechste Einkommensmillionär überprüft wird - obwohl jede Kontrolle zu einer Nachzahlung von durchschnittlich 135000 Euro führte. Und Betriebe müssen überhaupt nur damit rechnen, dass ihre Bücher alle 50 Jahre überprüft werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hingegen können nicht mogeln, weil sie ihre Steuern direkt vom Lohn abführen. Momentan haben wir hier eine erhebliche Schieflage - und der Arbeitnehmer ist mal wieder der Dumme…

Im Durchschnitt nimmt ein Steuerfahnder pro Jahr 700000 Euro ein. Seine Lohn- und Pensionskosten liegen aber nur bei 80000 Euro jährlich.

 

ver.di PUBLIK | Das klingt wie ein sehr lukratives Geschäft für den Staat. Und warum gibt es dann so wenige Steuerfahnder?
 

Kilmer | Die Länderfinanzminister machen eine ganz andere Rechnung auf. Von jedem zusätzlichen Euro bleiben ihnen nur zehn Cent, weil der Rest in den Länderfinanzausgleich fließt. Und auch die finanzschwachen Nehmer-Länder haben kein Interesse, ihre Steuerfahndung auszubauen - dann würden ja automatisch ihre Zuschüsse gekürzt.
 

Dass also die Bücher gerade mal "alle 50 Jahre überprüft werden", obwohl je Prüfung eine Steuerverkürzung von 135.000 Euro festgestellt wird, steht in krassem Gegensatz zur Behandlung der Hartz-IV-Opfer, die durch die Umverteilung nach oben ihren Arbeitsplatz verloren haben. Sie bekommen zwar nur einen monatlichen Regelsatz von 351 Euro, aber man bezahlte bei "schwerem Missbrauchsverdacht" sogar detektivische Überwachung. Aus Sicht der Neoliberalen ist dieser "Missbrauch" offenbar wesentlich schwerer als bei den 135.000 Euro, wenn also der Hartz-IV-Empfänger die 351 Euro durch Schwarzarbeit etwas aufstockt. Dazu heißt es im Südkurier vom 4.6.2009 unter der Überschrift "Verschärfte Überwachung bei Hartz IV geplant":
 

Die Hartz-IV-Kontrolleure sollten demnach dann verstärkt zu Hausbesuchen bei Arbeitslosen ausschwärmen und mit Zustimmung des Hartz-IV-Empfängers auch Schränke kontrollieren, „wenn eine Sachverhaltsaufklärung sonst nicht möglich ist“. Die Ergebnisse der Wohnungskontrollen sollten detailliert protokolliert und „Auffälligkeiten“ für jeden Raum gesondert beschrieben werden, heißt es in dem Bericht weiter. Den Außendienstmitarbeitern solle es auch erlaubt sein, Nachbarn oder Bekannte über die Hartz-IV-Bezieher zu befragen. Selbst Kinder sollten befragt werden, wenn ihre Erziehungsberechtigten zustimmen.

 

Diese "nachrichtendienstlichen Ermittlungen" wurden im Mai 2009 erst gestoppt, nachdem ein Arbeitslosenforum "Klage gegen die BA" angekündigt hatte (sh. ebd.).

 

Das unglaubliche Ausmaß der Hinterziehung und Heuchelei ändert aber nichts an den katastrophalen Folgen des Parasitismus in Verbindung mit der Billionen-Zockerei und Risiko-Verschleierung in den Steuer-"Oasen".

Über den Zusammenhang zwischen Steuer-Parasitismus und "sozialer Marktwirtschaft" heißt es in einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit Oskar Lafontaine:
 

sueddeutsche.de: Bei maroden Banken und Unternehmen verkommen Milliarden schon mal zu "Peanuts", bei den sozial Schwachen geht es um jeden Cent. Verdient unser System in Deutschland noch den schönen Namen soziale Marktwirtschaft?

Lafontaine: Das Ganze ist doch noch viel schlimmer. Ich sage nur das Stichwort Commerzbank. Der Staat gibt diesem Geldinstitut 18 Milliarden, aber er kontrolliert die Verwendung des Geldes nicht und sieht tatenlos zu, wie die Commerzbank weiterhin mit Steueroasen Geschäfte macht, also zur Steuerhinterziehung anleitet. Während die Bundesregierung auf der einen Seite Hartz-IV-Empfänger streng überprüft, ist die Regierung auf der anderen Seite die Hehlerin der Steuerhinterziehung bei den großen Banken.
 

(Sh. "Besuche bei Bankmanagern wären ergiebiger", sueddeutsche.de, 4.6.2009.)


 

Wenn man nur die Hinterziehung deutscher Steuern-Milliarden mit Hilfe der Schweiz betrachtet, wirkt dies noch eher gering im Vergleich zu den Risiko-Verschleierungen durch die "Oasen" und zu den Hinterziehungs-Hilfen durch die deutschen Finanzministerien. Aber die Schweiz hält sich nicht einmal an die vereinbarte anonymisierte Abführung der Quellensteuer in Milliardenhöhe, sondern versucht, sich mit einem kleinen Bruchteil davon freizukaufen. Dazu Steinbrück:

 

Auch den Hinweis der Schweiz, dass Deutschland von dort 120 oder 130 Millionen Euro an Quellensteuer auf deutsche Einlagen erhalte, empfinde er "als Scherz", sagte Steinbrück. "Fachleute sagen, dass deutsche Steuerzahler 200 bis 300 Milliarden Euro auf Schweizer Konten haben."

 

(Sh. "STREIT UM STEUERHINTERZIEHUNG – Schweiz lässt Steinbrück ins Leere laufen", spiegel.de, 30.12.2008.) Außerdem sind diese hinterzogenen Milliarden in der Schweiz nur ein kleiner Bruchteil dessen, was dem deutschen Staatshaushalt durch den Steuer-Parasitismus insgesamt verloren geht. Es könnte erheblich zur Erfüllung des verfassungsmäßigen Sozialstaatsgebots und zur Arbeitsplatzbeschaffung durch effektive Steigerung der Konsumnachfrage beitragen, wenn man es nicht auch wieder nach oben umverteilen würde.
 


Den Steuerparasitismus als Helfer bei der Steuerhinterziehung auf Kapitalerträge nutzen insbesondere kleinere Staaten, weil schon ein kleiner Prozentsatz der riesigen Fluchtgelder einen beachtlichen Beitrag zu ihrem Staatshaushalt liefert. Dass man Doppelbesteuerungs-abkommen auch problemlos kündigen kann, hat Deutschland gerade gegenüber Österreich demonstriert, als dort die Erbschaftsteuer mit den gleichen fadenscheinigen Bezug auf eine höchstrichterliche Entscheidung abgeschafft statt reformiert wurde (sh. "Berlin will Steuerflucht nach Österreich verhindern", spiegel.de, 28.8.2007) wie seinerzeit die Vermögensteuer in Deutschland. Zur Unterstützung der Steuerflucht und gegen die Umverteilung nach oben durch die Bundesregierung schreibt Sven Giegold:
 

Die Schweiz hat für ihre eigenen BürgerInnen ein System der Abgeltungssteuer von 35%; also deutlich
höher als das, was jetzt die Bundesregierung plant. Für Steuerausländer sind Kapitaleinkünfte in der Schweiz hingegen steuerfrei und durch ein strenges Bankgeheimnis geschützt. Bisher weigert sich die Schweiz, das Bankgeheimnis im Rahmen des EU-Kompromisses aufzuweichen. Diese Weigerung ist jedoch nicht sehr glaubwürdig. Gegenüber den USA hat die Schweiz für US-Anleihen einem System von Kontrollmitteilungen zugestimmt… Die Bundesregierung möchte diesem notwendigen Konflikt lieber aus dem Wege gehen. Statt die Oasenländer unter Druck zu setzen, soll nun die Steuergerechtigkeit zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommensbeziehern geopfert werden.


(Sh. Sven Giegold: "Hintergrundinfos zur Abgeltungssteuer", http://www.attac.de/schwedt/steuerinfo.htm, und "Neue Niedrigsteuer für Kapitaleinkünfte", Januar 2003, Fettdruck vom Verfasser.)


Über den Lizenzentzug durch die USA schreibt der Steuerfahnder Reinhard Kilmer in der Broschüre zur Konferenz "Globalisierung und Steuergerechtigkeit", Berlin, April 2005, in Abschnitt 2.3:
 

Die USA haben derweil gezeigt, wie man es machen kann. Seit dem Kalenderjahr 2000 melden alle Großbanken der Welt ohne Murren und Knurren alle Kunden von US-Wertpapieren der IRS (US-Steuerbehörde Internal Revenue Service), damit die entsprechenden Steuern eingetrieben werden können. Falls eine Bank nicht mitzieht, droht der Verlust der Lizenz in den USA.


Zur Förderung der parasitären Pseudo-"Globalisierung" und zur Finanzierung der weit überhöhten Eurokraten-Bezüge wollte der Kanzler der Bosse  noch über die Erhöhung des deutschen Netto-EU-Beitrags von jetzt ca. 10 Milliarden Euro jährlich reden (DIE WELT, 22.10.04), statt ihn für die Dauer dieses Steuer-Parasitismus zu kürzen. Am Ende konnte er auch von der rechten CSU nur noch links überholt werden, als deren Mitglied Michael Glos diese "Großzügigkeit"  für einen solchen versteckten Zweck mit dem Prinzip "Nach mir die Sintflut" erklärte (sh. N24, 4.6.2005). Nach Regierungsantritt seiner Union hat aber auch sie diese Subventionen ohne Dumping-Auflagen erhöht.

 

Im Herbst 2008 wurde eine indirekte Form des Steuer-Parasitismus offenkundig mit der Vergabe von ungesicherten Staatsbürgschaften über viele Milliarden durch Finanzminister Steinbrück und die Merkel-Regierung, mit denen unter anderem auch Zocker-Gewinne in der Finanzkrise abgesichert werden (sh. hier Abschnitt 5).




2) Beispiel: Die Zumwinkels in Liechtenstein

 

Ein anderes Beispiel für den Steuer-Parasitismus zu Lasten der europäischen Staaten und darüber hinaus ist Liechtenstein. Auch hier finden die Neoliberalen ein Schein-Argument für ihre unsägliche Abgeltungssteuer von 25 Prozent zur Umverteilung nach oben, statt den europaweiten Boykott gegen die dreisten Schmarotzer voranzutreiben, z.B. auch durch Kündigung von Doppelbesteuerungsabkommen mit den Parasiten-Staaten, durch hohe Kapitalverkehrssteuern, speziell mit solchen Staaten, sowie durch Lizenzentzug für ihre Bankgeschäfte und Niederlassungen in Deutschland und der EU nach dem erfolgreichen US-Vorbild. Darüber berichtete Frontal21 am 19.2.2008:

 

Ein Idyll in den Alpen: das Fürstentum Liechtenstein – eingebettet zwischen den Schweizer und den Österreichischen Bergen. Nur 34.000 Menschen leben hier. Und doch ist im engen Tal Platz für 75.000 Briefkasten-Firmen. Liechtenstein – für deutsche Steuerfahnder eine Fluchtburg für Geldwäscher und Steuerhinterzieher.

 

O-Ton Reinhard Kilmer, ver.di, Steuerfahnder:

Die Einwohner von Liechtenstein kriegen wir locker auf der Südtribüne des Dortmunder Fußballstadions unter. Und trotzdem haben wir mit diesem parasitären Zwergstaat so viele Probleme. Es liegt unter anderem daran, dass es auch in Europa bisher keine einheitliche politische Willensbildung gibt, die hier mal etwas Druck aufbaut.

 

(Sh. oben und Ulrich Stoll und Herbert Klar: "Volle Konten - Die Reichen und das System Liechtenstein", das Skript zur Sendung vom 19.2.2008 und das Video Steuerflucht: Das System Liechtenstein" Frontal21, 19.2.2008.) Einerseits zahlte man im Auftrag der deutschen Regierung zu Recht bis zu fünf Millionen für eine CD, auf der Steuerhinterziehungen einer vierstelligen Zahl von Verdächtigen im Gesamtbetrag von mehreren hundert Millionen Euro dokumentiert sein sollen. Es soll sich meist um reiche und "prominente" Deutsche handeln.

 

Andererseits warnt man aber die Steuerhinterzieher rechtzeitig durch das Vorziehen einer medienwirksame Großaktion gegen den Post-Chef Klaus Zumwinkel, einen der mutmaßlichen Täter. Damit gibt man den übrigen die Gelegenheit zur  strafbefreienden Selbstanzeige sowie zur Vertuschung und Behinderung der Steuerfahndung. Dies kann auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft und ehemalige Steuerfahnder, Dieter Ondracek, nicht nachvollziehen (in der Sendung "ANNE WILL: Die da oben: Wenn Reiche zu gierig werden", daserste.ndr.de, 17.2.2008, mit Video, sowie z.B. "Anne Will und die Suche nach der Moral", welt.de, 18.2.2008). Laut Ondracek haben die Fahnder den entscheidenden Tip im Fall von Zumwinkel bereits im August 2007 erhalten. Man konnte aber aus Personalmangel noch nichts unternehmen. Üblicherweise sind die Steuerfahndungen chronisch unterbesetzt, obwohl jeder Fahnder das Vielfache seiner Personalkosten hereinbringt. Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung wies bei ANNE WILL (a.a.O.) darauf hin, dass sich Industriebetriebe lieber in CDU/CSU-Ländern angesiedelt haben, wo die Fahndung auf möglichst kleiner Flamme gehalten wird. Die Unterbesetzung könnte also System haben.

 

Es drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass es sich beim Vorziehen der Zumwinkel-Aktion im CDU-regierten Nordrhein-Westfalen entweder um Dilettantismus oder Kumpanei im neoliberalen Regierungsapparat handelt. Der Leiter der Bochumer Staatsanwaltschaft ist sich jedenfalls sicher, dass die Information an Presseleute über diese Aktion nicht aus seiner Behörde stammt (sh. dazu den Film: "Fluchtburg Liechtenstein - Das Geldversteck der Reichen", zdf frontal 21, 25.3.2008). Der Vorsitzende von Business Crime Control Werner Rügemer vermutet (in dem Film), dass man sich gegen die Steuerparasiten mit Lippenbekenntnissen begnügt, weil man in Wirklichkeit die einflussreichen Großbetrüger in den eigenen Reihen schützen will. In dem Falle oder bei bloßen Lippenbekenntnissen würden die neoliberalen Regierungsparteien Beihilfe zur groß angelegten Steuerhinterziehung leisten.
 

Die "fürstliche" LGT und andere Geldwäschereien dienten bereits als Geldversteck für so unterschiedliche Profiteure wie die CDU (sh. CDU-Spendenaffäre) und den "ecuadorianischen Mörder und Drogenhändler Jorge Hugo Reyes Torres" (sh. parlament.gv.at, 1642/J XXIII. GP, 16.10.2007). Sie sind – in "Zusammenarbeit" mit Gerhard Schröders Gazprom-Kanton Zug - offenbar zugleich das Zentrum der Millionen-Schmiergeldzahlungen im Sport (sh. "ISL-Prozess: Steckt die FIFA drin?", zdf.de, 12.3.2008, mit Video über Festnahmen in Zug, sh. hier auch Schroeders-Freunde.htm). Gezeigt wird in dem Film "Fluchtburg" (sh. oben) auch, welche perfide Rolle Österreich bei diesem "Geldtransit" mit seinem "Steuergeheimnis" übernommen hat und wie man die nobel residierenden Zuträger in Deutschland gewähren lässt. Milliardenprofiteur Fürst Hans Adam von Liechtenstein erklärt (in dem Film) die Reaktionen auf seine Hehlerdienste sogar mit "Neid" gegenüber den Parasitismus-Profiteuren, ganz nach Art der neoliberalen Meinungsmacher in Deutschland (sh. hier z.B. Merkels "Neid-Keule").  Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein spricht gar von schlechtem Umgang mit "befreundeten Staaten".  - Jahrzehntelang hatte haben die "Christlichen" dort die Gelder ihrer Großspender und Politikkäufer verschwinden lassen, getarnt als "Stiftungen" und "Vermächtnisse". (Sh. Ulrich Stoll und Herbert Klar: "Volle Konten - Die Reichen und das System Liechtenstein", a.a.O.) Dazu schrieb DER SPIEGEL vom 19.2.2000 unter der Überschrift "Die brennende Frage der CDU-Spendenaffäre":
 

Helmut Kohl behauptet, nichts von dem System schwarzer Konten gewusst zu haben. Uwe Lüthje, ehemals Generalbevollmächtigter der CDU-Schatzmeisterei, behauptet, Kohl über die Konten in der Schweiz und Liechtenstein informiert zu haben.

Wer lügt?


Derweil empören sich die pink-schwarzen "Volksvertreter" und viele Großprofiteure lauthals darüber, dass ein Multimillionär wie Zumwinkel sich aus unersättlicher Gier zu derartigem Betrug hinreißen lässt, obwohl er es wirklich nicht nötig hat. Natürlich hätte Zumwinkel das nie getan, wenn er auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit für das Auffliegen seiner tugendhaft benannten "Devotion Family Foundation" gesehen hätte. Nach allen bisherigen Erfahrungen konnte er sich aber auf den Schutz der Steuerflüchtlinge durch die Unterstützung der Parasiten-Staaten und die Untätigkeit der deutschen Behörden verlassen, zumal die LGT-Finanzgruppe der Liechtensteiner Fürstenfamilie persönlich gehört und die "wohltätigen" "Stiftungen" für Steuerhinterzieher nach Liechtensteiner Recht immer zuverlässig betreut hat. Außerdem gewährt das Fürstentum bei solchen "Stiftungen" keinerlei Rechtshilfe gegen Steuerbetrüger. Dazu schreibt tirol.com vom 19.2.2008 unter der Überschrift:

 

Liechtenstein spricht von deutschem "Angriff": USA haben CD
Staatsoberhaupt Erbprinz Alois: Deutschland will offenbar Hehlerei betreiben.


Die EU-Finanzminister wollen auf ihrer nächsten Sitzung das Thema "Steuerflucht" besprechen. Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) kritisierte Liechtenstein weiter als unkooperativ.

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International warf Liechtenstein Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor und forderte Konsequenzen.

 

Die neoliberalen Meinungsmacher und Profiteure der Umverteilung nach oben wie auch die Verteidiger der Parasiten-Staaten besitzen nun noch die Dreistigkeit, der Liechtensteiner "Steueroase" die deutsche "Steuerwüste" gegenüberzustellen, wo man nur die Besteuerung "vereinfachen" und vor allem noch weiter senken müsse, um ihre Gier zu befriedigen

FDP-Chef Guido Westerwelle unterstützte die Geldkoffer-Träger gegen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der dem Schmarotzertum nicht mehr tatenlos länger zusehen wollte:
 

FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle bezeichnete am Donnerstag im Bundestag den undiplomatischen Umgang des Finanzministers mit dem kleinen Nachbarland als Unverschämtheit und erklärte, für den normalen Bürger sei in der Regel weniger die Steueroase als vielmehr die Wüste drum herum das Problem.
 

(Sh. "Leben in der «Steuerwüste»", nzz.ch, 20.3.2009.) Im Februar 2010 wurde publik, dass Westerwelle für einen seiner zahlreichen und bestens "honorierten" Lobbyismus-Vorträge  im Jahre 2007 schon 10.000 Euro von der fürstlichen LGT-Bank erhalten hat (sh. "FDP schützt ihre Steuer-Großbetrüger", readers-edition.de, 26.2.2010, mit der folgenden Collage:
 

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Man gibt sich sogar "empört" und prüft "rechtliche Schritte" gegen der Versuch, diesen Großbetrug und die Beihilfe dazu aufzudecken. Wenn solche Provokationen noch nicht für wirksame Gegenmaßnahmen ausreichen, sollten sich die deutschen Regierungspolitiker von CDU/CSU und SPD gleich offen auf die Seite der unersättlichen Großbetrüger stellen.


Auch Luxemburg steht am Pranger und versucht, solche Gegenmaßnahmen zu blockieren. Der eher sympathisch wirkende luxemburgische Finanzminister Jean-Claude Juncker ist zu allem Überfluss auch noch "Vorsitzender der Euro-Finanzminister". Er will den weit herausragenden Vorsprung seines Landes beim Pro-Kopf-Einkommen auf Kosten der übrigen EU-Mitglieder offenbar nicht in Frage stellen. Anscheinend sieht er seine Position in der gleichen Ecke wie Liechtenstein. Dazu heißt es – ebenfalls bei tirol.com (a.a.O.):

 

Mit Blick auf Liechtenstein sagte Juncker, der auch Vorsitzender Euro-Finanzminister ist: "Dass es noch Schlupflöcher gibt, ist unverkennbar." Es gebe allerdings auch Fortschritte in Liechtenstein, dort gehe es seriöser zu als früher. Und: er betonte: "Nicht Liechtenstein ist der Steuersünder, sondern die Steuersünder haben die deutsche Staatsbürgerschaft."

 

Die gewerblichen Helfer beim Großbetrug der Raffkes und ihre Lobbyisten in der Politik sind laut Juncker also schuldlos.

Die FDP und andere Neoliberale setzen noch eins drauf, indem sie dies gleich noch ausschlachten für ihr Ansinnen nach immer weiteren Steuergeschenken für sich selbst und ihre "Bestverdiener"-Kundschaft - durchsichtig verpackt in die allgemein akzeptierten Forderung nach Steuervereinfachung, z.B. bei Guido Westerwelle mit gekonntem heuchlerischem Augenaufschlag für sein TV-Publikum (sh. "Die Elite verrät das Volk - Ruiniert die Gier unsere Gesellschaft?", wdr.de, 20.2.2008, wo sogar Hubertus Heil von der SPD diese Masche kritisierte). Dazu Gregor Gysi, empört über solche scheinheiligen Dreistigkeiten - bei einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg:

 

Ich bin diese ewigen Steuergeschenke an die Reichen und Konzerne leid, immer mit der Begründung, dann würden sie ehrlich bezahlen.

Zumwinkel und die andern beweisen, da kannst du das noch so senken, sie bezahlen trotzdem nicht ehrlich. Also brauchen wir endlich gerechte Steuern in Deutschland.

 

(Mitgeschrieben nach dem Kurzvideo "Steuer-Skandal stärkt Linkspartei" der WELT-ONLINE, die unter dem Weblink in einem Mix aus Unterhaltung, ausgewählter Information und neoliberaler Propaganda noch  weitere Videos präsentiert. - Stand 22.2.2008.)

Nach Informationen der Berliner Zeitung vom 23.2.2008 soll der Staatsanwaltschaft noch eine zweite CD mit Konten einer anderen Liechtensteiner Bank vorliegen, der auch vier ehemalige Bundestagsabgeordnete ihr Geld "anvertraut" haben, darunter drei von der FDP und einer von der CDU (sh. "Politiker in Steuerskandal verstrickt", berlinonline.de, 23.2.2008). Man könnte meinen dass die CDU unterrepräsentiert ist, aber in Luxemburg und weltweit gibt es noch viele weitere Banken für Großbetrüger.


 

Die Wählertäuschung und der Großbetrug an den Opfern des Schmarotzertums wird fortgesetzt durch die Umverteilungs- und Parasitismus-Profiteure in Deutschland mit ihren durchsichtigen Parolen gegen die Beendigung solcher Zustände. Die "Christlichen" können zur Zeit nicht viel tun für diese Kundschaft, weil die SPD unter dem Druck der Linken nun endlich ein wenig zur Rückbesinnung kommt. Dazu schreibt die Süddeutsche Zeitung:

 

Müntefering sprach in der Financial Times Deutschland von einer "Niederlage" der Kanzlerin und drohte zugleich dem Koalitionspartner CDU/CSU "Krach" für den Fall an, dass das Gesetz gegen Steueroasen nicht nächste Woche im Kabinett behandelt werde. Wenn die Entscheidung jetzt nicht durchgezogen werde, "führen wir die Debatte darüber, dass die Union die Steuerhinterzieher schonen will".

 

(Sh. "Attacken gegen Merkel - Und jetzt auch noch die FDP", sueddeutsche.de, 19.3.2009.)


Dafür kann nun die FDP dieses fragwürdige Wählerpotenzial besser ausschöpfen. Anfang 2009 hat sie eine erhebliche Verbesserung ihrer Umfragewerte auf Kosten der CDU erreicht, weil diese Profiteure sich von der CDU/SPD-Koalition nicht mehr ausreichend vertreten fühlen. Der Parasitismus von außen gedeiht am besten, wenn das Immunsystem auch von innen zersetzt wird. Gegen die zaghaften Abwehrversuche der SPD bleibt das neoliberale Streben nach einer schwarz-gelben Koalition und die Demagogie der FDP gewiss nicht ohne Wirkung. So heißt es in der Süddeutschen (ebd.):

 

Allerdings legte sich FDP-Chef Westerwelle auch mit Steinbrück an. Diesem warf er im Steuerstreit mit der Schweiz unverantwortliches Verhalten vor. "Herr Finanzminister, diese Art und Weise des Umgangs mit unseren Nachbarländern ist eine schlicht undiplomatische Unverschämtheit", sagte er im Bundestag. "Mit der Peitsche drohen, die Kavallerie gegen die Indianer schicken, ich glaube, diese Art und Weise ist schlichtweg unverantwortlich." Westerwelle spottete: "Sie können ja nicht einmal mit der Schweiz Frieden halten."

 

Der Friede mit dem Schmarotzertum ist offenbar das höchste Gut für die Neoliberalen. Aber an der Großaktion gegen die Schweizer UBS in den USA sieht man, dass selbst im Zentrum des Raubtier-Kapitalismus dieser FDP-Friede zu Lasten des eigenen Volkes nicht mehr akzeptiert wird.
 

