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Stand 10. Mai 2007, Tabelle 12.9.2007,
zuletzt ergänzt am
5.6.2008.
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Abschnitt_1b.
Unternehmenssteuerreform:
Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer,
Abgeltungssteuer, Erbschaftsteuer
1)
Ausgangslage
2)
Praktische Unmöglichkeit des Anrechnungsverfahrens
3)
Abgeltungssteuer nach Leistungsfähigkeit (dänisches
Vorbild)
4)
Hinzurechnungen contra Gewinnverschiebung
(Jarass/Obermair)
5)
Diskutierte
Lobbyisten-Verfahren
5.1)
Das
Halbeinkünfteverfahren
5.2)
Verfahren der "Stiftung Marktwirtschaft" (versus
Jarass/Obermair)
5.3)
"Duale Einkommensteuer" der "Wirtschaftsweisen"
5.4)
Steuerfreie Wertzuwächse und Steuerflucht
6)
Schwarzrötliche
Ausgeburt vom 2.11.2006
7)
Weitere Unersättlichkeiten (Glos-Vorstoß)
1)
Ausgangslage
Diese Steuern interessieren hier vor allem in bezug auf
die Hauptthemen dieser Website: "Steuersenkung für
Bestverdiener" und "Arbeitsplatzvernichtung durch
Umverteilung nach oben" (sh.
rossaepfel-theorie.de). Im Hinblick auf diese Themen
soll die Steuersenkung für "Bestverdiener" durch
Steuererhöhung für Kleinverdiener anhand von
Zahlenbeispielen kurz erläutert werden mit dem
Spitzensteuersatz von 53 Prozent bis zum Jahr 2000 und
dem stufenweise abgesenkten Satz von 42 Prozent ab 2005
sowie der weiteren drastischen Absenkung für
Kapitalerträge auf 25 Prozent ab 2009:
Körperschaftsteuer (KöSt) und Einkommensteuer bzw.
Abgeltungssteuer
bei Gewinnausschüttung1):
|
bis 2000 |
bis 2000 |
ab 2001/2005 |
ab 2001/2005 |
ab 20094): |
ab 20094): |
Berechnungsweise: |
30% KöSt,
max. 53% EinkSt |
30%KöSt,
25% EinkSt |
25% KöSt,
max. 42% EinkSt |
25% KöSt,
25% EinkSt |
15% KöSt,
25% Abgeltungs-steuer |
15% KöSt,
25% Abgeltungs-steuer |
Gewinn vor
Gewerbesteuerabzug2) |
(113) |
(113) |
(114) |
(114) |
(116) |
(116) |
- Gewerbesteuer,
Hebesatz 400% |
(-19) |
(-19) |
(-19) |
(-19) |
(-16) |
(-16) |
+ GewSt-Minderung
durch Körperschaftsteuer-Ersparnis |
(+6) |
(+6) |
(+5) |
(+5) |
(0) |
(0) |
Gewinnausschüttung
|
100 |
100 |
100,00 |
100,00 |
100,00 |
100,00 |
- Körperschaftsteuer |
30 |
30 |
25,00 |
25,00 |
15,00 |
15,00 |
= Barausschüttung |
70 |
70 |
75,00 |
75,00 |
85,00 |
85,00 |
Bruttoausschüttung |
100 |
100 |
|
|
|
|
- persönlicher
Eink-Steuersatz |
53 |
25 |
|
|
|
|
+ anrechenbare
Körperschaftsteuer |
30 |
30 |
|
|
|
|
=
Einkommensteuer-Nachzahlung/-Erstattung |
23 |
-5 |
|
|
|
|
Barausschüttung |
|
|
75,00 |
75,00 |
85,00 |
85,00 |
davon 1/2
(Halbeinkünfteverfahren) |
|
|
37,50 |
37,50 |
|
|
- persönliche
Einkommen- oder Abgeltungsteuer |
|
|
15,75 |
9,38 |
21,25 |
21,25 |
= Netto-Dividende
|
|
|
59,25 |
65,62 |
63,75 |
63,75 |
Gesamtlast nach
GewSt mit
Körperschaft- + Einkommenst. |
53% |
25% |
40,75% |
34,38% |
36,25%3) |
36,25%3) |
Gesamtlast vor GewSt
= (Zeile 1 - 100 + KöSt + ESt) / Zeile 12) |
(58%) |
(33%) |
(48%) |
(42%) |
(45%) |
(45%) |
1)
Auf die
Berücksichtigung des Solidaritätszuschlages wurde
verzichtet, um die Steuersätze in der Darstellung möglichst
übersichtlich zu halten. Man kann ihn mit einbeziehen, indem
man alle Steuerbeträge und -Sätze - außer der Gewerbesteuer
- mit 1,055 multipliziert. Statt dessen kann man einen
Faktor von 1,143 nehmen, wenn man auch noch eine
Kirchensteuer von 9% auf die
Einkommen-/Abgeltungssteuerschuld mit einbeziehen will.
(Damit ist die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer als
Sonderausgabe berücksichtigt.)
2)
Die Berechnung dieser Prozentsätze ist
nicht üblich, denn die Gewerbesteuer ist bzw. war nicht als
Personensteuer des Unternehmens oder Anteils-Inhabers zu
betrachten, sondern als Betriebsabgabe für die Nutzung der
Infrastruktur (sh. unten). Außerdem kann man von der
Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer nach
bisherigem Recht nicht auf die Bemessungsgrundlage für die
Gewerbesteuer schließen, da es durch Hinzurechnungen und
Kürzungen zu erheblichen Abweichungen kommen kann. Bei
Angabe von kombinierten Unternehmenssteuersätzen wird aber
zur Vereinfachung üblicherweise so getan, als ob man diese
Abweichungen unberücksichtigt lassen könnte.
Ab 2008 kann die Gewerbesteuer nicht mehr von ihrer eigenen
Bemessungsgrundlage und vom körperschaftsteuerpflichtigen
Gewinn abgezogen werden. Zum Ausgleich wird die
Gewerbesteuermeßzahl
von 5% auf 3,5% gesenkt. Bei einem Hebesatz von 400% ergibt
sich damit eine Gewerbesteuer von 14%. Wenn man 14% von 116
abzieht, verbleiben rund 100.
3) Plus Zusatzbelastung durch
geplante Erweiterung der Bemessungsgrundlage, minus
Absenkung der kombinierten Unternehmenssteuer aus Gewerbe-
und Körperschaftsteuer um 10% (von ca. 40% auf 30%) ab
2009; für 2008 sind noch 5 Prozentpunkte bei der
Gewerbesteuer oder Körperschaftsteuer zu addieren.
4) Die Abgeltungssteuer tritt erst am
1.1.2009 in Kraft. Der Rest der
Unternehmenssteuerreform 2008
gilt schon ab 1.1.2008.
Zur Tabelle:
* Die Tabelle beruht auf eigenen Berechnungen
nach bisherigen und geplanten Sätzen.
Der Solidaritätszuschlag wurde nicht berücksichtigt, um das
Nachrechnen zu erleichtern
* Die Kapitalertragsteuer wurde hier nicht
berücksichtigt, da sie für Anteilsinhaber mit Steuerpflicht
im Inland nach wie vor als Abschlag gegen die
Einkommensteuer aufrechenbar und erstattungsfähig ist. Sie
dient also nur zur Einnahmensicherung und beträgt beim
Halbeinkünfteverfahren 20% (+ Solidaritätszuschlag)
von der Barausschüttung bzw. Bardividende, abgesehen von
Sonderregelungen, insbesondere für Anteilsinhaber mit
Steuerpflicht im Ausland.
* Die Gewerbesteuer ist für internationale Vergleiche ebenso wichtig wie der Vergleich der
Steuer-Bemessungsgrundlagen und der
Gewinnverschiebungsmöglichkeiten. Hier wurde sie mit den
eingeklammerten Zahlen berücksichtigt, da
sie von den geplanten Änderungen betroffen ist, und zwar in
Prozenten der Gewinnausschüttung nach Gewerbesteuer.
* Die geplanten neuen Hinzurechnungen zum
körperschaftsteuerlichen Gewinn und zum Gewerbeertrag können
hier ebenfalls noch nicht berücksichtigt werden. Sie sind
aber auch für die Umverteilung nach oben durch die
Steuersatzänderungen in der Tabelle ohne Belang.
* Zur Entwicklung des Einkommensteuersatzes sh.
Grafische Darstellungen,
bundesfinanzministerium.de, Blatt 2.
* Zur Senkung des Ausschüttungssatzes und zur
Darstellungsweise sh. "Stellungnahme des
Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)" als
HTML-Datei oder als
PDF-Datei mit Grafiken zum Herunterladen, zu finden z.B. bei
Google mit Passagen aus der HTML-Datei.
* Die Änderungen des
Einbehaltungssatzes ("Thesaurierungssatzes") wurden hier nicht
dargestellt, da nach seiner Absenkung von 45% im Jahre 1998
auf 25% ab 2001 (sh.
Grafische Darstellungen,
a.a.O.)
von einer echten Besteuerung der
einbehaltenen Gewinne nicht mehr die Rede sein kann.
(Eigenkapitalbildung bei Arbeitsplatzbeschaffern lässt sich arbeitsmarktwirksam viel
besser durch die Steuerfinanzierung von Sozialabgaben fördern.)
Die geplante Abschaffung der einjährigen Spekulationsfrist
zur Nachversteuerung dieser Anteilswert-Steigerung aus
zurückgehaltenen Gewinnen muss erst einmal gegen die
Steuervermeidungs-Lobbyisten bestehen. (Sh. dennoch die
hilfreichen Beispiele: "So
teuer wird die Abgeltungssteuer",
fundresearch.de, 11.7.06, zu erreichen auch über
finanzen.net, wo
allerdings teils mit, teils ohne Solidaritätszuschlag
gerechnet wurde und bei 1000 Euro Spekulationsgewinn nicht
202,50 Euro, sondern 1000 * 0,35 * 1,055 / 2 = 184,63 Euro
stehen müssten).
2)
Praktische Unmöglichkeit des Anrechnungsverfahrens
Nach dem Anrechnungsverfahren mit voller
Erstattung der Körperschaftsteuer zahlte der Kleinanleger
also bei einem Einkommen-Steuersatz von z.B. 25% für jede
weiteren 100 Euro Gewinnausschüttung tatsächlich nur 25 Euro
Einkommensteuer. – Mit Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens wurden die 100 Euro
Gewinnausschüttung im Unternehmen schon mit 25 Euro
nicht-erstattungsfähiger Körperschaftsteuer vorbelastet (sh.
auch die Darstellungsform von Wolfgang Scherf lt.
Quellenangabe hier weiter unten). Auf
die verbleibenden 75 Euro zahlte dieser Kleinanleger
(oberhalb des Sparerfreibetrages) noch 0,25 * 75/2 = 9,38
Euro. Das sind zusammen 34,38%. - Ohne das
Halbeinkünfteverfahren bei einer gesenkten
Körperschaftsteuer von z.B. 15% und einer mittelfristig
anvisierten Abgeltungssteuer von 25% (sh. Handelsblatt-Interview
mit Peer Steinbrück vom 4.7.06) würde er jedoch die 15% +
0,25*85 = 36,25% zahlen statt der früheren 25%
(alles plus Solidaritätszuschlag).
Dagegen zahlten die Bestverdiener vor der neoliberalen
Steuerwende 53 Euro Einkommensteuer von den 100 Euro
Gewinnausschüttung. Mit dem Halbeinkünfteverfahren sind es
nach ihrer großzügig Senkung ihres Spitzensteuersatzes
auf 42% nur noch 25 + 75*0,42/2 = 40,75, und
mit der Abgeltungssteuer von 25% wären es mittelfristig
nur noch 15 + 0,25 * 85
= 36,25% statt der früheren 53% (alles plus
Solidaritätszuschlag). Selbst bei einer
Abgeltungsssteuer von 30% wären es nur 15 + 0,3 * 85 =
40,5%. Das könnte aber wegen der Erweiterung der
Bemessungsgrundlage auch für den Großaktionär zu einer
Mehrbelastung führen - trotz der geplanten Absenkung des
kombinierten Unternehmenssteuersatzes um 10% (von ca. 40%
auf ca. 30% inklusive der Körperschaftsteuer von 15% in der
obigen Tabelle). Der große Couponabschneider und
Einkommensmillionär zahlte damit hier jedenfalls den gleichen
Einheitssteuersatz wie sein Chauffeur auf Aktien-Dividenden
für seine staatlich geplünderte Altersvorsorge (sh.
rossaepfel-exkurse.de). Die
neoliberalen Best-"Verdiener" wollen sich damit ihre Steuergeschenke
nun noch dreister von den
Kleinanlegern finanzieren lassen.
(Sh. zur Kritik des
Halbeinkünfteverfahrens auch die "Stellungnahme
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB):
Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der
Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung
(Steuersenkungsgesetz - StSenkG) am 22. März 2000", dgb.de, 13.3.2000,
oder als PDF-Datei mit Grafiken zum Herunterladen, zu finden
z.B. bei Google mit Passagen aus der HTML-Datei.)
Die Umverteilung nach
oben erfolgte also nicht nur durch die Senkung des
Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent ab dem Jahr
2000 mit späterer Gegenfinanzierung durch die
Mehrwertsteuererhöhung. Sie erfolgte auch mit den
weiteren "Modernisierungen" durch den Kanzler der Bosse und
seine pinkgilbgrüne Koalition, unterstützt durch den Druck
der schwarzgelben Lobbyisten. Das Geld holte man sich durch weitere
Schröpfungen der Einkommensschwachen auf allen erdenklichen
Gebieten. Das geschah, nachdem der Finanzminister
und Vizekanzler Oskar Lafontaine schon am 11. März 1999
weggemobbt war durch diese informelle neoliberale
Großkoalition mit dem Medienkapital (sh.
rossaepfel-theorie.de
mit Suchwort "Lafontaine").
Wie bei allen steuerlichen
Umverteilungen nach oben
(von Gerhard Schröders Einstieg über Paul Kirchhofs 25%
Spitzensteuersatz bis zur Bierdeckel-Gaukelei von Friedrich
Merz) wurde auch zur Umstellung vom
Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren die
"Vereinfachung" des Steuersystems als ein Grund angegeben.
(Merkwürdigerweise ergeben sich bei solchen
"Vereinfachungen" immer nur Umverteilungen in Richtung nach
oben.) Außerdem sei das Anrechnungsverfahren "nicht
europatauglich ..., da eine grenzüberschreitende
Anrechnung nicht vorgesehen war (und nur schwierig
umzusetzen gewesen wäre)" (sh. Wikipedia:
Anrechnungsverfahren).
Weiter heißt es in dem Wikipedia-Artikel (Stand 21.7.06):
Die Bedenken, dass diese Probleme zu einer
Europarechtswidrigkeit des Anrechnungsverfahrens führen
können, hat sich zumindest für das finnische
Anrechnungssystem bestätigt, am 7. September 2004 hat der
EuGH das finnische Anrechungssystem für
europarechtswidrig erklärt (Manninen-Entscheidung),
weil ein Finne, der an einer schwedischen Gesellschaft
beteiligt war, die ausländische Körperschaftsteuer in
Finnland nicht anrechnen durfte.
Dieses Plädoyer im Wikipedia-Beitrag gegen das
Anrechnungsverfahren ist allerdings ungenau, denn es ging nicht um die "Europarechtswidrigkeit
des Anrechnungsverfahrens", sondern nur darum, dass Finnland
die schwedische Steuer auf die finnische Steuer (gegen
Vorlage einer schwedischen Steuerbescheinigung)
anrechnen
bzw. die Differenz erstatten sollte
(sh. dieses
EuGH-Urteil in der Rechtssache
319/02).
Kennzeichnend für dieses Anrechnungsverfahren ist
nur die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf einbehaltene
Gewinne, denn
die Gewerbesteuer wird ohnehin nicht angerechnet, und die
Kapitalertragsteuer wird auch beim "Halbeinkünfteverfahren"
angerechnet. Immerhin hat man bei der Kapitalertragsteuer diverse
Regelungen zur Beibehaltung eines "Anrechnungsverfahrens"
gefunden, während das bei der Körperschaftsteuer unmöglich
erscheint. Es geht beim früheren deutschen
Anrechnungsverfahren also nur um die Anrechnung der
gezahlten Steuern auf
einbehaltene Gewinne aus Aktien und sonstigen
Anteilspapieren, aber nicht um festverzinsliche Wertpapiere
usw.
Die Anrechnung der im Ausland einbehaltenen
Körperschaftsteuer hätte in Deutschland direkt zu erfolgen
gegen den persönlichen (Differenz-)Steuersatz des deutschen
Steuerpflichtigen bei der Einkommensteuer.
Die Steuererhebung und Anrechnung beim Anteilseigner erfolgt
in Deutschland
erst zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung.
Bei einem Einbehaltungssatz von z.B. 30% auf eine Anlage im
Ausland und einem persönlichen
Differenzsteuersatz von 25% des deutschen Steuerpflichtigen
müsste ihm der deutsche Staat für solche Anlagen die gleichen 5 Prozentpunkte
gutschreiben, die er ihm auch bei einer Anlage in
Deutschland zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung
gutzuschreiben hätte (sh. die Tabelle oben).
Der andere EU-Staat würde also gerade seinen
Einbehaltungssatz aus dem deutschen Steueraufkommen
abschöpfen.
Bei einem persönlichen Differenzsteuersatz von 53% würde
der ausländische Staat zwar den gleichen Satz aus dem
deutschen Steueraufkommen abschöpfen, aber Deutschland würde immerhin 23 Prozentpunkte nacherheben
(sh. Tabelle oben). Eine solche Steuerabschöpfung durch
Drittstaaten wird nach EU-Recht jedoch nicht als Argument
für die Versagung der Anrechnung anerkannt (sh.
Manninen-Entscheidung, a.a.O., Randziffer 49).
Auch wird in der Manninen-Entscheidung nicht einmal danach
gefragt, ob der Drittstaat seinerseits Anrechnungen von
Steuerzahlungen im Ausland gewährt, ob dessen Versagung von
Steuer-Anrechnungen also ein Argument für die Versagung von
Anrechnungen durch Finnland sein könnte. Vielmehr geht es
lediglich um die Frage, ob der Kapitalverkehr zwischen
Finnland und Schweden benachteiligt ist gegenüber einer
Kapitalanlage des Finnen in Finnland, weil in diesem Fall
eine Anrechnung gewährt wird und in jenem Fall nicht. Ein
Staat mit Anrechnungsverfahren benachteiligt sich also
selbst ganz erheblich gegenüber anderen Staaten, die sich
nicht freiwillig auf eine Regelung zur Vermeidung seiner
Schröpfung einlassen,
denn nach EU-Recht gibt es noch keine echte
Harmonisierung der Ertragsteuern.
Lediglich die Behinderung des freien Kapitalverkehrs ist
verboten, und daraus ergeben sich für die Ertragsteuern
EU-Vorschriften, die eine gerechte Besteuerung in Form des
Anrechnungsverfahrens praktisch unmöglich machen.