Auch die rechte Schweizerische Volkspartei (SVP) kämpft zusammen mit Guido Westerwelles FDP für den Parasitismus. Ihr Züricher Nationalrat Hans Kaufmann drohte schon mit dem Boykott deutscher Autos (sh. "Kanton Zürich – SVP erwägt Boykott deutscher Autos", suedkurier.de, 16.3.2009). Wegen der vielen deutschen Luxuskarossen in der Schweiz, könnte deren Verkauf weltweit vielleicht sogar im Promillebereich zurückgehen, wenn außer den Radikalen noch andere Schweizer diesem Aufruf folgten. Aber es gibt ja eine weltweite Zunahme von kriminellen Geldtransfers und Profiteuren der Umverteilung nach oben.

Ein freiwilliger Verzicht auf den Parasitismus ist jedenfalls nicht zu erwarten. Auch in der Schweiz gibt es – ähnlich wie in Deutschland – nur eine kleine Minderheit von Politikern mit Gemeinsinn. (Sh. dazu das interessante DLF-Interview vom 19.2.07, mit Stefan Gisler, Kantonsrat der Sozialistisch-Grünen-Alternative SGA in Zug, zu erreichen über die Links hier in der entsprechende Passage unter Unternehmenssteuerreform.htm). Mit ihrem Stimmenanteil von ca. 30 Prozent ist die SVP etwas schwächer als die deutsche CDU/CSU. Sie liegt mit etwa 10 Prozent vor der Schweizer Sozialdemokraten (SP), also in ähnlichem Abstand wie die deutsche CDU vor der SPD. Eine Linke gibt es kaum, statt dessen aber ein Sammelsurium von "Freisinnigen", "Christlichen" und "Bürgerlichen". Ernsthafte Impulse gegen den Parasitismus können also nur von außen kommen, ebenso wie gegen die übrigen Geldverstecke.

 


Mit einem Embargo gegen die Schweiz ist es allerdings nicht getan. Es geht unter anderem auch um Liechtenstein und die parasitären Steueroasen von Großbritannien und Irland sowie um die übrigen Schwarzgeld-Zubringer in der EU, insbesondere um Österreich und Luxemburg. Hier müssen endlich die Namen mit allem Nachdruck genannt und die Schwarze Liste vervollständigt werden. Dazu schreibt die Süddeutsche (a.a.O.):

 

Die Bundeskanzlerin hatte zuvor das Vorgehen der Regierung gegen Steuerhinterziehung verteidigt: "Ich sage gerade in Bezug auf Steueroasen, dass es richtig und unabdingbar ist, Ross und Reiter mit Namen zu nennen." Allein diese Androhung habe schließlich bereits Wirkung bei einigen dieser Länder in Europa gehabt.

Darauf entgegnete Westerwelle: "Für die Menschen ist nicht die Oase das Problem, sondern die Wüste drumherum." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast antwortete darauf: "In den Oasen saufen die großen Kamele. Sie haben sich heute wieder einmal als Schutzheiliger der großen Kamele, die anderen das Wasser wegsaufen, betätigt."

 

Es geht aber nicht um Steuer-"Oasen" und Steuer-"Wüsten", sondern um Steuer-Parasiten, ihre Opfer und ihre Unterstützer. Da Zitat zeigt, dass zumindest gegen diese Art des Schmarotzertum eine Übereinstimmung von Grünen, SPD und Linken möglich wäre. Die SPD will aber die sozialdemokratische Idee erneut verraten, indem sie zur Profitsicherung ihres eigenen Establishments und der übrigen neoliberalen Meinungsmacher ein Bündnis mit der Linken ablehnt. Mit Schwarz-Gelb würden dann wohl die Wegelagerer in der angeblichen Wüste die Oberhand und gewinnen, ihre Opfer noch mehr ausplündern und die Beute in ihre "Oasen" tragen.

 

Dagegen bietet die SPD-Jugendorganisation mit der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel einen großartigen Lichtblick gegen diesen Muff und will den Verrat zugunsten der SPD-Bonzen nicht mitmachen (sh. "Bundestagswahl - Juso-Chefin Drohsel für Rot-Rot-Grün", sueddeutsche.de, 11.5.2009).

Zu diesem Profiteuren der Umverteilung nach oben gehören auch die Präsidentschafts-Kandidatin Gesine Schwan und die Chef-Redaktion des STERN mit ihrem überlegenen Getue gegen "pubertäre Kinder" und den professoralen Gängelungs-Versuchen, wer zu zitieren sei und wer nicht. Dazu schreibt der STERN:


Es spricht auch Franziska Drohsel, die Vorsitzende der Jusos. Sie diskutiert den Gedanken, dass das Grundgesetz alle möglichen Gesellschaftsformen zulässt, auch solche, die das Recht auf Privateigentum aufheben. Drohsel zitiert Jean Jacques Rousseau, sie glüht vor linkem Eifer, die Krise macht's möglich. Gesine Schwan, eine konservative Sozialdemokratin mit Brosche am Revers, hört zu, wie Eltern ihren pubertären Kindern zuhören, wenn sie plötzlich allein in den Urlaub fahren wollen. Dann tritt sie ans Mikrophon und sagt Drohsel, dass sie sich in diesem Zusammenhang nicht auf Rousseau berufen sollte. Sondern auf John Locke. Also rein ideengeschichtlich betrachtet. Drohsel hört zu. Und Schwan lächelt.

Die intellektuelle Schärfe, das Dozierende, Hinweisende, mitunter auch Zurechtweisende, hat Schwan einigen Missmut eingetragen. Aber auch Respekt.

 

(Sh.  "Wahl des Bundespräsidenten - Gesine Schwan im Bundesvision-Contest", stern.de, 21.5.2009.)
"Respekt" verdient sie jedenfalls dann nicht, wenn sie den egoistischen Verrat an der Sozialdemokratie durch Ablehnung eines Linksbündnisses unterstützt oder den Begriff des Neoliberalismus mit professoraler Autorität zugunsten dieser Clique weichspülen will (sh. hier rossaepfel-exkurse.de).


Zu einem Vorstoß gegen die Schweiz bequemte sich ein Jahr vorher endlich auch der ehemalige Finanzminister Hans Eichel, nachdem er nun nicht mehr durchsetzen kann (sh. "BOYKOTT-AUFRUF - Eichel wirft Schweiz Schutz von Kriminellen vor", welt.de, 24.2.2008, zu einem Interview). Eichel sagte in dem Interview:
 

Die EU werde nun wohl verstärkt darauf drängen, dass auch die Schweiz den Informationsaustausch gemäß dem OECD-Standard einführe. Dem "SonntagsBlick" sagte Eichel weiter, die Schweiz und Liechtenstein müssten damit rechnen, dass Deutschland mit ausländischen Unternehmen, die kriminelle Aktivitäten begünstigten, keine Geschäfte mehr machen wolle. Banken gebe es schließlich genug.


Es geht also auch im deutschen Alleingang ohne Unterstützung der übrigen Steuerparasiten in der EU, aber Eichel und die übrigen Neoliberalen waren für eine solche Politik völlig fehl am Platze.

Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD!), der die asoziale Umverteilung nach oben wesentlich mitbetrieben hat (sh. hier rossaepfel-theorie.de),  wendet sich gegen die Ausreden für asoziales Verhalten wegen angeblich immer noch zu hoher Steuern. Es macht aber wenig Sinn, bei der Anprangerung der Zumwinkels stehen zu bleiben. Außerdem dient es nur der Ablenkung, wenn man lange nach den offensichtlichen Motiven der Großbetrüger fragt und  auf die "vielen kleinen Zumwinkels" verweist, statt die Parasiten-Nester auszutrocknen. Selbst für diese Austrocknung hört man von Steinbrück allerhand Wortgeklingel. Dazu zitiert DER SPIEGEL diesen Finanzminister wie folgt:
 

Denkbar sei die Einführung einer Anzeigepflicht "oder eine Quellenbesteuerung für jede Überweisung von Deutschland nach Liechtenstein".
 

(Sh. "NOTFALLS OHNE EU: Steinbrück droht Liechtenstein mit harten Maßnahmen", spiegel.de, 28.2.2008.)
 

Gleichzeitig billigte aber derselbe Steinbrück den Verzicht auf jegliche Grenzkontrollen nach dem Schengen-Abkommen mit Liechtenstein, obwohl er weiß, dass ein großer Teil der Schwarzgelder im Koffer dorthin geschafft wird. Die Begründung ist so fadenscheinig wie für alles, was von solchen "Sozialdemokraten" und anderen Neoliberalen zur Umverteilung nach oben unternommen wird:

 

Deutschland hat EU-Innenkommissar Franco Frattini dazu aufgerufen, Liechtenstein keine Steine in den Weg zu legen: "Es ist einfach nicht möglich, eine Enklave im Zentrum von Europa zu haben."

 

(Sh. "Deutsche Protektion für Steueroasen – Liechtenstein war dem Bund schnurz", taz.de, 29.2.2008.) Gerade durch den Verzicht auf Grenzkontrollen wird Luxemburg noch mehr zur parasitären Enklave. Ohne den Verzicht könnte man es durch Kontrollen dermaßen abschotten, dass es in dieser Hinsicht - bis zur Aufgabe solcher Machenschaften - gar nicht mehr existiert.

 

Das eigentliche Wesen der deutschen Umverteilungs-Gaukler ergibt sich aus folgender Meldung der taz (ebenda):

 

Kurz vor dem Zumwinkel-Skandal hatte sich ausgerechnet die Bundesrepublik noch für die Steueroase stark gemacht. Laut einem internen Dokument des Finanzministeriums, das der taz vorliegt, wollten Kommission und einige EU-Staaten wie Spanien und Tschechien die Schengen-Aufnahme des Fürstentums von dessen Verhandlungsbereitschaft über das Betrugsbekämpfungsabkommen abhängig machen. Nur durch "nachhaltigen deutschen Druck erfolgte die Aufhebung der Vorbehalte", heißt es darin.

Der Steuerexperte von Attac, Sven Giegold, sieht darin einen Beleg, "dass Steueroasen für die Bundesregierung ganz normale Partner sind. Öffentlich wird kritisiert, hinter verschlossenen Türen wird sogar protegiert."

 

Im Grunde läuft das darauf hinaus, dass durch die Hätschelung der Steuerparasiten der Druck für weitere Steuergeschenke an die Meinungsmacher erhöht wird und dass dies auch noch als "Globalisierungs"-Druck dargestellt wird.
 

Schärfere Grenzkontrollen und  rigorose Strafverschärfungen für Geldkoffer-Transporte sind notwendig, aber nicht ausreichend, weil die europäischen Steuerparasiten mittlerweile das Schwarzgeld zum großen Teil gar nicht mehr im Lande behalten, sondern es in Übersee bunkern bei parasitären Sammelstellen, die sie mit ihren eigenen Angestellten "betreuen". Außerdem können die Steuerbetrüger ihren Geldkoffer auch selbst auf Reisen nach Übersee mitnehmen oder mitgeben, wie ja auch heute schon etliche Schweizer  und Liechtensteiner Banken einen regelrechten Geldkoffer-Transportdienst anbieten. Bei den übelsten Parasiten handelt es sich naturgemäß um Kleinstaaten, weil nur sie  allein auf Kosten der ausgesaugten größeren Staaten bestens leben können.  Notwendige und gewiss auch hinreichende Schritte wären die Kündigung der Doppelbesteuerungsabkommen mit ihnen (sh. oben) sowie notfalls Boykott und Embargo durch möglichst viele betroffene Staaten, auch wenn diese dadurch selbst einige Nachteile in Kauf nehmen müssten. Es müssen auch nicht alle EU-Staaten an dem Zusammenschluss der Parasitismus-Opfer beteiligt sein, wenn z.B. Luxemburg, Irland und Österreich ihre Blockadehaltung beibehalten.

 

 

Zu den überseeischen Parasiten schreibt das "LIECHTENSTEINER VATERLAND" in seiner Ausgabe vom 25.7.2008 unter der Überschrift "Fürs Feierabendbier gehts zum Strand":

 

Grössere Banken aus Liechtenstein haben mittlerweile Niederlassungen in Asien und der Golfregion. Wichtige Metropolen sind neben Hongkong und Singapur, Bahrein sowie Abu Dhabi und Dubai. Die Vorteile, Angestellte aus dem Mutterbetrieb zu schicken, anstatt Einheimische zu gewinnen, sind deren Kenntnisse über die Philosophie und die Abläufe des Unternehmens.
Cyrill Sele, Mediensprecher der LLB, sieht den grossen Mehrwert der zwei Landesbank-Expats in Abu Dhabi darin, «dass diese als Bindeglied zwischen den Kulturen fungieren. Dadurch wird die Zusammenarbeit erleichtert». Die LGT nennt neben dem «Wissenstransfer an lokale Kollegen» auch die «Effizienz» von entsendeten Angestellten (Expats) als bedeutenden Faktor für den Umzug nach Übersee. Die Entsendung eines Angestellten ist für einen Betrieb eine kostspielige Angelegenheit.

 

Aber der Aufwand bei der Beihilfe und Anstiftung zum Steuerbetrug gegen das deutsche "VATERLAND" lohnt die "kostspieligen" Entsendungen, solange die deutschen Neoliberalen diesen steuerlichen Großbetrug unterstützen. Das LIECHTENSTEINER VATERLAND versteht auch sehr gut, dass seine braven und bestbezahlten "Expats" eher die "Philosophie und Abläufe" dieser Machenschaften durchschauen und decken als unbedarfte Neulinge. Es kann ihnen also zu ihrem Feierabendbier am Stand nur zuprosten und hoffen, dass nicht einmal wieder einer auspackt. Die knapp fünf Millionen Euro für die CD mit Hinterziehungs-Konten bei der  Liechtensteiner "Fürstenbank" LGT (sh. "Betrogene Betrüger", taz.de, 21.7.2008) haben für den deutschen Fiskus inzwischen schon mehrere hundert Millionen Euro gebracht. Die Erpresser der Liechtensteiner Landesbank haben für ihre kopierten Hinterzieher-Daten angeblich fast zehn Millionen Euro bekommen (sh. "Schwarzgeldkonten - Hunderte Steuersünder müssen zittern", stern.de, 2.8.2008).
Der deutsche Staat wird also zukünftig schon etwas mehr aufwenden müssen, um noch Milliarden an Betrugs-Geldern einzutreiben.
Die Informanten können sich auch nicht mit weniger zufrieden geben, weil ihnen jede berufliche Zukunft verbaut ist.
 

Solange sich ein Datenlieferant in der Banken-Metropole Singapur aufhält, wird er sich eine solchen Transparenz-Beitrag kaum erlauben. Dort werden zwar nicht die deutschen, Liechtensteiner oder andere internationale Steuer-Großbetrüger bestraft, aber es gibt dort:

 

Hohe Gefängnisstrafen bei Verstößen gegen das Bankgeheimnis.

 

Außerdem:

 

Keine Kooperation mit ausländischen Steuerbehörden. Null Zinssteuern.

 

(Sh. "Fluchtburg Singapur – Wie Liechtensteiner und Schweizer Banken deutschen Steuersündern zur Seite stehen", swr.de, 28.7.08, wobei anzumerken ist, dass es hier nicht nur um "Steuersünder", sondern um Großbetrüger geht.) Die Transparenz wird dort also aufs härteste bestraft und der Großbetrug belohnt. In den anderen überseeischen Parasiten-Kleinstaaten ist es kaum besser, obwohl die deutschen Großbetrüger ein Versteck im sicher erscheinenden Europa vorziehen.

 

In Deutschland können die Großbetrüger so lange bei ihrer Steuerhinterziehung bleiben, bis sie noch rechtzeitig vor ihrer Verfolgung von einer Aufdeckung erfahren und sich dann noch durch Selbstanzeige vor der Strafe retten können. Aber selbst von dieser Selbstanzeige raten ihnen die Steuerparasiten ab mit dem Hinweis, dass man das Geld zur Verschleierung z.B. nach Singapur verschieben könne. Dazu zitiert Report Mainz den Rechtsanwalt Klaus Höchstetter, der bei Selbstanzeigen gegen die Blockaden der Anstifter hilft:

 

»Wenn der Kunde überhaupt nicht ansprechbar ist und bei seinem Willen bleibt, wird er blockiert werden. Er wird Unterlagen nicht bekommen und er wird Geld nicht in der Form ausgezahlt bekommen, wie er es möchte.«

Laut Höchstetter scheint sich die Beratungsstrategie auszuzahlen. Fast jeder zweite vermögende Mandant sei so von der Selbstanzeige abgebracht worden. Andere Anwälte bestätigen die Erfahrung. Westliche Geheimdienste sprechen gegenüber REPORT MAINZ gar von systematischer Beratung nach dem Muster. Immer wieder werden die LGT, die Credit Suisse und die UBS genannt. Uns gegenüber bestreiten die Banken bei Steuerhinterziehung zu helfen. Die Schweizerische Bankiervereinigung erklärt dagegen:

Zitat:

»Im Beratungsgespräch langjährigen Kunden, die Angst vor der deutschen Steuerfahndung haben, Alternativen aufzuzeigen, ist durchaus legitim.«

 

Gegen all dies bieten die deutschen Neoliberalen nur markige Worte, um dann wieder schnell zur Tagesordnung überzugehen oder sich mit ihren eigenen schwarzen Kassen zu beschäftigen.

 


Auch der Ökonom Peter Bofinger tendiert anscheinend eher zu guten Worten. Er sieht den Schwerpunkt in der treuherzigen Aufgabe, Verständnis für den Finanzbedarf des Staates zu wecken (in seinem interessanten Artikel "Ursachen des Steuerskandals - Zumwinkel und das Monster Staat", sueddeutsche.de, 19.2.2008). Sein "Monster Staat" richtet sich kritisch gegen eine Formulierung von Nietzsche, der sowohl für Diktatoren als auch für Neoliberale als Kronzeuge herhalten muss. Die Gründe für diesen Finanzbedarf werden zwar von Bofinger gut beschrieben und liegen auch auf der Hand, aber den neoliberalen Meinungsmachern geht es gar nicht um das Verständnis für die Gründe des staatlichen Finanzbedarfes, sondern nur um ihre Raffgier als ihren inneren "Denk"-Maßstab ebenso wie um die Manipulation der Wähler zu deren Lasten und zum eigenen Vorteil. Dafür arbeiten die Wudu-Ökonomen durch wissenschaftliche Verbrämung ihrer finanzpolitischen Umverteilungsvorschläge eng zusammen mit anderen Profiteuren, insbesondere den bestbezahlten Söldnern des Medienkapitals (sh. hier rossaepfel-theorie.de). Bofinger schreibt zutreffend:

 

Aber dazu reicht es auch schon aus, dass man die Steuerbelastung in Deutschland als viel zu hoch betrachtet - eine Einstellung, in der man sich durch die Medien Tag für Tag neu bestärken lassen kann. Und die Journalisten können sich wiederum auf Wissenschaftler berufen, zum Beispiel auf die Gemeinschaftsdiagnose führender Wirtschaftsforschungsinstitute vom Herbst 2007, in der eine "durchgreifende Steuersenkung" gefordert wird, als wesentlicher Beitrag für Wachstum und Beschäftigung. Da liegt es auf der Hand, dass man die notwendige Steuersenkung individuell vollzieht, mit Hilfe von Liechtensteiner Banken.

 

Man könnte in diesem Zusammenhang auch die bestbezahlten neoliberalen Professoren im politisch handverlesenen fünfköpfigen "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" nennen, dem Bofinger selbst als Außenseiter angehört, so dass er sie - als isolierter Minderheitsgutachter und Mobbing-Opfer - besser nicht selbst zitiert (sh. hier u.a. "Bofinger" in rossaepfel-theorie.de).

 

Bofinger vermutet jedoch außer der Raffgier noch andere Gründe für die Skrupellosigkeit der flüchtigen Absahner. Er schreibt zu Beginn seines Artikels

 

Es liegt nahe, dies einfach mit Raffgier zu erklären, damit also, dass Geld wie eine Droge wirkt, die eine immer größere Abhängigkeit erzeugt und auch zu selbstzerstörerischem Verhalten führen kann. Doch wenn man etwas genauer hinsieht, erkennt man hinter dem Steuerskandal ein grundlegenderes Problem, das nicht nur "die Reichen", sondern die Gesellschaft insgesamt betrifft.

 

Das fehlende Schuldbewusstsein bei der Steuerhinterziehung ist ein Symptom dafür, dass immer mehr Bürger ein gestörtes Verhältnis zu unserem Staat aufweisen. Er wird nicht als Interessengemeinschaft gesehen, die uns jene Ziele ermöglicht, die wir über den Markt nicht erreichen könnten - sondern als feindlich gesinnte Organisation, die die ihr zur Verfügung gestellten Mittel verprasst, ohne einen Nutzen zu entfalten.

 

Dabei ist es gar kein Wunder, "dass immer mehr Bürger ein gestörtes Verhältnis zu unserem Staat aufweisen", wenn schon die großen Abkassierer des Volkseinkommens nicht einmal ihre Steuern daraus bezahlen oder der Staat sie mit immer mehr Steuergeschenken bereichert – zu Lasten der Ärmsten, die sich nur noch durch Schwarzarbeit usw. über Wasser halten können. Von "Raffgier" kann man nur bei jenen sprechen, die ohnehin mehr als genug zum Leben haben. Die übrigen müssen sich dem Verhalten in einer Bananenrepublik anpassen, was sich wiederum die Großprofiteure als allgemeine Akzeptanz für ihre Vorreiter-Rolle zurechtdeuten.

 

Bofinger weist darauf hin,

 

dass die Steuerquote in Deutschland, also die Steuereinnahmen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, extrem niedrig ist. In der EU nimmt der Staat nur in der Slowakei, in Polen und in Griechenland weniger Steuern als bei uns.

Relativ hoch ist aber die Belastung mit Sozialabgaben. Die Abgabenquote, die neben den Steuereinnahmen auch die Sozialabgaben berücksichtigt, liegt aber deutlich unter dem Durchschnitt der 15 alten EU-Länder. Die geringe Ausstattung unseres Staates mit Einnahmen hat zur Folge, dass auch die Staatsquote, also die Staatsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, geringer ist als in den meisten der alten EU-Länder.

 

In der Tat werden in Deutschland die Staatausgaben vor allem von den Klein- und Normalverdienern bezahlt durch ihre überproportionale Einkommensbelastung mit indirekten Steuern und die unvermeidliche Lohnsteuer. Noch mehr sind sie belastet mit über vierzig Prozent Sozialabgaben ab dem ersten Einkommens-Euro, wobei der etwa hälftige Arbeitgeberanteil letzten Endes auch vor allem zu Lasten ihrer Nettolöhne geht. Dagegen werden z.B. in den skandinavischen Ländern die Kosten des Sozialstaates viel mehr von den System-Profiteuren mitbezahlt durch wesentlich höheren Einkommen-Steuersätzen als hierzulande (sh. hier rossaepfel-theorie.de). Auch dort gibt es Steuerflüchtlinge, zumal es den Lobbyisten in Deutschland und der EU bis heute gelungen ist, die Austrocknung der parasitären Oasen zu verhindern.

 

Hilfreich gegen solche Großbetrügereien ist ein BGH-Urteil vom Dezember 2008, wonach bei Steuerhinterziehung ab 100.000 Euro eine Freiheitsstrafe "in der Regel unerlässlich" ist (sh. "Gefängnis für Steuerhinterzieher", sueddeutsche.de, 3.12.2008). Dies könnte auch bereits im Falle von Zumwinkel greifen. Allerdings wurde das Verfahren so verzögert, dass jetzt ein Teil verjährt ist und damit die angeklagte Hinterziehung knapp unter der verschärfenden Haftgrenze von einer Million Euro liegt (sh. ebd.)
 

Derweil setzen die "Fürsten" der Hehlerei in Liechtenstein ihre Dreistigkeit fort. Während sie dem Druck aus den USA zur Offenlegung bei Betrugsverdacht nachgeben, fordern sie von ihren heimlichen Komplizen unter den EU-Politikern für den gleichen Hehlereiverzicht ein Doppelbesteuerungsabkommen und den nachsichtigen Umgang mit Großbetrügern (sh. "Steuerfahndung: Liechtenstein kommt US-Steuerbehörde entgegen", handelsblatt.com, 8.12.2008).


 

Zumwinkels "Schutzengel" des Großbetrugs

 

Von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Zumwinkel-Prozesses ist die Verzögerung der Anklage durch knappes Überschreiten einer Verjährungsfrist. Dadurch wurde die angeklagte Steuerhinterziehung unter die maßgebende Grenze von einer Millionen Euro gebracht. Im STERN heißt es dazu:

 

Es geht um 1,18 Mio. Euro, die Zumwinkel in den Jahren 2001 bis 2006 hinterzogen haben soll. Ein erst wenige Tage altes Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs sieht für Steuerhinterziehungen über der Millionenmarke eine Freiheitsstrafe vor.

Mittlerweile ist die Schadenssumme bei Zumwinkel unter die wichtige Millionengrenze geschrumpft. Das Jahr 2001 gilt als verjährt. Eine Schlamperei ist schuld: Der Durchsuchungsbeschluss für Zumwinkels Villa schlummerte 14 Tage bei dem zuständigen Richter vom Amtsgericht Bochum. Erst zehn Stunden nach Ablauf einer möglichen Verjährungsfrist für das Jahr 2001 wurde das Dokument unterzeichnet. Zumwinkels Anwalt pocht auf Verjährung. Es bestehen verschiedene Auffassungen. Das Gericht gibt dem Anwalt recht, die Staatsanwaltschaft Bochum verzichtet auf Rechtsmittel. Zum Entsetzen von Lichtinghagen. Die ist gerade auf Steuersünderjagd in München und erfährt von dem Rechtsmittelverzicht ihrer Vorgesetzten im Nachhinein.

 

(Sh. Jens Brambusch: „Staatsanwältin im Krieg“, stern.de, 15.12.2008.)

 

Der Rechtsmittelverzicht durch die Oberstaatsanwaltschaft trägt nun dazu bei, dass eine Haftstrafe ohne Bewährung kaum noch zu erwarten ist. Die zuständige Staatsanwältin Lichtinghagen war pünktlich vor Prozessbeginn weggemobbt worden. Dazu schreibt der SPIEGEL ONLINE:

 

Sie gilt als eine der härtesten Steuerermittlerinnen der Republik - jetzt wechselt die Bochumer Staatsanwältin Lichtinghagen den Job und wird Richterin an einem Amtsgericht. Damit zieht sie die Konsequenz aus Querelen innerhalb der Bochumer Staatsanwaltschaft.

 

Die Bochumer Staatsanwaltschaft hatte der 54-Jährigen wenige Wochen vor Beginn des Strafprozesses gegen Zumwinkel das Vertrauen entzogen und sie innerhalb der Behörde in die Jugendabteilung versetzen wollen. Dagegen hatte sich die resolute Juristin gewehrt. Zunächst mit Erfolg, wie es schien: Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) wollte die Anklägerin samt dem Liechtenstein-Komplex nach Köln umsiedeln. Doch Lichtinghagens Vorgesetzte legten nach und warfen ihr nun Verfehlungen bei der Verteilung einkassierter Geldbußen an gemeinnützige Organisationen vor. Am Dienstag zog die Anklägerin die Reißleine in der teilweise öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht.

 

Vielleicht hatte Zumwinkel einflussreiche Verbündete. Die meisten Medien  berichteten in ihrer oberflächlichen Art vor allem über die kritisierte Verteilung von Geldbußen an gemeinnützige Organisationen durch Lichtinghagen und ihren Behördenchef Schulte. Dagegen kommt ein  Bericht im STERN eher zu den eigentlichen Fragen:

 

Die Strippenzieher heißen Bernd Schulte und Hans-Ulrich Krück. Schulte leitet die Bochumer Staatsanwaltschaft, Krück ist der Oberstaatsanwalt, der der Schwerpunktabteilung 35 vorsteht. Rückendeckung bekommen die Herren von Generalstaatsanwalt Manfred Proyer aus Hamm, Vorgänger von Schulte in Bochum.

Als Lichtinghagen sich der Versetzung am vergangenen Mittwoch widersetzt, einen Anwalt nimmt und das Justizministerium einschaltet, wird die Gangart noch ruppiger. Die Justizministerin von Nordrhein-Westfalen, Roswitha Müller-Piepenkötter, schlägt vor, die Staatsanwältin mitsamt ihren Fällen nach Köln zu versetzen. Für Proyer ein Affront…

 

Ein anderer Mitarbeiter erzählt von Fällen, in denen Behördenleiter Schulte mit Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption lief, Tennis spielte und Kontakte über den Rotary-Club unterhält. Er erzählt davon, dass es eine erhebliche Beweislast gegeben habe, das Verfahren aber eingestellt wurde. Dass der ermittelnde Staatsanwalt weggemobbt wurde.

Die Vorwürfe gegen Lichtinghagen, so ein Steuerfahnder, zeigen, wie verzweifelt versucht würde, die Fälle ins Leere laufen zu lassen.

 

(Sh. Jens Brambusch: „Staatsanwältin im Krieg“, stern.de, 15.12.2008.)

 

Ab dem 22. Januar musste sich Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel vor dem Landgericht Bochum wegen Steuerbetrugs verantworten. Schon vorher stand angeblich fest, dass der 65-Jährige von einer Gefängnisstrafe verschont bleiben würde. Dazu heißt es im FOCUS:

 

„Steuerbetrug: Zumwinkel kommt angeblich mit Bewährungsstrafe davon“, focus.de, 12.1.2009:

 

Klaus Zumwinkel steht ab dem 22. Januar vor Gericht

Wie das „Handelsblatt“ vom Dienstag unter Berufung auf Justizkreise berichtete, verständigten sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft darauf, dass die Ankläger im Prozess maximal zwei Jahre Haft auf Bewährung fordern werden. Im Gegenzug solle Zumwinkel ein Geständnis ablegen.

Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht dazu geäußert, berichtete die Zeitung weiter. Ein Sprecher des Landgerichts Bochum sagte demnach, das Gericht wisse nichts von einer Absprache, müsse darüber aber auch nicht informiert werden. Allerdings sei es nicht üblich, dass ein Gericht über den Antrag der Anklage hinausgehe.

 

Mit Hilfe der Teilverjährung und durch Wegmobben der profilierten Staatsanwältin konnte man also um die Gefängnisstrafe für den Millionenbetrug recht glatt herumkommen.

 

Der „Schutzengel“ beschert ihm außerdem bei vorzeitigen Ausscheiden aus dem Dienst eine Monatsrente von 100.000 Euro mit vollem Inflationsausgleich, von dem die Normalrentner und regulären Steuerzahler mit ihrer Durchschnittsrente von knapp 1200 Euro nur träumen können (sh. „Der Fall Zumwinkel – Millionen von der Post“, stern.de, 21.2.2009).

 

Diese Rente entspricht einem „maximalen Versorgungsgrad“ von 75 Prozent des Fixgehaltes, der sich aber nicht – wie üblich – auf das Lebensdurchschnittseinkommen sondern auf das Einkommen der letzten zwölf Kalendermonate bezieht.

 

Dazu schreibt der STERN (a.a.O.):

 

Der "maximale Versorgungsgrad", den jüngere Vorstände erreichen können, liegt übrigens nur noch bei 50 Prozent. Er wurde vor einigen Jahren gesenkt. Zumwinkel und einige andere Alt-Vorstände sind davon aber explizit ausgenommen. Diese in einem kleinen Nebensatz im Geschäftsbericht erwähnte Regelung ist rund 400.000 Euro im Jahr wert.

 

Hinzu kommen noch erhebliche Renten aus anderen Quellen in vielfacher Höhe der Durchschnittsrenten (sh. ebd.).


 

Bei allem öffentlichen Interesse für den Fall Zumwinkel ist nicht zu übersehen, dass es auch in noch größeren  Betrugsfällen nicht zum tatsächlichen Antritt einer Haftstrafe gekommen ist. Dazu heißt es in der WDR-PANORAMA-Sendung vom 22.1.2009:

 

Die Zwölfte Große Strafkammer am Bochumer Landgericht hat bereits in einem Pilotverfahren des Liechtenstein-Komplexes geurteilt - und damit einen möglichen Strafrahmen fixiert. Im Sommer vergangenen Jahres hatte die Kammer, die in Bochum über Zumwinkel zu Gericht sitzt, nach nur 23-minütiger Beweisaufnahme einen geständigen Kaufmann aus Bad Homburg wegen Steuerhinterziehung in Höhe von über acht Millionen Euro zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und der Zahlung von 7,5 Millionen Euro Geldbuße verurteilt.

 

(Sh. „Kurzer Prozess gegen Zumwinkel“, wdr.de, 22.1.2009.) Diese Kammer ist also weit entfernt von der Inhaftierung ab einer Betrugssumme von einer Million Euro entsprechend dem BFH-Urteil (sh. oben).

 

Der Großbetrug durch Multimillionäre erfolgt nicht aus Not, sondern aus Gier. Diese klare Feststellung gegen Zumwinkel äußerten die Staatsanwälte mit übertriebener Vorsicht nur als „Verdacht“. Es ist jedenfalls nicht so wie bei den Hartz-IV-Opfern der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben. Mit einiger Dreistigkeit wollen die Justizvertreter die angeblich mildernden Umstände daraus ableitet, dass ein umfassendes Geständnis für die ohnehin nachgewiesene Tat abgelegt wurde und dass der Multimillionär Zumwinkel die Steuerschuld von einer Million Euro plus Strafe von einer weiteren Millionen unverzüglich beglichen hat.

 

Der ehemalige Richter Wolfgang Nešković (DIE LINKE) sagte in einem (leider nicht aufgezeichneten) DLF-Interview vom 27.1.2009 kurz vor sieben Uhr, zu seiner Zeit am Landgericht habe man für 100.000 Euro Betrug etwa ein Jahr Strafe verhängt. Das habe bei einer gestaffelten Strafzumessung für einem Betrug von einer Millionen für eine Haftstrafe von etlichen Jahren ohne Bewährung gereicht. Zumwinkel habe zwanzig Jahre lang den Staat systematisch betrogen. Im Gegensatz zur Behandlung von kleinen Straftätern seien aber inzwischen die Strafen für Großbetrug ganz allgemein erheblich reduziert worden. Der Staat stelle nicht genug Geld zur Verfügung für genug Richter und Staatsanwälte, die gegen die spezialisierten Anwälten für Wirtschaftskriminalität bestehen können. Auch dadurch verstärke sich die Neigung der Staatsanwälte zu offenen oder stillschweigenden Absprachen im Interesse der Großbetrüger. Die Nordrhein-Westfälische Justizministerin Müller-Piepenkötter konnte schon vor der Urteil (zur Beruhigung von Zumwinkel?) darauf hinweisen, dass die Richter in solchen Fällen kaum über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft hinausgehen.




3) Beispiel: Österreichs Neoliberale gegen EU-Solidarität

 

Unter den alten EU-Ländern tut sich nun nach dem weiterhin EU-subventionierten Dumping-"Tiger" Irland, dem parasitären Steuerfluchthelfer Luxemburg, der Fremdvermögens-"Oase" Großbritannien usw. nun auch verstärkt Österreich hervor unter seiner neoliberalen Wolfgang-Schüssel-Regierung (sh. "Wie konnte es zu der ungleichen Verteilung der Steuerlast in Österreich kommen?", attac.at, 20.7.05). Auch dort erreichte man das kleine Arbeitsmarktwunder (mit ca. acht Millionen Einwohnern und ohne nennenswerte Altlasten) nicht zuletzt auf Kosten von Deutschland, Skandinavien usw. durch die staatlich organisierte Abschöpfung fremden Volkseinkommens (pervertiertes Stiftungsrecht als Steuerstiftung zugunsten von deutschen Milliardären, sh. "Die Reichsten Österreichs sind Deutsche", krone.at, ohne Datum, recherchiert 2.9.04; kleiner Steuer-Grenzverkehr für deutsche Einkommensmillionäre, sh. "Einen Steinwurf hinterm Schlagbaum", taz.de, 8.3.02; "Österreichs Banken wildern", welt.de, 25.6.06; seit  2006: Gruppenbesteuerung mit Organschaftsmodell zur Verschiebung von Unternehmensgewinnen nach Österreich usw.). Ein Beispiel unter vielen ist die Zentralsitzverlegung des zweitgrößten europäischen Kunststoffkonzerns Borealis von Kopenhagen nach Wien, wie Schüssels Bundeskanzleramt Österreich am 19.12.05 stolz vermerkt. Dazu schreibt DIE PRESSE aus Wien (diepresse.com, 7.12.05):
 

Borealis: Steuer gab Ausschlag für Wien
Wien (ps). Wien habe sich in der Frage des neuen Konzernstandortes gegen Kopenhagen, Brüssel und London durchgesetzt, bestätigte Borealis-Aufsichtsratschef und OMV-Vorstand Gerhard Roiss nach der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am Montagabend vor Journalisten in Wien. Die dänische Borealis übersiedelt wie berichtet Mitte 2006 nach Österreich.
Ausschlaggebend sei vor allem die Steuersituation in Österreich gewesen, so Roiss. Die Körperschaftsteuer (KöSt) sei mit 25 Prozent niedriger als in Dänemark (28 Prozent), Großbritannien (30 Prozent) und Belgien (34 Prozent). Dazu käme noch der Vorteil der Gruppenbesteuerung (grenzüberschreitender Verlustausgleich, Anm.) in Österreich, die sich für die in zehn Ländern mit Produktionsstandorten vertretene Borealis positiv auswirken dürfte...
Hintergrund der Übersiedlung ist die Übernahme der Borealis durch die OMV und deren Hauptaktionär Ipic aus Abu Dhabi. Die beiden hatten im Juli ihren norwegischen Partner Statoil für 920 Mill. Euro ausgekauft.
 

Nachdem Österreich seit 2005 die Unternehmen nur noch mit 25 Prozent besteuert, fand der neoliberale österreichische Finanzminister Grasser nichts dabei, dass die Behörden seiner Regierung nun deutsche Firmen anschreiben, um sie zur Steuerflucht nach Österreich zu veranlassen (sh. "Deutschland und Österreich streiten um Firmen-Abwerbung", berlinonline.de, 8.4.06).
 



4) Deutsche Arbeitnehmer finanzieren über EU den Export ihrer Arbeitsplätze


Zum Thema Steuer-Parasitismus war aus der rosa-grünlichen Koalition außer hinhaltenden Lippenbekenntnissen auch im Bundestags-Wahlkampf 2005 nichts zu hören - anscheinend aus Angst vor Medienkampagnen der Dumping-Profiteure mit  Rückendeckung von SchwarzGelb. Diese Gefahr wurde jedoch durch die große neoliberale Koalition ein wenig gemindert. Die Absurdität der Dumping-Duldung ließ sich wohl nicht mehr wegreden, so dass nun sogar im Koalitionsvertrag Maßnahmen gegen das Steuerdumping gefordert werden. Die BDI-Oberen mit ihrem Argumentations-Artisten Klaus Bräunig können sich möglicherweise nicht mehr auf ihre neoliberalen Lobbyisten in der CDU verlassen, wenn sie Deutschland ebenfalls zur Verstärkung seines Steuerdumpings durch Umverteilung nach oben auffordern (sh. "Scharfe Kritik an Steinbrücks Steuerdumping-Vorstoß", ftd.de, 29.12.05, und "Wirtschaft kritisiert Peer Steinbrücks Vorstoß gegen Steuerdumping," welt.de, 30.12.05). In diesem Falle hätte die große Koalition wenigstens etwas Positives gebracht. Die bedingungslose Subventionserhöhung für die Dumping-Vorreiter durch "Angie" Merkel weist jedoch vorläufig noch nicht in diese Richtung.

Die Kritik an dieser Subventionierung des Steuerdumpings kann man nicht - wie Günter Verheugen - damit abbügeln, dass auch ohne solche Subventionierung oder EU-Erweiterung westeuropäische Unternehmen Arbeitsplätze im Ausland schaffen oder dorthin verlagern. Man könne doch z.B. einfachere Erzeugnisse für den chinesischen Markt normalerweise nicht mit westeuropäischen Gehältern herstellen - trotz höherer Produktivität in Europa. Damit sichere man auch Arbeitsplätze in Deutschland. Ein ausschließlich in Deutschland hergestelltes Auto könne sich auch kein Deutscher leisten. Außerdem sei Deutschland der größte Gewinner der Globalisierung, betonte Verheugen einmal wieder vor dem Millionen-Publikum von Maybrit Illner am 13.1.06 in der Sendung "Wie stoppen wir den Jobexport?" (mit Video). In der Tat profitieren z.B. die Hersteller und Exporteure deutscher Werkzeugmaschinen und ihre Aktionäre von deren mächtig steigenden Einsatz zur Produktion in anderen Ländern zu Lasten der hiesigen Arbeitnehmer. Aber nach dieser Argumentations-Methode wird stets den eigentlichen Problemen des Steuerdumpings durch allgemein akzeptierte Gemeinplätze ausgewichen. Es wird auch nicht gesagt, wieso man den Spitzensteuersatz für die Profiteure zu Lasten ihrer Opfer in Deutschland senkt. Auch Maybrit Illner unterschlug - wie allgemein üblich - wieder die entscheidende Frage nach der  Senkung des Spitzensteuersatzes für sie und die übrigen Anwesenden von 53 auf 42 Prozent, also nach der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.

Am Ende der Sendung suchte  Michael Glos wieder die rosa-schwarze Konjunkturabwürgung zu verteidigen mit seiner abgedroschenen Thatcher-TINA-Formel (There-IS-No-Alternative) gegen den argumentationsstarken Journalisten und Buchautor Harald Schumann. - Man muss Maybrit Illner trotz aller Problematik solcher Sendungen zugute halten, dass sie außer Schumann noch den Gewerkschafter Sieghard Bender als weiteren Opponenten geladen hatte.
Ansonsten gilt in ihren Sendungen bei Verteilungsthemen ebenfalls meist das Prinzip: Ein Abweichler gegen alle Neoliberalen. Aber auch in ihrer Sendung vom 11.5.06 (Löhne, Steuern, Bürokraten) hatte sie zum Beispiel außer dem überraschend revitalisierten und brillanten Ottmar Schreiner (SPD) noch den EU-Gewerkschafter Reiner Hoffmann geladen – neben  Hans-Werner Sinn sowie den Lobbyisten der Profiteure Michael Glos (Bundeswirtschaftsminister, CSU) und Arend Oetker (BDI-Vize). Die Argumentation von Hans-Werner Sinn ist zwar professionell und interessant, aber er argumentiert einseitig im Interesse der Umverteilung nach oben, ähnlich den Apologeten der Herrschaft im Mittelalter und zu allen Zeiten. Auch Maybrit Illner ist inzwischen anscheinend zu den Neoliberalen übergelaufen (sh. zu ihrer Entwicklung seit 2007 hier die Einleitung zum Haupttext).



5) Maßnahmen gegen weltweiten Steuer-Parasitismus und

gegen Zockerei auf Kosten der Steuerzahler

 

Die Betrugs- und Manipulationsmöglichkeiten mit Hilfe der Steuerparasiten sind sehr vielfältig. Dazu heißt es bei dw-world.de:

 

Zu den echten Steueroasen, in denen der Fiskus ausländische Anleger überhaupt nicht behelligt, zählen Finanzplätze wie die Bahamas, Hongkong, Singapur, Russland oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Aber auch als Finanzmetropolen eher unscheinbare Länder wie Island, Kroatien, die Türkei oder Norwegen.

 

Wie aber gelangt Geld, dessen Zinsen nicht deklariert werden sollen, in diese Staaten? "Einmal kann man es mit Bargeld-Transfers machen", sagt Ondracek, was aber vom Umfang her begrenzt sei. Stattdessen kann man überweisen: Dazu werden getarnte Rechnungen dazwischen geschaltet. "Das sieht dann aus wie ein ganz normales Geschäft, man bezahlt etwas für eine Ware ohne Lieferung, oder für eine Dienstleistung, die aber nie stattgefunden hat", weiß Ondracek. So werden die Gelder dann transferiert, aber meistens um drei oder vier Ecken.

Der 64-Jährige Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft weiß, wovon er redet – immerhin hat er lange Jahre als Betriebsprüfer und Steuerfahnder gearbeitet. Deshalb gibt sich Ondracek auch keinen Illusionen darüber hin, dass alle Steueroasen dieser Welt durch politische Sanktionen trockengelegt werden könnten: "Die Politik hat nur begrenzte Möglichkeiten dagegen vorzugehen", sagt er. Politischen Druck könne sie nur auf Staaten ausüben, die dafür empfänglich seien. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man Druck auf Dubai ausübt. Die sind autark und haben selber so viel Geld. Das dort geförderte Öl braucht hingegen jeder."  

 

(Sh. "Steueroasen für Anleger: Verschwiegen und steuerfrei", dw-world.de, 20.2.2008.)

 

Nicht all diese Länder zählen zu den beliebten Komplizen für große Steuerbetrüger aus Deutschland, den USA und anderen Industriestaaten. Das gilt z.B. für das Hochsteuerland Norwegen. Aber auch in Russland wird man kaum sein abgeschöpftes Geld verstecken wollen. Die Türkei ist ohnehin auf das Entgegenkommen der EU angewiesen.

 

Das eigentliche Problem sind die zahlreichen Kleinstaaten, die zum großen Teil vom Steuerbetrug leben oder die Steuer-Hehlerei als einträgliches Zusatzgeschäft betreiben. Betrachtet man weltweit diese Kleinstaaten, die die kriminellen Potentaten, Rauschgifthändler, großen Steuerbetrüger usw. gegen die Behörden und die Öffentlichkeit in ihren Herkunftsländern schützen, so ist der Ausdruck Steuer-"Oasen" viel zu schönfärberisch. Vielmehr handelt es sich um Komplizenschaft von Steuer-"Piraten" mit den Großbetrügern auf Kosten des jeweiligen Volkseinkommens (sh. auch hier Dritte_Welt.htm).

 

Gegen diese Länder kann man aber unter anderem vorgehen durch drastisch zunehmende Sondersteuern für den allgemeinen Bankverkehr und schärfer werdende Grenzkontrollen. Gewiss würden die Gegenmaßnahmen dieser Länder auch einige Kosten verursachen, aber der Schaden bei ihnen wäre bei Bedarf jedenfalls wesentlich größer als bei den großen Industriestaaten. Er würde sie also irgendwann zum Einlenken bringen, wenn man nicht die Profiteure des Steuerbetruges mit Hilfe ihrer Meinungsmacher solche Maßnahmen auch in Zukunft hintertreiben lässt.


 

Mit Verschärfung der Bankenkrise im Herbst 2008 zeigen sich auf einmal auch die neoliberalen Politiker empört über ihre gehätschelten Finanzmanager des Raubtier-Kapitalismus. Noch empörender ist das Verhalten von den Politikern der gegenwärtigen und früheren deutschen Regierungen, weil sie diese Zustände  selbst verursacht haben durch Aufnahme von parasitären Steuer- und Finanzoasen in die EU mit der marktradikalen Begleitmusik der übrigen neoliberalen Meinungsmacher. In ihrer selektiven Deregulierungs-Wut akzeptieren sie zwar Vorschriften über die Krümmung von Salatgurken, protestieren aber aufs heftigste gegen die Unterbindung von Dumpingsteuern. Sie lassen es unter anderem zu, dass der Staatsfinanzierer Hypo Real Estate seine Gewinne zu einer Tochter nach Irland verschiebt, weil die Finanzjongleure dort mit 12,5% nur einen Bruchteil der deutschen Steuer zahlen und weil ihre irischen Tochterbanken dort windige Bankgeschäfte betreiben können auf Kosten des deutschen Steuerzahlers - ohne Rücksicht auf die deutsche Bankenkontrolle. Diese Dumpingsteuer dient ausschließlich dem Parasitismus zu Lasten anderer EU-Staaten, denn die Iren zahlen in ihrem eigenen Land am Ende wesentlich höhere Steuern (sh. "UNTERNEHMENSTEUER: Irland - 12,5 Prozent und 30 Grad", manager-magazin.de, 17.5.2005) und haben wegen der Manipulationen auch ein wesentlich höheres Durchschnitts-Einkommen als ihre deutschen Subventionszahler.

Als Aushängeschild billigten die verantwortlichen neoliberalen Finanzpolitiker in Deutschland ausgerechnet die altehrwürdig erscheinende Depfa Bank plc. (ehemals Deutsche Pfandbriefanstalt), deren Geschäftssitz zuletzt von Wiesbaden eigens  in die irische Steuerfluchtburg und Subventions-Abgreifstelle Dublin verlegt wurde - zur Gewinnverschiebung und  Risikoverschleierung. Zwar hat der irische Staat für irische Banken in der Finanzkrise eine Garantie abgegeben, diese soll aber offenbar nicht für die irische DEPFA gelten (sh. "Irische Regierung will HRE-Tochter Depfa nicht helfen", de.reuters.com, 6.10.2008), weil sie dem Subventions-Tiger lediglich zur Abschöpfung deutscher Steuergelder diente. Die bayerischen Kontrolleure und Vorstände bei der HRE haben sich beim Kauf dieser Alibi-Bank im Jahre 2007 die Abfindung von deren Ex-Chef Gerhard Bruckermann 100 Millionen Euro kosten lassen (sh. "Depfa-Bank k.o., Bund haftet, Chef hat 100 Millionen Euro bekommen", taz.de, 14.10.2008). Zu den "Leistungen" von Gerhard Bruckermann heißt es in dem Artikel:

 

Ex-Chef Gerhard Bruckermann hatte die Depfa in den Jahren zuvor auf ein riskantes Geschäftsmodell getrimmt. Langfristige Verbindlichkeiten sollten mit immer neuen kurzfristigen Krediten finanziert werden, schreibt die FAS in ihrer Sonntagsausgabe. Der Unterschied zwischen den höheren Zinsen für die langfristigen Krediten und den niedrigeren kurzfristigen Zinssätzen sollte das Geschäft finanzieren.

Eben diese Geschäfte der Depfa hatten in den vergangenen Woche die Hypo Real Estate ins Schlingern gebracht und letztlich das Rettungsprogramm für den gesamten deutschen Bankenmarkt provoziert...

Die Financial Times Deutschland schrieb im April 2007 unter der Überschrift "Der Absahner” über Herrn Bruckermann, das er den Sitz der Depfa nach Irland verlegt habe, wo nicht so genau nach den Vorstandsgehältern gefragt werde. Die seien zeitweise höher gewesen als die des Vorstands der Deutschen Bank.


Die Milliarden-Schäden durch das parasitäre irische Laissez-faire hätte man aber getrost einem dortigen Staatsbankrott überlassen können, wenn nicht auch noch die Übernahme dieser Risiken zu Lasten des deutschen Steuerzahlers erfolgt wäre. Dieses Kontrollversagen durch die "Deregulierungs"-Wut in Deutschland ist letztlich von den neoliberalen Politikern zu verantworten. Der ehemalige HRE-Chef Georg Funke übernahm diese Milliarden-Verluste auf das Risiko des deutschen Steuerzahlers  im Juli 2007 ohne entsprechende staatliche Kontrollen. Er ließ seine Depfa dafür auch noch 5,7 Milliarden Euro zahlen. Davon ließ der Depfa-Chef Gerhard Bruckermann selbst 100 Millionen in die eigene Tasche fließen und verschwand dann mit unbekanntem Ziel. Bei der Übernahme der Depfa durch die HRE hatten sich die unkalkulierbaren  Risiken bereits in Milliardenhöhe aufgetürmt. Dazu heißt es in dem Artikel "100 Millionen statt 102 Milliarden Euro", fazfinance.net, 6.3.2009:

 

Dass die Depfa gegen die "goldene Bankregel" einer fristenkongruenten Refinanzierung der Kredite verstoßen hat, war auch Funke nicht verborgen geblieben. Auf der Pressekonferenz zur Übernahme am 23. Juli 2007 in München räumte er Zinspositionen der Depfa ein. Diese beinhalteten Chancen, aber auch Risiken. Gegenüber Analysten soll Funke dann deutlicher geworden sein und die Kapitalmarktsparte der Depfa mit dem Spielkasino Monte Carlo verglichen haben.