Die Pflicht eines EU-Staates zur steuerlichen
Gleichbehandlung von Dividenden inländischer und
ausländischer Gesellschaften in EU-Staaten beim
Anrechnungsverfahren wurde sogar bestätigt mit Rückwirkung
für Vorgänge vor dem Jahre 2000 durch ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofes vom 6.3.2007 im
Fall Meilicke. Dazu
schrieb die FAZ am
6.3.2007 unter der Überschrift "Europäischer
Gerichtshof - Aktionäre erhalten Milliarden Steuern zurück":
Die Europarichter verwarfen mit ihrem Urteil im "Fall
Meilicke" das frühere Anrechnungsverfahren für Aktionäre (Az.:
C-292/04). Dieses ist allerdings schon zum
Veranlagungszeitraum 2001 abgeschafft und durch das
Halbeinkünfteverfahren ersetzt worden. Bis dahin erhielten
Aktionäre in Deutschland eine Steuergutschrift. Dadurch
wurde ihnen vom Finanzamt ein Teil der von ihrem Unternehmen
gezahlten Körperschaftsteuer auf ihre eigene
Einkommensteuerschuld angerechnet. Dies war jedoch nur bei
deutschen Aktiengesellschaften möglich. Gegen diese
Beschränkung hatten die Erben eines Anlegers geklagt, für
dessen Dividenden aus niederländischen und dänischen Aktien
das Bonner Finanzamt keine Gutschrift bewilligt hatte. Das
Finanzgericht Köln legte den Fall daraufhin dem EuGH vor.
Die Europarichter sahen darin nun eine nicht gerechtfertigte
Beschränkung des freien Kapitalverkehrs. Die Regelung habe
Personen benachteiligt, die in Deutschland unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig waren. Zudem habe sie ausländische
Gesellschaften darin behindert, hier Kapital einzusammeln.
Das Anrechnungsverfahren sichert also nicht länger
eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, insbesondere nicht
bei Dividenden aus Gewinnverschiebungen in EU-finanzierte
Steueroasen oder sonstige parasitäre EU-Oasen.
Eine bloße steuerliche Nachbelastung von
Gewinnverschiebungen in Steueroasen ist nach EU-Recht nur
zulässig, wenn die ausländische Konzerntochter als reines
Briefkastenunternehmen existiert, also keine "echte" eigene
Geschäftstätigkeit vortäuschen oder nachweisen kann.
Gegenteilige Gesetzesbestimmungen, z.B. in § 7 des deutschen
Außensteuergesetzes, sind nicht haltbar. (Sh.
EuGH-Pressemitteilung Nr. 72/2006
vom 12.9.06 zum Fall Cadbury Schweppes,
erreicht über
EuGH-Pressemitteilungen.
Zu den Einzelheiten dieses Falles sh. EuGH Urteil
C-196/04 vom 12.906.
Die übrigen Dokumente zu der Entscheidung findet man auf
einer erzeugten
Trefferseite des
EuGH.) Der EuGH hat entsprechend dem Lobbyisten-Recht der EU
zugunsten des Steuer-Parasitismus geurteilt. Dabei war ihm
offenbar völlig klar, dass die beiden Gesellschaften nur der
Gewinnverschiebung dienten, denn in der
EuGH-Pressemitteilung heißt es:
Die Cadbury Schweppes plc
ist die Muttergesellschaft des Cadbury-Schweppes-Konzerns,
dessen Geschäftsbereich im Getränke- und Süßwarensektor
angesiedelt ist. Zum Konzern gehören u. a. zwei
Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die Cadbury
Schweppes Treasury Services (CSTS) und die Cadbury Schweppes
Treasury International (CSTI), die beide im International
Financial Services Centre (IFSC) in Dublin, Irland,
niedergelassen sind, wo der Steuersatz im Jahr 1996 10 %
betrug. Die Aufgabe dieser beiden Gesellschaften besteht
darin, Geldmittel zu beschaffen und sie dem Konzern zur
Verfügung zu stellen. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts
wurden beide nur deshalb in Dublin errichtet, um unter die
günstige Steuerregelung des IFSC und nicht unter bestimmte
Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs zu fallen.
Auch hier wird deutlich,
dass man den epidemisch ausartenden Gewinnverschiebungen mit
Hilfe von frisierten Zinszahlungen, Lizenzgebühren usw. nur
beikommen kann durch deren Hinzurechnung zum
steuerpflichtigen Gewinn nach Art der Gewerbesteuer - ohne
Unterschied, ob sich um Gewinnverlagerungen innerhalb von
Deutschland oder in einen anderen EU-Staat handelt. Es wird
auch klar, warum die großen Lobbyisten keine Mittel scheuen,
um gegen diese Hinzurechnungen Stimmung zu machen und warum
die gefälligen neoliberalen Meinungsmacher diese Stimmung
weiter verbreiten. Wie üblich werden die kleinen und
mittleren Arbeitsplatzbeschaffer als angebliche Leidtragende
vorgeschoben, obwohl diese - bei entsprechenden
Tarifstaffelungen - doch viel mehr profitieren würden durch
Beendigung der Steuergeschenke für "Bestverdiener" zur
weitgehenden Steuerfinanzierung ihrer Arbeitgeberanteile zur
Sozialversicherung.
3)
Abgeltungssteuer nach Leistungsfähigkeit (dänisches
Vorbild)
Wenn man die obige Tabelle betrachtet, scheint es
zunächst so, als ob es eine Abgeltungssteuer nach
Leistungsfähigkeit nicht geben könnte, sondern dass beim
System der Abgeltungssteuer stets der Kleinsparer die
Steuergeschenke für die Großanleger bezahlen müsste. So ist
es auch von der schwarzrötlichen Koalition zur Umverteilung
nach oben geplant. So ist es aber nicht in Dänemark, wo die
Sozialbeiträge weitgehend steuerfinanziert sind und die
Abgeltungssteuer für Inhaber größerer Aktienpakete angehoben
wird auf den allgemeinen Höchststeuersatz von 59% für
Spitzeneinkommen durch einen Einkommensteuer-Zuschlag von 15
Prozentpunkten.
Das Problem beginnt damit, dass der deutsche Spitzensteuersatz
großzügigst auf 42% und
der Einbehaltungssatz auf 25% gesenkt wurde, so dass Deutschland
für Anlagen in Deutschland nach dem Anrechnungsverfahren bei
den derzeitigen Sätzen lediglich 42 - 25 = 17
Prozentpunkte nacherheben würde.
Bei einem ausländischen Einbehaltungssatz von 30%
könnte Deutschland demnach nur maximal 42 - 30 = 12 Prozentpunkte
nacherheben.
Bei Anteilen an estnischen Unternehmen spielt
der estnische Einbehaltungssatz von 0% in diesem
Zusammenhang zum Beispiel keine Rolle, weil Estland einen
Ausschüttungssatz von 24% erhebt (sh.
Bundesfinanzministerium:
Broschüre:
Die wichtigsten Steuern im
internationalen Vergleich 2005,
Berlin, Dezember 2005, Seite 13-16)
und die deutsche Besteuerung beim Anteilseigner ohnehin erst
bei Ausschüttung erfolgt.
Das dänische Abgeltungsverfahren läuft auf eine sehr
einfache Quasi-Teilanrechnung der Abgeltungssteuer bei
Großanlegern hinaus. Dies geschieht jedoch nicht so,
dass für Großanleger mit Sitz im Inland oder im Ausland die
inländische oder ausländische Körperschaftsteuer und
Kapitalertragsteuer angerechnet würden. Vielmehr wird
lediglich eine zusätzliche Abgeltungssteuer erhoben für
körperschaftsteuerpflichtige Gewinnanteile ab 44.300 DKK
in 2006 (= ca. 6.000 Euro) bzw. dem Doppelten für
Verheiratete, so dass hierfür am Ende in der Summe der
dänische allgemeine Spitzensteuersatz von 59 Prozent zum
Tragen kommt. Auf diese Weise entgeht man zugleich dem Zwang
zur Anrechnung von Steuerzahlungen im Ausland auf Kosten des
dänischen Staatshaushalts.
Das dänische
Verfahren soll hier einmal aus Sicht des deutschen Fiskus
für Anlagen von Deutschen in Dänemark bei Anwendung des
ehemaligen deutschen Anrechnungsverfahrens beschrieben
werden:
Für Anteile an dänischen Unternehmen müsste Deutschland
nach diesem Verfahren seinen Anlegern zunächst den dänischen
Körperschaftsteuersatz von 28% gutschreiben und könnte dann
statt dessen ihren deutschen persönlichen Steuersatz von
maximal 42% erheben. Allerdings ist in Dänemark bei einer
Bruttoausschüttung von 100 Euro auf die verbleibenden
Barausschüttung von 72 Euro noch eine definitive
Kapitalertragsteuer von weiteren 28% durch die ausschüttende
Gesellschaft zu erheben und abzuführen, so dass sich die
definitive Belastung in diesem ersten Schritt auf 28% + 20%
= 48% summiert. Dieser Satz ist also schon höher als der
großzügigst abgesenkte deutsche Spitzensteuersatz von 42%.
Hier würde eine Steuererstattung an den deutschen Anleger für Anteile an dänischen Unternehmen nicht nur sehr
teuer, sondern auch rechtlich problematisch, weil man im
Streitfall kaum
eine akzeptable Regelung für die Erstattung der dänischen
definitiven Kapitalertragsteuer durch Deutschland finden
könnte. Zwar gibt es nach den Doppelbesteuerungsabkommen
normalerweise nur eine Teilanrechnung der
Kapitalertragsteuer, aber für den deutschen Staat würde nach
der Anrechnung trotzdem kaum etwas übrig bleiben.
Bei Kündigung von Doppelbesteuerungsabkommen wäre der
deutsche Staat in jedem Fall nach EU-Recht zur vollen
Anrechnung verpflichtet. Dies gilt nicht nur für die
Körperschaftsteuer, sondern auch für die
Kapitalertragsteuer, denn die Manninen-Entscheidung (sh.
oben) lässt auch analog auf die Kapitalertragsteuer
anwenden, wenn diese bei Steuerpflichtigen im Inland voll
angerechnet wird. Daraus ergibt sich auch ein Argument für
eine deutsche Abgeltungssteuer auf Anteilsgewinne.
In Dänemark wird für Aktienerträge ab einer gewissen
Größenordnung (sh. oben) zusätzlich zu den obigen 48% noch ein weiterer Stufensatz
erhoben. Er beträgt
15% auf die Barausschüttung, so dass damit der
allgemeine dänische Spitzensteuersatz von 20 + 72 * (0,28 +
0,15) = 59% erreicht wird. Die bestbezahlten neoliberalen
Politiker und sonstigen Meinungsmacher in Deutschland haben
die Senkung ihres Spitzensteuersatzes von 53% auf 42% stets
damit begründet, dass bei einem höheren Steuersatz die
"Investoren" abgeschreckt würden. Tatsächlich ist aber die
Arbeitslosenquote bei dem Spitzensteuersatz von 59% in
Dänemark nur halb so hoch wie bei den 42% in Deutschland,
denn durch die steuerliche Umverteilung nach oben werden
nicht Arbeitsplätze geschaffen, sondern vernichtet (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Nach der obigen Tabelle
würde die Einführung einer definitiven
Kapitalertragsteuer auf Anteilsgewinne eine Verschärfung der
Umverteilung nach oben bedeuten, denn man hätte damit für Klein- und
Bestverdiener den gleichen Steuersatz, z.B. von 36,25%. Dies
entspricht auch ungefähr der Abgabenbelastung der mittleren
Steuerklasse
in Dänemark von 33,3 + 5,5 +6 = 44,8% + Arbeitsmarktabgabe (sh. auch Skattenministeriet: Tax in Denmark 2006,
skm.dk, Seite 33,
mit Sicherungskopie
hier), denn dort
enthält der Steuersatz einen Großteil der Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung, die in Deutschland noch mit mehr als 20% ab
dem ersten Einkommens-Euro aufgeschlagen werden und allein
von den Sozialversicherungspflichtigen zu tragen sind. Hinzu
kommt in Dänemark lediglich für die Arbeitnehmer eine
steuerlich absetzbare Sozialabgabe (Arbeitsmarktabgabe) von
8% des Bruttolohns. Wenn man also diese 8% auf netto 8 * (1
- 0,448) = 4,4% umrechnet und zu den 44,8% addiert, liegt man mit
49,2% sogar noch unter der Belastung der
Durchschnittsverdiener in
Deutschland von z.B. 33% + 21% = 54% (bei 21%
Arbeitnehmeranteil). Die angestrebte Teilfinanzierung des
Arbeitnehmer-Pflichtanteils von mehr als 20% über Steuern,
z.B. bei der gesetzlichen Krankenversicherung (sh. hier
Gesundheitsreform.htm), wäre also der erste Schritt zu einer
angemessenen Besteuerung in Deutschland.
Der zweite Schritt wäre die Nachbelastung der Besser- und
Bestverdiener mit einem Stufenzuschlag ähnlich den 15% nach dänischem Vorbild oder nach sonstiger Progression. Der
kombinierte Steuersatz aus Gewerbe- und Körperschaftsteuer
in Deutschland ließe sich dann aufkommensneutral um so
deutlicher absenken, je mehr die Bemessungsgrundlage durch
Hinzurechnung von Schuldzinsen usw. nach dem klassischen
Schema der Gewerbesteuer erweitert wird. Allerdings müsste
dann der deutsche Spitzensteuersatz für die übrigen
Einkünfte auch wieder auf das Niveau der
Wirtschaftswunderjahre angehoben werden, damit der
Spitzensteuersatz für Einkünfte aus Anteilspapieren nicht
höher wäre als für die übrigen Einkünfte. Nach dieser
Beendigung der Steuergeschenke für Politiker,
Meinungsmacher, Einkommensmillionäre, Couponabschneider und
sonstige Bestverdiener könnte man aus dem Mehraufkommen auch
die gerade geforderte Senkung der Beiträge zur
Sozialversicherung finanzieren.
In der Broschüre des Bundesfinanzministeriums:
Die wichtigsten Steuern im
internationalen Vergleich 2005 ist
die dänische Besteuerung der Körperschaften nur tabellarisch
kurz beschrieben.
Neben dem dänischen Körperschaftsteuersatz von 28
Prozent ist in der Broschüre noch einmal der gleiche
Prozentsatz als "Kapitalertragsteuer" ausgewiesen mit
dem Hinweis: "Kapitalertragsteuer 28 v. H. auf
Dividenden; bei Ausschüttungen bis 43.300 DKK definitiv
ohne Optionsmöglichkeit; bei höheren
Dividendeneinkünften 43 v. H., unter Anrechnung der
KapESt." (sh. a.a.O., Tabelle Seite 13). Dies ist
also so zu verstehen, wie das oben beschrieben wurde und
nicht im Sinne einer bloßen Addition oder so als ob
insgesamt nur 28% erhoben würden. Die Erhebung der dänischen
Kapitalertragsteuer von 28% bei der
körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft entspricht dem Verfahren bei
der Quellenbesteuerung durch die deutsche Kapitalertragsteuer
von 20%, jedoch mit dem Unterschied, dass die dänische
Kapitalertragsteuer von 28% eine Abgeltungssteuer ist und
daher keine Aufrechnung mit der Einkommensteuer erfolgt.
Wichtig ist auch der BMF-Hinweis (a.a.O), dass diese Regelung
für "Dividenden" gilt, also jedenfalls nicht für
Zinseinkünfte, denn die werden in Dänemark steuerlich
wie Arbeitseinkommen behandelt (sh. auch
Skattenministeriet: Tax in Denmark 2006,
skm.dk, Seite 33,
mit Sicherungskopie
hier).
4)
Hinzurechnungen contra Gewinnverschiebung
(Jarass/Obermair)
Grundlage für die Vorschläge von Jarass und
Obermair ist eine Wertschöpfungs-Besteuerung
nach Art der
Gewerbesteuer. Sie
erfasst also auch die von der Betriebsstätte "verdienten" Aufwendungen für Fremdkapital oder
ausgelagertes Eigenkapital, Lizenzgebühren usw. in ihrer
Steuerbemessungsgrundlagen (volle Differenz
zwischen solchen Aufwendungen und Erträgen, Einbeziehung
der Freiberufler und weiterer Gruppen). Im
Gegensatz zu anderen Modellen der
Wertschöpfungssteuer
(sh. auch IniFES:
Finanzierungsalternativen,
2/2006, S. 73. f.) orientiert sich die aktualisierte
Gewerbesteuer aber - wie die traditionelle
Gewerbesteuer
- mehr an der betrieblichen Leistungsfähigkeit
und erfasst natürlich nicht die bereits übermäßig
belasteten Löhne. Ganz im Gegenteil könnte man mit den
Mehreinnahmen auch die Sozialabgaben senken, um auch die
Unternehmen nach dem Umfang ihrer
Arbeitsplatzbeschaffung zu entlasten und die
Eigenkapital-Verstärkung zu erleichtern. Für
finanzschwache kleine und mittlere Unternehmen sind
steuerliche Entlastungen vorgesehen, damit sie durch die
Hinzurechnung von Schuldzinsen usw. zum Gewerbe-Ertrag
nicht in weitere Schwierigkeiten kommen.
Gegenüber dem Ausdruck "Wertschöpfungssteuer" oder "Wertschöpfungsabgabe" wird hier die Bezeichnung
"aktualisierte Gewerbesteuer" bevorzugt,
denn der Begriff
Wertschöpfung kann zu einigen
volkswirtschaftlichen und finanztechnischen Fragen
führen, die mit dem Ziel der Gewerbesteuer wenig zu tun
haben. Aus finanztechnischer Sicht kann man den Wähler
und Medienkonsumenten sofort zum Ausklinken bringen,
wenn man versucht – im üblichen TV-Sekundentakt - den
Zusammenhang mit dem Cash-Flow zu erklären. Aus
volkswirtschaftlicher Sicht sind aus der Wertschöpfung
die "Vorleistungen" herausgerechnet. Schon hier könnte
man fragen, ob es sich bei (manipulierter)
Lizenzgewährung um "Vorleistungen" handelt (sh.
Revision der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1999,
Wirtschaft und Statistik, Heft 4/1999, S. 13 f.). Die Zinserträge
aus der Gewährung von Krediten gehören – wie die
Löhne und Gewinne – konventionell nicht zu den
Vorleistungen, sondern gelten als Teil der Wertschöpfung
und gehören zum Volkseinkommens (sh.
Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung
(für 2003), destatis.de. Dauerschuldzinsen wurden auch
bisher schon im Betrieb mit Gewerbesteuer belastet.
Zinsen und Gewerbesteuer können aber als
Betriebsausgaben abgesetzt werden.
Eine weitere
Unklarheit im Begriff der Wertschöpfungsabgabe ist die
Unterscheidung zwischen Bruttowertschöpfung (einschließlich der
Abschreibungen für Wertminderung) und
Nettowertschöpfung. Die Löhne sind in jedem Fall
Bestandteile der Wertschöpfung, werden jedoch durch die
Gewerbesteuer nicht belastet. Nach herkömmlicher
Lexikon-Definition (Vahlens Großes Wirtschaftslexikon,
1987) erfasst die "Wertschöpfungssteuer" aber durchaus
auch Löhne und Abschreibungen. "Aktualisiert" wäre eine
solche Gewerbesteuer im Hinblick auf die Möglichkeiten
zur Gewinnverschiebungen ins Ausland. - Man muss also
aufpassen, dass nicht – wie bei der sogenannten "Bürgerversicherung" oder der "Reichensteuer" – von den neoliberalen Lobbyisten
zur Wählertäuschung ein Begriffschaos geschaffen oder
Falschmünzerei betrieben wird.
Ziel der Vorschläge von Jarass und Obermair ist die
Ergänzung
oder langfristig vielleicht auch
Ersetzung der Dumping-anfälligen
Körperschaftsteuer durch die aktualisierte Gewerbesteuer. Folge der erweiterten
Bemessungsgrundlagen wären niedrigere
Unternehmenssteuersätze und die Möglichkeit zur
teilweisen Steuerfinanzierung der Arbeitgeber- und
Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, also die
Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht nur von
Verlagerungsmöglichkeiten.
Wenn möglich, sollte Deutschland die Maßnahmen
nach den Vorschlägen von Jarass und Obermair zusammen
mit einigen anderen EU-Ländern einführen. In Frage
kommen vorerst nur solche Länder, die ebenso unter dem
Steuer-Parasitismus leiden und daher kein Interesse an
einer Verschleppungs-Taktik haben. So gab es z.B.