 

Stephané Wolter, ein ehemaliger Risiko-Controller in der HRE, sagte dazu in einem Interview von SPIEGEL ONLINE:

 

Mit dem Kauf der Depfa war das Umfallen der HRE programmiert. Die Welle an kurzfristigen Verbindlichkeiten war schon beim Erwerb der irischen Tochter so stark, dass man nur noch beten konnte: Hoffentlich trocknet der Geldmarkt für die Depfa nicht aus!

 

(Sh. "Protokoll -öffentlich, 24.6.2009" über die 11. Ausschusssitzung vom 19.6.2009,Seite 40.)


Ex-Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer, ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der Depfa und später der HRE
ist "der Kragen geplatzt", als er das totale Scheitern seiner Aufsicht zugeben musste
(
"Tietmeyer: HRE-Aufsichtsrat von Vorstand nicht ausreichend informiert." - 2. Untersuchungsausschuss - 02.07.2009). Aus der Befragung des HRE-Aufsichtsratsmitglieds Kurt F. Viermetz vor dem Untersuchungsausschuss und aus anderen Aufsichtsrats-Befragungen ergibt sich, dass ernsthafte Warnungen anscheinend gar nicht bis zu dieser Kontroll-Instanz durchdringen, zumal die Wirtschaftsprüfer von den Zocker-Vorständen engagiert werden. Selbst ein erfahrener Banker wie Tietmeyer ist offenbar mit seinem komfortablen Aufsichtsratsmandat überfordert. Eigentlich brauchte man also im Bankgeschäft eine regelmäßige, strenge und sehr eingehende Kontrolle des Vorstandes durch unabhängige, staatlich ausgewählte Prüfer. Dann  könnten man sich die hohen Kosten für das Honoratiorengremium von Spezis und Ex-Vorständen sparen, wenn es ohnehin nicht zur Erfüllung seiner wichtigen Kontroll-Aufgaben imstande sind (sh. "Protokoll -öffentlich, 24.6.2009" über die 11. Ausschusssitzung vom 19.6.2009).


Die gleiche Gewinnverschiebung und Risikoverschleierung unterstützten die staatlichen und überwiegend privaten BDI-Kontrolleure der Industrie-Kredit-Bank (IKB) auch als "Zweck" der irischen IKB-"Zweckgesellschaften"  Rhinebridge und Rhineland Funding, wonach diese Bank letztlich mit etwa neun Milliarden Euro auf Kosten des deutschen Steuerzahlers saniert und dann zum Schnäppchenpreis von 115 Millionen Euro an den "Finanzinvestor" Lone Star der Kanzlei von Friedrich Merz verschleudert wurde
(sh. unten). Dazu heißt es im Handelsblatt vom 20.10.07 unter der Überschrift "Schlechte Noten für IKB-Tochter Rhinebridge":

 

Die Schieflage bei Rhinebridge und der zweiten Zweckgesellschaft Rhineland Funding hatte die Krise bei der IKB ausgelöst. Die Vehikel haben massiv in Wertpapiere investiert, die mit zweitklassigen US-Hypothekenkrediten (Subprimes) besichert sind. Sie finanzieren sich über die Aufnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen. Mit dem Zusammenbruch des Subprime-Marktes und dem Preisverfall entsprechender Papiere ist der Wert des Portfolios eingebrochen, und Anleger liehen den Gesellschaften kaum mehr neues Geld.


Die Verschiebung der Unternehmensgewinne in parasitäre Steueroasen wird von den verantwortlichen Meinungsmachern auch weiterhin nicht einmal ernsthaft thematisiert. Im Grunde handelt es sich um staatliche Steuer-Fluchthilfe durch die Neoliberalen in der Hoffnung, dass sie selbst auf ihre Umverteilungs-Gewinne aus dem Volkseinkommen ihren Beitrag zum Gemeinwesen auf ein Minimum reduzieren können.
Dies haben die Best-"Verdiener" seit der Jahrtausendwende auch schon schrittweise durchgesetzt mit der Senkung ihres Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent und mit der Abgeltungssteuer von 25%  anstelle ihres früheren Spitzensteuersatzes von 53% plus Solidaritätszuschlag auf Gewinnausschüttungen.

Erst im Jahre 2004 haben die Parasitismus-Profiteure das Steuerdumping noch einmal verschärft durch Aufnahme von Ländern wie der Slowakei mit einem Einheitssteuersatz von 19 Prozent! Damit vergrößern unsere hochgejubelten Regierungspolitiker - aus Opportunismus und eigener Gier - den Abstand zwischen Arm und Reich und schwächen die Konsumnachfrage noch weiter. Das Mindeste wäre nun, dass der Staat seine Kredite an die Finanzjongleure nur gegen Übertragung ihrer Eigentumsanteile zu den abgestürzten Marktpreisen gewährt, damit er diese Anteile später wieder verkaufen kann (sh. die Empfehlung des Finanzwissenschaftlers Helge Berger in dem  Artikel "Den Kredit verspielt", tagesspiegel.de, 1.10.2008). Das macht jedoch auf längere Sicht keinen Sinn, wenn nicht zugleich die hartnäckigen Widerstände gegen ausreichende internationale Finanz-Regulierungen aufgegeben werden, wie sie auch von den deutschen Neoliberalen mit ihrer Forderung nach "weniger Staat" immer wieder betont werden (sh. unten die Zitate aus "Frontal 21"). Entscheidend ist dabei auch die Spekulations-Eindämmung durch eine internationale Börsen-Umsatzsteuer:


Sogar Hilmar Kopper, der ehemalige Chef der Deutschen Bank plädiert für eine entsprechende Staatsbeteiligung, allerdings ohne ausreichende Stellungnahme zur Gesamtregulierung der Finanzströme:
 

"Man sollte angeschlagenen Banken keine Garantien geben, sondern sie verstaatlichen", sagte der frühere Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, der ZEIT. Der Staat übernimmt die Institute, rekapitalisiert sie und kann sie danach wieder privatisieren. Für den Staat aber kann es sich sogar lohnen: Er kauft in der Krise und verkauft, wenn es wieder besser geht", sagte Kopper...
 

(Sh. "Finanzkrise - Kopper plädiert für Verstaatlichung von Banken", ZEIT ONLINE, 8.10.2008.)

Dagegen steigert sich der hochgejubelte Finanzminister Steinbrück (SPD) mit Unterstützung der übrigen Neoliberalen noch in seiner notorischen Politik der Umverteilung nach oben (sh. hier rossaepfel-theorie.de), indem er den Steuerzahler sogar für die Zocker der Hypo Real Estate mit zig Milliarden Euro bürgen lässt, ohne ihm dafür rechtzeitig die entsprechenden Kontrollrechte zu sichern. Erst im nachhinein spricht seine schwarz-rötliche Koalition wahlwirksam, aber ziemlich vage von der Begrenzung der milliardenfachen Profitverteilung auf Kosten des Steuerzahlers.  Die Gewinne werden zunächst verschoben, dann parasitär privatisiert und danach vom Steuerzahler noch abgesichert durch indirekte Kursstützung für die Bankaktien (oder andernorts durch deren viel zu teuren Aufkauf durch den Staat). Das Risiko tragen nicht die Manager und auch nicht Steinbrück mit seinen Neoliberalen, sondern der Steuerzahler. Anstatt eine klare Absicherung zu präsentieren, wirft sich  der  "sozialdemokratische" Lobbyist der Neoliberalen in die Brust und begnügt sich in der Zeit des Sturmes mit Nebelkerzen, absurden Ausreden und wohltönenden Wortgirlanden zum Einlullen der Wähler. Dazu heißt es in der Süddeutschen Zeitung vom 10.10.2008 unter der Überschrift "Verstaatlichung von Banken - Die Mogelpackung":

 

Kanzlerin Merkel überlegt noch, Hilmar Kopper und Oskar Lafontaine sind dafür: Die Freunde der Verstaatlichung von Banken sind inzwischen eine bunte Koalition - obwohl überall Gefahren lauern.
 

In der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 1929 gibt es doch noch Überraschungen: Der Ex-Chef der Deutschen Bank fordert den Staat auf, Geldhäuser zu übernehmen. "Man sollte angeschlagene Banken verstaatlichen", wird Hilmar Kopper dieser Tage zitiert.

Der einstige oberste Geldmanager der Republik ruft die Regierung auf, marode Kreditinstitute unter ihre Kontrolle zu bringen, flottzumachen und dann wieder zu verkaufen. Der 71-Jährige lenkt damit den Blick darauf, dass Deutschland in der Bankenkrise ganz anders vorgeht als übrige Nationen.

 

Verstaatlichungen rund um den Globus

Vielerorts findet eine zumindest teilweise Verstaatlichung statt: Der Staat wird vorübergehend Miteigentümer an Banken, um seine Anteile später hoffentlich mit Gewinn wieder zu verkaufen. Die Briten tun es, die Isländer und Belgier tun es, die Amerikaner haben es längst getan - und sie denken über weitere Schritte nach. Nach dem Aufkauf der Immobilienfinanzierer Fannie und Freddie und des weltgrößten Versicherers AIG will Finanzminister Henry Paulson womöglich weitere Bankaktien beim Staat parken.

Die Bundesregierung dagegen hat die Rettung von Hypo Real Estate (HRE) ganz anders organisiert. Sie springt mit einer Bürgschaft ein, für die es Sicherheiten gibt. Für den Steuerzahler bedeutet das, er haftet im schlimmsten Fall mit 26,5 Milliarden Euro. Aber Eigentümer, der Vorstände feuern und später womöglich Gewinne einstreichen kann, wird er nicht.

 

Die "Gefahren lauern" hier am meisten in der mangelhaft gesicherten Vergabe von  Bürgschaften über 50 Milliarden Euro mit Staatsbeteiligung (lt. Tagesschau, vom 6.10.2008) von 15 Milliarden! Es ist schon grotesk, dass ein Großbankier wie Hilmar Kopper diese Absicherung des Steuerzahlers gegen Milliarden-Bürgschaften aus dem Volkseinkommen fordern muss, während die regierungsamtlichen Lobbyisten der neoliberalen Meinungsmacher ihre Zocker einfach mit solchen schlecht gesicherten Milliarden bedienen. Dazu Oskar Lafontaine in einem SZ-Interview:

 

Lafontaine: Viele Arbeitnehmer, Rentner und Hartz-IV-Empfänger verstehen nicht, wenn die Regierung Merkel für die Pleitebanker sofort Milliarden bereitstellt, aber zugleich für Lohnzurückhaltung plädiert, eine Rentenkürzung nach der anderen beschließt und die Verbesserung sozialer Leistungen verweigert. Im Übrigen bin ich skeptisch. Die Tatsache, dass jene, die sich früher dem Diktat der Finanzmärkte unterworfen haben, jetzt anders reden, sagt noch lange nicht, dass sich wirklich etwas ändert. In den USA soll der Investmentbanker Hank Paulson als Finanzminister den Weg aus der Krise weisen. Das ist so, als machte man den Chef eines Drogenrings zum Beauftragten gegen den Rauschgifthandel.

 

(Sh.  "Lafontaine im SZ-Interview - 'Investmentbanker sind kriminell'", sueddeutsche.de, 3.10.2008.) Auch in Deutschland werden die Böcke zu Gärtnern gemacht - vor allem mit Hilfe der neoliberalen Medien. Die Gefahr durch den "gefährlichsten Mann Europas" (Rupert Murdochs THE SUN im Jahre 1999 über Lafontaine) für die Umverteilungs-Profiteure bestand offenbar in seiner Warnung vor deren gieriger Unterstützung von Steuer-Parasitismus und Zockerei.

 

Zu den skrupellosesten Lobbyisten für Zocker und Steuerparasiten gehörten Tony Blair und die übrigen britischen Neoliberalen im Einklang mit Gerhard Schröder und seinem Tross. Die Teilverstaatlichung von britischen Banken durch Übertragung von Vorzugsaktien könnte also verwundern, wenn man nicht weiß, dass es sich dabei um stimmrechtslose Aktien handelt. Dazu heißt es im Focus:

 

Auf Stimmrechte wollen Brown und Darling verzichten. Aber sie wollen die Banken dazu verpflichten, sich bei den Gehältern für ihre Vorstandsdirektoren und bei Bonuszahlungen künftig zu beschränken. Außerdem sollen die Banken zusagen, dass sie das frische Kapital auch tatsächlich für konjunkturförderliche Darlehen an Unternehmen und Hauskäufer ausgeben.

 

(Sh. "Großbritannien - Die Milliarden, die keiner will", focus.de, 9.10.2008.)

Die Gefahr von staatlichen Beteiligungen durch die deutsche neoschwarz-rötliche Regierung liegt genau darin, dass sie sich auch mit solchem Larifari zufrieden gibt. So schreibt z. B. DIE WELT vom 10.10.2008:


Die Bundesregierung arbeitet nach Informationen von WELT ONLINE an einem Rettungsplan für das deutsche Finanzsystem nach englischem Vorbild. Über den Plan soll dem Vernehmen nach im Kabinett in den nächsten Tagen entschieden werden. In der Union gibt es erhebliche Widerstände.


(Sh. "Bundesregierung plant Einstieg bei Banken", welt.de, 10.10.2008.) In diese Richtung tendieren auch die ersten Äußerungen der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Merkel, während Finanzminister Steinbrück (SPD) wohl künftig notgedrungen einige Mindestvoraussetzungen erfüllen will:
 

Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Finanzminister Peer Steinbrück wehrten sich gegen den Eindruck, die Bundesregierung wolle die Banken verstaatlichen. Wenn für die Banken Kapital bereitgestellt werde, sei dies nichts anderes, als wenn sich auch sonst Firmen Kapital auf dem Markt besorgen würden, sagte Merkel. "Insofern ist es in dem Sinne keine Verstaatlichung, dass der Staat jetzt vorhat, auf Dauer in die Banken einzugreifen, sondern es ist eine Hilfe durch den Staat." Bei einer Unterstützung könne der Staat den Instituten dann aber auch "Auflagen machen", betonte Merkel.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, als Gegenleistung für die Annahme staatlicher Hilfe müssten sich die Banken an bestimmte Auflagen halten. So behalte sich der Staat in solchen Fällen Einfluss etwa bei der Kreditvergabe, bei Managergehältern mit Boni und Abfindungen und bei der Dividendenausschüttung vor, sagte Steinbrück in Washington.
 

(Sh. "EU-Staaten steigen bei Krisenbanken ein", welt.de, 12.10.2008.)  Dagegen schieben die marktradikalen Ideologen von der Springer-Presse und ihrer Lobbypartei CDU die mangelnde Kompetenz der jetzigen Staatsbanker und Parteienspezis vor, um die Steuer-Milliarden ohne echte staatliche Entscheidungsrechte zu verteilen, als ob diese Mitentscheidung ein Dauerzustand werden müsste:
 

Allzu oft haben deutsche Politiker Banken in Staatsbesitz vor allem als Instrument für ihre Industriepolitik genutzt. Davor wären sie auch diesmal nicht gefeit. Hiesige Landesbanken sind das beste Beispiel dafür. Ausschließen ließe sich das, indem der Staat sich an den Banken im Notfall eben nicht mit normalen Stammaktien beteiligt, die ein Stimmrecht garantieren. Stattdessen sollte er sich auf Vorzugsaktien ohne Stimmrecht beschränken. Damit wäre gesichert, dass der Staat den Banken hilft, ohne sie für politische Interessen in Haftung zu nehmen. Außerdem müsste im dafür nötigen Gesetz festgeschrieben werden, dass die Häuser nach ihrer Rettung wieder privatisiert werden müssten.

 

(Sh. "Was jetzt noch bleibt", welt.de, 9.10.2008, Hervorhebung vom Verfasser.) Diese Begriffs-Verwirrer sehen also sehr wohl, dass die maßgebende Mitentscheidung der Milliarden-Bürgen kein Dauerzustand sein muss, wollen sie aber trotzdem von vornherein mit solchen Tricks ausschließen.
 

Entscheidend ist auch nicht, wie lange der Staat die billig aufgekauften Stimmrechts-Aktien (= Stammaktien) an heruntergewirtschafteten Privatbanken hält, sondern vor allem, dass das Management sowie die Regulierungen und Kontrollen für diese und andere Banken funktionieren. Dazu Oskar Lafontaine in einem taz-Interview vom 10.10.2008:

 

Empfinden Sie Schadenfreude, wenn sogar US-Präsident Bush an eine Teilverstaatlichung von Banken denkt?

Nein, eher Genugtuung. Aber es ist ein Treppenwitz des Geschichte, dass in der Wall Street, der Hochburg des Kapitalismus, die Verstaatlichung der letzte Rettungsanker ist…

Vor ein, zwei Jahren war ja die Linkspartei die einzige, die die Privatisierung der Sparkassen abgelehnt hat. Heute sehen wir mit Heiterkeit, wie die anderen die Sparkassen loben.

Sind Staatsbanken wirklich der Königsweg? Die Verluste der IKB und der Landesbanken zeigen was passiert, wenn der Staat sich als Banker betätigt.

Bitte, die IKB war eine Privatbank, bei der der BDI eine wesentliche Rolle gespielt hat. Die Landesbanken sind ins Trudeln geraten, weil Politiker wie Steinbrück, Milbradt und Huber ihnen erlaubt haben, wild zu spekulieren. Das zeigt, dass die Landesbanken sich auf ihre Aufgabe beschränken müssen - die Regionalwirtschaft zu fördern.

Also sollen die Landesbanken bleiben?

Natürlich. Fatalerweise will die Regierung eine Konzentration der Landesbanken. Offensichtlich hat man also dort gar nichts verstanden. So ein Mega-Institut hätte doch in noch größerem Stil spekuliert und wäre jetzt ein Sanierungsfall.


Die SZ-Interviewer von Lafontaine verfallen ebenfalls (sh. oben) in die übliche Deregulierungs-Ideologie für die Finanzmärkte, weil man ja auch die Gütermärkte nicht übermäßig regulieren sollte:

 

SZ: Scharfe Kontrolle ist absolut nötig. Wenn der Staat aber der Wirtschaft alles haarklein vorschreibt und gar noch selber Unternehmen betreibt, ist das in der Geschichte meist schiefgegangen. Sie stülpen doch einfach Ihre überholte Ideologie über ein aktuelles Problem.

Lafontaine: Finanzmärkte funktionieren anders als Gütermärkte. Das müssen Sie endlich verstehen. Die Menschen sind seit Jahren Opfer einer falschen Ideologie: Die Finanzbranche schreibt dem Staat vor, was er zu tun hat. Ein Staat, der sich dem unterwirft, bekommt die Probleme, die wir jetzt erleben. Die Diktatur des Monetariats ist auch nicht besser als die des Proletariats.

SZ: War die Rettung der Hypo Real Estate (HRE) richtig?

Lafontaine: Die Liquidität der Bank musste gesichert werden. Falsch aber ist es, wenn Finanzminister Steinbrück die Forderung der Branche zurückweist, die Bank zu verstaatlichen. Wenn der Steuerzahler Geld gibt, muss er auch an den Entscheidungen und den möglichen späteren Gewinnen beteiligt sein. Andere Staaten sind da klüger.

SZ: Die Steuerzahler sollen ja Geld aus dem Teilverkauf der HRE erhalten. Wenn die Regierung dagegen die Bank verstaatlicht, wird es vielleicht noch teurer für die Steuerzahler. Das zeigen doch die Landesbanken: Staatlich kontrollierte Institute murksen oft ohne Ende.

Lafontaine: Die Landesbanken haben versagt, weil ihnen unseriöse Spekulationsgeschäfte von Politikern wie Steinbrück, Huber und Milbradt erlaubt oder aufgedrückt wurden. Aber so schlimm wie die Privatbanken in der Wall Street haben sie es nicht getrieben.

 

Hier plappern die Interviewer die regierungsamtliche Behauptung nach von der geplanten Entschädigung der Steuerzahler durch einen Teilverkauf der Bank, die aber (mit großen Teilen aus der HypoVereinsbank) schon längst den internationalen "Heuschrecken" ausgeliefert wurde (sh. die Aktionärsstruktur unter Wikipedia: Hypo Real Estate, Stand 12.10.2008). Ausgerechnet die profitieren jetzt von der Bürgschaft. Für einen Aktienanteil von 24,9% haben dessen Verkäufer insgesamt nur 1,1 Milliarden Euro erzielt (sh. J.C. FLOWERS & Co., Press Release, Hamburg, 24 June 2008), so dass die Bürgschaft von 50 Milliarden durch einen Börsenwert der Bank von ehemals insgesamt 4,5 Milliarden Euro "gesichert" war. 

Es zeigt sich auch wieder die eingehämmerte Ideologie der neoliberalen Meinungsmacher von der angeblichen Wirtschaftsfeindlichkeit der Linken und des ehemaligen Finanzministers Lafontaine, den sie im Dienste des Raubtier-Kapitalismus weggemobbt haben aus eigener Gier nach immer größeren Steuergeschenken zu Lasten der Ärmsten :

 

SZ: Sie haben mit der Börse noch alte Rechnungen offen: Als Sie 1999 als Finanzminister zurücktraten, schossen die Kurse in die Höhe.

Lafontaine: Das war verständlich. Die Investmentbanker und Hedgefondsmanager kannten meine Vorschläge für das internationale Finanzsystem: feste Wechselkurse zwischen den Währungen, Kontrolle des Kapitalverkehrs und Austrocknen der Steueroasen. Deshalb haben die Sektkorken geknallt, als ich ging.

SZ: Sie fordern wegen der Finanzkrise einen geistig-moralischen Umbruch. Ist das die Chiffre für Sozialismus?

Lafontaine: Es geht um die Gerechtigkeit, ohne die es keinen Zusammenhalt der Gesellschaft gibt. Bankmanager wie Herr Ackermann fordern 25 Prozent Rendite. Ein Bankkunde würde für eine solche Forderung ausgelacht. Da sehen Sie, dass die Maßstäbe nicht mehr stimmen.

SZ: Da stimmen Ihnen viele Menschen zu. Aber wie machen Sie es besser?

Lafontaine: Die Regierung muss hochspekulative Hedgefonds, den Schrotthandel mit verbrieften Papieren und die Auslagerung von Risiken in Zweckgesellschaften verbieten.

 

Überhaupt ist das Interview ein Lehrstück gegen die parasitäre Umverteilung nach oben. Es wurde daher von den neoliberalen Medien auch weitgehend ignoriert. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung findet man dagegen in dem Artikel von Florian Rötzer: "Lafontaine: 'Das Finanzkasino muss geschlossen werden'", Telepolis, heise.de, 4.10.2008. Diese Positionen werden noch einmal nachdrücklich unterstrichen durch eine Rede von Oskar Lafontaine zur Finanzmarktkrise, die als Video gespeichert ist bei YouTube, erreichbar unter http://www.zeitgeistlos.de/zgblog/2008/de-gefurchtete-oskar/.


 

Die Neoliberalen weisen dagegen jede Frage nach ihrer Verantwortung für die Finanzmarktkrise zurück und geben sich staatstragend mit der Parole, dass man jetzt nur nach vorn schauen dürfe. Aber ohne Rückschau gibt es auch keine vernünftigen Regelungen für die Zukunft. Die sind jedoch anscheinend auch gar nicht gewollt, denn systematisch werden die Böcke zu Gärtnern gemacht. Dazu heißt es in der Netzeitung vom 15.10.2008 unter der fragwürdigen Überschrift: "Sozialethiker Hengsbach verteufelt Rettungspaket":


Der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach hat das Banken-Rettungspaket der Bundesregierung als riskant kritisiert. «In dem Milliardenpaket sind Aufputschmittel enthalten, um das, was in die Krise geführt hat, fortzusetzen», sagte der emeritierte Professor für Christliche Sozialwissenschaft der «Stuttgarter Zeitung». «Dieses Paket schützt nicht den Sparer, sondern die für die Krise verantwortlichen Banken.»
Es gebe vier Prominente unter den Hauptverursachen der Krise: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Commerzbank-Chef Martin Blessing, den Präsidenten des Bankenverbandes, Klaus-Peter Müller, und den Finanzchef der Allianz, Paul Achleitner. «Es ist auffällig, dass die vier Herren mit am Tisch saßen, als das 500-Milliarden-Paket geschnürt wurde», sagte Hengsbach. Es gebe also eine wechselseitige Komplizenschaft.

Hengsbach beklagte, dass Pläne für eine Neuordnung der Finanzmärkte derzeit nicht zu sehen seien. «Jetzt heißt es wieder: Wir müssen erst die Krise pragmatisch bewältigen, und dann kommt der neue Ordnungsrahmen», sagte der Sozialethiker. «Der kommt nicht, so fürchte ich.»

 

Friedhelm Hengsbach hat dabei einen weiteren Verantwortlichen noch nicht benannt, nämlich Hans Tietmeyer, den früheren Bundesbank-Präsidenten. Tietmeyer ist auch Mitverfasser des "Sozialwortes der katholischen Bischöfe", von dem Hengsbach einmal sagte, es könne auch aus dem Tagebuch von Guido Westerwelle stammen (sh. "Manches könnte von Guido Westerwelle stammen", taz.de, 13.12.2003). Ein "Sozial"-Bewusstsein in diesem Sinne ist offenbar auch ganz im Interesse des Medienkapitals und seiner Mitprofiteure, denn die Springer-Presse lässt dazu schreiben:


Sechs Jahre verteidigte Hans Tietmeyer die frühere Bundesbank gegen alle Versuche politischer Einflussnahme. Gestern übte der sozialdemokratische Teil der Politik späte Rache und verweigerte ihm die Berufung zum Chefvertrauten von Kanzlerin Angela Merkel in Finanzfragen. Begründung: Der 77-Jährige gehört zum Aufsichtsrat der vom Staat geretteten Hypo Real Estate, Merkel wolle also den Bock zum Gärtner machen. Den kurzsichtigen Spott konterte Tietmeyer mit souveräner Geste: Er verzichtete auf den Job.


(Sh. "Kopfnoten - Überraschende Vertrauens-Beweise: Hans Tietmeyer", welt.de, 16.10.2008.) Es ist kaum zu fassen, dass ein Aufsichtsrat und ehemaliger Bundesbanker die maßlose Zockerei und den Steuerparasitismus unbeaufsichtigt lässt, mit dem die Gewinne der Hypo Real Estate zur Depfa nach Irland verschoben wurden, und dass er dann auch noch zur Bewältigung der dadurch ausgelösten Krise als Kanzler-"Vertrauter" berufen wird.

 

Der "Vertrauensbeweis" von Merkel für Tietmeyer ist allerdings nicht mehr sehr überraschend, wenn man z.B. ihre Unterstützung durch die Marktradikalen von der Springer-Presse und durch ihre übrigen vier mitschuldigen "Berater" bedenkt (sh. oben).
 

In diesen Medien findet man allerdings wenig über die "Qualifikation" Tietmeyers. Man muss schon in weniger kapitalstarken Blättern ohne große Massenwirksamkeit recherchieren, um mehr Fakten statt einseitiger Propaganda zu finden. So heißt es z.B. bei ngo-online.de:

 

Lafontaine erinnerte daran, dass im Jahr 1996 Bundesbankpräsident Tietmeyer vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt hätte: "Meine Herren, Sie alle sind jetzt der Kontrolle der internationalen Finanzmärkte unterworfen." Lafontaine dazu: "Wenn heute ein Bundesbankpräsident so etwas sagte, würde er wahrscheinlich gleich in eine Heilanstalt eingeliefert werden. Aber damals wurde diese Aussage mit großem Beifall von allen Versammelten aufgenommen." Sie habe auch großen Anklang in der deutschen Öffentlichkeit gefunden. Die damalige Überzeugung und Auffassung sei tatsächlich gewesen, "dass die internationalen Finanzmärkte alles richtig regeln, dass sie die richtigen Findungsprozesse in Gang setzen werden, während die Politik nichts anderes zu tun hat, als diesen Findungsprozessen Rechnung zu tragen und ihnen zu folgen."

 

(Sh. "Lafontaines Abrechnung mit Steinbrück 'Regierende gaben Spekulanten grünes Licht'", ngo-online.de, 25.9.2008. Dies sind genau die Worte aus der Rede von Oskar Lafontaine zur Finanzmarktkrise, die als Video gespeichert ist bei YouTube, erreichbar unter http://www.zeitgeistlos.de/zgblog/2008/de-gefurchtete-oskar/, und die in den neoliberalen Medien natürlich weitgehend ignoriert wurde.)

Friedhelm Hengsbach liegt mit seinen Zweifeln an der Lernfähigkeit oder Lernwilligkeit der Neoliberalen jedoch ganz auf der Linie des ehemaligen IWF-Chefs Michel Camdessus:

 

Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds, der Franzose Michel Camdessus, hat den Politikern die Hauptschuld an der Weltfinanzkrise gegeben, weil sie beschlossene Reformen nicht umgesetzt hätten.

Paris - "Ich fühle eine gewisse Frustration", sagte Camdessus der Wirtschaftszeitung "Les Echos" (Dienstagausgabe). Die nötigen Reformen seien schon vor elf Jahren im Internationalen Währungsfonds (IWF) beschlossen worden und der Fonds habe auch vor der Subprime-Krise gewarnt.

 

(Sh. "Ex-IWF-Chef - Politiker sind schuld an der Finanzkrise", manager-magazin.de, 14.10.2008.)

 

Nicht nur die Söldner des Medienkapitals vom Axel-Springer-Konzern, sondern auch alle übrigen neoliberalen Meinungsmacher wollen offenbar ihre Beute aus dem Volkseinkommen retten vor einer Beteiligung am Gemeinwesen. Dies wird stets eingekleidet in die Forderung nach weniger Staat (zur Umverteilung nach oben) - in der Gewissheit: "Nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten" (sh. Zitatensammlung), also nicht die Mehrheit derer, die das Volkseinkommen erwirtschaften. Das Politmagazin Frontal 21 vom 14.10.2008 brachte dazu Zitate und Video-Passagen von einem Kritiker und mehreren typischen Vertretern dieser Zustände (sh. rossaepfel-theorie.de mit Exkursen und zahlreichen Zitaten zu Personen und Parteien):

 

Michel Camdessus, ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds, lt. manager-magazin.de v. 10.10.2008:

"Wenn es im globalen Dorf keinen Wächter gibt, wird es schnell ein Dorf der Banditen."

 

Guido Westerwelle, FDP-Chef und Lobbyist der Groß-Profiteure, am 30.11.2005:

"Die Eingriffe des Staates sollen zugunsten von mehr marktwirtschaftlichen Elementen und von mehr Eigenverantwortung zurückgeführt werden."

 

Roland Berger, Unternehmensberater und häufiger Gast in neoliberalen Talkshows, am 10.2.2002:

"Der Markt will(?) weniger Staat. Wir müssen mehr den Unternehmern vertrauen und weniger den Beamten."

 

Rainer Brüderle, Bilderbuch-Lobbyist für die FDP-Großspender, am 24.9.1999:

"Wir wollen die Eigenverantwortung stärken. Weniger Staat und mehr Eigeninitiative Raum geben."

 

Helmut Kohl, ehemaliger CDU-Bundeskanzler und Rentner-Schröpfer, am 4.8.1983:

"Wir wollen nicht mehr Staat, sondern weniger."

 

Angela Merkel, CDU-Bundeskanzlerin seit 2005 und hochgejubelte Favoritin der Volksverdummer, am 14.3.2003:

"Dass wir Vertrauen in die Menschen setzen und den Rückzug des Staates ermöglichen."

 

Solche Parolen haben die Neoliberalen noch bis zum Beginn der Finanzmarktkrise verkündet, dann aber sofort opportunistisch und ganz entschieden geleugnet, um flugs das Gegenteil zu behaupten.

 

In ihrem "Finanzmarktstabilisierungsgesetz" (FMStG) vom 17.10.2008 haben sie sich alle möglichen Hintertüren offen gelassen. Ihre selbst verursachte Notlage zur sofortigen Schaffung von Stabilisierungsmaßnahmen haben sie mit ihren Lobby-Beratern zur Einschleusung von Trojanern missbraucht. Damit können sie in "Ausschüssen" hinter den Kulissen auch nach der Krise ihr ruinöses Spiel weiter treiben als Lobbyisten der Finanzjongleure und der Parasitismus-Profiteure - ohne wirkliche Kontrolle und nur im öffentlichen Vertrauen auf ihren völligen Sinneswandel.

Die eigentlichen Ursachen für das Übergreifen des Finanz-Debakels auf Deutschland war die Verschleierung von Spekulations-Risiken und die Gewinnverschiebung durch eigens dafür gegründete "Zweckgesellschaften" in parasitären Steuer-"Oasen". Dieses Grundübel wurde von den Schönrednern gar nicht erst in Angriff genommen.
(Sh. z. B. "Nichts gelernt aus der Finanzmarktkrise - Zocken als ob nichts gewesen wäre", rbb-online.de/_/Kontraste/, 23.10.2008.) Statt dessen folgen die neoliberalen "Volksvertreter" nach wie vor den "Ratschlägen" ihrer Lobbyisten. (Sh. z.B. "Weitere harte Belege für die Mitwirkung des Bundesfinanzministeriums am Casinobetrieb zu unseren Lasten.  Betr.: TSI", nachdenkseiten.de, 7.4.2008.) Der TSI-Spekulanten-Lobbyist für undurchsichtige Schrottpapiere Jörg Asmussen konnte bei allen Neoliberalen von Schröder bis zu den "christlichen" Volksverdummern schon in jungen Jahren mit seiner Empfehlung dieser Zeitbomben Karriere machen als Ministerialdirigent und später als Staatssekretär von Peer Steinbrück (!), weil er die Einstellung solcher Leute genau getroffen hat und als Steinbrücks Staatssekretär offenbar weiterhin trifft. (Sh. z.B. auch "Finanzministerium - Ein Manager mit Beamtenstatus", zeit.de, 9.6.2004, sowie das Interview mit Oskar Lafontaine: "Steinbrück ist für den Schrotthandel verantwortlich", berlinonline.de, 25.9.2008, und Jens Berger: "Wenn sich der Bock zum Gärtner macht", TELEPOLIS, 20.10.2008.) Man wollte bei den Casino-Profiten nicht ins Hintertreffen geraten. (Sh. "Die Zauberlehrlinge der Schuldenflut", tagesspiegel.de, 18.10.2008.) Asmussen:

 

Dabei war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset Backed Securities (ABS) in Deutschland stärker als bislang entwickelt.

 

(Zitiert nach jjahnke.net, Stand 2.11.2008., auf dessen Webseite verwiesen wird, weil es in diesem Exkurs wie auch im Haupttext vorrangig um die "Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben" geht und weitere Exkurse zu den Exkursen vermieden werden sollen. Sh. auch: http://www.jjahnke.net/finanz.html, 29.10.2008.) Allerdings machen auch hier die großen Anteilseigner den eigentlichen Profit, während später die Steuerzahler und Krisenopfer die Zeche zahlen.

Zu den "ABS" schreibt Joachim Jahnke (ebd.).:

 

Zur Erinnerung: ABS sind Asset Backed Securities oder Verbriefungen, die mit einem Portfolio von Vermögenswerten unterlegt sind. Dazu gehören vor allem die miesen amerikanischen Hypothekenpapiere, an denen jetzt weltweit die Banken zu ersticken drohen, falls nicht der Steuerzahler einspringt.

 


Die Banken-Lobbyisten  lehnen dagegen die Spekulations-Dämpfung durch Wiedereinführung der Börsen-Umsatzsteuer ab. In diesem Fall würden die großen Bankgeschäfte angeblich in ausländische Zweckgesellschaften verlagert und dort verschleiert auf das Risiko des deutschen Steuerzahlers. Genau dies ist aber auch ohne Börsenumsatzsteuer schon geschehen mit den irischen Zombie-Banken. Die größten Finanzplätze sind in Großbritannien und den USA, obwohl es dort eine Börsenumsatzsteuer gibt. Es ist unbegreiflich, wie man die Banken weiter gewähren lässt, statt solche Gewinn- und Risikoverschiebungen zu verbieten oder zumindest erst einmal völlig transparent zu machen, auch für den Fiskus. Es kann doch nicht sein, dass  Deutschland und andere EU-Staaten sich die Risiko-Verschleierung und das Steuerdumping durch Staaten wie Irland und Großbritannien, Luxemburg, Österreich usw. mit ihren Zwerg-"Oasen" aufzwingen lassen. Um diese Zustände zu zementieren, wollen die Lobbyisten der Gewinnverschieber sogar noch die irischen Dumpingsteuern ausdrücklich absichern, statt ihre Steuerhehler zum EU-Austritt zu drängen (sh. "Irland will zweites EU-Referendum", tagesspiegel.de, 12.12.2008, und vor allem: "Für eine Gemeinschaft freier Nationen", irish-solidarity.net, 12.12.2008, veröffentlicht auch von scharf-links.de, 11.12.2008.)

Ein Ausschluss von Mitgliedstaaten ist nach dem EU-Verträgen nicht möglich. Aber die Verträge sind - insbesondere im Hinblick auf die Steuerpolitik - so schlecht verhandelt, dass man den irischen Wählern für eine endgültige Ablehnung dankbar sein müsste. Als Ausweg bietet sich die Gründung einer europäischen Kerngemeinschaft ohne Steuerparasitismus und durch Volksabstimmungen. Die Parasitismus-Opfer könnten danach  geschlossen aus der Alt-EU austreten und  einen großen Teil der EU-Institutionen übernehmen. Sie könnten gegen die Steuer-Parasiten in Europa und Übersee ähnlich erfolgreiche Maßnahmen ergreifen wie etwa die USA gegen die Betrugshelfer in der Schweiz und anderswo (sh. oben). Solche Lösungen werden zur Zeit gerade von den Hehler-Staaten innerhalb der EU blockiert, aber auch deren übrige Unterstützer in dem neu zu gründenden Kerneuropa würden dagegen ihre geballte neoliberale Meinungsmacht aufbieten und ihre sonstigen Lobbyisten-Heerscharen in Stellung bringen.  Die Neoliberalen fördern solche Machenschaften im Grunde mit den gleichen Tricks und Verlagerungs-Drohungen, mit denen sie auch das Steuerdumping solcher EU-Staaten aus Gier unterstützen.

Soweit es dabei um die Finanzmarktkrise geht, wendet sich sogar Bundespräsident Horst Köhler (CDU)  gegen solche "Monster"-Märkte.
Dazu heißt es im Tagesspiegel vom 12.10.2008 unter der Überschrift "Finanzkrise – Den Kapitalmarkt vom Monster zum Maß zähmen":

 

Bundespräsident Horst Köhler redet nicht wie der Blinde von der Farbe, wenn er sich zu den Turbulenzen des Finanzmarktes äußert. Immerhin war der Mann mal Präsident des Sparkassenverbandes und Chef des Internationalen Währungsfonds, kennt also die Risiken und möglichen Verwerfungen des globalen Geldgeschäfts. Bereits im Mai, als längst offenkundig war, dass die Investmentbanken in den vergangenen Jahren mit der weltweiten Veräußerung wild zusammengewürfelter Kredit- und Forderungspakete ein viel zu großes Spekulationsrad gedreht hatten, forderte er dazu auf, die außer Kontrolle geratenen "Monster" des Kapitalmarkts mit ihrer Gier nach immer höheren Renditen zu zähmen. Und fing sich aus den Chefetagen deutscher Banken dafür Prügel ein.

 


Auch den Kritikern von der Opposition geht es genau darum, dass sich die Schuldigen mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz weiterhin der staatlichen Kontrolle widersetzen. Dazu heißt es im Spiegel Online:

 

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und Linksfraktionschef Gregor Gysi entgegneten, sie könnten der Regierung nicht so viel Geld anvertrauen - jedenfalls nicht ohne weitere Kontrollen. "Dieses Paket ist ein 500-Milliarden-Euro-Blankoscheck", sagte Künast. Das Gesetz sei mit Hilfe der Bankmanager geschrieben worden und atme daher den Geist: "Gib mir das Geld und misch dich nicht ein." Ein neuer Ausschuss reiche als Kontrolle nicht aus. Vielmehr habe die Regierung vor den Bankern kapituliert: "Sie sitzen mit weißen Fahnen hier im Plenum."

 

(Sh. "480-Milliarden-Programm – Regierungsparteien feiern ihren Banken-Kraftakt", spiegel.de, 17.10.2008.)

Die Begründung für einen parlamentarischen Entschließungsantrag der Grünen dazu beginnt wie folgt:

 

Die aktuelle Debatte um die Rettung der deutschen Finanzbranche darf nicht vom eigentlichen Problem
unregulierter Märkte ablenken. Jahrzehntelang haben Politikerinnen und Politiker überall auf der
Welt und auch in Deutschland den Abbau von Regeln vorangetrieben, um den Finanzmärkten mehr
Raum zu geben. Diese Strategie ist krachend gescheitert.


(Sh. "Entschließungsantrag...", BT-Drs. 16/10662, vom 17.10.2008.) Und die wesentlich konkretere Einleitung zum Entschließungsantrag der Linken lautet:

 

Die Finanzmarktkrise ist zugleich eine Krise der Demokratie, der Wirtschafts- und Sozialordnung. Die
Politik wird von den Finanzmärkten nicht nur kontrolliert, sie wird von ihnen beherrscht. Hier nur von
Marktversagen zu sprechen, ist unzureichend – es handelt sich um Marktversagen und ein Versagen
der Politik, welche die Finanzmärkte entfesselt hat. Nur eine grundlegende Neuordnung der
Wirtschafts- und Sozialpolitik wird Vertrauen wieder aufbauen können, nur eine Umverteilung von
Reichtum wird den Anlagedruck an den Finanzmärkten beseitigen können.

Die Finanzmarktkrise zwingt den Staat zum Eingreifen. Es ist grob fahrlässig, dass die
Bundesregierung erst jetzt zum Handeln bereit ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sicherzustellen, dass das Parlament umfassend beteiligt wird und das Finanzmarktstabilisierungsgesetz
zwingend folgende Bedingungen erfüllt:

 

·         Jede öffentliche Kapitalbeteiligung wird mit Stimmrechten versehen, das heißt
Teilverstaatlichung.

·         Die Bestimmungen zur Festlegung von Gebühren für Bürgschaften und von Preisen, zu denen
Risikopapiere übernommen werden, sind vom Bundestag zu verabschieden und so
auszugestalten, dass sie nur gegen angemessene Gegenleistung erfolgen.

·         Wenn Finanzunternehmen in der Zukunft wieder wirtschaftlich dazu in der Lage sind, müssen
sie die Risikopapiere ausnahmslos zurückzuerwerben.

·         Mindestauflagen bezüglich der Geschäftspolitik der beteiligten Finanzunternehmungen
(Dividenden, Managementvergütung, Kreditvergabe usw.) sind vom Bundestag zu
verabschieden.

·         Der Finanzsektor muss die Verluste aus dem Finanzstabilisierungsfonds selbst tragen.
 

(Sh. "Entschließungsantrag...", BT-Drs. 16/10652, vom 16.10.2008.) Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt waren, hat die Linke lediglich auf ihr Recht zur Fristwahrung beim parlamentarischen Verfahren verzichtet, um nicht ein dringendes Gesetz zu verzögern, an dem sie gegen die neoliberale Mehrheit sowieso nichts mehr ändern konnte. Ebenso haben sich die Grünen verhalten und mussten sich dafür ebenfalls von den Mehrheitspolitikern loben lassen.


 

Mittlerweile wurden tatsächlich Schadenersatzansprüche gegen einige hochbezahlte Zocker in den Chefetagen der Banken gestellt, aber nicht bei den Staatsbanken, sondern bei der IKB, die mit fast zehn Milliarden Euro aus Steuergeldern saniert und dann für 115 Millionen Euro an die Finanzinvestoren Lone Star der Kanzlei von Friedrich Merz (CDU) verschleudert wurde (sh. "Rund neun Milliarden Euro Steuergeld retteten die IKB", welt.de, 22.8.2008). Die Schadenersatzansprüche kamen auch nicht von den hierfür berufenen staatlichen Stellen, sondern von den "Finanzinvestoren" selbst. In seiner Debatte mit Oskar Lafontaine bei Maybrit Illner am 31.10.2008 war Merz bemüht, seine Rolle dabei herunterzuspielen: Er sei lediglich ein Partner der großen Kanzlei und habe mit dem Deal so gut wie gar nichts zu tun gehabt. Auf der Webseite der Kanzlei  wird er jedoch als Partner für solche Geschäfte präsentiert:

 

Friedrich Merz konzentrierte seine Praxis auf gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten, einschließlich Firmenkauf und Fusionen sowie Bankwesen und Finanzen.

(Friedrich Merz concentrates his practice on corporate matters, including mergers and acquisitions, and banking and finance.)
 

(Sh. mayerbrown.com, Stand 31.10.2008.) Außerdem werden dort seine guten Beziehungen zur Politik hervorgehoben. Dies hat sich anscheinend auch bei der Deutschen Börse bewährt, der Merz lt. der Debatte bei Illner nach eigenen Worten ebenfalls "geholfen" hat, als sie an den "Finanzinvestor" TCI verkauft wurde (sh. hier rossaepfel-theorie.de).

Der Charakter solcher "Hilfe" wird deutlich durch folgende Erläuterungen:


Friedrich Merz soll Aufsichtsrat der Deutschen Börse werden. So will es der Hedge-Fonds TCI, der dafür sorgte, daß Börsenboß Werner Seifert und Aufsichtsratschef Rolf Breuer gehen müssen. Der Ex-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion berät TCI mit seiner Kanzlei Mayer, Brown, Rowe & Maw.
Anwälte entdecken neue Betätigungsfelder, das zeigt das Beispiel Merz. Immer häufiger haben Kanzleien neben Rechtsberatung auch Lobbyismus im Angebot. Während die einen auf Firmenpolitik einwirken, versuchen sich die anderen auf dem politischen Parkett in Berlin. "Public Policy Advisory" nennen die Kanzleien die Einflußnahme auf politische Entscheidungen gegen Bezahlung

 

(Sh. "Kanzleien mischen in der Politik mit - Rechtsanwälte entdecken den Lobbyismus", morgenpost.de, 23.5.2005.)
 

Die Sanierung der IKB mit  den staatlichen Steuer-Milliarden wurde jedenfalls politisch geschickt begründet, indem man die IKB  vorher zur Begriffsverwirrung zunächst als eine staatliche Bank dargestellt hat. Dies behauptete auch Friedrich Merz in der Debatte mit Oskar Lafontaine bei Maybrit Illner am 30.10.2008. Dabei musste er doch am besten wissen, dass nur 38 Prozent der IKB im Staatsbesitz der KfW waren (sh. Wikipedia: IKB_Deutsche_Industriekreditbank, mit weiteren Nachweisen, Stand 31.10.2008). Statt dessen behauptete er gegen Lafontaine bei Illner, dass es 96 Prozent seien. Er hätte dies spätestens wissen müssen, als Gregor Gysi am  15.2.2008 in einer Bundestagsrede sagte:


Es war ein Kardinalfehler, dass Sie bis heute 80 Prozent der Lasten bei der IKB übernehmen, obwohl wir nur 38 Prozent der Anteile halten. Darin liegt Ihre eigentliche Verantwortung.


Aber verblüffenderweise erhielt der Autor des Buches "Mehr Kapitalismus wagen" mit seinen demagogischen Irreführungen auch noch mindestens den gleichen Applaus wie Lafontaine in der Talkshow. Dies liegt sicher nicht nur daran, dass die Gegner von Lafontaine die meisten Claqueure aufbieten können, sondern vor allem an der jahrzehntelangen Volksverdummung durch die neoliberalen Meinungsmacher.

In Wirklichkeit hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit seinen Firmen bei der IKB den maßgeblichen Einfluss, wie man aus der Zusammensetzung des Aufsichtsrats leicht erkennen kann (sh. auch das obige taz-Interview von Oskar Lafontaine). Nach dem Milliardensegen aus der Staatskasse hat allerdings der KfW-Manager Werner Oerter den Aufsichtsratsvorsitz von dem Ex-Eon-Chef Ulrich Hartmann übernommen (sh. "Krisenbank - Neuer Chefaufseher bei der IKB", manager-magazin.de, 29.3.2008). Weiter heißt es in dem Artikel: "Zum stellvertretenden Vorsitzenden wählte das Gremium Dieter Pfundt, Persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA." Dieses Bankhaus war an der IKB mit fünf Prozent beteiligt. Der "Finanzinvestor" Lone Star bestellte dann zum Aufsichtsratsvorsitzenden "Bruno Scherrer, Head of European Investments, Senior Managing Director, Lone Star, London" (sh. Webseite der IKB, Stand 1.11.2008).

Der russische Bankier und Touristik-Unternehmer Alexander Lebedew, der vorher schon den Öger-Touristik-Konzern gekauft hatte und nun für die IKB deutlich mehr als Lone Star bieten wollte, meinte zum Schnäppchen-Preis für den Mandanten der Merz-Kanzlei:

 

"Bei aller Hochachtung vor Deutschland – die mangelnde Transparenz des Verfahrens riecht mehr nach den Verhältnissen in meiner Heimat Russland."

 

(Sh. "Mangelnde Transparenz - Russischer Oligarch kritisiert IKB-Verkauf", spiegel.de, 7.9.2008.) Der Lone-Star-Vertreter Friedrich  meinte dagegen "Der Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung". Er lobte die "moralische Überlegenheit" dieser Wirtschaftordnung sogar noch in seinem Buch: "Mehr Kapitalismus wagen" (Piper-Verlag, 2008, sh. Florian Rötzer: "Der Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung", heise.de, 9.10.2008.)
Sein Problem ist anscheinend nur, dass für die Abzocker-Profite aus dem Volkseinkommen auch noch Steuern bezahlt werden sollen (sh. hier rossaepfel-theorie.de).


Jedenfalls führt der "Kapitalismus" in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass die Pensionszahlungen an die Verantwortlichen aus den Chefetagen einbehalten werden, um daraus einen Teil der Schadenersatzforderungen gegen sie auszugleichen (sh. "Erste Bank-Manager sollen Geld zurückzahlen", spiegel.de, 23.10.2008) zugunsten der IKB-"Finanzinvestoren" von Friedrich Merz & Co.! Die verantwortlichen IKB-Chefaufseher bleiben aber von  solche Schadenersatzforderungen unbehelligt, so auch die Bundes-Ministern Steinbrück und Glos, die beim IKB-Hauptaktionär KfW das Sagen hatten (sh. "KfW übernimmt Macht im IKB-Aufsichtsrat", welt.de, 30.3.2008).