Frankreich schon vor den Reform-Initiativen des
Präsidenten Jaques Chirac vom Mai 2006 bereits intensive
Überlegungen zur Entlastung der Löhnen von den
Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, unter
anderem auch durch eine Art Wertschöpfungsabgabe (sh.
z.B. Béatrice Taupin: "Cotisation patronale: les
scénarios de réforme",
lefigaro.fr, 16.5.06)
Zu den Zinswirkungen der
Vorschläge von Jarass und Obermair lässt sich folgendes
ergänzen: Wenn die Zinsen der Kapitalflüchtlinge gemäß
diesen EU-rechtskonformen Vorschlägen in Deutschland
besteuert werden, dann kann es dem deutschen Staat
gleichgültig sein, ob solche Kapitalgeber ihre
Zinserträge im Ausland noch einmal besteuern lassen oder
gleich auf die Kapitalverschiebung verzichten.
Jedenfalls werden die Verschiebungskünstler für ihr Geld
nach Abzug einer doppelten Besteuerung weniger Rendite
erzielen als jene Fremdkapitalgeber, die ihr Geld gleich
in Deutschland lassen. Das gilt auch dann, wenn der
Fremdkapital-Bedarf in Deutschland durch inländisches
Geld nicht voll gedeckt werden kann und wenn durch
solche Maßnahmen gegen die Steuerflucht das Zinsniveau
hier ein wenig steigen sollte. Überhaupt wird man
aufgrund einer solchen Besteuerung "an der Quelle"
von der oft künstlich herbeigeführten hohen
Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland wieder mehr zu
Eigenkapitalquoten kommen, die in anderen Ländern üblich
sind. Die höheren Steuereinnahmen lassen auch mehr Raum
für die bereits genannten staatlichen Maßnahmen zur
Unterstützung der Eigenkapitalbildung bei den
arbeitsplatzschaffenden kleinen und mittleren Betrieben.
Die richtungweisenden Arbeiten von Jarass und
Obermair werden hier ergänzend zum dänischen Verfahren weitgehend als Maßstab zugrunde
gelegt. Es handelt sich um praktikable Vorschläge gegen
Steuerflucht und Gewinnverschiebung. Vor allem
verschieben sie nicht das Problem bis zur ständig
sabotierten EU-Harmonisierung der Ertragsteuern und
Bemessungsgrundlagen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag oder
bis zum Staatsbankrott. Vielmehr geben sie eine
schlüssige und EU-rechtskonforme einzelstaatliche
Antwort auf
die oft fatalistische Frage nach effektiven
Abwehrmaßnahmen. Es ist daher eine große Hilfe für
diesen Text, dass er nicht noch mit detaillierteren
Ausführungen zu diesem umfangreichen Thema belastet
werden muss. Es gibt also einen Weg, aber er wird von
den Neoliberalen peinlichst ignoriert oder mit windigen
Argumenten im Interesse der eigenen
Bestverdiener-Kundschaft abgelehnt.
Zur Einbeziehung der Rechtsanwälte,
Ärzte, Architekten und sonstigen Freiberufler in die
Gewerbesteuer sagt z.B. der Rechtsanwalt und hessische
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) unter Hinweis auf
die höheren Gewerbesteuer-Sätze in den Städten (sh. sein
Interview vom 14.8.03 mit
dradio.de):
Die Variante, die
die Bundesregierung für die Gewerbesteuer vorgelegt hat,
ist nicht beschlussfähig. Aus einem sehr einfachen Grund
- jeder Bürger kann sich das vorstellen: Wenn Sie in
Zukunft in Deutschland Rechtsanwalt oder Arzt sind - und
jetzt nehmen wir mal meine Heimat, Sie haben in
Frankfurt Ihren Sitz - dann werden Sie deutlich mehr
Steuern zahlen als heute. Gehen Sie etwa zwei Kilometer
nach außen in einen Vorort, in einen sehr schönen
Vorort, nämlich in meine Heimatstadt Eschborn, dann
werden Sie keine Steuer zusätzlich zahlen.
Typisch ist die
zur Schau gestellte Selbstsicherheit solcher
Meinungsmacher. Würde man den Anwälten der Umverteilung
nach oben glauben, dann dürfte man schon jetzt in den
Städten kaum noch Läden finden, da die Gewerbesteuer
nicht das Unternehmen, sondern die einzelne
Betriebsstätte zum Gegenstand hat. Auch in Deutschland
gäbe es bald weder Läden, Friseure, Handwerksbetriebe,
Freiberufler, neoliberale Privatmedien usw., weil sie in
Steuer-"Oasen" abwandern, einschließlich der Kanzlei Roland
Koch, wenn er als Politiker trotz
schwarzer Kassen nicht mehr gewählt wird. Das
Steuerdumping der EU-subventionierten parasitären Steueroasen sieht
seine Partei als wünschenswerten "Steuerwettbewerb" zur
Durchsetzung von Dumping-Sätzen in Deutschland für ihre
bestverdienende Kundschaft. Einen "Steuerwettbewerb"
zwischen Stadt und Land in Deutschland schließen sie
aber anscheinend aus. Dabei hätte man gerade innerhalb
von Deutschland die rechtliche Möglichkeiten zur
Neuregelung von Ausgleichszahlungen für innerdeutsche
Dumping-Effekte.
Vor
allem die Richtung von Jarass und Obermair stimmt. Man kann nicht alle
Arbeitsplatzverlagerungen verhindern. In Maßen bringen
sie auch Vorteile durch marktfähige Vorleistungen. Aber
man kann die Entartung der Verlagerungen erheblich
eindämmen, statt sie gerade durch neoliberale
Steuergesetze anzuregen. Ebenso kann man durch die
Senkung der Mehrwertsteuer im konsumnahen Bereich die
Schwarzarbeit nicht beseitigen, wohl aber erheblich
reduzieren. Durch die Steuerfinanzierung von
Sozialabgaben kann man auch nicht die Arbeitslosigkeit
komplett beseitigen, wohl aber halbieren auf das Maß von
Großbritannien und von anderen Staaten mit wesentlich
höherer Steuerquote als Deutschland. Eine vollständige
Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Verlagerungen oder
der Schwarzarbeit ist in der automatisierten und
globalisierten Industriegesellschaft ohnehin kein
realistisches Ziel. Aber die steuerliche und sonstige
Subventionierung von Arbeitsplatzverlagerungen und von
Ersatz der Arbeit durch Kapital hat nichts mit
Globalisierung zu tun. Dagegen präsentieren die
Neoliberalen in ihren Medien und in den Talkshows am
liebsten falsche Alternativen, um von der
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben in
ihre Taschen abzulenken.
5)
Diskutierte Lobbyisten-Verfahren
5.1) Das
Halbeinkünfteverfahren
Das zur Zeit
geltende Halbeinkünfteverfahren war als Ausweg aus den
Problemen des Anrechnungsverfahrens gedacht (sh. "Brühler
Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung",
Brühl, 30. April 1999, auch gespeichert unter
bib.uni-mannheim.de). Es bedeutet
aber auch eine Finanzierung der Steuergeschenke für
Bestverdiener auf Kosten der Kleinanleger (sh. Tabelle
oben). Anscheinend konnte man eine Regelung nach dänischem
Vorbild gegen die Lobbyisten nicht einmal diskutieren,
weil die ja den Spitzensteuersatz nicht auf das dänische
Niveau erhöhen, sondern noch weiter absenken wollten.
Auch im weiteren Text des Wikipedia-Artikels zum
Anrechnungsverfahrens (sh. oben) zeigt sich der deutliche neoliberale
Einfluss bei Verteilungsfragen in dieser ansonsten
respektablen Enzyklopädie. Nach dem Hinweis auf die
Manninen-Entscheidung heißt es dort:
In Deutschland wurde bereits im Jahr 2000 mit dem
Steuersenkungsgesetz der Wechsel vom
Anrechnungsverfahren zum
Halbeinkünfteverfahren vollzogen, was im Nachhinein,
trotz der damals stellenweise geäußerten harschen Kritik
überwiegend als glückliche Entscheidung betrachtet wird.
In der Tat betrachten es
alle Neoliberalen als "glückliche Entscheidung", dass der
"Genosse der Bosse" mit seiner pinkgilbrünen Koalition ab
dem Jahre 2000 das Anrechnungsverfahren für ein Verfahren
zur Umverteilung nach oben über Bord geworfen
hat. Ironischerweise war das Anrechnungsverfahren ausgerechnet
von der Regierung Helmut Schmidt im Jahre 1977 eingeführt
worden, als es in der SPD-Führung noch genug
Sozialdemokraten gab. Die
Kritik am Halbeinkünfteverfahren wurde - im Gegensatz zur
Darstellung in der Wikipedia - auch nicht nur "stellenweise"
geäußert. Dazu schreibt der Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte
Matthias Delcker,
selbst Befürworter des Halbeinkünfteverfahrens, in seinem
Text "Die
Unternehmenssteuerreform",
Uni Karlsruhe, 22.5.01,
Seite 3:
Diese Kritik gipfelte im
Aufruf von 78 Universitätsprofessoren, das
Anrechnungsverfahren gegen unbedachte Reformen zu
verteidigen (BB 2000 S. 1269).
Die Kritik richtete sich
also nicht gegen jegliche Reformen, sondern nur gegen
"unbedachte Reformen". In Wirklichkeit war die Einführung
des Halbeinkünfteverfahrens auch keine "unbedachte" Reform,
sondern sie war - zumindest von den Profiteuren - bestens
bedacht. Andere Kommissionsteilnehmern haben sie wohl als
kleineres Übel akzeptiert, weil sich gegen die Lobbyisten
nichts Besseres durchsetzen ließ. Als Beispiel für die
aktuelle Kritik am Halbeinkünfteverfahren wurde hier unter
rossaepfel-theorie.de
bereits Wolfgang Scherf zitiert mit seinem Skript:
Öffentliche Finanzen I - II, Uni Giessen, 2005/06,
dort eingestellt 13.10.2004, erreicht auch über die Download-Seite
http://wiwi.uni-giessen.de/dl/det/Scherf/6713/. Es
enthält auf den Seiten 13 und 14 übersichtliche
Darstellungen der beiden Verfahren ohne Einbeziehung des
Solidaritätszuschlages und auf Seite 15 ein
Fazit: Das Halbeinkünfteverfahren war der
falsche Weg einer Unternehmenssteuerreform. Der
Gesetzgeber hat ein prinzipiell überlegenes Steuersystem
ohne überzeugende Gründe durch ein in nahezu jeder
Hinsicht problematisches Verfahren ersetzt.
5.2)
Verfahren
der "Stiftung Marktwirtschaft" (versus Jarass/Obermair)
Der Zusatz "versus Jarass/Obermair" bezieht sich vor
allem auf die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag von
Aufwendungen, die durch den Betrieb erwirtschaftet wurden.
Dieses klassische Verfahren der Gewerbesteuer soll u.a. nach
den Vorschlägen von Jarass und Obermair gestärkt werden, um
der Verschiebung von Gewinnen und Arbeitsplätzen ins Ausland
entgegenzuwirken, wie sie von einigen internationalen
Großunternehmen in unglaublichem Maße praktiziert wird
(sh. z.B. den Artikel von Lorenz Jarass und Gustav M.
Obermair: "Sinkende Steuerbelastung von
Unternehmens- und Vermögenseinkommen", insbesondere den
Abschnitt "Verschiebung
von steuerlichen Bemessungsgrundlagen in Steueroasen:
Steuerdumping" und die dort folgenden
Abschnitte, Wirtschaftsdienst 2004, Heft 3, S.
152-160). Genau gegen diese
Hinzurechnungen richtet sich aber die geballte Kritik der
Lobbyisten, insbesondere von der "Stiftung Marktwirtschaft".
Diese "Stiftung" ist eng
verbunden mit den Lobbyisten und Gesetzesmachern in der
CDU/CSU (sh. "Lautsprecher
des Kapitals", zeit.de, 4.5.05, "Die
Ideengeber von Schwarz-Gelb", taz.de,
20.7.05, und
lobbycontrol.de, mit
weiteren Nachweisen). Deshalb kann hier mit den Vorschlägen der
"Stiftung" auch zugleich die Position der CDU/CSU abgehandelt
werden. Es geht aber auch um die Position des
Koalitionspartners SPD, insbesondere von Finanzminister
Steinbrück, der schon bei der Umverteilung nach oben in der
Schröder-Koalition eine bemerkenswerte Rolle gespielt hat
(sh.
rossaepfel-theorie.de).
Auch nach den Vorschlägen der "Stiftung
Marktwirtschaft" sollen die Kleinverdiener weiterhin mit
ihren Ersparnissen steuerlich um so schlechter gestellt werden,
je weniger sie verdienen.
Dazu heißt es in dem Text
"Stiftung Marktwirtschaft – Kommission
‚Steuergesetzbuch’ für eine Neuordnung der
Unternehmensteuer und eine Reform der Kommunalfinanzen",
zvei.org (Seite ohne Datum, besucht am 14.7.06):
Die Kommission schlägt innerhalb einer Allgemeinen
Unternehmenssteuer vor, einbehaltene Gewinne
rechtsformunabhängig mit einem proportionalen Steuersatz
in Höhe von 19 – 22 Prozent zu belasten. Zusammen mit
einer kommunalen Unternehmenssteuer in Höhe von 6 – 8
Prozent, die dieselbe Bemessungsgrundlage haben würde,
folgt eine Gesamtbelastung von 25 – 30 Prozent.
Für Ausschüttungen und Entnahmen würde durch ein
modifiziertes Halbeinkünfteverfahren eine Nachbelastung
erfolgen. Folglich stimmte die Summe aus
Unternehmenssteuer und Nachbelastung mit der
Spitzenbelastung der Einkommensteuer überein.
Es soll also nur eine "Nachbelastung" erfolgen, das
heißt
offenbar keine Erstattung für den häufigen Fall, dass
die "Gesamtbelastung von 25 - 30 Prozent" höher ist als
der persönliche Steuersatz eines Kleinanlegers. Der
Kleinanleger mit einem persönlichen Differenzsteuersatz
von 0% oder 15% (= Eingangssteuersatz) würde also nicht
entlastet (sh. zur Bestätigung: "Kommission
'Steuergesetzbuch' - Steuerpolitisches Programm",
stiftung-marktwirtschaft.de, 30.1.06, S. 26). Eine solche
absurde Lastenverteilung enthält auch der Plan des Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Allerdings hat Steinbrück
schon ganz vorsichtig die Prüfung eines Erstattungsverfahrens für die geschröpfte Kleinverdiener
angedeutet, so dass man mit der Erstattung wieder in die
Nähe des früheren Anrechnungsverfahrens (gültig bis
2000, sh. obige Tabelle) kommen könnte. Damit würden
aber die milliardenfache Steuermehreinnahmen von den
Kleinverdienern wegfallen,
die man zur weiteren Finanzierung der Steuersenkung für
Best-"Verdiener" eingeplant hat.
Im Hinblick auf die Großaktionäre und sonstige
finanzstarke Anteilsinhaber scheint es auf den ersten Blick
so, als hätten sie keinen Vorteil bei ihrer vorgeschlagene "Nachbelastung"
zusätzlich zur "Gesamtbelastung von 25 - 30
Prozent", da sie so doch auf ihren derzeitigen
Spitzensteuersatz von 42 Prozent kommen. Tatsächlich
sind ihre ausgewiesenen Gewinnanteile - unabhängig vom
Einkommen der Anteilsinhaber - aber noch im Unternehmen
mit der Gewerbesteuer belastet. Die persönliche Gesamtbelastung
beim Einkommensteuer-Höchstsatz von 42% erreicht so normalerweise
mehr als 50% (zur Berechnung sh. unten), auch wenn die
Gewerbesteuer nicht als Personensteuer gilt. Diese
Kumulation mit der Gewerbesteuer soll
nach den Planungen von Peer Steinbrück bestehen bleiben.
Nach dem "Stiftungs"-Vorschlag ist dagegen die
Gewerbesteuer schon in der "Gesamtbelastung von 25 – 30
Prozent" für einbehaltene Gewinne enthalten in Form "einer kommunalen
Unternehmenssteuer in Höhe von 6 – 8 Prozent" (sh.
obiges Zitat und "Das
das Allgemeine Unternehmensteuergesetz (UntStG)",
stiftung-marktwirtschaft.de, 29.6.06, S. 3). Daneben
soll die "Allgemeinen Unternehmenssteuer ... in Höhe von
19 – 22 Prozent" die Nachfolge der
Körperschaftsteuer antreten. Die finanzstarken "Stifter" schlagen
also eine Absenkung ihrer kombinierten Spitzenbelastung
von mehr als 50% auf 42% vor (d.h. "25 - 30 Prozent"
plus "Nachbelastung" nach ihrem "Teileinnahmeverfahren"
- sh. ihr "Steuerpolitisches Programm",
a.a.O.).
Dass der jetzige kombinierte Spitzensteuersatz
einschließlich der Gewerbesteuer sehr deutlich über 50%
liegt, lässt sich wie folgt zeigen: In den
Grafischen Darstellungen
des Bundesfinanzministeriums vom Mai 2006 (Blatt 9 von
Januar 2005) wird der kombinierte Unternehmenssteuersatz aus
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf einbehaltene
Gewinne im internationalen
Vergleich mit 38,7%
ausgewiesen (sh. ,
a.a.O., 18.7.06). Da die Körperschaftsteuer darin mit
26,375% einschließlich 5,5% Solidaritätszuschlag
enthalten ist und die Gewerbesteuer sowohl bei ihrer
eigenen Bemessungsgrundlage als auch bei der
Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe abzusetzen ist,
entspricht das einem Hebesatz von 400%:
0,26375 + (1 – 0,25*1,055) * (0,05 * 4) / (100 + 0,05 *
4) = 0,38645 (sh. die "Formeln
zur Berechnung der Gewerbesteuer" bei
Wikipedia). Die Gewerbesteuer darin beläuft sich also auf 38,645 -
26,375 = 12,27% und führt zu einer Ersparnis bei
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag von 12,27 *
0,25 * 1,055 = 3,2%.
Die Fortsetzung der Umverteilung nach oben geschieht mit
den geänderten Steuersätzen auch dann, wenn die
Unternehmenssteuerreform durch Erweiterung der
Bemessungsgrundlagen (sh. unten) aufkommensneutral sein
sollte. Aber
die gesamte Front der Lobbyisten ist schon gegen alles
in Stellung gegangen, was die Senkung ihrer Steuersätze
durch eine Mehrbelastung bei den Bemessungsgrundlagen
kompensieren könnte. Während sie bei der Einkommensteuer
zur Senkung ihres eigenen Spitzensteuersatzes stets die
"Investoren" vorgeschoben haben
(sh.
rossaepfel-theorie.de),
schieben sie jetzt zu diesem Zweck als Schein-Argument
die listige und unbillige Mehrbelastung der Normal- und Kleinverdiener
vor, vermeiden aber jede Forderung nach deren
individueller Entlastung durch
Erstattung der Differenz zum jeweils persönlichen
Einkommensteuersatz oder nach deren Entlastung durch
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben.
Die
"kommunale Unternehmenssteuer" der "Stiftung" soll - im
Gegensatz zur jetzigen Gewerbesteuer - anscheinend nicht
als Betriebsausgabe absetzbar sein, denn ihr Satz wird
einfach mit dem Körperschaftsteuersatz addiert. Man
sieht jedenfalls, dass der Finanzminister die
Körperschaftsteuer auf 15% senken will, während sie nach
den Vorstellungen der "Stiftung" nur auf 19 - 22 %
gesenkt werden soll. Dafür will aber der Finanzminister
der Gewerbesteuersatz offenbar nicht absenken, während
ihn die "Stiftung" offenbar am liebsten halbieren
möchte.
Noch lieber möchte die Lobbyisten für die Umverteilung
nach oben die Gewerbesteuer schnellstmöglich ganz
abschaffen, gerade weil sie traditionell die
Hinzurechnungen enthält. Wenn man diese Steuer durch
eine leichte Erhöhung Körperschaftsteuer ersetzen lässt,
dann kann man seine Gewinne noch mehr als bisher ins Ausland
verschieben, denn dann hat der Staat kaum noch
nennenswerte Hinzurechnungsmöglichkeiten gegen die
Auszehrung der deutschen Steuer-Bemessungsgrundlagen
(sh. auch weiter unten die Anmerkung zu § 8a KöStG).
Zwar sprechen die "Stifter" von einer einheitlichem
Bemessungsgrundlage für die Körperschaft- und
Gewerbesteuer zur "Vereinfachung" des Verfahrens. Aber
diese "Vereinfachung" dient ihnen vor allem dazu, dass
auch bei der Gewerbesteuer die Hinzurechnungen entfallen,
wenn schon der Lobbyismus für die völlige Abschaffung
dieser Steuer nicht reicht.
Die Kritik gegen den Lobbyismus richtet sich hier nicht gegen die Absenkung
des kombinierten Unternehmenssteuersatzes aus
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf das übliche
Niveau der westlichen EU-Länder im
internationalen "Steuer-Wettbewerb", wenn in Verbindung
damit durch die Erweiterung der Bemessungsgrundlagen und
durch das Schließen der Steuerschlupflöcher auch das Aufkommen
aus der deutschen Unternehmenssteuer wieder auf dieses
internationale Niveau
drastisch angehoben wird und wenn vor allem die großen
Couponabschneider mit ihrer Gesamtbesteuerung
wieder auf den Stand der "Wirtschaftswunder"-Jahre
gebracht werden.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei allerdings die
Einführung einer Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
nach dänischem Vorbild, also ohne "Spekulationsfristen"
(sh. unten), und ein nicht nur scheinbares Vorgehen
gehen die
fingierte Gewinnverlagerung
ins Ausland.
Der
bemerkenswerteste, fundierteste und erstaunlich ehrliche Zugang zum Problem
der Steuerflucht und zur Neuregelung des Steuersystems
in Deutschland sind nach Kenntnis des Verfassers die Untersuchungen von Jarass
und Obermair (sh. hier
rossaepfel-theorie.de~#Jarass
und Obermair). Diese richtungweisenden
Arbeiten werden hier - abgesehen von der Bewertung
des Halbeinkünfteverfahrens
- weitgehend als Maßstab zugrunde gelegt, so dass die
vielen weiteren Details dort nachzulesen sind.
Danach soll zum Schließen der Schlupflöcher die Erweiterung der Bemessungsgrundlage
für die Unternehmenssteuer erfolgen
durch Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen,
Lizenzgebühren, Mieten einschließlich Leasingkosten und andere Gewinnschmälerungen, mit denen
heute in großem Stil künstliche Gewinnverschiebungen in
parasitäre Steueroasen konstruiert werden. Dies gleiche
Bemessungsgrundlage soll auch für die Körperschaftsteuer
gelten. Sie wird schon seit Jahrzehnten bei der
Gewerbesteuer praktiziert. Es ist daher kein Zufall,
dass sich die Kritik der Lobbyisten gerade gegen diese
Steuer richtet (sh. unten).
Besonders deutlich wird die Richtigkeit des Ansatzes
von Lorenz Jarass durch das große Lamento
über die Hinzurechnung von Schuldzinsen von Seiten der
Finanzinvestoren ("Private Equity"),
die zuweilen auch -
teils zu Recht, manchmal zu Unrecht - als
"Heuschrecken"
bezeichnet werden (sh. "Private
Equity - Die Firmenjäger", zeit.de,
11.5.05).
Gerade durch ihre übermäßige
Kreditfinanzierung von Firmen-Schluck-, Würg- und
Abstoß-Aktionen werden riesige Gewinne gemacht, oft
Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet oder ins Ausland
verlagert und die Werte abgezockt, die die Arbeitnehmer
in Jahrzehnten geschaffen haben
(sh. "Schwarzbuch Börse -
Heuschrecken und schwarze
Schafe", manager-magazin.de, 8.2.06, und
dort: "Die übelsten Börsenfälle 2005"). Die Branche
zählt dagegen stets etliche Fälle auf, die das Gegenteil
beweisen sollen und vielleicht auch manchmal können.
Damit kann sie aber keinen Anspruch auf besondere
Rücksichtnahme beim Thema Hinzurechnung begründen.
Da die "Heuschrecken" in den meisten Fällen ihre
eigenen übermäßigen Kredit-Zinsen für den Firmenkauf
gerade ihren gesunden Parasitismus-Opfer aufbürden, sie
damit aussaugen und so zum Arbeitsplatzabbau zwingen,
könnten sie ihr Ansehen durch Verzicht auf diese
Strategie erheblich aufbessern. Sie könnten so die
überwiegenden schwarzen Schafe in ihren Reihen
aussondern und auch halbwegs ethisch orientierte Anleger
gewinnen. Eine solche Strategieänderung ist aber allein
schon wegen
ihres Wettbewerbs untereinander nur möglich, wenn der
Staat ihnen dabei "hilft", indem er ihnen hohe Steuern
auf ihre gezahlten Kreditzinsen und für ihre
Veräußerungsgewinne abnimmt.
Andernfalls bietet man ideale steuerliche
"Rahmenbedingungen" für das Andocken von Parasiten.
Vor allem könnten diese Gewinnsteuern und die Steuern auf die Kreditzinsen
nach dem Muster der Gewerbesteuer in Deutschland
verbleiben und müssten nicht bei Kreditaufnahme in
parasitären Steueroasen dorthin fließen (sh. u.a. den Vortrag von
Lorenz Jarass: "Effiziente
Unternehmensbesteuerung", Wiesbaden,
2.5.06, S. 3 f., und weitere Quellen, zu finden mit
["private equity" site:jarass.com]).
Nicht die "Heuschrecken" selbst, sondern der deutsche
Staat bzw. die Gegner der Besteuerung von gezahlten
Schuldzinsen sind also die eigentlich Schuldigen an der
"Heuschrecken"-Invasion. Sie nehmen die biblische
Plage und die Herrschaft des Kapitals wie ein
Naturereignis hin. Die Profiteure des Kahlfraßes wollen
ihrerseits nicht darauf verzichten. Auch hier betreiben
die Neoliberalen - wie bei
der Steuersenkung für Bestverdiener - ihre
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.
Der überwiegend neoliberale Sachverständigenrat
der "Wirtschaftsweisen" (sh.
hier
rossaepfel-theorie.de)
ergreift in seinem Jahresgutachten 2005/06
erwartungsgemäß Partei für die Private-Equity-Branche.
Die neoliberalen Ideologen und Heuschrecken-Profiteure
verbreiten diese Argumentation in ihren Wikipedia-Beiträgen zur
Heuschreckendebatte, indem sie - wie üblich - Falsches durch
Wahres begründen. Zur explosionsartigen Entwicklung
dieser derart begrüßten raubtierkapitalistischen
Umverteilung nach oben schreibt Joachim Jahnke auf
seiner beachtenswerten
Website mit
ausgezeichneten Grafiken (Stand
15.2.07):
Nach einem Bericht
der Financial Times verläuft die Kapitalaufnahme der
Buy-out Fonds, d.h. ein besonders aggressiver Typ der in
Deutschland als "Heuschrecken" gescholtenen Private
Equity Unternehmen, in diesem Jahr besonders stürmisch.
Allein die 5 größten Fonds konnten in den vergangenen 12
Monaten mehr als 91 Milliarden Dollar an neuem Kapital
aufnehmen...
Eine solche Zahl
muß man verdeutlichen: Es handelt sich um mehr als das
Doppelte des gesamten Aktienkapitals von
DaimlerChrysler. Abb. 03452 vergleicht mit den deutschen
DAX 30 Unternehmen.
Recht erhellend für diese Ideologie-Entwicklung, das
Verschulden des Staates und seiner "sachverständigen"
Ratgeber ist der Artikel von Werner Rügemer: "Das
stille Werk einer deutsch-christlichen Heuschrecke -
ODEWALD & COMPAGNIE", freitag.de,
9.2.07.
Es geht um die Aufsplitterung des
Speditionsunternehmens trans-o-flex, so dass kein
übergeordneter Betriebsrat mehr gefordert werden kann
und langjährige Mitarbeiter durch Billiglöhner mit
Jahresverträgen in
Dutzenden von Splitter-Gesellschaften ersetzt werden. Das Unternehmen wirft
auf diese Weise mehr Gewinn ab und lässt sich so mit den
üppigen Margen der "Lohnsenker" weiterverkaufen. Die
Anwältin der Profiteure weist natürlich den Vorwurf des
Rechtsmissbrauchs zurück. Sie verweist statt dessen
triumphierend auf eine angebliche Gesetzeslücke, die sie
entdeckt hat und die sich natürlich auch für sie
persönlich auszahlt. Für
zukünftige Fälle zeigt sie mit dem Finger auf den Gesetzgeber ("de lege ferenda") im berechtigten Vertrauen darauf, dass die
neoliberale Regierung solche Tricks weiterhin duldet.
Die zuständige Amtsrichterin war überfordert. Ein
Richter sagte dazu: "Wenn man solche Praktiken wie die
Verlagerung und rechtliche Neugründung von
Niederlassungen akzeptiere, könne man sich den
gesetzlichen Kündigungsschutz gleich ganz schenken."
Hier werden zunächst einmal nicht die ökonomischen Fakten,
sondern das Recht gegen den Strich gebürstet, wie es bei
den Steuervermeidungskünstlern zum Standard gehört. Mit
ihnen arbeitet man in dieser Branche eng zusammen, so
dass deren Prinzip vom Wettlauf als Igel mit dem
gesetzgeberischen Hasen schnell Eingang gefunden hat.
Wenn die "Christlichen" mit der Wähler-Akzeptanz ihrer
Umverteilung nach oben nicht zufrieden sind und dies nur auf
ihre
mangelnde "Kommunikation" zurückführen, so gibt ihnen
der Fonds-Betreiber Jens Odewald jedenfalls ein
Lehrstück nach dem anderen, wie man solche "Kommunikation"
betreibt - als FAZ-Kurator, Journalisten-"Mäzen",
Kanzler-Finanzier, Merkel-Berater, Stiftungs-Wohltäter,
CDU-Stiftungs-Beirat, Vorzeige-Patriot, Preisverleiher
für "Soziale Marktwirtschaft", großzügiger
"Edel"-Gastgeber für Helmut Kohl, Sabine Christiansen,
Bundespräsident Köhler, Friede Springer usw. Dazu schreibt
Werner Rügemer, a.a.O.:
Um Helmut Kohl seinerzeit ein Gerichtsverfahren und
unangenehme Forderungen wegen schwarzer Kassen zu
ersparen, spendet Jens Odewald ihm immerhin 650.000
Mark. Im Kuratorium der Fazit-Stiftung sorgt er außerdem
mit für die
Frankfurter Allgemeine Zeitung, vergibt
Stipendien an Journalistikstudenten und finanziert
Journalistenschulen. Er gründete den Verein
Wir für Deutschland,
leitet den Tschibo-Aufsichtsrat ebenso wie den
Wirtschaftsbeirat der Konrad-Adenauer-Stiftung und
vergibt dort den Preis "Soziale Marktwirtschaft".
Odewald habe sich mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel
getroffen und das Thesenpapier zur "Stärkung niedrig
qualifizierter Beschäftigung in Deutschland" diskutiert,
berichtet die Stiftung. Ich frage an, ob ich das Papier
haben kann. Nein, es sei vertraulich.
Aber die Redakteure von
Bild haben
Zutritt zu dieser geschlossenen Gesellschaft. So erzählt
uns das Massenblatt, das stets die Selbstbereicherung
der Politiker und Manager anprangert, dass Jens Odewald
jährlich am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit in
Berlin zum "Einheitsessen" lädt. Im vergangenen Oktober
seien im Edelrestaurant
Palmenhof
seine hundert besten Freunde zusammengekommen, darunter
Ex-Kanzler Kohl, Sabine Christiansen, Bundespräsident
Horst Köhler, die Verlegerin Friede Springer, der
BDI-Geschäftsführer Ludolf von Wartenberg. Die Stimmung
sei ganz ausgezeichnet gewesen.
Von dieser erlauchten Runde im Berliner
"Palmenhof" , bei der natürlich die "SPD-Granden" und
Friedrich Merz
als "Ehrenredner" nicht fehlen durften, ist auch die
Rede in dem Artikel von Jörg Schindler: "Friedrich Merz
– ein schmarotzender Abzocker vor dem Herrn?",
fr-aktuell. de, vom 10./11.10.2006 (vorübergehend gespeichert im Forum
mysnip.de
- Stand
10.2.07). Zu den vielen lukrativen Aufgaben von Merz
neben seinen Gala-Vorträgen und Auftritten als CDU-Bundestagsabgeordneter
gehörte unter anderem die Beratung des britischen
Hedgefonds TCI. In Verbindung mit anderen Finanziers hat
TCI die feindliche Übernahme (um nicht zu sagen
"Kaperung") der Deutsche Börse geschafft mit
anschließender Berufung von Merz in den
Aufsichtsrat der Deutschen Börse.
Als Ökonom mag man nicht gern von der
marktwirtschaftlichen Denkweise abweichen und über eine
Einschränkung der "Heuschrecken"-Plage durch
Marktregulierungen nachdenken. Gleiches gilt für alle
anderen Formen von Marktregulierungen. Das gilt
jedenfalls so lange, wie man gerade durch steuerliche
Maßnahmen die gemeinwirtschaftlichen Ziele marktkonform
und punktgenauer erreichen kann als durch solche
Regulierungen. Man kann damit also gerade die
anvisierten Fälle treffen und zugleich die normalen
Kreditfinanzierer schonen. Außerdem nimmt man so den
Neoliberalen den Wind aus den Segeln, wenn sie
für
Deregulierung trommeln, aber Umverteilung nach oben
meinen. Gerade deshalb wird ihnen diese Art der
Deregulierung überhaupt nicht gefallen.
Das Handelsblatt zeigt dagegen viel Verständnis für
"Heuschrecken"-Anleger
(vielleicht im eigenen Haus?), die sich über die
möglichen Ursachen und Risiken ihrer versprochenen
Traumrenditen keine Gedanken machen:
Denn setzt sich Peer Steinbrück (SPD)
durch, müssen Firmen künftig sogar auf ihre Zinskosten
Steuern bezahlen - ein schwerer Schlag gegen die
Private-Equity-Branche und ihr Modell der
außerbörslichen Firmenfinanzierung.
(Sh. "Steinbrück schreckt Investoren",
Handelsblatt Nr. 152, 9.8.06, Seite 1.)
Im Gegensatz zum Handelsblatt glaubt selbst Josef
Ackermann, Chef der Deutschen Bank,
"nicht
mehr allein an die Selbstheilungskräfte der
Marktwirtschaft",
wenn es um die Auswüchse der spekulativen Aufkäufe oder
Beleihungen von Immobilien (und Firmen) zu Niedrigzinsen
geht (sh. sein Interview: "Ich
habe keinen Zweifel an der Stabilität des Bankensystems",
faz.net,
20.3.2008). Er äußerte – zum großen
Erschrecken der Neoliberalen – seine Zweifel an den
Selbstheilungskräften bei einer Podiumsdiskussion in
bezug auf die US-Immobilienkrise. Aber tatsächlich wird
das Spekulationsfiber – auch bei den Aktien – durch die
jahrelang andauernde Politik des billigen Geldes und die
Steuerpolitik der Neoliberalen angetrieben. Die
spekulativen Ausschlachtungs-Käufe mit fremdem Geld und
Gewinnverschiebungen in Steuer-"Oasen"
ließen sich auch in Deutschland etwas eindämmen, wenn
die Fremdkapitalaufnahme durch die traditionelle
Hinzurechnungen der Schuldzinsen bei der Gewerbesteuer
verteuert würde und die Spekulationsgewinne so zumindest
teilweise für öffentliche Aufgaben zur Verfügung
stünden.
Bezeichnend für den Heuschreckenfraß ist
auch der Fall der Autovermietung Hertz, wo es absolut
nichts zu sanieren gab. Dazu die FAZ vom 31.10.06:
Gerade einmal zehn Monate nach der
Übernahme wollen die Finanzinvestoren Hertz wieder an
die Börse bringen. Es ist schwer erkennbar, welchen Wert
sie in dieser Zeit geschaffen haben. Das Geschäft mit
Autovermietungen entwickelt sich bei Hertz solide, aber
das tat es schon vor der Übernahme, denn Hertz war alles
andere als ein Sanierungsfall. Die Finanzinvestoren
belohnen sich aber trotzdem für die kurze Arbeit, denn
der Emissionserlös ist für Sonderdividenden für die
bisherigen Eigentümer bestimmt und nicht für
Investitionen in das Unternehmen selbst. Hertz ist
bestimmt kein schlechter Börsenkandidat. Potentielle
Aktionäre sollten sich aber bewußt sein, daß die
Emission nicht dazu dient, Hertz voranzubringen. Die
bisherigen Eigentümer füllen ihre Kassen.
(Zitiert nach der
DLF-Wirtschaftspresseschau vom
31.10.06, 13:55h).
Die Börsen-Zeitung ergänzt (ebd.):
Läuft nichts schief, dann haben die
Beteiligungskünstler in nicht einmal einem Jahr 60
Prozent ihres Einsatzes heraus - und sitzen bei Hertz
nach wie vor am Steuer. Buy-Out-Manager betonen stets
die segensreiche Langfristigkeit ihres Engagements und
ihr 'Werteschaffen'. Geschwätz von gestern? Greifen die
Anleger bei diesem Ausstieg zu, dann nehmen sie einen
schnellen Flop in Kauf. Schon mit den bisher von smarten
Buy-Out-Jungs an die Börse gebrachten Kandidaten haben
Investoren vielfach ein schlechtes Geschäft gemacht.
Man sieht also auch hier, wie recht Peer
Steinbrück hier ausnahmsweise einmal hat, wenn er die
Zinskosten für Abzockerei und Steuervermeidung besteuern
will. Man sieht aber auch, welche Qualität die
"Informationen" des Handelsblattes und ähnlicher Blätter
haben, wenn es um die Besteuerung ihrer Eigner,
Haupt-Meinungsmacher und ihrer
"Bestverdiener"-Kundschaft geht.
Nach der Eurowings-Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH,
C-294/97, 26.10.1999) zur
Gewerbesteuer sind allerdings
Hinzurechnungen nicht zulässig, wenn dadurch die
Dienstleistungsfreiheit ausländischer EU-Unternehmen
gegenüber deutschen Unternehmen beeinträchtigt wird,
wenn also z.B. deutsche Dienstleister gegenüber den
ausländischen Dienstleistern durch einzelne steuerliche
Regelungen im Vorteil sind. Dazu gehört lt. dieser
Entscheidung der gesetzliche Verzicht auf vollständige
oder hälftige Hinzurechnungen solcher Beträge gegenüber
deutschen Unternehmen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung dieser Beträge in
Deutschland. Das betrifft
einige Fällen des § 8 Gewerbesteuergesetz, insbesondere
im Falle von Miet- und Leasingkosten. Dieser
übertriebene Hinzurechnungs-Verzicht ist aber ohnehin problematisch, weil ja nicht
genau diese Mietbeträge bei den Vermietern der
Gewerbesteuer unterliegen, sondern nur die Differenz solcher Erträge zu den entsprechenden Aufwendungen
der Vermieter.