Auch  bei der staatlichen Sachsen-LB wurde ihr hauptverantwortlicher Verwaltungsratschef, der sächsische Finanzminister Horst Metz (CDU), von seinen Parteifreunden nicht auf Schadenersatz verklagt, obwohl die Bank ihre Milliarden-Risiken in ihren eigens gegründeten irischen Zweckgesellschaft verschleiert hat (sh. Wikipedia: Sachsen_LB).  Offenbar wurden solche Verschleierungen von den neoliberalen Regierungen nicht als Bilanzbetrug unter Strafe gestellt. Bei der Bayerischen Landesbank blockieren die CSU-Aufseher sogar die Aufklärung solcher Milliarden-Verluste auf Kosten des Steuerzahlers (sh. "Huber will nicht der Alleinschuldige sein - Horst Seehofer erzwingt Erwin Hubers Rücktritt", welt.de, 22.10.2008). Möglicherweise befürchten ihre Aufseher, wie z.B. der bayerische Finanzminister Huber, Staatminister Joachim Herrmann oder Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, dass diese Vorstände dann auf die stillschweigende Duldung durch die Kapitalismus-begeisterten CSU-Politiker verweisen. Zumindest wollten sie nicht vor der Bayern-Wahl vom 28.9.2008 ihre Unfähigkeit als Aufseher und Volksvertreter publik werden lassen.
 

Auch nach der Bayernwahl und kurz vor der Bundestagswahl setzt die CSU die Verschleierung ihrer Verantwortlichkeit für die verzockten Milliarden bei der Hypo Real Estate fort. Man hätte vielleicht erwartet, dass sie unter ihrem neuen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Horst Seehofer zu mehr Ehrlichkeit kommen würde. Aber ganz im Gegenteil treibt sie nun dieses üble Spiel auf die Spitze, indem sie sogar mühsam erreichte Gesetze für mehr Transparenz außer Kraft setzen will. Zu diesem Winkelzug von Seehofer heißt es in der Sendung KONTRASTE vom 5.2.2009 unter der Überschrift "Geheim - Weniger Transparenz bei Staatshilfen":

 

Mitten in der Wirtschaftskrise will er die Transparenz abschaffen. Wo Banken und Politiker Fehler machen, das soll in Zukunft niemand erfahren.
 

Seehofer will brisante Akten geheim halten - die Kontrollberichte der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
 

In deren Berichten ist zu lesen, was schief lief, wie die Aufsicht, wie Gremien, nicht selten besetzt mit Politikern, wie Banker versagt haben.

Heikle Akten also. In die niemand mehr einsehen soll.

 

(Sh. KONTRASTE, rbb-online.de, 5.2.2009.) Eine solche Einsichtnahme wurde bisher garantiert durch das Informationsfreiheitsgesetz. Genau das missfällt nun Seehofer und der CSU. Äußerer Anlass ist der Wunsch nach Akteneinsicht eines Rentners in einem Prozess gegen einen Finanzdienstleister. Aber tatsächlich geht es um die Hintergründe der Verschleierung. Dazu

 

Wolfgang Gerke, Wirtschaftswissenschaftler, Bayerisches Finanz Zentrum:

"Im Moment gibt es am meisten zu verstecken. Was hätte die Aufsicht sehen müssen, was hat sie gesehen und trotzdem keine Maßnahmen eingeleitet, und was ist ihr durch die Lappen gegangen. Das kann ein Außenstehender nicht beurteilen. Es sei denn er hat Akteneinsicht."

 

Weiter heißt es (ebd.):

 

Die Hypo-Real-Estate, bald ein Grab für 100 Milliarden? Steuergelder – Wer in der Politik trägt Mitverantwortung?
Oder die Bayern LB: was haben die Politiker von der CSU wirklich gewusst?

 

Gegen die Fortsetzung der maßlosen Finanzspekulation gibt es bisher nur Lippenbekenntnisse. Als einfachstes und sofort realisierbares Mittel zur Verteuerung der Spekulation wäre die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer vorzuschlagen, wie sie auch in etlichen anderen Staaten existiert. Aber das lehnen die Neoliberalen in Deutschland mit hergesuchten Begründungen ab (sh. ihren massiven Einfluss in der Wikipedia unter: Börsenumsatzsteuer). Statt dessen haben sie lieber noch einmal zu Lasten der Ärmsten die Mehrwertsteuer erhöht von 16 auf 19 Prozent, obwohl diese natürlich auch "als Transaktionen die Effizienz der" Märkte senkt und nicht nur die Großspekulanten und kleinen Aktiensparer belastet. Schon mit 0,1% Börsenumsatzsteuer könnte man in Deutschland höhere Steuereinnahmen zum Wohle der Allgemeinheit erzielen als mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte (lt. einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) (sh. "Börsenumsatzsteuer reloaded", boerse.ard.de, 11.2.2009.) Die diversen deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten der Neoliberalen stehen dagegen eher im Dienste ihrer Geldgeber. Aber eine spekulationsbremsende Börsenumsatzsteuer müsste eher bei 0,5% als bei 0,1% liegen.

 

DIE WELT ONLINE als ein Sprachrohr der Neoliberalen schreibt dazu am 2.3.2009 unter der irreführenden Überschrift "Mittelschicht zahlt mehr Steuern als vor 20 Jahren":

 

Die Union lehnt höhere Abgaben für Spitzenverdiener ab, ebenso die Börsenumsatzsteuer, die die SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück fordern. "Wie man sich ausgerechnet jetzt die Köpfe über neue Steuern zerbrechen kann, ist mir unverständlich", sagte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) der "Bild am Sonntag". Die Börsenumsatzsteuer entspreche der überkommenen Idee, "Sand ins Getriebe der Finanzmärkte zu streuen". Eine solche Steuer sei gerade jetzt kontraproduktiv, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Meister.

Steinmeier verteidigte dagegen den Vorschlag. Nicht nur der durchschnittliche Steuerzahler dürfe bei der Bewältigung der Krise herangezogen werden. Die starken Schultern müssten etwas mehr tragen als die Schwachen.

 

Man sollte meinen, dass die Neoliberalen mit ihrem Spruch "Freiheit statt Sozialismus" etwas gelernt hätten aus der Finanzmarktkrise, die sie zu mit ihrer ideologiegetriebenen Entfesselung der Finanzmärkte und wirtschaftlichen Versklavung von Umverteilungsopfern zu verantworten haben. Sie selbst haben mit ihrer üppigen Selbstbedienung von einer solchen Krise nichts zu befürchten, ebensowenig ihre tonangebenden Meinungsmacher bei der Springer-Presse von BILD bis WELT, ganz im Gegensatz zu den eigentlichen Produzenten des Volkseinkommens und regulären Steuerzahler. Aber mit ihrer Deregulierungswut treiben sie viele von diesen Unschuldigen ins Elend und unterstützen ihre finanzstärkste Kundschaft bei der Steuerhinterziehung.
 

Im eskalierenden Streit mit der SPD haben die "Christlichen" jetzt den weniger bekannten Politiker Otto Bernhardt vorgeschickt, weil ihre wichtigsten Trommler allmählich befürchten müssen, dass sie bei der bevorstehenden Bundestagswahl als Handlanger der Steuerparasiten dastehen (sh. "Union will Steueroasen-Gesetz kippen Bernhardt: Steinbrück muss Steuergesetz aufgeben", zdf.de, 25.3.2009). Als Parole dient ihnen der alte Vorwand der Parasitismus-Profiteure, dass es keine "Alleingänge" in der EU geben dürfe. Dahinter verschanzen sich auch immer schon Luxemburg, Österreich, Belgien und Großbritannien mit ihren Geldverstecken, als ob die Schweiz und Liechtenstein erst ihre Zustimmung geben müsste. Schließlich gebe es auch ehrliche Unternehmer, die mit den Kleinstaaten  Geschäfte machen. Vor allem gibt es aber die großen EU-Staaten, mit denen die Schweiz und Österreich Geschäfte machen wollen. Und das sollen sie auch, sobald sie gegen die EU nicht länger die kriminellen Machenschaften unterstützen und damit den Neoliberalen in Deutschland in die Hände spielen.



Zu der weitgehend risikolosen Zockerei für solche Politiker und "Unternehmer" ohne Unternehmerrisiko hat der US-Nobelpreisträger und Finanzexperte Joseph Stiglitz unter anderen sogar dem Focus ein Interview gegeben. Seine folgenden Aussagen über die Politik der Bush-Regierung gelten auch in verkleinertem Maßstab für die deutschen Marktradikalen:
 

"Ihre Wirtschaftspolitik war eher eine Wohlfahrtspolitik für Big Business, eine Politik der Agrarsubventionen und des Protektionismus. Nach der Devise: Privatisierung der Gewinne, Verstaatlichung der Verluste."

 

Eine der Hauptursachen für die Krise sei die fehlende Aufsicht gewesen, erklärte der 2001 ausgezeichnete Nobelpreisträger. "Amerikas Regulatoren sind so überzeugt, dass der Markt immer Recht hat, dass sie gar nicht auf die Idee kamen einzugreifen." Auf die Frage, ob den Verantwortlichen an der Wall Street die Gefahr nicht bewusst gewesen sei, antwortete Stiglitz: "Der Punkt ist doch: Sie spielen mit dem Geld anderer Leute. Wie sollen sie da einen Sinn für das Risiko haben?"

 

(Sh. "US-Wirtschaftsmodell hat ausgedient", focus.de, 19.10.2008.)



 

6) Verbal-Radikalismus von Finanzminister Steinbrück

Parasitismus mit Rechtsverdrehung
 

 

Die Parasiten-Staaten in der EU blockieren gemeinsame Maßnahmen ihrer Opfer-Staaten. Dazu heißt es in EpochTimes Online am 21.10.2008 unter der Überschrift: "Steinbrück droht 'Steueroase' Schweiz mit Peitsche":

 

Deutschland, Frankreich und 15 weitere OECD-Länder erhöhen den Druck auf Steueroasen: Staaten wie die Schweiz und Luxemburg, die nicht bereit seien, die Transparenzgrundsätze der OECD einzuhalten, sollen auf die Schwarze Liste, forderte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück am Dienstag in Paris. Die Schweiz kommentierte die Forderung vorerst nicht.

 

Vor allem Steinbrück schlug scharfe Töne an "Statt Zuckerbrot müssen wir auch zur Peitsche greifen", sagte er auf einer internationalen Konferenz zum schädlichen Steuerwettbewerb. Österreich, Luxemburg und die Schweiz waren trotz Einladung nicht nach Paris gekommen, was die Zerstrittenheit in Europa deutlich machte.

 

Statt mit derartigem Verbalradikalismus Eindruck zu schinden, müsste Steinbrück endlich gegen solche EU-Staaten vorgehen, hinter denen sich die übrigen Schmarotzerstaaten verstecken. Wie schädlich solche kleinen neoliberal regierten Mitglieder für die EU sind,  ergibt sich auch aus der Reaktion der Schweizer Neoliberalen auf die Transparenz-Blockade durch diese Staaten und die angebliche "Zerstrittenheit", die lediglich auf Komplizenschaft beruht. Dazu schreibt der SPIEGEL ONLINE am 30.12.2008 unter der Überschrift "STREIT UM STEUERHINTERZIEHUNG – Schweiz lässt Steinbrück ins Leere laufen":

 

Im Schweizer Finanzministerium, dem Eidgenössischen Finanzdepartment (EFD), zeigte man sich über die neue Attacke Steinbrücks im Steuerstreit "nicht überrascht", wie Sprecher Roland Meier auf Anfrage sagte. "Wir sind bereit, Schlupflöcher im Zinsbesteuerungsabkommen zu stopfen", sagte Meier. Doch entsprechende Forderungen müssten einstimmig von der EU kommen, nicht nur aus Deutschland allein.

 

Um die Steuerhehlerei etwas zu verbrämen, hat man in der Schweiz einen maßgeschneiderten Unterschied erfunden zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Dazu heißt es bei alliancesud.ch:

 

Hinzu kommt die weltweit einzigartige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und

Steuerhinterziehung bzw. die Ausgestaltung des Bankgeheimnisses. Ausnahmen vom Bankgeheimnis sind zwar möglich, zum Beispiel bei Verdacht auf Geldwäscherei oder Steuerbetrug (Urkundenfälschung), nicht aber bei Steuerhinterziehung (falsche, bzw. unvollständige Steuerdeklaration) 4. Weil in der Schweiz nur der Steuerbetrug, nicht aber die Steuerhinterziehung strafbar ist, leistet sie bei Steuerhinterziehung keine internationale Rechtshilfe (Prinzip der doppelten Strafbarkeit). Steuerpflichtige in der Schweiz werden jedoch administrativ verfolgt und mit Bußen bestraft.

 

(Sh. "Fact Sheet: Die Schweiz und die internationale Steuerhinterziehung", 12/2003, S. 2, zu finden auch mit dem Suchwort "Steuerhinterziehung" auf der Seite alliancesud.ch.)

 

Das Schweizer "Prinzip der doppelten Strafbarkeit" bestimmt für eine Amtshilfe die Voraussetzung, dass das Steuervergehen sowohl in der Schweiz als auch in dem geschröpften Wohnsitzland des Steuerhinterziehers strafbar ist. Da aber Steuerhinterziehung zu Lasten eines fremden Staates in der Schweiz nicht strafbar ist, kann es dafür angeblich auch keine Amtshilfe geben. Dazu heißt es in dem obigen SPIEGEL-Artikel weiter:

 

Die Schweiz und Liechtenstein sollten die gleiche Hilfe bei Steuervergehen gewähren wie den Vereinigten Staaten, forderte er [Steinbrück]…

Die Schweizer sehen sich trotz der Steinbrück-Attacken nicht veranlasst, die Gesetze zu verschärfen: Steuerhinterziehung werde auch in der Schweiz bekämpft und mit happigem Bußgeld belegt, so die Argumentation der Schweizer Regierung. Im Falle der USA gehe es um Steuerbetrug, zudem hätten die USA ein Amtshilfegesuch eingereicht, sagte Regierungssprecher Meier. Wenn Deutschland ein solches bezüglich Steuerbetrugs einreichen würde, würde die Schweiz diesem Folge leisten, sagte Meier. Doch ein solches Gesuch liege nicht vor.

 

Ein solches Gesuch erfordert aber, dass der Antragsteller alle Blockaden überwindet, mit denen das Schmarotzertum abgesichert werden soll. Zu einem Schweizer Rechtsgutachten in einem entsprechenden Streitfall mit dem USA heißt in der NZZ am Sonntag vom 16.11.2008:

 

Knackpunkt: Steuerbetrug oder nicht?
Gutachter Prof. Urs Behnisch kommt nun in seinem Gutachten zum Schluss, dass «das bloße Zwischenschalten einer Vermögensverwaltungs-Gesellschaft kein ausreichendes Indiz für Steuerbetrug ist. Nach Schweizer Recht kann man bei der Errichtung einer Offshore-Gesellschaft nicht einmal von Hinterziehung von Einkommenssteuern sprechen. Diese ist erst gegeben, wenn sich der Eigentümer von dieser Gesellschaft Geld auszahlen lässt und diese Dividende nicht deklariert.» Für Steuerbetrug, so Behnisch weiter, brauche es eine inhaltlich unwahre Urkunde oder ein Lügengebäude. Darunter falle unter anderem das Ausstellen falscher Rechnungen, eine Fälschung der Buchhaltung oder dass der Verdächtige mit der zwischengeschalteten Struktur Geschäfte zu Vorzugskonditionen abwickle.

 

(Sh. "UBS und die Berner Steuerbehörde geben sich selbstsicher.

Empörte US-Kunden gehen gegen UBS vor
Sie werfen der Bank vor, das Bankgeheimnis verletzt zu haben. Schweizer Anwälte, die Dutzende von amerikanischen UBS-Kunden vertreten, wehren sich gegen eine Weitergabe von Kundendaten an die USA."

Auch gespeichert unter http://www.solami.com/ubs.htm. Sh. auch "STEUER-SKANDAL: Fürstenbank LGT schwänzt Anhörung vor US-Senat", Spiegel Online, 18.7.2008)

  

Die USA drohen dagegen einfach mit der flächendeckenden Schließung von Schweizer Bank-Filialen und mit der Anklage ihrer Betrugs-Anstifter wegen Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, da UBS-Strippenzieher – ebenso wie in den deutschen UBS-Filialen – ganz offensichtlich bei der Steuerhinterziehung mitgewirkt haben sollen (sh. "USA erhöhen den Druck", nzz.ch, 16.12.2008, und "Dem Schwarzgeld auf der Spur – Banken als Komplizen", frontal21.zdf.de, 23.9.2008, und besonders auch "KAMPF GEGEN STEUERFLUCHT: Nichts geschehen gegen Steueroasen", frontal21.zdf.de, 21.1.2009, in der letzten Frontal21-Sendung des engagierten ZDF-Journalisten Theo Knoll, der danach im ZDF-Auslandsjournal unschädlich platziert wird). Dass sich die großen EU-Staaten wie Deutschland von solchen Kleinstaaten dermaßen vorführen lassen, liegt vor allem daran, dass sie ähnliche parasitäre Staaten bereitwillig in die EU aufgenommen haben und diese Blockierer ebenfalls von dem Betrug profitieren, ebenso wie einflussreiche Millionenbetrüger in den großen Staaten.

 

Die folgende Passage aus dem obigen "Fact Sheet…" zeigt, dass die Schuldigen auch in der Schweiz gegen das Volk regieren:

 

Vor allem mit ihrer Weigerung, bei Verdacht auf Steuerhinterziehung internationale

Rechtshilfe zu leisten, fördert die Schweiz aktiv den Zustrom von steuerhinterzogenen Geldern. Und obwohl der Druck aus dem Ausland steigt und eine deutliche Mehrheit der Schweizer Bevölkerung durchaus für eine Lockerung des Bankgeheimnisses bei Verdacht auf Steuerhinterziehung ist5, meinte der 2003 zurückgetretene Bundesrat Kaspar Villinger stur: "Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar." Zur Zeit bemühen sich rechtsbürgerliche Politiker sogar, das Bankgeheimnis in der Verfassung zu verankern.

 

Es ist genau dieser Kaspar Villinger, der schon im in einer Ständerats-Sitzung vom 2.6.2003 erklärt hat, wie man dem Steuer-Parasitismus begegnen kann:

Wir müssen mit den Amerikanern und als Welthandelsnation auch mit allen uns umgebenden Staaten zu einem Einvernehmen kommen. Wenn uns drei, vier Staaten das Doppelbesteuerungsabkommen kündigen, haben wir ein Problem, und zwar ein echtes und ein substanzielles.
 

Es dürfte Peer Steinbrück nicht schwerfallen, etliche Opfer-Staaten des Parasitismus wie Frankreich und die Skandinavier zu einem solchen gemeinsamen Schritt zu bewegen. Dann würden auch die Ausrede der Parasitismus-Profiteure in der EU wegen der Chancengleichheit mit der Schweiz entfallen. Solange Steinbrück es bei seinem Verbal-Radikalismus belässt, unterstützt er selbst diese Zustände.

 

Tatsächlich sind Peer Steinbrück und seine neoliberale Regierung nun als Kritiker des Steuerdumpings selbst völlig unglaubwürdig geworden, denn  inzwischen haben  sie nach ihrer Absenkung der Besteuerung von Kapitalerträgen von 53 und 42 Prozent auf 25 Prozent Abgeltungssteuer seit dem 1.1.2009 sogar noch die Schweizer Dumpingsteuer von 35 Prozent unterboten, die durch den Parasitismus subventioniert wird (sh. Wikipedia: Kapitalertragsteuer, Verrechnungssteuer und hier Unternehmenssteuerreform.htm sowie die irreführende Tabelle des Bundesfinanzministeriums: "Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich", 2007, S. 72-73, die Tabelle von den Dumping-Lobbyisten des Dresdner Bank MEDIEN SERVICE: "Tabelle: Internationaler Vergleich", 12/2008, Seite 8, und ESTV.ADMIN.CH: "Das Schweizer Steuersystem", S. 6). Die deutschen Neoliberalen bezeichnen diese Kritik der Schweizer neoliberalen Gleichgestrickten zwar zu Recht als reines Ablenkungsmanöver, aber das erhöht nicht ihre eigene Glaubwürdigkeit, auch wenn die Steuerparasiten zu den Hauptschuldigen des Dumpingwettlaufs und der perfiden steuerlichen Umverteilung nach oben gehören.


 

 

7) Untersuchungsausschuss zum Kontrollversagen bei der Hypo Real Estate

 

FDP, Grüne und Linke fordern einen Untersuchungsausschuss zum Kontrollversagen bei der Hypo Real Estate. Es geht um deren Milliarden-Verlusten zu Lasten des Steuerzahlers (sh. das Interview mit Peter Struck:
"Ein 'unanständiges Wahlkampfmanöver'", dradio.de, 28.3.2009). Darin müsste aber vor allem die Verantwortung der Ausschuss-Befürworter in der Union für diese Milliardenverluste untersucht werden. Es wäre auch zu klären, warum die bayerische  CSU-FDP-Regierung unter Horst Seehofer die gesetzlichen Informationsrechte zu diesem Thema beschneiden will.  Von den "christlichen", "liberalen" und "sozialdemokratischen" Neoliberalen ist allerdings wegen ihrer erheblichen Mitverantwortung für diese Verluste kaum ein ernstzunehmendes Untersuchungsergebnis zu erwarten. Auch in ihren Medien gibt es nur Verschleierungen. Ganz im Gegensatz dazu steht ein Artikel von Thomas Lukscheider, der sich unter anderem die deregulierungswütigen Heuchler von der FDP vornimmt unter der Überschrift: "Kollektiver Blackout bei der FDP? Von Drückern, Oasen und Scharlatanen" :

 

Nun auf einmal gerieren sich ausgerechnet die Spitzenvertreter dieser Drückerkolonne für Schrottpapiere als Lordsiegelbewahrer seriöser Finanzgeschäfte. Nun plötzlich will die FDP das alles nicht gewesen sein, spielt Prinzessin "War ich nicht" und Guido Westerwelle mimt den immer schon unverstandenen Bußprediger. Bereits 2002 habe er angeblich für eine schärfere Bankenaufsicht plädiert (so am 7.10.2008 im Bundestag und immer wieder in zahlreichen Vorträgen und Interviews der letzten Wochen und Monate).

 

Doch die Wahrheit sieht anders aus: 2002 wollte die FDP Hans Tietmeyer von der Bundesbank die generelle Finanzaufsicht im Lande übertragen, jenem Hans Tietmeyer, der seit 2002 die irische Depfa und danach die Hypo Real Estate beaufsichtigt hat, genau die Hypo Real Estate, die jetzt wegen eben jener Depfa zum Fass ohne Boden für zig Milliarden an Steuergeldern geworden ist. Jeder kann sich ausmalen, was ein Herr Tietmeyer als oberster bundesweiter Finanzaufsichtschef bedeutet hätte. Nein danke, Herr Westerwelle, kann man da nur sagen.

 

Im selben Jahr 2002 stemmte sich die FDP zusammen mit der Union dagegen, dass die Bankenfinanzaufsicht Bafin Leerverkäufe untersagen kann. Leerverkäufe sind eine der treibenden Kräfte des Finanzchaos. Damals im Jahre 2002 meinten Union und FDP jedoch, ein Verbot von Leerverkäufen leiste "keinen Beitrag, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen" (Entschließungsantrag zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, Bundestags-Drucksache 14/8674).

 

(Sh. den äußerst lesenswerten Artikel in der  Linkszeitung vom 15.2.2009, und die Antwort der FDP auf die Finanzmarktkrise lt. PANORAMA-Bericht vom 5.3.2009: "Partei der Unbeirrbaren - FDP preist Selbstheilungskräfte des Marktes", daserste.ndr.de, 5.3.2009. Sh. auch das Buch "Mehr Kapitalismus wagen" von Friedrich Merz (CDU) der mit dieser Lobbyisten-Antwort noch mehr von der Krise profitieren könnte.)

 

Die genannten Vorstöße kamen zwar mindestens so sehr von der FDP-Lobbyisten wie von den "Christlichen", aber der Entschließungsantrag stammt von der CDU/CSU unter der Federführung ihrer Oberchristen Friedrich Merz und Michael Glos (sh. Bundestags-Drucksache 14/8674 vom 19.2.2002). Darin heißt es:

 

Die Ermächtigung für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, in bestimmten Marktsituationen Leerverkäufe zu untersagen, liefert keinen Beitrag, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen, schafft aber gleichzeitig unnötige Unsicherheit bei den Marktteilnehmern und mindert damit die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland. Hierauf haben alle Experten einhellig in der Anhörung des Finanzausschusses hingewiesen. Die Bundesregierung setzt sich mit dieser Regelung wissentlich über den Sachverstand aller Experten hinweg.

 

Der Hinweis auf den "Sachverstand aller Experten" scheint sogar begründet, denn die tonangebenden deutschen "Experten" oder Lobbyisten in Medien, Politik und "Wissenschaft" waren in der Tat die Vorkämpfer für eine maßlose Deregulierung der Finanzmärkte, ihre Befreiung von Regeln zu Lasten des Steuerzahlers, und für die Etablierung der Wudu-Ökonomie (sh. rossaepfel-theorie.de). Besonders propagieren die "Christlichen" in dem Forderungskatalog für ihre Kundschaft auch weitere Frei-Räume zur Steuervermeidung und ‑hinterziehung, unter anderem gegen ein "Konten-Screening", mit dem die Steuerhinterziehung bekämpft werden sollte. Die FDP will ihrer Kundschaft den angeblich "gläsernen Bürger" ersparen (sh. Rede von Gerhard Schüßler (FDP) am 22.3.2002 lt. Protokoll zur 228. Sitzung im Bundestag, zu finden mit Eingabe der Drucksachen-Nummer unter "Parlamentarische Vorgänge" in "Langform"). Den "gläsernen Bürger" soll es jedenfalls nicht bei den FDP-treuen steuerlichen Großbetrügern geben, sondern nur bei den Hartz-IV-Opfern ihrer Umverteilung nach oben, wenn die ihre monatlich 350 Euro unter der Hand noch ein wenig aufstocken.