Der EuGH hat diese falsche Aufwands- und Ertragsrechnung durchaus
erkannt, denn in dem
Urteil heißt es:
Wie sich aus den Akten des
Ausgangsverfahrens ergibt, verfügt der Leasinggeber über
verschiedene Möglichkeiten, seine effektive steuerliche
Belastung zu senken, etwa durch Zugrundelegung des
Buchwerts der Wirtschaftsgüter anstelle ihres
Verkehrswerts, Hinzurechnung nur der Hälfte anstelle der
vollen Dauerschulden, Finanzierung des Kaufs der
Wirtschaftsgüter über Forfaitierung zwecks Verringerung
des Gewerbekapitals und Berücksichtigung nur des
tatsächlichen Gewinns aus den in Deutschland vermieteten
Wirtschaftsgütern und nicht der Hälfte des Mietzinses.
So gestatten es auch von deutschen Banken angebotene
"Leasingfonds", den Anfall von Gewerbeertragssteuer
vollständig und den von Gewerbekapitalsteuer für einen
Teil der Vertragslaufzeit zu vermeiden.
Generell handelt es sich bei dem Verzicht auf
Hinzurechnungen vor allem um ein Ergebnis des
Lobbyismus. Zur geplanten Korrektur des deutschen Rechts
im Anschluss an die Eurowings-Entscheidung sagte Gerd Müller-Gatermann, MinDirg im BMF, in seinem
Vortrag "Gewerbesteuer - quo vadis?" auf dem
Steuerberatertag am 27.10.2003 in Erfurt (sh.
dstv.de):
Gleichzeitig wird die sogenannte
Eurowings - Entscheidung des EuGH umgesetzt. Danach
erfolgt die hälftige Hinzurechnung bei Mieten etc.
unabhängig davon, ob beim Empfänger der entsprechende
Betrag der Gewerbesteuer unterliegt. Die Kürzung beim
Empfänger erfolgt jedoch nur in dem Falle, dass beim
Zahlenden hinzugerechnet wird.
Unter dem Wikipedia-Stichwort
Eurowings-Entscheidung
wird statt dessen der aufweichende Lobbyisten-"Kompromiss"-Vorschlag
erwähnt, "Miet- und Pachtzinsen generell, allerdings nur
noch zu 25% dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen". Eine
EU-konforme Neuregelung zum Schließen der Schlupflöcher
wird nun jedoch in der schwarzrötlichen Koalition
erheblich erschwert durch den starken Einfluss der
Lobbyisten in den "christlichen" Parteien wie auch bei
ihren Gesetzes-Einflüsterern der "Stiftung
Marktwirtschaft" und in den neoliberalen Medien.
So schreibt z.B. Johanna Hey,
Mitarbeiterin beim "Steuergesetzbuch" der Stiftung
Marktwirtschaft, in ihrer
Stellungnahme zu dem Antrag der
Fraktion CDU/CSU "Ein modernes
Deutschland - Konzept 21" (BT-Drucks. 15/2745) und
zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP "Entwurf
eines Gesetzes zur Einführung einer neuen
Einkommensteuer und zur Abschaffung der Gewerbesteuer"
(BT-Drucks. 15/2349) - anlässlich der öffentlichen
Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am
19. Januar 2005, Seite 3:
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es zu
einer Abschaffung der Gewerbesteuer keine Alternative.
Die Gewerbesteuer begegnet erheblichen
verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3
Abs. 1 GG2. Diese werden auch durch die
Anrechnung der Gewerbesteuer in der Einkommensteuer (§
35 EStG) nicht beseitigt, sondern noch vertieft3.
Zudem lassen sich Hinzurechnungs- und korrespondierende
Kürzungstatbestände nicht europarechtskonform
ausgestalten4.
___________
2 S. die erneute Vorlage des FG Niedersachsen
21. 4. 2004 – 4 K 317/91, FR 2004, 907.
3 Zur Vorgängerregelung des § 32c EStG BFH
Beschl. v. 24. 2. 1999 X 171/96, BStBl. II 1999, 450.
4 S. EuGH v. 26. 10. 1999, Rs.
C-294/97, Slg. 1999, 7447 (Eurowings).
"Aus wissenschaftlicher Sicht"
handelt es sich bei einer solchen Argumentation gegen
die Gewerbesteuer aber eher um die TINA-Formel von
Margaret Thatcher ("There Is
No Alternative"). Die "erheblichen
verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 3
Abs. 1 GG" wurden zu Recht vom Niedersächsischen
Finanzgerichts geäußert (sh. "Neueste Entwicklungen im
deutschen Steuerrecht", SteuerRevue 9/2004, S. 638,
eycom.ch). Sie
zielen aber nicht auf eine "Abschaffung der
Gewerbesteuer", sondern auf den Missstand, dass
nicht auch Betriebe von Freiberuflern der Gewerbesteuer
unterliegen, sondern dass z.B. Anwälte und
Steuerberater-Sozietäten von der Gewerbesteuer
befreit sind, dass man sie also gegenüber den anderen
gewinnorientierten Unternehmen privilegiert. Im Grunde
gilt dieses Privileg auch für die neoliberalen
"Denkfabriken" und ähnliche Einrichtungen, die nur
deshalb keine Gewinne ausweisen, weil die Überschüsse
aus den "Spenden" und sonstigen "nützlichen
Aufwendungen" der Lobbyisten für die teuren PR-Kampagnen
der Institute schon vorher "weggedrückt" werden durch
hohe Gehälter und Honorare für die "Gutachter" und
sonstigen Söldner.
Besonders auffällig im obigen Zitat ist der Satz: "Zudem
lassen sich Hinzurechnungs- und korrespondierende
Kürzungstatbestände nicht europarechtskonform
ausgestalten4." Nach den obigen Ausführungen
zu der Eurowings-Entscheidung dürfte klar
sein, dass es sich bei dieser kategorischen Aussage ohne
jeden Hinweis auf die eigentlichen Gründe um reinen Lobbyismus
handelt.
Die "Stiftung" möchte jedenfalls möglichst alle
Schlupflöcher beibehalten, denn in ihren "Kernpunkten" (sh. "Das
Allgemeine Unternehmensteuergesetz (UntStG)",
stiftung-marktwirtschaft.de, 29.6.06, S. 3) fordert sie:
* Keine ertragsunabhängigen Elemente in der Allgemeinen
und Kommunalen Unternehmensteuer; Stabilisierung des
gemeindlichen Steueraufkommens durch Beteiligung der
Betriebsstättenkommunen am ertragsunabhängigen
Lohnsteueraufkommen
* Zur Lösung des Problems unangemessener
Finanzierungsgestaltungen kann die Nutzung von
Zinsaufwand zeitlich gestreckt werden (Ersatz für die
Beschränkung der Gesellschafterfremdfinanzierung durch §
8a KStG und die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung
der Dauerschuldzinsen)
Der § 8a KöStG zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung ist
zwar "auch bei Vergütungen für Fremdkapital anzuwenden,
das die Kapitalgesellschaft von einer dem Anteilseigner
nahe stehenden Person im Sinne des § 1 Abs. 2 des
Außensteuergesetzes oder von einem Dritten erhalten hat,
der auf den Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende
Person zurückgreifen kann" (sh.
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/kstg_1977/gesamt.pdf),
aber die Verfasser der "Stiftungen" wissen sicher ganz
genau, wie schwer solche Personal- und
Kapitalverflechtungen mangels Mithilfe der parasitären
Steueroasen aufzuklären sind.
Etliche der "Stifter"
werden diese angedienten Schlupflöcher zu Recht genutzt
haben und werden mit ihren Gewinnen auch weiterhin
(zu Unrecht) "stiften" gehen wollen (der etwas genervte
Kalauer gegen die Gemeinwohl-Attitüde sei verziehen!). Bei den Hinzurechnungen geht
es im Zeichen der staatlich geförderten
Steuerflucht-"Globalisierung" ja gerade darum, ein Mittel gegen diese Mauer der Verschleierungen zu finden. Zur Nutzung
des legalisierten Steuerdumpings
schreibt DIE ZEIT vom 6.7.2006 unter der
Überschrift "Tricksen
erlaubt":
Ganz legal subventioniert der hiesige Fiskus den Export
von Arbeitsplätzen in Länder, die weniger Steuern
verlangen. Ein deutscher Konzern etwa, der eine
Tochtergesellschaft in einem Niedrigsteuerland gründet,
kann die Ausgaben dafür in Deutschland absetzen -
während fast alle Einnahmen dieser Tochtergesellschaft
am deutschen Fiskus vorbeifließen. So etwas gibt es in
kaum einem anderen Industrieland.
Die neoliberalen Politiker sind anscheinend an einer
Aufklärung gar nicht interessiert, denn weiter heißt es
dort:
Die amtlichen Zahlen des Finanzministers hinken der
Realität hinterher. Welches Unternehmen wie viel Steuern
wann und wo gezahlt hat, weiß zwar das Finanzamt vor Ort
- aufbereitet und weitergeleitet werden diese Zahlen
aber nicht. Es gibt keine Branchendaten und keine
Informationen, die zwischen Kapital- und
Personengesellschaften unterscheiden. Die Europäische
Kommission hat in der Frage schon vor den Deutschen
kapituliert, die nicht einmal verlässliche Schätzungen
liefern können: In der Brüsseler Tabelle über die
Unternehmensbesteuerung in Europa fehlen die deutschen
Zahlen (ZEIT Nr. 25/06). »Da lacht sich das Ausland doch
kaputt«, sagt Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Der geballte Widerstand der Lobbyisten hat sich schon formiert gegen das
Schließen der riesigen Schlupflöcher bei internationalen
Verflechtungen. Dazu schreibt die Financial Times
Deutschland vom 20.7.06 unter der Überschrift "Glos
lehnt Steinbrücks Steuerpläne ab":
"Ich werde keiner Lösung zustimmen, in der die Zinsen
von schwach kapitalisierten mittelständischen
Unternehmen, die klassische Betriebsaufwendungen sind,
dann wieder Grundlage der Besteuerung werden", sagte
Glos am Mittwoch bei der Vorstellung der
Mittelstandsinitiative der Regierung.
Finanzminister Steinbrück und die SPD-Fraktion plädieren
dafür, Fremdkapitalaufwendungen künftig der Gewerbe- und
auch der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Bisher
werden von der Gewerbesteuer nur Dauerschuldzinsen
erfasst. Durch Hinzurechnung ertragsunabhängiger
Elemente zum Gewinn will Steinbrück den Einnahmeausfall
begrenzen, den die geplante Senkung des
Unternehmensteuersatzes auf unter 30 Prozent verursacht.
Die Kritik an diesen Plänen ist massiv: Sie würden
Unternehmen auch in Verlustphasen zwingen, Steuern zu
zahlen, monieren CDU/CSU und die deutschen
Wirtschaftsverbände...
Finanzminister Peer Steinbrück war zu Beginn der
Schröder-Koalition einer der Hauptakteure bei der
Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent
und auch ansonsten kein Verfechter der Sozialdemokratie
(sh.
rossaepfel-theorie.de). Auch ihm geht es
anscheinend gar nicht so sehr um das Schließen der
Schlupflöcher und um Steuergerechtigkeit, sondern wohl
hauptsächlich um die Verfassungs- und EU-Konformität
seines Gesetzentwurfs, denn in dem Artikel heißt es weiter:
In einem Schreiben an die 14 Chefs der
Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften zeigten sich
Steinbrück und Koch offen für neue
Finanzierungsvorschläge.
Immerhin bemerkt Roland Koch:
Wenn 30 Prozent der
Gewinne, aber 50 Prozent der Kosten, die weltweit
entstehen, in Deutschland geltend gemacht werden, muß
man seine Strategie überdenken. Mit unserer Reform geben
wir dazu einen Anreiz...
(sh. "Steinbrück und Koch
im Interview - 'Deutsche Gewinne sollen auch hier
versteuert werden'",
faz.net, 4.11.06),
und Peer Steinbrück ergänzt (ebd.):
Im Kern geht es darum,
daß nicht länger Forschung und der damit verbundene
Aufwand in Deutschland stattfinden, aber die
Lizenzerlöse in London oder Dublin anfallen...
Richtig ist, daß Börsengesellschaften derzeit effektiv
im Durchschnitt nur eine Belastung von 28 bis 29 Prozent
tragen. 7 bis 8 Milliarden Euro gehen damit dem Fiskus
in Deutschland verloren. Bei allen Kapitalgesellschaften
liegt die effektive Steuerbelastung bei 36 Prozent.
Analysen zeigen, daß es auch hier Verschiebebahnhöfe
gibt...
Funktionsverlagerung, Wertpapierleihe oder die
Abschaffung der degressiven Abschreibung dienen der
Finanzierung der Steuersatzsenkungen und anderer
Entlastungen, die sich immerhin auf 29 Milliarden Euro
addieren. Netto geht es um die Entlastung von 5
Milliarden Euro, die aber durch den Impuls dieser Reform
kompensiert werden sollen.
Die "7 bis 8 Milliarden Euro" sind nur
der Steuerflucht-Verlust durch die
"Börsengesellschaften". Wenn man die
Selbstdarstellungsbemühungen der neoliberalen
Groß-Koalitionäre Koch und Steinbrück bedenkt, werden
damit die tatsächlichen Zahlen drastisch
heruntergespielt. Dagegen dürfte die
Kompensation der "5 Milliarden" bzw. "29
Milliarden Euro" für die Steuersenkung zugunsten von
Couponabschneidern und Unternehmen eher viel zu
optimistisch angesetzt
sein.
Steinbrücks Alternative: "Was passiert, wenn nichts
passiert?" (ebd.) lenkt lediglich ab von der Alternative
einer adäquaten Hinzurechnungen der
Gewinnverschiebungs-Potenziale und von der unglaublichen
Steuersenkung für Couponabschneider.
Anstelle der schöngerechneten "5 Milliarden"
veranschlagt die Deutsche Steuergewerkschaft eher das
Doppelte. Dazu heißt es in ihrer Stellungnahme:
Der durch die Unternehmensteuerreform 2008
verursachte Ausfallbetrag wird sich nach Ansicht der
Deutschen Steuer-Gewerkschaft eher in Richtung 10 Milliarden
orientieren. Für die öffentlichen Haushalte sind
Finanzlöcher in diesem Ausmaße nicht verkraftbar, wenn das
Ziel ausgeglichener Haushalte nicht gefährdet werden soll.
(Sh. "Stellungnahme
der Deutschen Steuer-Gewerkschaft zu dem
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen 'Entwurf eines
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008'", Drucksache 16/4841,
dstg.dbb.de,
7.5.2007.) Das hinderte aber eine Chefredakteurin wie
Ursula Weidenfeld von der Zeitschrift Impulse natürlich
nicht, in einer Diskussion mit dem Ökonomen Rudolf Hickel
immer wieder das Gegenteil zu behaupten. (Sh. die
Video-Aufzeichnung der Sendung "Preise
hoch – Abgaben runter – Sind Steuersenkungen die Lösung?",
Presseclub, phoenix.de, 18.5.2008, als Beispiel für den
penetranten Neoliberalismus von vielen
Wirtschaftsjournalisten.)
Zur Vermeidung von Härtefällen bei "ertragsunabhängigen
Elementen" (sh. die obigen Forderungen der
"Stiftung") sind in dem Konzept von
Lorenz Jarass und
Gustav M. Obermair detaillierte
Vorkehrungen getroffen (sh. hierzu
rossaepfel-theorie.de). Zu diesen
Vorschlägen gehört auch:
Ein Gewerbesteuerfreibetrag von 30.000 Euro für
Zurechnungen von Schuldzinsen und Lizenzgebühren.
(Sh. Lorenz Jarass: "Unternehmenssteuerbelastung
- ein Standortnachteil?",
Wirtschaftsdienst, 85. Jahrgang 2005, Heft 4, HWWA,
Seite 6, und allgemeiner zur Gewerbesteuer:
L. Jarass und G. M. Obermair:
Unternehmenssteuerreform 2008,
Wiesbaden, 10.5.2006, und "Tricksen
erlaubt", DIE ZEIT vom 6.7.2006).
Die Ausführungen von Lorenz Jarass lassen sich wie folgt
ergänzen:
Die
Beschäftigung und Eigenkapitalbildung bei den Unternehmen entsprechend
ihrer Arbeitsplatzbeschaffung lässt sich wesentlich
zielgenauer fördern durch die Steuerfinanzierung von
Sozialabgaben nach den skandinavischen Erfolgsmodellen
mit entsprechenden Einkommensteuersätzen für Besser- und
Bestverdiener (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Soweit die Unternehmen jedoch bei
gesenkten Lohnzusatzkosten aus Wettbewerbsgründen zu
niedrigerer Preiskalkulation gezwungen sind, bedeutet
dies ebenfalls eine höhere Beschäftigung der Wirtschaft,
weil mit dem gleichen Budget höhere Mengen nachgefragt
werden können und diese Nachfrage wegen der
Preissenkungen außerdem weniger auf importierte Waren
und Leistungen gerichtet ist. Auf jeden Fall führt die
Absenkung der Lohnzusatzkosten tendenziell bei
lohnintensiveren Betrieben zur Stärkung des
Eigenkapitals, weil die Steuern auf die hinzugerechneten
Fremdkapitalzinsen hier ebenfalls in die
Preiskalkulation eingehen und die durchschnittliche
Preissenkung nur im Rahmen der Kostenersparnis aus
Sozialbeitragssenkungen abzüglich Gewerbesteuererhöhung
erfolgen wird. - Bei kapitalintensiveren Betrieben führt
diese Kalkulation jedenfalls dann, zur Stärkung des
Eigenkapitals, wenn auf die manipulierte
Fremdkapitalfinanzierung durch Kapitalverlagerung in
parasitäre Steueroasen verzichtet wird.
Im Falle von Verlusten beim Gewerbeertrag
entfallen die übrigen Unternehmenssteuern im allgemeinen
ohnehin, denn ohne Hinzurechnungen zum
Unternehmensergebnis ist der Unternehmensverlust noch
größer als der Gewerbeertrag. Die gewerbesteuerlichen
"Kürzungen" (als Gegenstück zu den Hinzurechnungen)
spielen meist eine untergeordnete Rolle. Anstelle von
Unternehmensgewinnen hat man also Verluste, die zur
Steuerminderung in künftigen Jahren vorgetragen werden
können. Gegen die Hinzurechnungen beim Gewerbeertrag
wird argumentiert, dass man bei Verlusten außerdem noch
mit den
laufenden Kosten einschließlich hoher Managervergütungen
belastet sei. Also könne man nicht auch noch die
Gewerbesteuer auf die Hinzurechnungen tragen.
Zwar gehört die Gewerbesteuer nicht zu den
persönlichen Steuern, sondern neben der Grundsteuer zu
den Realsteuern (§ 3 Abs. 2 Abgabenordnung).
Sie dient als Betriebsausgabe
eher zur Unterhaltung der betrieblich genutzten
regionalen Infrastruktur. Das Unternehmen muss zwar Strom, Wasser,
Kfz-Steuer usw. bezahlen, weil es sonst abgeklemmt
und der Fuhrpark stillgelegt wird. Man will aber bei echter
oder künstlicher Gewinnauszehrung
keinen Beitrag mehr für seine Nutzung der übrigen
Infrastruktur leisten, denn wenn man auch noch
Gewerbesteuer zahlen müsse, werde der Konkurs noch mehr
beschleunigt.