 

In ihrem "Antrag zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland" (sh. Bundestagsdrucksache 15/748 vom 1.4.2003) hat die Union nochmal nachgelegt, weil ihr die Deregulierung durch den Schröder-Clan zugunsten von "Heuschrecken" (Private Equity) und des großen Finanzkapitals nicht ausreichte. Sie wollte insbesondere "die steuerrechtlichen Unsicherheiten im Bereich von Private Equity" beseitigen und ihre unersättliche Forderung nach Steuersenkung für Bestverdiener unter dem Deckmantel der wünschenswerten "Steuer-Vereinfachung" wiederholen.

 

Diese Privatisierung der Gewinne zugunsten der Zocker und die Sozialisierung der Verluste zu Lasten den Steuerzahlers fand ihren vorläufigen Höhepunkt im "Investment-Modernisierungsgesetz" der Schröder-Clans zur Erleichterung des Marktzugang von Hedgefonds, Derivaten und "toxischen" Papieren. Aber auch das ging den "Christlichen" und der FDP nicht weit genug, ebenso wie die fortwirkende steuerliche Umverteilung nach oben durch die rosa-grünlichen Koalition. Thomas Lukscheider schreibt dazu (a.a.O.):

 

Am 1. Januar 2004 tritt Schröders Investmentmodernisierungsgesetz in Kraft und schafft die Grundlage für die Zulassung von Hedgefonds. Der Union und FDP geht auch das wiederum nicht schnell und nicht weit genug. Am 29. Oktober 2004 lädt die Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) zu einem Vortragsbufett der Maleki Group ins Hilton-Hotel Frankfurt. "Pro Finanzstandort Deutschland!", so nennt sich die Veranstaltung. Geladen sind als Besucher und Vortragende nur handverlesene Gäste. Auf dem Finanzplatzpodium II "Internationale finanzpolitische Rahmenbedingungen" findet man nach dem dem Coffee break um 16.30 Uhr u.a.: Friedrich Merz (CDU), Joachim Poß (SPD) und Professor Andreas Pinkwart, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Um 18.00 Uhr: Umtrunk auf Einladung der HypoVereinsbank AG.

 

Wer sich mit der Initiative näher beschäftigt, entdeckt als Sponsoren so erlauchte Namen wie Commerzbank und Deutsche Bank, Münchner Rück, Allianz, Morgan Stanley und Bayern LB sowie als assoziierte Mitglieder Citibank, UBS, Merrill Lynch - und Lehman Brothers.

 

Die Profiteure des Casino-Kapitalismus konnten trotzdem zufrieden sein. Die Schweizer Steuerrevue Nr. 12/2003, S. 900 – 903 vermeldete unter der Überschrift "Deutschland: Investmentmodernisierungsgesetz – Neuregelung für Anlagefonds":

 

Es ist generell eine Liberalisierung und Modernisierung der rechtlichen und steuerlichen Regelungen für Anlagefonds geplant. Dazu gehören, um nur einige Beispiele zu nennen, eine Aufhebung der gesetzlichen Fondstypen, erweiterte Anlagemöglichkeiten für derivative Produkte (wie Optionen und Futures), ein vereinfachter Verkaufsprospekt, eine bessere  Kostentransparenz für den Anleger sowie eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Erstmalig sollen «Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken» (Hedge Fonds) in Deutschland zum Vertrieb zugelassen werden.

 

Man bezeichnet hier also die zunehmende Deregulierung der "derivativen" Papiere zur Aufblähung der Finanzblase als "Modernisierung", ganz in Sinne von Schröders Motto: "Es gibt keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine moderne oder unmoderne".
 

Diese "modernisierte" Finanzblase wurde vom Schröder-Clan nicht nur aufgebläht, sondern auch noch weiter vergiftet nach Art der Lehmann-Zertifikate (ABS = Asset Backed Securities). So heißt es in der Begründung zum rosa-grünlichen Entwurf des sogenannten Kleinunternehmerförderungsgesetzes (BT-Drs. 15/537 vom 11.3.2003):

 

Mit diesen Maßnahmen werden in Deutschland wichtige Voraussetzungen für die Begebung von Schuldtiteln geschaffen, die durch Kreditforderungen der Banken unterlegt sind bzw. deren Rückzahlung an die Entwicklung solcher  Kreditforderungen gebunden sind (Asset Backed Securities bzw. Credit Linked Notes). Die Banken können damit ihre Kredite oder die Risiken daraus am Kapitalmarkt platzieren, indem diese zu größeren Portfolios verknüpft werden.

 

Obwohl die Banken nach diesem Prinzip hochverzinsliche Schrottkredite vergeben und an ahnungslose Kunden mit hohem Profit gebündelt weiter verscherbeln können, würden sie in Deutschland das Geschäft vielleicht sorgfältiger handhaben als die US-Banken. Aber zugleich erlauben die deutschen Neoliberalen die Verschleierung der zugrunde liegenden Kreditrisiken bei den EU-Zombie-Banken in Offshore-Steuer-"Oasen" von Irland (HRE/Depfa!) und anderswo.



Die Deregulierungs-Wut und so genannte "Modernisierung" des Finanzmarktes, mit der die deutschen Neoliberalen  jahrelang dem zerstörerischen Treiben hinterher hechelten,  bestand also vor allem in einer Verbreitung der Finanzwetten auf traditionelle Basiswerte, wie Wertpapiere, Devisen, Rohstoffe usw.  Der legendäre US-Investor Warren Buffett hat diese massenhaft zweckentfremdeten Derivate schon im Jahre 2002  als latente und potenziell tödliche "finanzielle Massenvernichtungswaffen" bezeichnet. Buffett: "In our view, however, derivatives are financial weapons of mass destruction, carrying dangers that, while now latent, are potentially lethal." (Sh. "Berkshire Hathaway Inc.: 2002 Annual Report", Omaha, 2003, und hier rossaepfel-exkurse.de/sammlung.htm.) Den "Christlichen" ging diese "Deregulierung" noch nicht weit genug. Noch heute wollen ihre Lobbyisten wie der "Finanzexperte" Friedrich Merz "Mehr Kapitalismus wagen".

 

Die Tonlage zur Beschreibung der Deregulierungs-Wut darf sich keinesfalls an den Abwiegelungen der Schuldigen orientieren – nach dem Motto „Wir müssen jetzt nur noch nach vorn schauen“. Ohne Rückschau schaffen sie schon jetzt die Grundlage für ein neues Debakel. Insofern trifft nicht nur Thomas Lukscheider (sh. oben) den richtigen Ton. Auch Heribert Prantl spricht hier eine deutliche Sprache in seinem Kommentar "Banken, Schattenbanken, Zombiebanken", sueddeutsche.de, 20.10.2008:

 

Warren Buffett, der Milliardär, hat diese Finanzprodukte als "Massenvernichtungswaffen" bezeichnet. Dort, in den Schattenbanken, Zombiebanken oder Zweckgesellschaften, wurde damit erst Geld verdient ohne Ende. Und jetzt zahlt der Staat ohne Ende, um die Verluste aufzufangen und die Wirtschaft vor dem Sturz in den Abgrund zu retten…

 

Die spanische Zentralbank hat den spanischen Banken die Abwicklung außerbilanzieller Geschäfte untersagt. Warum ging das, was in Spanien ging, in den anderen Ländern nicht? Warum ging das in Deutschland nicht?...

 

Im Oktober 2006 schrieb Jörg Asmussen, seinerzeit Leiter der Abteilung "Geld und Kredit" im Bundesfinanzministerium, jetzt dort Staatssekretär, einen Aufsatz in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, der dies illustriert: Es müsse, schrieb er, seitens des Finanzministeriums darauf geachtet werden, "dass den Instituten keine unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten entstehen werden, wenn sie in 'gängige' ABS-Produkte mit gutem Rating investieren". ABS steht für Asset Backed Securities und meint jene Finanzpakete, in die Kredite zerstückelt, verschnürt und dann weiterverkauft werden. Denn: Es "war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset Bank Securities in Deutschland stärker als bislang entwickelt". Der "Giftmüll des internationalen Finanzsystems" konnte also unter den Augen des Staates steuergefördert deponiert werden.


 

Die Deregulierungs-Profiteure haben ihre abgezockten Milliarden weitgehend in Sicherheit gebracht, womöglich bei unkontrollierbaren Steuer-Parasiten. Die verantwortlichen "Institute" wollen nun, dass der Staat ihnen auch ihre Schrottpapiere abkauft und bei einer staatlichen "Bad Bank" deponiert. In der Tat erfordern die abgewerteten Forderungen so starke Wertberichtigungen und Eigenkapital-Schrumpfungen in den Bilanzen der Banken, dass dadurch die Kreditversorgung der Wirtschaft auf systemgefährdende Weise eingeschränkt wird. Der mitverantwortliche Finanzminister Steinbrück will – wie auch immer - zumindest zwischen "toxischen Papieren" und "momentan illiquiden" Papieren unterscheiden und nur für letztere eventuelle Staatshilfen gewähren (sh. "INTERVIEW: DIW-Präsident will schnelle Lösung zur 'Bad Bank'", faz.net, 15.4.2009). Hierbei geht es z.B. um Schuldverschreibungen von Staaten wie Griechenland und Portugal, die bis zur Fälligkeit wieder auf ihren alten Wert ansteigen dürften (und sei es nur dadurch, dass sie dann mit neuen, teureren Krediten voll abgelöst werden). Eine Zulassung von derzeit überhöhten Bewertungen nach dem neuen US-Muster zur scheinbaren Stärkung der Eigenkapital-Basis ist trotzdem sehr problematisch (sh. dazu das umfangreiche Material unter http://www.ax-net.de/inhalt/standards/ias_39/ias39_inhalt.htm und dazu als Beispiel den "Zwischenbericht zum 30. September 2008" der Deutschen Bank).
 

Den "Christlichen" und der FDP gefällt diese Aufteilung gar nicht. Sie wollen anscheinend netter sein zu ihren Milliarden-Zockern und sie nicht auf ihren absoluten Schrottkrediten sitzen lassen. Nach ihrer Darstellung reicht es nur, wenn der Steuerzahler auch noch Hunderte von Milliarden an Zahlungsgarantien für diese Kreditleichen zugunsten der Banken und ihrer Aktionäre übernimmt. Auch die Liberalen möchten lieber die endgültig wertlosen Papiere zu Lasten des Steuerzahlers in Zweckgesellschaften entsorgen und dort "mit Garantien absichern, für die aber die Banken zu zahlen hätten" (so Hermann Otto Solms lt. Handelsblatt vom 2.4.2009 unter der Überschrift "Union lässt im Bad-Bank-Streit nicht locker"). Die Verschleierungs-Kunst entspricht dem bemerkenswerten FDP-Standard. In Wirklichkeit will man für die volle Verschrottung zu Lasten des Steuerzahlers lediglich eine Garantiegebühr erheben und ihm dadurch einen ordentlichen Geschäftsablauf vorgaukeln.

 

Entscheidend ist jedenfalls, dass durch die Bad Banks der Neoliberalen ihre Milliarden-Zocker nicht noch einmal profitieren. Dazu heißt es im Züricher Tagesanzeiger vom 14.4.2009 unter der Überschrift "Die Segnungen der Bad Bank":
 

In der «New York Times» hat Stiglitz ein Beispiel vorgerechnet: Die vergifteten Wertpapiere sind heute unverkäuflich und haben deshalb keinen objektiven Wert. Je nach Entwicklung der Finanzmärkte könnte ein Papier in einem Jahr mit einer Chance von jeweils 50 Prozent 0 oder 200 Dollar wert sein. Der mittlere Wert beträgt somit 100 Dollar. Wegen der Staatshilfe kauft die amerikanische Zweckgesellschaft das Papier für 150 Dollar. Der private Partner und der Staat wenden dafür je 12 Dollar Eigenkapital auf. Die restlichen 126 Dollar schiesst der Staat in Form eines garantierten Darlehens vor. Falls sich das Papier in einem Jahr als wertlos herausstellt, verliert der Private 12 Dollar, der Staat aber 138 Dollar.

Falls sich das Papier dagegen positiv entwickelt und sein Wert auf 200 Dollar steigt, erhält die Regierung ihr Darlehen von 126 Dollar zurück. Die restlichen 74 Dollar werden hälftig geteilt: Der Private hat somit einen Einsatz von 12 Dollar auf 37 Dollar verdreifacht. Der Steuerzahler, welcher 138 Dollar aufs Spiel gesetzt hat, kommt nur auf einen Gewinn von 25 Dollar.

 

Wenn man weiterhin auf die Ideologen den Neoliberalismus setzt, können also die Deponien zum Nutzen Parasiten und zu Lasten der Parasitismus-Opfer weiter ausgebaut werden.



Den Opfern dieser Deregulierung hilft es nicht, wenn sie zu Zehntausenden protestieren unter dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise" (so die Überschrift eines Artikels vom 28.3.2009 im Manager-Magazin zum G20-Gipfel). Die Ideologen der Deregulierung sind aber nach wie vor gut bei Kasse. Für den Promoter des Neoliberalismus und Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Prof. Michael Hüther, wie auch für den offenbar gleichgesinnten Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), Prof. Thomas Straubhaar, geht es dabei nicht um Ungerechtigkeit, sondern nur um "Die gefühlte Ungerechtigkeit - Warum wir Ungleichheit aushalten müssen, wenn wir Freiheit wollen", so der Titel, den sie trotz all dieser Exzesse Anfang 2009 für ihr gemeinsames Buch gewählt haben, als ob ihre Gegner alle Ungleichheiten beseitigen wollten. Sie setzen ihren angeblichen Realitätssinn gegen "wabernde Befindlichkeiten" (sh. das Interview mit Thomas Straubhaar vom 14.3.2009 als Audio bei inforadio.de).
 

Bei der Besetzung solcher Direktoren-Posten geht es anscheinend vor allem um neoliberale Linientreue. Man kann auch nicht erwarten, dass die Lobbyisten der Großunternehmen für ihr Institut der deutschen Wirtschaft einen kritischen Ökonomen einsetzen. Aber auch bei den anderen medienwirksamen Forschungsinstituten haben die neoliberalen Parteien offenbar genug Einfluss, um so etwas zu verhindern. Dies konnte man u.a. bei der Entscheidung über den DIW-Direktor Klaus Zimmermann gegen Gustav Horn beobachten.

 

Dagegen hat zumindest der ehemalige republikanische US-Notenbankpräsident Alan Greenspan den Wahnsinn seiner Deregulierungs-Wut und seines religiöses Vertrauen in die "unsichtbare Hand" des "waltenden Marktes" eingesehen, jetzt wo es zu spät ist. Dazu heißt es in einem Feature beim NDR-Info im Forum vom 6.4.2009 unter dem Titel: „Finanzkrise – Haben die Notenbanken versagt?“:


Aber nicht nur den Vorwurf, eine völlig falsche Geldpolitik betrieben zu haben, muss sich Greenspan gefallen lassen. Auch bei der Aufsicht der Banken habe er versagt, kritisiert der renommierte New Yorker Ökonomie-Professor Joseph Stiglitz: Greenspan habe zu sehr an die Selbstreinigungskräfte der Märkte geglaubt und zu wenig auf Kontrolle gesetzt. Greenspan gab lieber Finanzinnovationen freie Fahrt, die der erfolgreiche Investor Warren Buffet als Brandbeschleuniger bezeichnete. Da hilft es auch nicht, dass Greenspan im Oktober vor dem Kongress in Washington – völlig überraschend – bekannte: Er habe einen fundamentalen Irrtum begangen, in dem er die Selbstheilungskräfte so hoch eingeschätzt habe! Dies sei eine „schockierende“ Erfahrung gewesen, gab Greenspan im Gespräch zerknirscht zu Protokoll.

 

 


 


8) G20-Krisengipfel - Schwarzer Tag für Schwarze Liste
 


Der Londoner G20-Gipfel zur Finanzmarktkrise hat die schlimmsten Befürchtungen zur Mauschelei erfüllt. Man gießt aus Steuergeldern 1000 Milliarden $ in den Flächenbrand  und schafft dadurch wieder freie Hand für die Brandstifter. Diese können damit ihr profitables Geschäft anschließend fortzusetzen. Es erinnert an die Immobilienspekulanten, die erst die Wälder an Mittelmeerküsten abbrennen lassen, um sie dann mit Hilfe korrupter Politiker auch noch in Bauland umzuwandeln.

Das eigentliche Problem der Risiko-Verschleierung und Steuerhinterziehung in den Geldverstecken wird durch den Geldsegen verschüttet. Auf die viel beschworene Schwarze Liste setzte man lediglich vier Staaten, die aber in der aktuellen Lage kaum eine Rolle spielen, nämlich Uruguay, Costa Rica, Malaysia und die Philippinen. Nicht einmal die Geldverstecke in Irland stehen darauf, obwohl durch die Risiko-Verschleierung dort doch die Milliardenlöcher ganz wesentlich mitverursacht wurden, sowohl bei der Hypo Real Estate als auch bei etlichen anderen Banken.

Dazu heißt es in der Financial Times Deutschland vom 3.4.2009 unter der Überschrift

 
„G20-Beschluss zu Steueroasen - Schwarze Liste wird zu schwarzem Zettel“
 

Mit Zusagen über rund 1000 Mrd. $ ging der Gipfel in London zu Ende. Die Deutschen setzten sich mit ihren Nein zu weiteren Konjunkturpaketen durch und bekommen ihre schwarze Liste von Steueroasen - die aber gerade einmal vier Länder umfasst.
 

Gordon Brown ist nicht für emotionale Auftritte bekannt und auch am Donnerstagnachmittag trug er die Ergebnisse des G20-Gipfels in gewohnt nüchtern-nasalem Tonfall vor. Doch in der Wortwahl scheute der britische Premier keine Superlative: "Den größten makroökonomische Stimulus, den die Welt je gesehen hat", kündigte Brown an. 1000 Mrd. $ würden die 20 stärksten Wirtschaftsnationen im Kampf gegen die Krise bereitstellen. Noch vor wenigen Jahren wäre ein solcher gemeinsamer Kraftakt nicht möglich gewesen, sagte Brown. "Eine neue Weltordnung entsteht."
 

Durch das Herunterspielen der eigentlichen Probleme im Schatten der Milliardenschwemme hat Gordon Brown es geschafft, dass auch seine eigenen Parasitismus-Zentren auf den Kanalinseln nun auf der sogenannten "Weißen Liste" stehen, also nicht einmal auf der Grauen Liste, die für solche faulen Kompromiss geschaffen wurde. (Sh. zur "Grauen Liste" im Jahre 2000 den Artikel "Liechtenstein als einziges westeuropäisches Land in der Kritik ...", handelsblatt.com, 22.6.2000.) Um auf die Weiße Liste zu kommen, muss ein Staat mindestens zwölf Abkommen zum steuerlichen Informationsaustausch (TIEA - Tax Information Exchange Agreement) nach OECD-Standard geschlossen haben. Zu dieser Voraussetzung für die Kanalinseln schreibt die Baseler Zeitung am 4.4.2009 unter der Überschrift "Die unschuldig weißen Inseln vor Britanniens Küste":

 

Der Leiter des Informationszentrums Tax Research, Richard Murphy, warf Jersey vor, TIEA-Abkommen unter anderem «mit Ländern wie Grönland, den Färöern und Island» geschlossen zu haben, um sich aus der Schusslinie zu bringen. Ein 2001 mit den USA geschlossener Vertrag habe seither zur Herausgabe von Informationen «in nicht mehr als fünf Fällen» geführt. Das Problem mit den TIEA sei, «dass es unglaublich schwierig ist, solche Informationen anzufordern - und dass eine Steueroase sie ganz leicht verweigern kann». Auch die Tatsache, dass Jersey nicht über ein Trust-Register verfügt, ist vielfach kritisiert worden.
 

Regierungskritiker äusserten die Vermutung, Premierminister Gordon Brown sei beim G-20-Gipfel einen stillschweigenden Deal mit den anderen grossen Staaten eingegangen, um die Kanalinseln «weiss-waschen» zu lassen. «Wie China seine Steueroasen hat auch London seine Krongebiete eindeutig geschützt», meinte gestern der Verbund für Steuergerechtigkeit, der in der Kampagne gegen Steueroasen im Königreich eine führende Rolle spielt. «London, Wallstreet, Jersey und all die anderen dürften eigentlich nirgendwo auf einer weissen Liste stehen.» ...
 

Am Rande des G-20-Gipfels hatten auch hochrangige Vertreter der deutschen Delegation darauf hingewiesen, dass die Briten mit ihren Finanzzentren «eine sehr spezifische Interessenlage» verfolgten. Appelle zum Schutz dieser Interessen hatten die Inseln in den Wochen vor dem Gipfel an die Londoner Regierung gerichtet. Ein falscher Listenplatz könne Guernsey schweren Schaden zufügen, liess Inselchef Trott den britischen Premier wissen.
 

Einem Bericht des Londoner «Guardian» zufolge haben Jersey und Guernsey in jüngster Zeit sogar - für den Fall der Fälle - den Schritt zur Unabhängigkeit von Grossbritannien vorbereitet. Gesetzgeberische Vorbereitungen in dieser Richtung seien «weit fortgeschritten», berichtete die Zeitung, «und könnten jederzeit in Kraft gesetzt werden, wenn London versuchen würde, an den niedrigen Steuersätzen der Insel etwas zu ändern».


Auf der Grauen Liste stehen nun unter anderem die britisch Cayman Inseln zusammen mit der Schweiz, Liechtenstein und Monaco sowie die kleinen parasitären EU-Staaten Luxemburg, Österreich und auch Belgien.  (Sh. "OECD-Listen: Schwarz und Grau", wort.lu, 3.4.2009, sowie den Abdruck dieser Liste vom 2.4.2009 unter http://www.oecd.org/dataoecd/38/14/42497950.pdf.)  Besonders aktive und stark frequentierte Parasitismus-Zentren wie Dubai und andere Emirate fehlen auch dort (sh. "STEUERFLUCHT - Steueroase Dubai", zdf.de, Frontal21, 10.3.2009). Der Wikipedia-Artikel über "Steueroasen" folgt für 2009 ebenfalls der irreführenden OECD-Liste (Stand 5.4.2009).

Auf den Cayman-Inseln gibt es in einem einzigen kleinen Bürogebäude von wenigen Stockwerken inzwischen 17.000 Niederlassungen von internationalen Firmen, darunter die bedeutendsten Banken, auch aus Deutschland und natürlich aus den europäischen Steuer-"Oasen". Anstelle von Klingelschildern findet man bei der Hausverwaltung dieser Cayman-Zentrale eine Computer-Datei mit den Namen der Parasiten-Ableger. Ihr Geschäftsmodell ist ebenso simpel wie bei ihren parasitären europäischen Ablegern. Sie gründen einfach eine solche Briefkastenfirma zur Gewinnverschiebung, so dass ein Großteil ihrer Gewinne dort entweder ganz oder fast steuerfrei kassiert werden kann. (Sh. "ZDF spezial: G20 - Der Krisengipfel", Moderation: Theo Koll", zdf.de, 2.4.2009, 21:00 bis 21:45 Uhr.)  Der Sprecher der Briefkasten-Festung nennt diese Machenschaften dann auch noch gespielt arglos eine Hilfe zur Wettbewerbsfähigkeit. Und das ist gar nicht so abwegig, wenn der Wettbewerb vor allem über solches Schmarotzertum funktioniert. Die neoliberalen Abzocker des Volkseinkommens in Deutschland und anderswo gehen in ihrer Heuchelei noch weiter und nennen es "Steuerwettbewerb".
 

Barak Obama kritisiert zwar die Auswüchse auf den Cayman-Inseln, scheint aber stumm und hilflos im Hinblick auf die Steuer-Parasiten im eigenen Land mit eigener bundesstaatlicher Steuer-Gesetzgebung und verfassungsmäßigem Schmarotzer-Schutz. Dazu schreibt die Frankfurter Rundschau vom 2.4.2009 unter der Überschrift "G20-Gipfel - Eine Oase namens USA":
 

Kritiker werfen Obama vor, mit zweierlei Maß zu messen. "Er ist ein Heuchler. Die USA selbst sind die größte Steueroase der Welt", sagt Dan Mitchell, Steuerexperte des Cato Instituts in Washington.

Staaten wie Delaware und Nevada räumten Unternehmern weitgehende Anonymität ein, so Mitchell. Wer in Delaware eine Limited Liability Company (LLC) gründet, muss dafür noch nicht einmal in die USA reisen. Aus der Ferne lassen sich Kundenberater beauftragen, die auf Wunsch alles nötige erledigen. Viele der jährlich über 100 000 neu gegründeten Unternehmen in Delaware sind Briefkastenfirmen. Der Bundesstaat erhebt so gut wie keine Steuern. Wenn das Geld außerhalb der USA erwirtschaftet wird, und die LLC Ausländern gehört, müssen in den USA keine Unternehmenssteuern gezahlt werden. So eine Firmengründung kann in 48 Stunden abgeschlossen sein und bietet deshalb schnelle Hilfe, um Geld vor Steuerbehörden zu verstecken.

Weil Brasilianer ihre Geschäfte verstärkt in Delaware abwickeln, hat Brasiliens Regierung den Bundesstaat nun auf eine Liste der unkooperativen Steuerparadiese gesetzt...