Um bei vorübergehenden finanziellen Engpässen zu helfen und
die Arbeitsplätze des kranken Unternehmens zu erhalten,
könnte der Staat tatsächlich die Gewerbesteuer für
einige Jahre stunden, bis das Unternehmen wieder zu
solchen Mindestbeiträgen imstande ist. Wenn das
Unternehmen aber weiter dahin siecht und nicht einmal
solche Mindestbeiträge nachzahlen kann, dann bleibt ihm
das Schicksal nicht erspart, das ihm auch bei Verzug mit
den übrigen Betriebsausgaben droht. Der Staat kann zwar
bei der Erhaltung von Arbeitsplätzen helfen, kann dies
aber nicht um jeden Preis tun und tut es sonst auch
kaum. Im Grunde handelt es sich beim Verzicht auf solche
Mindestbeiträge zur Infrastruktur um eine Subvention.
Aber das hier verbrannte Geld wird dringend gebraucht,
zum Beispiel auch zur Förderung des Arbeitsmarktes, indem die
Beiträge für den Sozialstaates nicht allein den Löhnen
im unteren und mittleren Bereich bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen
aufgebürdet werden.
Wenn die Unternehmerverbände mit ihren finanzstarken
"Stiftern" tatsächlich ihren vorgeschobenen
finanzschwachen Verbandsmitgliedern helfen wollten,
dürften sie den Wettbewerb zu deren Lasten nicht
verzerren. Dies geschieht aber, indem sie ihren großen
Mitgliedern mit Auslandsbeziehungen und aufwendiger
Steuerfluchtberatung die Schlupflöcher offen halten und
so die kleinen Mitglieder dazu treiben, dass sie aus
Wettbewerbsgründen immer mehr Personal entlassen müssen.
Ohne Festhalten an den Schlupflöchern könnte man auch
den kleinen Verbandsmitgliedern helfen durch
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben, nach deren Senkung
auch die Großen ständig rufen, denn damit hätten auch
sie nach ihren eigenen Aussagen weniger Veranlassung,
ihre Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.
Mit weiteren Steuersenkungen ist den meisten
Arbeitsplatzbeschaffern kaum geholfen, denn fast alle
liegen mit ihren Steuersätzen weit unter der bisherigen
kombinierten Gesamtbelastung von Kleinanlegern bei
Kapitalgesellschaften (sh. die obigen 34,38% +
Gewerbesteuer), und die teilweise Steuerfinanzierung der
Sozialbeiträge für ihre Arbeitnehmer könnte sie viel
mehr entlasten. Dazu heißt es auf der Seite des
Bundesfinanzministers mit einem fragwürdigen Lob auf die
Vorgängerregierung seines Partei-"Genossen" Schröder,
aber mit offenbar richtigen Zahlen
(sh.
bundesfinanzministerium.de,
Stand 21.7.06.):
Insbesondere als Ergebnis der Entlastungen im Rahmen der
Steuerreform 2000 haben 97 Prozent der deutschen
Personengesellschaften eine Steuerlast von unter 38,65
Prozent, d.h. unterhalb der aktuellen Definitivbelastung
der Kapitalgesellschaften. Über 90 Prozent haben eine
steuerliche Belastung von weniger als 30 Prozent und
75 Prozent der Personengesellschaften zahlen weniger
als 15% Prozent (Anlage 2). Deshalb besteht für Personenunternehmen
grundsätzlich kein Bedarf für weitere
Steuerentlastungen.
Richtig erscheinen die Zahlen für "75 Prozent der
Personengesellschaften" deshalb, weil sie vor der
"Steuerreform 2000" offenbar auch nicht wesentlich
anders waren als heute - trotz der Senkung des
Eingangssteuersatzes für die Einkommensteuer. Damals und
auch noch im August 2003 hieß es schon auf der Seite des
Bundesfinanzministers:
"Die Hälfte aller
Personenunternehmen hat einen Gewinn von unter 26.000 €
im Jahr.
Dreiviertel liegen unter 52.000 €; nahezu alle
unter 128.000 €!"
(sh. BMF:
Grafische Darstellungen,
Mai 2005/August 2003, Blatt 11).
Mit einem Gewinn
von 52.000 Euro dürfte ein Unternehmerehepaar auch heute
noch in etwa bei dem Durchschnittssteuersatz von 15% liegen,
denn allein durch den Ansatz der Vorsorgeaufwendungen
gemäß § 10 EStG hat das Ehepaar bei entsprechenden
Aufwendungen einen Sonderausgaben-Abzug von 6.136 +
2.668 + 1.334 = 10.138 Euro. Allein damit bleibt also
das zu versteuernde Einkommen des Ehepaars schon unter
42.000 Euro (vgl.
OFD München/Nürnberg,
ESt-Kartei, 11.3.05, Seite 18). Für
42.000 liegt seine Durchschnittsbelastung für das Jahr
2005 bei 15,7% und die Grenzbelastung bei 27,75% (sh.
BMF:
abgabenrechner.de). Da es
für Kapitalgesellschaften keinen progressiven Tarifverlauf und
i.a. auch keinen tariflichen Grundfreibetrag gibt (vgl.
§ 7 und 23
KöStG, § 20
EStG), sind mit ihren Steuersätzen
kaum die Differenzsteuersätze (= "Grenzsteuersätze")
des Einkommensteuer-Tarifs zu vergleichen,
sondern nur die Durchschnittssteuersätze der
Personenunternehmen und der übrigen Einkommensteuerzahler.
Dass die obigen Zahlen des Bundesfinanzministers auch so
zu verstehen sind, ergibt sich aus seiner zitierten
"Anlage 2". - Die Gewerbesteuer entfällt bei
Personenunternehmen für
Gewerbeerträge bis zu 24.500 Euro. Sie beträgt für die
nächsten 12.000 Euro nur ein Fünftel ihre vollen Satzes
und ist darüber hinaus auch für jeweils 12.000 Euro in
Fünftelschritten gestaffelt (sh. § 11
GewStG), so dass
sie hier bei Gewinnen "unter 52.000 €" kaum den
kombinierten Durchschnittssteuersatz beeinflusst.
Während die kleinen Privatanleger schon seit Einführung
des Halbeinkünfteverfahrens die Steuersenkung für
Bestverdiener zu Unrecht mitfinanzieren, will man den
kleinen Unternehmern zu Recht die Wahl für die
Beibehaltung ihrer Besteuerung nach dem bisherigen
Verfahren, also nach ihrer persönlichen
Leistungsfähigkeit belassen.
Bei steuerfinanzierter Entlastung der Unternehmen von
der einseitigen Überbürdung ihrer Löhne und Gehälter mit
den Kosten des Sozialstaates könnten sie jedenfalls mehr
Arbeitsplätze schaffen als verloren gehen durch das
Ausscheiden von Unternehmen, die dauerhaft nicht
einmal für ihre Infrastrukturnutzung bezahlen können,
wenn man die echten oder künstlichen Gewinnauszehrungen
zur ihrer Gewerbesteuer-Bemessungsgrundlage
hinzurechnet.
Um den neoliberalen Lobbyisten in der Regierung und in
den Medien klar zu machen, dass die Infrastruktur für
ihre Kundschaft nicht kostenlos zu haben ist, müsste man
anscheinend auch noch den gesamten Staat privatisieren.
Erst dann wäre er wohl nach ihrer Logik berechtigt,
selbst auch solche Mindestgebühren zu erheben.
In dem oben zitierten Artikel
Tricksen erlaubt"
heißt es zum Schluss:
Auch wenn der Finanzminister jetzt die Sätze senkt - er
senkt sie in der Logik des Steuerwettbewerbs immer noch
nicht stark genug. Darüber hinaus machen seine Pläne das
Recht an einigen Stellen wieder komplizierter.
Deutschland könnte im Kampf gegen die
Steuervermeidungsindustrie tatsächlich erfolgreich sein.
Das aber geht nur mit noch niedrigeren Sätzen, die das
Land im globalen Steuerwettbewerb attraktiver machen -
und zugleich den Anreiz für die Unternehmen senken,
Steuern um jeden Preis zu vermeiden. Und mit einem stark
vereinfachten Steuerrecht, in dem es nur noch wenige
Ausnahmen gibt, die Großunternehmen zum eigenen Vorteil
nutzen können.
Niemand weiß das besser als die Berater selbst. Um so
mehr wundern sie sich über die kleine Reform der Großen
Koalition. »Die Regierung kuriert nur an den Symptomen,
beseitigt aber nicht die Ursachen«, sagt einer der
beiden. Er wird auch künftig genug Arbeit haben.
Die Verwunderung über die "kleine Reform der großen
Koalition" ist berechtigt, aber das Mittel kann nicht
eine weitere Steuerspirale nach unten sein. Vielmehr
müsste man zunächst einmal die EU-Subventionen
streichen, durch die solches Steuerdumping überhaupt
erst ermöglicht wurde, wie etwa im Falle der Slowakei
und Rumäniens mit ihren Einheitssteuersätzen von 19 oder
gar 16 Prozent oder in
Irland und etlichen anderen EU-Ländern. Sodann müsste
die EU mit scharfen Mitteln auf alle Gewinnverschiebungen
ihrer Unternehmen in Steuer-"Oasen" reagieren.
Als Beispiel wurde
hier bereits die
Ermahnung des Schweizer
Ständerates durch das Bundesratsmitglied Kaspar
Villinger in der
Sitzung vom 2.6.03, 18:15h,
zitiert (sh.
rossaepfel-theorie.de):
Wir müssen mit den Amerikanern und als Welthandelsnation
auch mit allen uns umgebenden Staaten zu einem
Einvernehmen kommen. Wenn uns drei, vier Staaten das
Doppelbesteuerungsabkommen kündigen, haben wir ein
Problem, und zwar ein echtes und ein substanzielles.
Deutschland muss also nicht den Sankt-Nimmerleins-Tag
abwarten, an dem sich der letzte Dumping-Profiteur in
der EU zu geeigneten Maßnahmen bequemt. Aber in
Deutschland muss zunächst einmal der politische Wille
entstehen gegen die deutschen Dumping-Profiteure und
gegen jene, die sich hier eine noch weitere Absenkung
ihres Einkommensteuer-Spitzensatzes erhoffen durch die
Dumping-Spirale und die dadurch noch weitere
Steuergeschenke erwarten aus der
Unternehmenssteuerreform einschließlich
Abgeltungssteuer.
Die stärksten Köder zur Steuerflucht in die
Schweiz winken dort im
Briefkasten-Holding-Kanton Zug
–
mit zig Milliarden Verlusten für die EU, die
Entwicklungsländer und die übrigen Schweizer Kantone
(sh. hier auch
Schroeders-Freunde.htm) .
Aber die Normalverdiener in Zug erkennen zunehmend, dass
sie von diesem Steuer-Parasitismus nicht profitieren,
sondern durch den invasionsbedingten Anstieg der
Lebenshaltungskosten nur draufzahlen (sh. dazu das
interessante
DLF-Interview vom
19.2.07,
6:47 bis 6:57 Uhr, mit
Stefan Gisler, Kantonsrat der
Sozialistisch-Grünen-Alternative
SGA in Zug).
Was z.B. in Österreich die parasitären
"Stiftungen" sind, oder die Kitzbühel-Connection und die
neue "Gruppenbesteuerung", das sind in der Schweiz unter
anderem die Holdings. Dazu heißt gemäß "Änderung
des Steuergesetzes vom
7. Februar 1974;
Unternehmenssteuerreform
vom:
13. Februar 2007":
Holdinggesellschaften sind Kapitalgesellschaften und
Genossenschaften, deren Zweck hauptsächlich in der
Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmungen
besteht und die in der Schweiz keine Geschäftstätigkeit
ausüben.
Ihre
"Geschäftstätigkeit" in der Schweiz besteht also
ausschließlich in der Gewinnverschiebung und
legalisierten Steuerhinterziehung zu Lasten der
Steuerzahler in Drittstaaten.
Bei einer Sitzung des Zuger Kantonsrates vom
30.3.06 sagte Gisler lt.
Sitzungsprotokoll:
Bereits vor
längerem hat der schweizerische Mieterverband
aufgezeigt, dass Familien mit steuerbaren Einkommen von
rund 70'000 Franken in Zug schweizweit am teuersten
leben. Letzte Woche hat nun die UBS Zug in ihrer
Wirtschaftsstudie klar aufgezeigt: Von Zugs bisheriger
Tiefststeuerpolitik profitieren die Reichsten. Man muss
schon ein steuerbares Einkommen von über 200'000 Franken
haben, bis die hohen Kosten für das Wohnen aufgehoben
werden.
Das obige durchschnittliche Familieneinkommen in Zug von
70.000 Franken entspricht etwa 47.000 Euro. Dagegen sind
die etwa 134.000 Euro für die Zuger Steuerflucht-Helfer,
Briefkasten-Betreiber wie auch für ihre Kundschaft eher
eine Kleinigkeit. Noch wesentlich krasser ist das
Verhältnis von Umverteilungsopfern und Profiteuren in
EU-subventionierten Steuerflucht-"Oasen" wie der Slowakei,
Rumänien usw.
Aber auch etliche Alt-EU-Länder gehören zu den
Steuerflucht-Profiteuren, wie Luxemburg,
Österreich und Großbritannien, nicht nur mit seinen
Kanalinseln, sowie ganz besonders
auch Irland mit speziellen Offshore-Ködern, das für sein
Steuer-Dumping immer noch subventioniert wird, obwohl
das dortige Pro-Kopf-Einkommen inzwischen höher ist als
in Deutschland.
Inzwischen konkurriert auch Deutschland seit der
pinkgrünlichen Umverteilung unter dem Kanzler der Bosse beim Steuerdumping, z.B. zu
Lasten der immer noch erfolgreichen skandinavischen
Länder. Selbst die "christlichen"
und die übrigen neoliberalen Meinungsmacher jubeln ihm
für diesen Verrat an der Sozialdemokratie immer noch
nach.
Besonders erfinderisch bei der Abschöpfung von Gewinnen
aus Deutschland und anderen Ländern sind auch die
Niederlande mit ihrer Niedrigstbesteuerung von
Lizenzgebühren. So ermöglich man z.B. der Firma IKEA,
den größten Teil ihrer üppigen Gewinne aus Deutschland
in die Niederlande zu verschieben, indem dort einfach
nur eine IKEA-Lizenzvergabestelle angemeldet wird - zu
Lasten der Mitbewerber in Deutschland (sh. Monitor: "Das
unmögliche Möbelhaus –
IKEAs ganz legale Steuertricks", wdr.de, 30.6.05;
vgl. auch: "Fluchtpunkt Amsterdam – Die niederländische
Metropole wird als Steueroase immer beliebter – nicht
nur bei großen Konzernen", DER SPIEGEL 9/2007, S. 107,
ferner den ironischen Titel "Sympathie für Holland",
sueddeutsche.de,
6.2.07, und die SOMO-Studie von Michiel van Dijk et al.:
The Netherlands: A Tax Haven?,
Amsterdam,
November 2006 ). Solche parasitären Manipulationen
sind der Ausgangspunkt für die Vorschläge von Jarass und
Obermaier (sh. hier
Abschnitt 4 gegen
die Regierungs-"Berater" der profitierenden Lobbyisten
).
Gegen die eigenen Dumping-Mitglieder ist die EU
machtlos, weil die angeblich alle ihren eigenen
Staatsangehörigen die gleichen Steuervorteile gewähren
wie den übrigen EU-Mitgliedern und weil der Parasitismus
unter diesen Voraussetzungen erlaubt ist. Dagegen
verstoße die Schweiz gegen diese Regeln. Der Streit
verschärft sich einmal wieder. So schreibt
swissinfo.org:
Im
Steuerstreit mit der Schweiz beginnen die EU-Länder
nächsten Dienstag ihre Beratungen für ein
Verhandlungsmandat. Die Tonart verschärft sich.
Am Wochenende bezeichnete die Schweizerische Volkspartei
den Druck aus Brüssel als "erpresserisch". Laut dem
ehemaligen deutschen Finanzminister Hans Eichel ist das
Steuersystem gewisser Kantone extrem unfair.
Die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei
(SVP) forderte am Wochenende, dass sämtliche laufenden
Verhandlungen mit der EU eingestellt werden.
(Sh. "Spannung im Steuerstreit Schweiz-EU steigt",
www2.swissinfo.org,
25.2.07, m.w.Nachw.). Die SVP ist als
bürgerlich-konservative
Regierungspartei die stärkste politische
Kraft in der Schweiz und entspricht insofern etwa der
deutschen "christlichen" Union, so dass die beiden
Konservatoren und Fortentwickler von parasitären
Privilegien eigentlich füreinander Verständnis haben
müsste.
5.3)
"Duale Einkommensteuer" der "Wirtschaftsweisen"
Die Duale Einkommensteuer ist eine
Besteuerung von unterschiedlichen Einkommensarten zu
unterschiedlichen Steuersätzen. Damit ist insbesondere
die steuerliche Privilegierung von Kapitaleinkünften
gegenüber Einkünften aus eigener Arbeit gemeint, um der
Kapitalflucht entgegenzuwirken. Hierbei wird der
Eindruck erweckt, als müsse man für Kapitaleinkünfte
einen deutlich niedrigeren Höchststeuersatz anwenden als
bei Arbeitseinkünften, da man die Kapitalflucht wegen
der niedrigeren Dumpingsteuern in anderen Staaten sonst
nicht verhindern könne. Das Kapital würde nämlich sonst
in die parasitären Oasen gebracht und von dort als gewinnmindernder
Kredit oder gewinnabschöpfendes Eigenkapital
zurückgeholt. Auf diese Weise werden in der Tat jetzt
schon viele steuerpflichtige Gewinne ins Ausland
verschoben.
In Abschnitt 3 wurde am Beispiel von Dänemark gezeigt,
dass man auch bei gleich hohen Spitzensteuersätzen für
Kapitalerträge und Arbeitseinkünfte die
Arbeitslosenquote auf die Hälfte der deutschen Quote
bringen kann, und in Abschnitt 4.2 wird beschrieben, wie
man der Gewinnverschiebung entgegenwirken kann, ohne die
Steuersätze mit der Dumping-Spirale immer weiter nach
unten zu schrauben.
Auf dem Hintergrund von Abschnitt 4.2 erhält man auch Zugang zum
Verständnis der gepanzerten Steuerreform-Vorschläge, wie
sie der schwarzrötlichen Bundesregierung vom
Sachverständigenrat zur Beurteilung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) vorgelegt
wurden. Den wichtigsten Anteil neben den Lobbyisten
haben daran anscheinend die Professoren Bert Rürup
(SPD), ehemaliger
INSM-Botschafter
und SVR-Vorsitzender seit März 2005, wie auch dessen
Vorgänger auf diesem Posten, Wolfgang Wiegard, ebenfalls
SPD und Ver.di-Mitglied, der auf den Vorsitz verzichtet
hat, nachdem das damals neue SVR-Mitglied Peter Bofinger
als Gewerkschafts-Favorit die neoliberale Idylle gestört
hatte in diesem von Gerhard Schröder handverlesenen
Berater- und Unterstützerstab für seine Umverteilung
nach oben (sh. "Wiegard will nach Streit Vorsitz
im Sachverständigenrat abgeben",
netzeitung.de, 30.12.04)
.
Die SVR-Vorschläge sind zusammengefasst in dem 321
Seiten starken Gutachten mit dem Titel: Reform der
Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale
Einkommensteuer - Expertise im Auftrag der
Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft und
Arbeit vom 23. Februar 2005, gespeichert unter
sachverstaendigenrat-wirtschaft.de. Es
geht also vor allem um die Rechtfertigung einer
dualen Einkommensteuer. Sie bedeutet hier - im Gegensatz
zur dualen Besteuerung in Dänemark - ermäßigte Steuersätze für
Kapitaleinkommen. Diese sollen weit unter den bisherigen
persönlichen Steuersätzen der großen Kapitalbesitzer
liegen. Solche Steuergeschenke werden von den
vielen Kleinverdienern praktisch finanziert durch
Erhöhung der Sätze auf ihre Ersparnisse, mit denen sie
ihre geschröpfte Altersvorsorge aufbessern müssen
(sh. die Dualitäten in Tabelle oben).