Auch der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker bezeichnete Delaware in einem FR-Interview als Steueroase. Auf einer möglichen Schwarzen Liste von Steueroasen, so sagte er jetzt, müssten auch die Bundesstaaten Wyoming und Nevada auftauchen - sonst seien die G20 unglaubwürdig.
 

Der luxemburgische Vizepremier und Außenminister Jean Asselborn fand es befremdlich, dass sein Land schlechter gestellt wurde als Browns Kanalinseln. Er empörte sich aber  völlig zu Unrecht, dass sein Land überhaupt auf der Grauen Liste steht, da man sich doch wirklich "bemüht" habe (die schlimmsten Auswüchse des Steuer-Parasitismus ein wenig abzumildern). Im Deutschlandfunk klagte er am 3.4.2009 : "Solidarität ist Mangelware geworden". (Sh. "Diese Liste ist eine Zumutung", dradio.de, 3.4.2009, 8:11 Uhr.) Damit hat er wiederum recht, denn der Steuer-Parasitismus ist das absolute Gegenteil davon.


 

Asselborns Regierungschef Jean Claude Juncker versuchte auf ziemlich billige Weise in einem SPIEGEL-Interview, vom eigentlichen Kernpunkt abzulenken. Dazu schreibt DIE WELT ONLINE vom 9.5.2009 unter der Überschrift "EMPÖRUNG IN LUXEMBURG: Kritik an Steueroase erinnert an Nazi-Besatzung":


Mit Blick auf Äußerungen von SPD-Chef Franz Müntefering zu Steueroasen, wonach man früher Soldaten dorthin geschickt hätte, sagte Juncker: „Wir waren schon mal besetzt, wir haben unter deutscher Besatzung gelitten.“ Deutschland sei bis Juli 2005 selbst das größte Steuerparadies Europas gewesen sei. Bis dahin habe kein nichtansässiger Ausländer Steuern auf Zinseinkünfte zahlen müssen.

 

Juncker fügte aber völlig zu Recht hinzu:
 

Heute locke die britische Regierung größte Vermögen zielstrebig nach London, wo sie nur minimal besteuert würden. Aber über dieses „Steuerparadies für Multi-Milliardäre“ rede niemand, sagte Juncker.
 

Auch die Grünen entlarven dankenswerterweise die Halbherzigkeit des Verbalradikalismus von Peer Steinbrück:
 

Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin warf Steinbrück Unglaubwürdigkeit und Dilettantismus vor. Solange Steinbrück nicht unterbinde, dass die teilverstaatlichte Commerzbank und Landesbanken eigene Tochterfirmen in der Schweiz, Liechtenstein oder auf den Cayman-Inseln unterhielten, seien die Ankündigungen unglaubwürdig.
 

(Sh. ebd.)

Über das Zustandekommen der Schwarzen Liste heißt es in dem weiter oben zitierten Artikel der Financial Times vom 3.4.2009:

 

Vor allem auf Druck von Deutschland und Frankreich einigten sich die G20-Vertreter auch darauf, eine schwarze Liste von unkooperativen Steueroasen zu veröffentlichen. Insbesondere China hatte sich gegen das Dokument gewehrt, weil es um Steueroasen wie Hongkong und Macao oder Singapur in seinem Einflussgebiet fürchtete. In der von der OECD veröffentlichten Liste taucht jedoch keines dieser Länder auf, zudem ist sie sehr kurz: Lediglich Costa Rica, die Philippinen, Malaysia und Uruguay werden genannt.

 

Man sieht also, dass nicht einmal die internationale Finanzkatastrophe ausreicht, um die Profiteure des Parasitismus zur Vernunft zu bringen. Vielmehr bedurfte es auch noch des Drucks aus Frankreich und Deutschland. Der französische Präsident Sarkozy hatte ja mit seiner vorzeitigen Abreise gedroht, wenn man ihn allzu sehr an der Nase herumführen wollte. Viel hat er damit nicht erreicht. Aber die deutschen Verbal-Radikalen konnten sich am Ende auch nicht mehr dagegen wehren, dass ihren starken Worten nun auch zumindest winzige Taten folgten.


 

 

Schlimmer als die Informations-Blockaden der Steuerparasiten ist ihr angebliches Entgegenkommen gegenüber ihren Parasitismus-Opfern, denn hier erreicht die Heuchelei ihren Höhepunkt. Dies wird deutlich in einem Bericht von Report Mainz unter dem infizierten Titel "Kampf gegen die Steueroasen – Die Wahrheit hinter Steinbrücks kämpferischen Parolen", swr.de, 6.4.2009. Was hier als "Wahrheit" ausgegeben wird, ist entweder die reine Naivität oder der Lobbyismus für die Parasiten. Zunächst kommentiert man:


Steinbrück hat das Schweizer Bankgeheimnis sturmreif geschossen und das deutsch-schweizer Verhältnis gleich mit dazu.

 

Dann präsentiert man einen Filmausschnitt mit der arglos posierenden Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey und ihrem treuherzigen Spruch:

»Mit einem solchen friedlichen und netten Nachbarn geht man so nicht um.«

Es wird berichtet, dass trotz dieses "netten" Informationsangebots durch die Schweiz deren angeblich großzügiges Kooperationsbereitschaft von den deutschen Finanzbehörden so gut wie gar nicht in Anspruch genommen wird.

Die nächste Passage erscheint ebenfalls als Satire, ist aber nicht so gemeint:


Viele Schweizer können Steinbrücks Attacken nicht verstehen. Auch Vermögensberater Andreas Meier nicht, der auch deutsche Klienten hat. Er sagt, Deutsche Steuerfahnder hätten auch schon bislang manchen Schatz in der Schweiz heben können, wenn sie nur gewollt hätten.


Für die Heuchelei solcher Angebote fehlt den Berichterstattern offenbar jedes kritische Bewusstsein. Schon die Tax Information Exchange Agreements (TIEAs) nach OECD-Muster machen die Parasitismus-Opfer abhängig von dem scheinbaren Entgegenkommen der Parasiten. Dazu heißt es in einer Stellungnahme für den Bundestag durch das tax justice network (TJN) vom März 2009 unter der Überschrift "Steueroasen trocken legen – automatischen Informationsaustausch sichern" :


Das zentrale Manko des Musterabkommens ist nach Ansicht des TJN, dass es einen Informationsaustausch explizit nur auf Anfrage vorsieht (Artikel 5). Dies setzt voraus, dass die Steuerbehörden schon einen sehr konkreten Verdacht haben, wer welche Gelder wohin gebracht hat. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass etwa der Fall Zumwinkel, der die derzeitigen Anstrengungen zum Austrocknen der Steueroasen ins Rollen brachte, nur ans Licht kam, weil dem Bundesnachrichtendienst eine DVD mit Kundendaten der Liechtensteiner LGT-Bank zum Kauf angeboten wurde. Im Normalfall stellt der Abschluss eines Abkommens nach OECD-Standard keine Bedrohung für Steuerhinterzieher dar.

Das Manko lässt sich durch folgendes Beispiel illustrieren: Die Kaimaninseln waren an der Ausarbeitung des OECD-Musterabkommens beteiligt, verpflichteten sich bereits 2000 zu einem Informationsaustausch im Rahmen der OECD-Initiative gegen schädlichen Steuerwettbewerb und unterliegen im Übrigen auch der EU-Zinsrichtlinie. Dennoch ließen die Steuerbehörden der Insel den "Spiegel" wissen, dass in den vergangenen Jahren aus Deutschland gerade einmal zwei Anfragen über Steuerfragen kamen.
 
Nach Informationen von TJN handelt es sich dabei um keinen Ausreißer. Die Informationsweitergabe wird von den meisten Steueroasen von der Erfüllung derart hochgesteckter Anforderungen abhängig gemacht, dass in der Praxis der Versuch in den meisten Fällen nicht lohnt. So verlangen die Behörden so mancher Steueroase, dass die Steuerfahnder jeden Verdacht detailliert belegen, die genaue juristische Form der fraglichen Geldanlage nennen und die korrekte Stelle angeben, die in der Steueroase für diese spezielle Form der Anlage zuständig ist. Die geforderten Informationen liegen den Steuerfahndern aber oft gerade deswegen nicht vor, weil die Steueroasen für ihre Geheimhaltung sorgen.
 
Bilaterale Abkommen nach Art des Musterabkommens der OECD, die lediglich einen Informationsaustausch auf Anfrage vorsehen, sind daher nach Überzeugung von TJN kein geeignetes Mittel, um die Steuerhinterziehung mit Hilfe von Steueroasen nachhaltig zu unterbinden. Dies gilt für institutionell schwache Entwicklungsländer mit geringem Drohpotenzial noch viel mehr als für die Bundesrepublik Deutschland.
 
Für zukunftsweisend erachtet das TJN stattdessen den automatischen Informationsaustausch, wie er im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie bereits praktiziert wird. Die Richtlinie sieht im Prinzip vor, dass Mitgliedsstaaten einander Auskünfte über Zinszahlungen an ausländische Zahlungsempfänger erteilen; inländische Anleger sind davon nicht berührt. Dieser Informationsaustausch erfolgt auch ohne vorherige Anfrage der Steuerbehörden eines Landes und ohne dass ein konkreter Verdacht bestehen oder nachgewiesen werden muss.
 

Die besagte Bestimmung findet sich gleich zu Beginn von Artikel 5 Paragraph 1 Nr. 39 des (Blatt 20) Artikel er besagte Artikel 5 des OECD-Musterentwurfs für ein TIEA: "AGREEMENT ON EXCHANGE OF INFORMATION ON TAX MATTERS" (Stand 3.10.2009), worin die völlig unzureichenden Möglichkeiten des Informationsaustausches näher bestimmt werden. Dieser Informations-Scheinerfolg führt jedoch schon einen Schritt weiter als der OECD-Entwurf für die geforderten Doppelbesteuerungsabkommen, der zur Bekämpfung des Steuer-Parasitismus noch viel weniger bringt. Die Unterzeichnung von mindestens zwölf von diesen Freibrief-Besteuerungsabkommen reicht aber bereits für eine Steuerhinterziehungs-"Oase" schon, um von der Grauen Liste gestrichen zu werden, wie die Schweiz im September 2009 durch die Unterzeichnung ihres zwölften OECD-konformen Abkommens, zu guter letzt ausgerechnet mit der Steuer-"Oase" Katar, die Erträge aus dem Ausland überhaupt nicht besteuert (sh. findfinvest.com, Stand 3.10.2009).
 

Wie nutzlos auch die TIEAs nach OECD-Muster sind, zeigt allein schon die Tatsache, dass sie von einigen der weiterhin hartleibigsten Parasitismus-Profiteuren unterzeichnet wurden. Dazu heißt es in der ZEIT unter der Überschrift "Die Schweiz will die Welt zermürben", zeit.de, 8.4.2009 Nr. 16:

 

Wieso aber sind etwa Steueroasen Jersey und Guernsey von der OECD auf die weiße Liste gesetzt worden? Bundespräsident Merz mutmaßt in der NZZ am Sonntag : »Wie es die Kanalinseln geschafft haben, ist für mich ein Phänomen, das ich noch klären will.« Des Rätsels Lösung ist einfach. Jersey, Guernsey und die Isle of Man haben TIEA mit Staaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Irland und Island unterzeichnet.

 

Und in dem Bericht des Tax Justice Network (sh. oben) für den deutschen Bundestag findet man die Erklärung:

 

Das Manko lässt sich durch folgendes Beispiel illustrieren: Die Kaimaninseln waren an der
Ausarbeitung des OECD-Musterabkommens beteiligt, verpflichteten sich bereits 2000 zu
einem Informationsaustausch im Rahmen der OECD-Initiative gegen schädlichen
Steuerwettbewerb und unterliegen im Übrigen auch der EU-Zinsrichtlinie. Dennoch ließen
die Steuerbehörden der Insel den "Spiegel"“ wissen, dass in den vergangenen Jahren aus
Deutschland gerade einmal zwei Anfragen über Steuerfragen kamen.


Der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück verdient als Hauptakteur der neoliberalen Umverteilung nach oben seit 1998 gewiss keinen besonderen Schutz, obwohl ihm die Hilfstruppen der Schweizer Garden das eher als Plus anrechnen dürften. Zur Wählertäuschung und um diesen Verrat an der Sozialdemokratie zu kaschieren, fällt ihm im Wahlkampf 2009 wieder nur die Erhöhung der irreführenden Reichensteuer ein, von der er und seine neoliberalen Meinungsmacher auch weiterhin gerade noch komplett verschont bleiben (sh. hier Reichensteuer.htm und "Kritik am 'Placebo' Reichensteuer", netzeitung.de, 13.4.2009). Aber die gefälligen "Rechercheure" von Report Mainz ignorieren völlig die Heuchelei ihrer Steuerparasiten und erwecken bei den Adressaten ihrer Irreführung den Eindruck, als ob Steinbrück hinter seinen "kämpferischen Parolen" nur die "Wahrheit" verberge.


Am ehesten findet man in dem Report noch ein Fünkchen "Wahrheit" in der zitierten richtigen Aussage von Dieter Ondracek, dem Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft:


»Man könnte wesentlich mehr tun und wesentlich mehr aufdecken, wenn man die genügenden Leute hätte. Die Ermittlungen in Richtung Schweiz über den Rechtshilfeweg sind zeitaufwändig und verwaltungsaufwändig, und da geht mancher Fahnder den Weg in Richtung Schweiz nicht, weil er die Zeit nicht hat.«


Aber hier geht es ausnahmsweise nicht  um Personalmangel bei der Steuerprüfung, sondern darum, dass man von vornherein jeden Steuerprüfer in dem Morast schickt, damit sich die Ermittlungen nicht mehr lohnen (sh. TJN-Bericht oben) und daher von vornherein möglichst jeder Versuch aufgegeben wird.
 

Wesentlich erhellender, wenn auch noch recht milde,  ist dagegen der historisch zurückgreifende Dokumentarfilm des Schweizers Beat Bieri "Das Bankgeheimnis – Vom Erfolgsmodell zum Stolperstein". (Sh. SF Schweizer Fernsehen vom 23.3.2009 mit Video-Aufzeichnung sowie bei 3Sat am 27.4.08 mit anschließendem Interview von Frank A. Meyer mit Peer Steinbrück, ebenfalls dort aufgezeichnet unter dem Titel "Vis-a-vis Peer Steinbrück"). Auch in dem Film kommt ab der 37. Minute Peer Steinbrück zu Wort mit der Feststellung:

 

Die Schweiz bietet Konditionen an, die deutsche Steuerzahler dazu einladen, in Deutschland Steuern zu hinterziehen… Die Schweiz ist nur bereit, mit uns zu kooperieren, wenn es Steuerbetrug gibt. Aber diesen Steuerbetrug meinen Steuerzahlern nachzuweisen, dazu bedarf es exakt der Informationen die die Schweiz hat, aber sie liefert sie mir nicht. Das ist das Problem.


Man blockiert also den Nachweis des Steuerbetruges so lange, bis dieser auf andere Weise erlangt wurde. Genau dieser Blockade-Zirkel wird aber von den Lobbyisten der Steuer-Schmarotzer in FDP und neoliberalen Medien penetrant unterschlagen. So schreibt z.B. die Liechtensteiner Zeitung "Vaterland" vom 8.5.2009 unter der Überschrift "Total daneben":

 

Die bayerische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Emilia Müller (CSU), riet Steinbrück in der «Passauer Neuen Presse» zu einem einmonatigem Schweigegelübde. Er rede sich sonst um Kopf und Kragen. FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sagte der «Bild»-Zeitung: «Seit fünf Jahren gibt es die Möglichkeit, die Schweiz in Steuerverfahren um Amtshilfe zu bitten, und bislang gibt es offenbar bloss ein einziges Gesuch dieser Art aus Deutschland.»

 

Vom gleichen Schlage ist der FOCUS. Auch er beruft sich hier gern auf das neoliberale Kampfblatt  BILD und die gleichgesinnte Springer-Presse. Wie diese hat auch er die Eigeninteressen seiner Chefredaktion und Geldgeber fest im Blick. Das zeigt nicht nur die Überschrift "Steueroasen-Schelte – Steinbrücks Lizenz zum Meckern", focus.de, 8.5.2009. Darin heißt es:

 

Steinbrück bedrohe die Schweiz mit Kavallerie und Peitsche, lasse die Rechtswege aber praktisch ungenutzt. "Das zeigt, dass es ihm bloß um Wahlkampfgetöse geht und nicht um Steuergerechtigkeit", sagte Solms.

 

Aber man erfährt in dem Artikel immerhin, dass sich nicht nur bei den "Liberalen", sondern auch bei den "Christlichen" zahlreiche Unterstützer des Schmarotzertums in Positur bringen:

 

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, mahnte, es gelte der alte Spruch: "Hart in der Sache, aber freundlich im Ton." Der Flurschaden werde immer größer, außerdem sei Steinbrück ein Wiederholungstäter.

Die bayerische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Emilia Müller (CSU), riet Steinbrück zu einem einmonatigem Schweigegelübde. Er rede sich sonst um Kopf und Kragen. "Es ist beispiellos für einen deutschen Spitzenpolitiker, wie sich Peer Steinbrück durch eine Kette verbaler Entgleisungen in der eigenen Partei isoliert hat", sagte Müller der "Passauer Neuen Presse". CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf Steinbrück bei "Bild.de" vor, dieser schade "dem Ansehen Deutschlands bei unseren Nachbarn".


 

Dagegen zeigt Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) immerhin ein Mindestmaß an Verbal-Radikalismus. Gegen die Empörung von Jean-Claude Juncker als Wortführer der Parasitismus-Profiteure fand er zumindest klare Worte. Dazu heißt es beim Nachrichten-Ticker von t-online/AP am 5.5.2009 unter der Überschrift: "Steinbrück vergleicht Schweiz mit Ouagadougou":

 

Am Rande eines EU-Finanzministertreffens in Brüssel wandte sich Steinbrück gegen den Vorwurf der OECD-Mitglieder Schweiz, Luxemburg und Österreich, die Graue Liste sei über ihre Köpfe hinweg beschlossen worden. Steinbrück verwies darauf, dass die drei Länder im Herbst eine OECD-Ministerkonferenz zur Bekämpfung von Steuerbetrug boykottierten. "Sie hätten ja kommen können. Und selbstverständlich werde ich sie zur Nachfolgekonferenz im Juni in Berlin auch einladen: Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, Österreich und Ouagadougou", sagte der Bundesfinanzminister. Das afrikanische Land Burkina Faso steht übrigens nicht auf der Liste der Staaten, denen die OECD unzureichenden Einsatz gegen Steuerhinterziehung vorwirft…

 

Die EU-Kommission beabsichtigt, mit der Schweiz und anderen europäischen Ländern außerhalb der EU über ein Betrugsbekämpfungsabkommen zur Eindämmung von Steuerhinterziehung zu verhandeln. Mit Liechtenstein laufen solche Verhandlungen bereits. Steinbrück begrüßte dieses Vorhaben, betonte aber, Deutschland werde sich dadurch von bilateralen Verhandlungen mit diesen Ländern nicht abhalten lassen.

 

Steinbrücks Verhandlungsbereitschaft kann allerdings Zweifel wecken an seinem konsequenten Beharren auf einem "automatischen Informationsaustausch" (sh. oben) aller Daten, die zur Verhinderung der Steuerhinterziehung nötig sind, also insbesondere auf einer Aufhebung des Bankgeheimnisses im Umgang mit den Profiteuren des Steuerparasitismus.

 

 

Bei ihrer Informations-Blockade  berufen sich sowohl Steinbrück als auch die Parasitismus-Profiteure auf Artikel 26 des OECD-Musterabkommens über die Amtshilfe in Steuersachen, mit dem sich die Parasitismus-Opfer haben abspeisen lassen durch einen Wall von Hindernissen gegen eine effektive Kontrolle. Das Liechtensteiner "Vaterland" schreibt dazu unter der bezeichnenden Überschrift "Von der Elastizität eines Standards", vaterland.li, 11.4.2009:

 

Offene Interpretationsfragen

 

Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist die Frage, wann ein Land zugunsten der Steuerfahnder oder Finanzbeamten eines anderen Landes sein Bankgeheimnis lüftet. In den Alpenländern, die nun allesamt auf «grauen» Liste versammelt sind, werden die Standards eher restriktiv ausgelegt, im Land von Peer Steinbrück, dem deutschen Finanzminister, dem die Tageszeitung «Rheinische Post» diese Woche in einem Kommentar den Titel «Ober-Sheriff der Steuerfahndung» verlieh, legt man die Standards dagegen so weit aus als irgend möglich.
 

Die Interpretation des Eidgenössischen Finanzdepartments von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz geht so: Der Bundesrat habe entschieden, «dass die Schweiz den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens übernimmt», erklärte das Department vor wenigen Tagen, als die Schweiz Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA ankündigte. «Das erlaubt», hiess es weiter, «den Informationsaustausch im Einzelfall auf konkrete und begründete Anfrage mit anderen Ländern auszubauen». Ähnlich klingt das bei Österreichs Finanzminister Josef Pröll: Österreich werde künftig bei «begründetem Verdacht» einer ausländischen Behörde auf Steuervergehen des Kontoinhabers Informationen über Konten austauschen, sagt der Minister, schränkt aber ein, der Verdacht müsse «gut dokumentiert» sein.

 

Automatismus «völlig undenkbar»

 

Liechtenstein hat sich vor knapp vier Wochen noch einen Tag vor der Schweiz und Österreich zu den OECD-Standards bekannt. «Diese sehen einen Informationsaustausch auf Anfrage, jedoch keinen Automatismus vor», definiert Regierungschef Klaus Tschütscher. Der Austausch auf Anfrage in einem gut dokumentierten Einzelfall mit begründetem Verdacht auf Steuerhinterziehung, wie ihn Liechtenstein Ende 2008 mit den Vereinigten Staaten im sogenannten TIEA vereinbart hat, sei der «Massstab für die weiteren Verhandlungen», sagt Tschütscher. Eine direkte Kontenabfrage eines ausländischen Finanzamts wäre – und da ist er sich einig mit den Bankiers und Treuhändern im Land – «völlig undenkbar».

Den «automatischen Informationsaustausch» wünscht sich Peer Steinbrück. Auch in Frankreich hält man dies für die beste Variante.

 

Ebenso "undenkbar" ist das offenbar für die deutschen Hilfstruppen der Steuerbetrüger in der FDP und bei den "Christlichen". Dagegen könnte Steinbrück das sofort erreichen mit der Linken und wohl auch mit den Grünen durch geeigneten bilateralen Druck auf die "Oasen". Die "Sozialdemokraten" werden also selbst zu Parasitismus-Schützern, indem sie Koalitionsverhandlungen mit der Linken auf Bundesebene ablehnen. Dagegen könnte Steinbrück den unerlässlichen Automatismus sofort erreichen mit der Linken und wohl auch mit den Grünen durch ausreichenden bilateralen Druck auf die "Oasen". Die "Sozialdemokraten" werden also selbst zu Parasitismus-Schützern, indem sie Koalitionsverhandlungen mit der Linken auf Bundesebene ablehnen.

 

Was wirklich hinter der Unschulds-Pose der Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey steckt (sh. oben), sagte der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz der Neuen Züricher Zeitung vom 21.6.2009 kurz vor seinem Besuch in Berlin vom 23.6.2009:

 

«Aus Brüssel wird wohl ein Tief auf uns zukommen. Die EU arbeitet in Richtung automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen. Das wäre das Ende des Bankgeheimnisses. Und das wollen wir um keinen Preis.»
 

(Sh. "Wie die Schweiz den Steuerstreit verlor", Baseler Zeitung, 23.6.2009.) Aber der Steuerstreit ist noch gar nicht verloren, solange die Neoliberalen in Deutschland und Europa den Parasitismus unterstützen.
 


Gegen die Heuchelei der Parasitismus-Profiteure hat die schwarz-rötliche Koalition auf Drängen der SPD am 20.4.2009 ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem eine stärkere Kontrolle der Geldströme zwischen Deutschland und den Geldverstecken erreicht werden soll. Allerdings werden die Kontrollmechanismen auf Wunsch der "Christlichen" erst nach der Bundestagswahl näher bestimmt, so dass sie dann bei einer Koalition zwischen ihnen und der FDP sofort wieder beerdigt werden können. Dazu heißt es in der Süddeutschen vom 21.4.2009 unter der Überschrift "Die Angst der Kanzlerin":

 

Dem Vernehmen nach verständigten sich Steinbrück und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nun offenbar auf einen Kompromiss, von dem beide behaupten können, sie hätten sich gegen den jeweils anderen durchgesetzt. So kann Steinbrück darauf verweisen, dass es generell bei der Beweispflicht von Firmen und Bürgern bleibt. Zudem dürfen die Finanzämter bei Top-Verdienern im Inland mit einem Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro verdachtsunabhängige Steuerprüfungen vornehmen. Guttenberg wiederum kann sich zugutehalten, dass in dem Gesetz die einzelnen Länder, die der Bund als Steueroasen betrachtet, nicht namentlich genannt werden.
 

Dies soll erst in Rechtsverordnungen nachgeholt werden, die nach Angaben aus Unionskreisen aber wohl nicht mehr vor der Bundestagswahl Ende September diesen Jahres erlassen werden können. Im Falle eines Wahlsiegs könnten CDU und CSU somit völlig auf sie verzichten.

 

"Die Angst der Kanzlerin" vor dem Stigma der Parasitismus-Helferin im Wahlkampf ist ihr also durch einen Trick genommen worden. Bei einer CDU-FDP Regierung würden die erforderlichen Rechtsverordnung kaum zustande kommen, da dann die Lobbyisten des Schmarotzertums mit Hilfe der neoliberalen Medien zu Lasten der Ärmsten die Oberhand gewinnen. (Sh. "Union will Finanzminister Steinbrück einnorden", welt.de, 8.5.2009.)


 






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