Zu den beauftragten Gutachtern gehört auch das ZEW
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH,
dessen Direktor Wolfgang Franz "auf Empfehlung der
Arbeitgeber" im Sachverständigenrat sitzt und der
zusammen mit Wolfgang Wiegard am heftigsten über Peter
Bofinger hergefallen ist (sh. hier
rossaepfel-theorie.de).
Wolfgang Franz ist
"auch vertreten
im 'Kronberger
Kreis', dem 'wissenschaftlichen Beirat'
der 'Stiftung
Marktwirtschaft'" (sh. oben
"Lautsprecher
des Kapitals", zeit.de, 4.5.05,
usw.), die
sich nach eigenen Angaben aus dem Verkauf von
Publikation und von "Spenden" finanziert. Die "Spender"
werden jedoch nicht genannt (sh. "Die
Ideengeber von Schwarz-Gelb", taz.de, 20.7.05). Die Seriosität
des Erscheinungsbildes wird dadurch verstärkt, dass auch
das "Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum,
Wettbewerbsrecht und Steuerrecht" als Gutachter
laut Titelseite beteiligt ist.
Es wundert jedenfalls nicht, dass in dem SVR-Gutachten
die obigen Vorschläge der "Stiftung Marktwirtschaft" zu
ihrem "Steuergesetzbuch" zustimmend zitiert werden.
Deren vorgeschlagenen Unternehmenssteuersatz von 25
Prozent einschließlich Gewerbesteuer könnten die
Kommissionsmitglieder als Hebel zur weiteren Senkung
auch ihres persönlichen Spitzensteuersatzes
umfunktionieren, wenn nicht - nach dänischem Vorbild -
eine Nachbelastung zur Pauschalsteuer bei der
Einkommensteuer-Festsetzung erfolgte. Schon oft genug
wurde eine "Spreizung" zwischen dem
Unternehmenssteuersatz und dem Spitzensteuersatz bei der
Einkommensteuer von
solchen "Experten" als
"verfassungswidrig" kritisiert.
Da
klang es schon fast wieder treuherzig, als der
Wirtschaftsweise Wiegard sagte, dass er den Spitzen- und
Einheitssteuersatz nach dem Vorschlag des ehemaligen
Verfassungsrichters und Merkel-Visionärs Paul Kirchhof
von 25% "natürlich noch viel schöner" fände (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Neben der Senkung des Spitzensteuersatzes für sich
selbst und die übrigen bestbezahlten Meinungsmacher
propagieren Wiegard, Rürup und die übrigen
"Wirtschaftsweisen" mit Ausnahme von Peter Bofinger
regelmäßig eine Senkung des Arbeitslosengeldes II zur
Erhöhung des Arbeitsanreizes - bei einer
Arbeitslosenquote um die zehn Prozent
(sh. hier
rossaepfel-theorie.de#Wirtschaftsweisen).
Auch in ihrem Respekt heischenden Gutachten träumen
diese "Weisen" von ihrem asozialen Steuerparadies:
Die Verbesserung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen
Steuersystems verlangt einen Steuersatz von (etwa) 25 vH
für die Körperschaftsteuer im Rahmen einer
flat tax auch
für die Einkommensteuer...
Im Folgenden wird von
der Hypothese ausgegangen, dass eine synthetische
Einkommensteuer in Form einer flat tax
auf absehbare Zeit in Deutschland keine Chance auf
Umsetzung hat. Bei Beibehaltung eines
direkt-progressiven Einkommensteuertarifs lässt sich
insbesondere das Ziel einer entscheidungsneutralen
Besteuerung im Unternehmensbereich ohne Rückkehr zum
Anrechnungsverfahren bei der Körperschafsteuer von
vornherein nicht erreichen. Die
Wiedereinführung des Anrechnungsverfahrens ist aber so
gut wie ausgeschlossen.
(SVR-Gutachten,
a.a.O., S. 4, Fettdruck vom Verfasser).
Man sieht auch hier, wie die Senkung der
Unternehmenssteuersätze von den Verfassern als Hebel zur
Senkung ihres persönlichen Spitzensteuersatzes eingeplant ist.
Das würde aber nach der oben beschriebenen dänischen
Problemlösungen nicht funktionieren. Diese Lösung wird
aber in dem 321 Seiten starken SVR-Gutachten
bemerkenswerterweise
nicht diskutiert.
Auch ansonsten gibt sich das Gutachten der Unterzeichner Rürup und Wiegard nicht nur gepanzert, sondern
gleichermaßen ausweichlerisch wie
ein Tarnkappenbomber, wenn es um die Dualität der
Steuersätze und der Steuergerechtigkeit geht.
Um eine klare Stellungnahme der Verfasser zu den
eigentlichen Problemen und Einwänden zu finden, lohnt
das Nachlesen ihrer Kritik an den
Steuerreformvorschlägen der FDP. Eigentlich sind diese
Vorschläge mit ihrem allgemeinen Spitzensteuersatz von
35 Prozent ebenso wie die Bierdeckel-Gaukeleien von
Friedrich Merz mit maximal 36 Prozent oder gar die
Vorschläge des Merkel-Visionäres Paul Kirchhof mit
maximal 25 Prozent das Letzte, was einem Staat mit
Sozialverpflichtung des abgezweigten Volkseinkommens
zuzumuten wäre, aber in diesem Fall bietet sich die
Chance, anhand der Kritik an den FDP-Vorschlägen die
eigentlichen Vorwände gegen das Vollanrechnungsverfahren
zurückzuweisen. Dazu folgende Ausschnitte aus einer
Webseite des Deutschen
Bundestages und der
Uni Gießen:
Stellungnahme zu den Steuerreformvorschlägen
von CDU/CSU (Konzept 21) und FDP (Berliner Entwurf)
Erstellt für die Anhörung des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestages am 19.01.2005
von
• Professor Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Institut für
Volkswirtschaftslehre der TU Darmstadt
• Professor Dr. Wolfgang Wiegard, Institut für
Volkswirtschaft einschließlich
Ökonometrie der Universität Regensburg
gemeinsam mit:
• Professor Dr. Christoph Spengel für das Zentrum für
Europäische
Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim
14. Januar 2005
... Die wesentliche Kritik betrifft jedoch die
Besteuerung ausländischer Dividenden. Da aus dem Ausland
stammende Dividenden nicht mit deutscher
Körperschaftsteuer vorbelastet sind und somit keine
entsprechende Bescheinigung der ausschüttenden
Gesellschaft vorgelegt werden kann, unterliegen
ausländische Dividenden stets ungemildert der
Einkommensteuer.10
Spätestens seit der Manninen-Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 7. September 2004 (Rs
C-319/02) zum finnischen Anrechnungsverfahren ist
höchstrichterlich geklärt, dass die Versagung des
Anrechnungsanspruchs (oder eine sonstige Privilegierung
von Dividenden) gegen die EU-rechtlichen
Diskriminierungsverbote verstößt (hier:
Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 EG). Zur Beseitigung
dieser Diskriminierung wäre eine grenzüberschreitende
Anrechnung der Körperschaftsteuer erforderlich, was
fiskalisch als nicht tragbar gilt.
Diese EU-rechtlichen Bedenken und die internationalen
Probleme sind die ausschlaggebenden Gründe für die
europaweite Abkehr vom Anrechnungsverfahren und den weit
verbreiteten Übergang zu Shareholder-relief Systemen. Zu
Beginn des Jahres 2005 praktizieren innerhalb der EU nur
noch Spanien und Malta Anrechnungsverfahren. Mit Blick
darauf, dass andere Länder wie gerade Frankreich zu dem
von Deutschland im Jahr 2001 eingeführten
Halbeinkünfteverfahren als einer Variante der
Shareholder-relief Systeme übergehen, muss der Vorschlag
schon erstaunen, hierzulande zum Anrechnungsverfahren
zurückzukehren.
______
10 Bei Zwischenschaltung einer
inländischen Kapitalgesellschaft wäre in Anlehnung an
das alte Anrechnungsverfahren die Ausschüttungsbelastung
herzustellen, damit der Anteilseigner in den Genuss der
privilegierten Dividendenbesteuerung kommt.
Dass "keine entsprechende Bescheinigung der
ausschüttenden Gesellschaft vorgelegt werden kann",
liegt einfach daran, das eine "Bescheinigung der
ausschüttenden Gesellschaft" nach bisherigem deutschen
Recht nicht als "entsprechend" anerkannt wird. Die
Gesellschaft dürfte ohne weiteres zur Ausstellung einer
solchen Bescheinigung bereit sein, wenn sie an
ausländischem Geld interessiert ist, und auch der
ausländische Staat dürfte zu einer Bestätigung
bereit sein, damit er ausländische Investitionen in
seinem Land nicht behindert. Die Zuverlässigkeit von
solchen Bestätigungen wäre ebenso nachvollziehbar, wie
bei staatlichen Bestätigungen zur Mehrwertsteuer, zu
EU-Subventionen usw. Wenn ein Staat missbräuchliche
Bestätigungen erteilt hat, dürfte es sicherlich im
nachhinein noch Rückbelastungsmöglichkeiten geben,
ebenso wie dies bei missbräuchlichen Bestätigungen für
deutsche Residenten von deutschen Gesellschaften der
Fall ist.
Es bleibt also das Argument, dass "eine
grenzüberschreitende Anrechnung der Körperschaftsteuer
... fiskalisch als nicht tragbar gilt." Dies wird
dort nicht näher begründet. Aber weiter oben wurde
bereits erläutert, dass Deutschland beim
Anrechnungsverfahren auf die Vereinnahmung von
Körperschaftsteuer verzichten müsste, die auf die
Anteilspapieren eines deutschen Anlegers bereits in
einem anderen EU-Land einbehalten wurde. Wenn die
anderen EU-Länder auf die gleiche Weise auch die
deutsche Körperschaftsteuer anrechnen würden, ließe sich
das fiskalische Abschöpfungs-Problem durch Rückkehr zu
den früheren Einbehaltungssätzen lösen. Eigentlich sollte die
"grenzüberschreitende Anrechnung der Körperschaftsteuer"
in einem zusammenwachsenden Europa ebenso
eine Selbstverständlichkeit sein wie die längst
praktizierte "grenzüberschreitende Anrechnung" der
erfolgten Mehrwertsteuerzahlungen. Da jedoch für die
Ertragssteuern nach EU-Recht im wesentlichen nur
Regelungen zugunsten des Steuerparasitismus und
-dumpings bestehen und von den Profiteuren gehegt
werden, liegt hier eine vernünftige Kooperation in
weiter Ferne.
Etwas einseitig erscheint die Aussage, dass diese "EU-rechtlichen
Bedenken und die internationalen Probleme ... die
ausschlaggebenden Gründe für die europaweite Abkehr vom
Anrechnungsverfahren" sind. Gründe für diese Abkehr
von immer mehr Staaten dürfte eine Mischung sein aus den
den egoistischen Interessen gegen eine gemeinsame
Lösung, verbunden mit der fatalen
Vorreiterrolle von Deutschland bei der Aufgabe des
Anrechnungsverfahrens sowie das
EU-subventionierte Steuerdumping von Irland und den
zehn neuen EU-Mitgliedern. Ein weiterer wichtiger Grund
liegt bestimmt darin, dass wegen der ständigen
Manipulation durch die Mehrheit der Meinungsmacher auch
in anderen EU-Ländern wie Frankreich neoliberale
Regierungen gewählt wurden. In Deutschland wurde dieser
Lobbyismus jetzt wieder gebündelt, auch bei der Anhörung
vom 19.1.05, wobei nicht nur Rürup, Wiegard und Franz
eine Hauptrolle spielten, sondern auch Johanna Hey für
die Reformkommission der "Stiftung Marktwirtschaft"
auftrat (sh. hier ihren Redeausschnitt zur
Gewerbesteuer). Die deutsche
Vorreiterrolle bei Umsetzung der Rossäpfel-Theorie zur
Umverteilung nach oben wurde jedenfalls auch von den
Lobbyisten der übrigen EU-Länder dankbar aufgenommen.
Außer dem kleinen Volk der Malteser konnten sich
lediglich die spanischen Wähler mit der Wahl des
Sozialisten Zapatero bisher noch erfolgreich gegen diesen
Trend wehren, nachdem sich die üblen Tricks
der neoliberalen Vorgängerregierung Aznar nicht mehr
verheimlichen ließen.
Allerdings erwecken die Autoren Rürup, Wiegard usw. auch
leicht einen falschen Eindruck mit ihrem Satz "Zu Beginn
des Jahres 2005 praktizieren innerhalb der EU nur noch
Spanien und Malta Anrechnungsverfahren." Tatsächlich
gewähren auch andere Staaten eine Anrechnung der
gezahlten Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer.
Das Bundesfinanzministerium unterscheidet in seiner
Broschüre:
Die wichtigsten Steuern im
internationalen Vergleich 2005,
Berlin, Dezember 2005, Seite 13-16, unter anderem zwischen
"Vollanrechnungssystemen" (Malta, Norwegen),
"Teilanrechnungssystemen" (Japan, Kanada, Spanien,
Vereinigtes Königreich). Die Bezeichnung
"Teilanrechnungssystem" wird also noch nicht allein
dadurch begründet, dass lediglich - wie zur Zeit noch in
Deutschland - die Kapitalertragsteuer auf die
Einkommensteuer anzurechnen ist.
Maßgebend für eine sinnvolle
Unternehmenssteuerreform erscheint im
EU-Steuerdumping-System die Lösung des Konflikts
zwischen einer möglichst einheitlichen progressiven
Besteuerung und dem fiskalischen Problem des einseitigen
deutschen Steuerverzichts bei Anrechnung von
ausländischen Ertragssteuern. Dieser Konflikt dürften
sich am ehesten lösen lassen nach dem dänischen System
(sh. oben),
das in der Broschüre des BMF gar nicht als
"Anrechnungssystem" aufgeführt ist.
5.4)
Steuerfreie Wertzuwächse und Steuerflucht
Das Hauptthema dieser Website ist die
"Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben"
(sh.
rossaepfel-theorie.de). Diese
Umverteilung nach oben wurde dramatisch verschärft durch
die große Koalition aller Neoliberalen mit dem "Kanzler
der Bosse" seit Ausbootung von Oskar Lafontaine -
mit anschließender Senkung des Spitzensteuersatzes von
53 auf 42 Prozent ab dem Jahre 1999 und durch weitere
Steuergeschenke für "Bestverdiener". Finanziert wurden
diese Steuergeschenke für Politiker, neoliberale
Meinungsmacher, Einkommensmillionäre, Couponabschneider
usw. dann durch Schröpfung der Einkommensschwachen, nicht
zuletzt durch die neo-schwarz-rötliche
Nachfolgekoalition (sh. ebd.). Die
Rechtfertigung erfolgte ständig mit Margaret Thatchers
TINA-Formel (There Is No Alternative!).
Welche Alternativen dabei mutwillig ausgeblendet wurden,
zeigen die skandinavischen Länder. Hier wurde
insbesondere auf das Beispiel Dänemark eingegangen
(sh. oben Abschnitt 3 ).
Zur Besteuerung in Schweden, Norwegen, Finnland und anderen
EU-Ländern sh. Bernd Genser:
The Dual Income Tax:
Implementation and Experience in European Countries,
Universität Konstanz, April 2006 (revised), page 9,
table 1, et passim. Gensers Argumente für und gegen
die duale Einkommensteuer finden sich auch in seinem
Text:
Ist eine duale Einkommensteuer
einfacher und gerechter als eine umfassende
Einkommensteuer?, Universität
Konstanz, Oktober 2001.
Gensers Hauptkritik an der
"umfassenden Einkommensteuer" (also dem
Gegenstück zur Dualen Einkommensteuer) ist danach wohl, dass bei
ihrer konsequenten Umsetzung auch die Sparbeiträge für die
Altersversorgung zu einer vorgezogenen Besteuerung und
zu einer höheren Progression führen würden. Dass dieses
Problem bereits in Deutschland auch ohne duale
Besteuerung gelöst wurde durch die nachgelagerte
Besteuerung, beschreibt Genser in Abschnitt 2.2 zu Recht
als Durchbrechung der umfassenden Einkommensteuer (sh.
auch Alterseinkünftegesetz
von 2004 und
Altersvermögensgesetz,
BGBl. I v. 29.6. 2001).
Mit der nachgelagerten
Besteuerung ist inzwischen zugleich auch das Problem der
Wertzuwachsbesteuerung für die wichtigsten Anlageformen gelöst!
Das betrifft sowohl die Basis-Rente wie die Zulagenrente
und die betriebliche Altersversorgung, auch bei Anlagen
in Aktienfonds. Es kann also nicht sein, dass die
kleinen und vor allem großen Direktanleger bei ihren
Aktien bevorzugt werden,
auch wenn viele Lobbyisten dies energisch fordern!
Statt ihre Wertzuwachsbesteuerung generell abzulehnen,
sollten sie lieber darüber nachdenken, wie man ihre
Besteuerung möglichst fluchtsicher realisieren kann.
Bernd Genser bemüht sich um ein Verständnis der
internationalen und nationalen Zwänge bei der
Gesetzgebung. Die Steuervermeidung-"Experten" sollten
dagegen zumindest bei der Gesetzgebung ihre Kreativität
einmal darauf verwenden, wie man dem Gemeinwesen nützt,
statt darauf, ihm durch skrupellosen Egoismus zu
schaden. - Auch am Beispiel des SVR-Gutachtens zur Dualen
Einkommensteuer sieht man, dass schlüssige Konzepte wie
in Dänemark gegen privilegierte Spitzensteuersätze der
Großaktionäre tunlichst ausgeblendet werden.
Gegen die
Wertzuwachsbesteuerung von Direktanlagen in Aktien
wird unter anderem eingewandt, dass damit die
Direktanlagen gegenüber Aktienfonds benachteiligt
würden, weil eine solche Besteuerung bei Aktienfonds
kaum realisierbar ist. Andernfalls würde es "im
Handumdrehen keine in Deutschland domizilierenden
Aktienfonds mehr geben" (sh. den heftigen Artikel von
Ekkehard Wenger:
"Die Anleger werden geschröpft",
faz.net, 20.7.06).
Eine Ungleichbehandlung der Direktanleger sei "extrem
unvernünftig und obendrein verfassungswidrig" (ebd.).
Wenger akzeptiert nicht das Argument, "dass eine
Steuerbefreiung auf Fondsebene dann gerechtfertigt ist,
wenn statt dessen nur die Veräußerung der Fondsanteile
besteuert wird", denn damit würde die Fondsbesteuerung
vielleicht erst nach Jahrzehnten oder (bei ständiger
Vererbung) evt. gar nicht fällig. Der Direktanleger
müsse jedoch die Veräußerungsgewinne bei jeder
Umschichtung seines Depots versteuern.
Wenger erwähnt nicht, dass sich dieses steuerliche
Umschichtungsproblem des Direktanlegers z.B. lösen ließe
durch einen Nachweis der Übertragung von Wertzuwächsen
in seinen neuen Aktienbestand nach Art des § 6b EinkStG
"Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung
bestimmter Wirtschaftsgüter". Wenn man - vielleicht aus
guten Gründen - die Direktanlage vorzieht, ist dafür
auch eine entsprechende Dokumentationspflicht zumutbar.
Man könnte auf diese Weise zugleich Kursverluste
dokumentieren. Die allzu häufige Umschichtung von
Aktienbeständen empfiehlt sich ohnehin nicht, weder "aus
wissenschaftlicher Sicht" noch nach den Erfahrungen
erfolgreicher Aktienfonds-Manager. Wenger sieht als Alternative eher die Steuerflucht, z.B.
in die Schweiz, wo eine Wertzuwachsbesteuerung "per
Volksentscheid" untersagt sei. Auf die Löcherigkeit des
EU-Zinsbesteuerungsabkommens mit der Schweiz und anderen
Ländern wurde auch hier schon an anderer Stelle
hingewiesen (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Die
Doppelbesteuerungsabkommen zugunsten der
Steuerparasiten ließen sich aber kündigen
(sh. ebd. und
hier weiter oben).
Gegen die geplante Wertzuwachssteuer
schreibt Wenger:
Nachdem
den Entscheidungsträgern im hiesigen Finanzministerium
aber - nicht zuletzt in dieser Zeitung - nachgesagt
wird, daß ihnen eine systematische, neutrale und
gleichmäßige Besteuerung weniger am Herzen liegt als ein
beherzter und unkomplizierter Zugriff auf
aufkommensträchtiges Steuersubstrat, werden sie eine
konfiskatorische Besteuerung von Kursgewinnen gerne in
Kauf nehmen, wenn sie nur genügend einfach ist. Das zu
glauben aber ist geradezu infantil. Fragt man sich, wo
auf dieser Welt eine Abgeltungssteuer auf Kursgewinne
erhoben wird, hilft ein Blick in die Türkei. Dort hat
man sich an diesem wahnwitzigen Projekt gerade versucht.
Nachdem man am türkischen Aktienmarkt hinreichend Chaos
erzeugt hat, hat man eingesehen, daß es das Beste ist,
wenn man das Projekt möglichst schnell wieder beerdigt.
Wenger
erwähnt aber nicht, dass eine Wertzuwachsteuer auch in
etlichen europäischen Staaten erhoben wird (sh. "What
is the capital gains tax rate for individuals?",
in: EVCA: Taxation of Corporate Profits...,
Seite 6 f.). Sie lässt sich auch als Abgeltungssteuer
mit einem ermäßigten Satz erheben, wobei dann - wie in
Dänemark - für inländische Steuerzahler die Differenz
zum persönlichen Einkommensteuersatz durch einen
Steuerzuschlag bei der allgemeinen Einkommensteuer
nachbelastet werden kann. Die Erhebung der
Wertzuwachssteuer in vielen Staaten ist auch keineswegs
neu, wie man z.B. aus der Übersicht einer kanadischen
Senatskommission aus dem Jahre 2000 ersehen kann (sh. "The
Taxation of Capital Gains", parl.gc.ca,
3.5.2000).
Wenger stört sich auch daran, dass durch die
Wertzuwachsbesteuerung der Wert der Aktien geschmälert
würde, denn wenn man einen Wertzuwachs von hundert Euro
genau wie eine Dividende von 100 Euro zunächst mit 30%
Körperschaftsteuer und den Rest dann noch mit 30%
Abgeltungssteuer belaste, dann erhalte der Anleger von
diesem Zuwachs nur noch 49 Euro und das drücke obendrein
den Kurs der Aktien. In der Tat haben sich die
Aktienkurse über die Jahrzehnte mit wesentlich höheren
Renditen entwickelt als die sicheren festverzinslichen
Anlagen der Kleinanleger. Deren potentielle
Kurssteigerungen sind wesentlich geringer als bei
Aktien. Aber gerade deshalb scheint es nicht sinnvoll,
solche Kurssteigerungen zu bewahren, soweit sie allein
durch Steuerprivilegien begründet sind. - Eine 51%ige Belastung des
Kleinanlegers wird auch in Dänemark nicht praktiziert.
Wer aber - zu Recht oder zu Unrecht - ohnehin einen
überproportionalen Anteil aus dem Volkseinkommen
bezieht, kann sich auch entsprechend an den
Gemeinschaftsaufgaben beteiligen.
Genser bringt außerdem gegen die
umfassende Einkommensteuer das Argument, dass sie nur
den Wertzuwachs von materiellen Wirtschaftsgütern
(Sachkapital und Finanzkapital) besteuert, während der
Zuwachs an Humankapital erst bei seiner Realisierung
steuerlich erfasst wird, also z.B. nach einer
jahrelangen gehaltssteigernden Ausbildung.
Tatsächlich wird aber nach deutschem Steuerrecht auch
der Wertzuwachs von materiellen Wirtschaftsgütern
grundsätzlich nicht vor ihrer Veräußerung besteuert.
Dies beschreibt Genser ebenfalls in Abschnitt 2.2 zu
Recht als Durchbrechung des Prinzips einer umfassenden
Besteuerung. Hierbei besteht das größte
Schlupfloch aber darin, dass der Wertzuwachs von
Immobilien und Direktanlagen in Wertpapieren nach wie vor grundsätzlich
überhaupt nicht besteuert wird, wenn die "Spekulationsfristen"
eingehalten werden, die mittlerweile verlängert
wurden auf ein Jahr bei Wertpapieren und auf zehn Jahre
bei Grundstücken. Dies spricht jedoch nicht gegen die
"umfassende Einkommensteuer" bzw. das dänische
Kombinationssystem (sh. oben), sondern gegen den
Lobbyismus, denn eine solche Steuerbefreiung lässt sich
auch kurzfristig abschaffen, wie die Dänen es gerade mit
Wirkung ab 1. Januar 2006 vorgemacht haben (sh. Tax in Denmark 2006,
a.a.O.,
skm.dk und dort
Abschnitt "Share investments bought with free funds" auf
Seite 32).
In der unzulänglichen Besteuerung des Wertzuwachses von
materiellen Wirtschaftsgütern zeigt sich also ein
riesiges Steuerschlupfloch aufgrund mangelnder
Konsequenz oder Praktikabilität bei der Umsetzung der
"umfassenden Einkommensteuer". Tatsächlich
nutzen nicht nur Einkommensmillionäre die Möglichkeit
der steuerfreien Realisierung von teilweise erheblichen
Wertzuwächsen nach Ablauf der Spekulationsfristen, und
in Unternehmen wird vielfach geradezu auf die Ansammlung
von stillen Reserven hingearbeitet, um die
steuerpflichtigen Gewinne in den Wert der
Unternehmensanteile zu verschieben und diese dann
irgendwann nach Ablauf der kurzen Spekulationsfrist
steuerfrei zu realisieren. Genser bemerkt zu
Recht, dass durch die Absenkung der deutschen
Körperschaftsteuer auf 25 Prozent dieses
Schlupfloch noch vergrößert wurde, denn nach dieser
Steuersenkung für einbehaltenen Gewinne ist der der
Steuervorteil der 25% bei Gewinnrealisierung durch
späteren Anteilsverkauf ohne zusätzliche
Steuern noch größer geworden. Soweit diese
Möglichkeit durch Sonderregelungen für größere
Anteilspakete gesetzlich eingeschränkt wird, bleibt nach
EU-Recht noch die Alternative, dass bei einem Umzug in
ein EU-Niedrigsteuerland riesige Aktienpakete steuerfrei
mitgenommen und erst dort verkauft werden (sh. den
Fall Lasteyrie du Saillant).
Solche Umzüge in EU-Niedrigsteuerländer werden nach der
heutigen Rechtslage aber eher die Ausnahme bleiben. Das
eigentliche Motiv dafür wird auch nicht immer die
Steuerflucht sein, wenn nicht gerade für solche
Steuerflüchtlinge besondere Dumping-Anreize und ein
entsprechendes "Ambiente" geboten wird. So berichtet die
Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und
Politikentwicklung in ihrem
Newsletter Nr. 3, September
2004 (sh. auch
Kronenzeitung
ohne Datum und hier
Abschnitt_1b.htm):
"Die reichsten Österreicher sind Deutsche" hält
die APA in ihrem Bericht über die Präsentation des
"Armuts- und Reichtumsberichts für Österreich" am 4.
August 2004 fest. Und: "Insgesamt sind nach
unterschiedlichen Schätzungen in 2.500 österreichischen
Privatstiftungen 20 bis 45 Mrd. Euro steuerschonend
geparkt." Das 1993 geschaffene Stiftungsrecht hat
Österreich zu einem Steuerparadies für Privatstiftungen
gemacht.
Dass Österreich zunehmend Reiche aus dem benachbarten
Ausland anlockt und dass die größten Vermögen der
"Alpenrepublik" zwei Deutschen gehören, war auch der
"Münchner Abendzeitung" vom 5. August (Seite 5) eine
Geschichte wert.
Ähnlich war es auch im Schweizer Tessin, wo z.B. der
deutsche Steuerflüchtling
Helmut Horten
seinen Gewinn aus dem deutschen Volkseinkommen mit dem
Verkauf seiner Warenhausanteile steuerfrei realisiert
hat. Daraufhin wurde die Steuerflucht mit stillen
Reserven in Großvermögen durch das Außensteuergesetz
erschwert. Nach dem Fall Lasteyrie du Saillant (sh. o.)
wird das aber wiederum nur für Nicht-EU-Fluchtländer
Bestand haben. Auch Geldüberweisungen in Steuer-"Oasen"
wurden erschwert durch Einschränkungen des
Bankgeheimnisses, wenn auch die Verschiebung von
Millionenbeträgen längst nicht so streng kontrolliert
wird wie die kleinen Ersparnissen der
Hartz-IV-Empfänger.
Nachdem sich bereits so viele Millionäre und Milliardäre
in die parasitären Steueroasen abgesetzt haben, liegt ein weiteres
Hauptproblem bei der jetzigen Steuerflucht im
Geldkoffer-Transport ohne persönlichen Umzug und vor
allem in der manipulierten Gewinnverschiebung durch
Unternehmen (sh.
rossaepfel-theorie.de
und dort u.a. "Kleiner Steuer-Grenzverkehr").
Von den EU-Ländern spielen hierbei vor allem Luxemburg,
Österreich, der Subventions-Tiger Irland und die neuen
EU-subventionierten Beitrittsländer in Mittel- und
Osteuropa eine fatale Rolle. Aber auch andere EU-Länder
wie Großbritannien und die Niederlande haben sich zur
Abwerbung der Steuersubstanz aus Deutschland, Frankreich
und den skandinavischen Ländern einiges einfallen
lassen. Die EU-Zinsrichtlinie bringt seit ihrem
Inkrafttreten zum 1.7.05 kaum Abhilfe: "Völlig zu recht
werben die Banken damit, dass mit diesem Gesetz nur die
Dummen Steuern zahlen werden" (lt. Michael Fraenkel von
der Attac-Steuer-AG, sh. "Richtlinie
hat mehr Ausnahmen als Substanz", Attac,
Frankfurt, 29.6.05. Sh. auch "Viele
Schlupflöcher", welt.de, 17.7.06).
Auch ansonsten hilft die EU kräftig mit bei der
Steuerflucht, unter anderem durch
ihre Mutter/Tochter-Richtlinie und ihre
Fusionsrichtlinie. Dazu heißt es in der
Sonderveröffentlichung der Deutschen Bundesbank:
DIE EUROPÄISCHE UNION:
GRUNDLAGEN UND POLITIKBEREICHE AUSSERHALB DER
WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION, Frankfurt am Main,
April 2005, Seite 100 f.:
Ziel dieser Richtlinien ist, bei verbundenen Unternehmen
und bei Fusionen eine Doppelbesteuerung zu
vermeiden... Vor dem Hintergrund des unverändert
bestehenden Steuerwettbewerbs zwischen den
Mitgliedstaaten in diesem Bereich, ist die Kommission
bestrebt, Fortschritte beim Abbau der Hindernisse für
grenzüberschreitende Investitionen zu erreichen,
schädlichen Steuerwettbewerb zu vermeiden und die
Transparenz hinsichtlich der Steuervergünstigungen zu
verbessern; Vorschläge hierzu sind bislang aber an der
notwendigen Einstimmigkeit in Steuerfragen im
Ministerrat gescheitert.
Mit dem Vorschlag für eine reformierte
Fusionsrichtlinie, die im Juni 2005 vom Rat angenommen
werden soll, sind weitere Steuervorteile für die
Unternehmen geplant. Die Richtlinie sieht unter anderem
eine Regelung vor, die es fusionierten Unternehmen
ermöglicht, den Hauptsitz in das für sie
steuergünstigste Land zu verlegen.
Man will also die Verlagerung des "Hauptsitzes" von
Unternehmen in die EU-subventionierten Steuer-"Oasen"
erleichtern, so dass die verschobenen Konzerngewinne
ohne "Doppelbesteuerung" nur noch dort besteuert werden
können. Eigentlich würde dies eine weitgehende
Vereinheitlichung der Ertragsteuern in der EU
voraussetzen, um "schädlichen Steuerwettbewerb zu
vermeiden". "Vorschläge hierzu sind bislang aber an der
notwendigen Einstimmigkeit in Steuerfragen im
Ministerrat gescheitert." Gegen die "Einstimmigkeit"
steht der alles durchwuchernde Lobbyismus der
Industrieverbände usw. in Brüssel. Dieser Lobbyismus
bezweckt vor allem die Umverteilung nach oben,
insbesondere durch Fortsetzung der Steuerspirale für
Bestverdiener und Konzerne nach
unten zu Lasten der normalen EU-Bürger. Dazu verkehrt
man einfach die Reihenfolge von Zugeständnissen und
deren Voraussetzungen. Man gewährt den den Lobbyisten
zunächst einmal alle möglichen Vorteile, um die
notwendigen Ausgleichsmaßnahmen dafür dann
aber mit wenigen
Gegenstimmen im Ministerrat auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
Bei allen gebotenen Maßnahmen gegen die Steuerflucht
ist die Größenordnung des verschobenen Geldkapitals
jedoch in Relation zum gesamten Geld- und Sachvermögen
in Deutschland zu sehen.
Das gesamte Nettogeldvermögen in Deutschland (bei
Banken, Versicherungen und in Wertpapieren) belief sich
im Jahre 2005 auf 2.691 Milliarden Euro, während das
Fluchtkapital auf 100 Milliarden Euro geschätzt wurde
(sh.
DEUTSCHE BUNDSBANK Monatbericht
Juni 2006, S. 27, Tabelle "Geldvermögen
und Verbindlichkeiten der deutschen Haushalte"; zum
Fluchtkapital: "Schwarzgeld-Amnestie ist bisher ein
Flop" - "Die Schweiz bleibt ein Paradies für
Steuerhinterzieher",
nachdenkseiten.de, 24.5.04).
Aus den 2.691 Milliarden Nettogeldvermögen berechnet die
Bundesbank ein durchschnittliches Geldvermögen je
Haushalt von 68.500 Euro. Als Sachvermögen gibt sie
"schätzungsweise 4,8 Billionen €" an, womit "das
durchschnittliche Haushaltsvermögen insgesamt bei netto
190.000 €" lag (Bundesbank, a.a.O., S. 29). Bei 4.800 +
2.691 Mrd. = ca. 7,5 Billionen Gesamtvermögen
relativieren sich die geschätzten 100 Milliarden Euro
Fluchtgelder noch weiter, auch wenn deren tatsächlicher
Umfang vielleicht doppelt so hoch ist (sh. auch DEUTSCHE
BUNDESBANK :
Pressenotiz vom 19.6.06).
Dies ändert aber nichts an der Größenordnung der
Verschiebung von Unternehmensgewinnen ins Ausland und an
der Notwendigkeit von Hinzurechnungen gerade bei jenen
Gewinnanteilen, die sich am häufigsten für eine
Verschiebung missbraucht werden.
6)
Schwarzrötliche
Ausgeburt vom 2.11.2006
Am 2.11.2006 sind die Eckpunkte der
Unternehmenssteuerreform bekannt geworden, die die große
neoliberale Koalition durchsetzen will. Danach
bewahrheiten
sich die schlimmsten Befürchtungen zur
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben mit
der geplante Einführung einer Abgeltungssteuer von 25
Prozent ab 2009 für Dividenden, Zinsen und private
Veräußerungsgewinne, also keineswegs nur für jene
Gewinne, die mit den (künftig gesenkten)
Unternehmenssteuern schon vorbelastet sind. Für diese
vorbelasteten Gewinne würde eine Gesamtentlastung der "Bestverdiener"-Kundschaft nicht eintreten
bei angemessener Verbreiterung der Gewinnberechnung, denn die
bisherige Entlastung durch das
Halbeinkünfteverfahren soll tatsächlich entfallen. Die Senkung des kombinierten Steuersatzes aus
Körperschaft- und Abgeltungssteuer von 40,75 auf 36,25
Prozent (sh. obigen Tabelle) könnte bei weniger
lobbyistischer Politik zumindest
ausgeglichen werden mit den Mehrbelastungen durch die
geplante Hinzurechnung der manipulationsanfälligen Schuldzinsen usw. zur
Bemessungsgrundlage (sh. unten und den Bericht
der
IHK Stuttgart,
Dokument 19402, über die Einigung vom 2.11.06, -
Stand 5.11.06, und "Niedrigere
Steuern für Kapitalgesellschaften geplant",
tagesschau.de, 2.11.06). Für internationale
Erweiterungsinvestitionen wird durch einen niedrigeren
kombinierten Nominalsatz immerhin die Optik des
Steuervergleichs verbessert.
Im Grunde haben sich die neoliberalen Politiker und
Meinungsmacher hier also am meisten selbst begünstigt, soweit
sie als Finanz-"Investoren" ihr Geld überwiegend in
festverzinslichen Papieren anlegen, denn die radikale
Steuersenkung hierfür wird kurzerhand durch die
Abgeltungssteuer in die Unternehmenssteuerreform
hineingemogelt. Auf diese Weise können sich die
Meinungsmacher wieder einmal als Trittbrettfahrer an die
"Investoren" anhängen, wie sie es schon bei der Senkung
ihres Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent getan
haben. Sie schlüpfen so maskiert als "Investoren" durch,
denen der Exportweltmeister Deutschland wegen des
internationalen Wettbewerbs helfen müsse durch Absenkung
ihres Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 und jetzt auf 25
Prozent für ihre "Sparkonten". Dies erscheint ihnen um
so wichtiger, je weniger sie jährlich zigtausende Euro
in Steuerschlupflöchern verschwinden lassen können. Die Unternehmer als
die eigentlichen "Investoren" müssen dagegen in
ihren Unternehmen investieren und zahlen außer den 25
Prozent
Abgeltungssteuer dieser Pseudo-Investoren auch ihre
übrigen Unternehmenssteuern. Für viele von ihnen wäre es
damit günstiger, ihre Unternehmen stillzulegen und den
Veräußerungserlös aus ihren Grundstücken usw.
festverzinslich anzulegen.
Die Abgeltungssteuer als neue Einkommens-Ersatzsteuer
zugunsten von Politikern, Meinungsmachern, sonstigen
"Bestverdienern" und Einkommensmillionären soll "direkt
von den Banken an den Fiskus abgeführt werden"
und vor allem anonym bleiben (20min.ch
- SDA/AP, 5.11.06), damit die großen
Profiteure keine spätere Offenlegung ihrer tatsächlichen
Vermögens- und Einkommensverhältnisse befürchten müssen.
Dem gleichen Zweck dient die Abschaffung der
Bankkonto-Abfragen. Solche Kontrollen sollen
künftig auf die Empfänger von Transferzahlungen
beschränkt bleiben, also insbesondere auf
Hartz-IV-Empfänger. Man nimmt wohl an, das die ihre
Ausplünderung schon aus Not illegal vermeiden wollen,
während man selbst lediglich vor der Frage steht, ob man
seinen Überfluss illegal oder durch Wählertäuschung
vermehrt.
Die Offenlegung der
"Kapital"-Erträge bzw. Sparzinsen lohnt sich also lediglich für Kleinverdiener, Normalrentner usw.,
die einen
Grenzsteuersatz von weniger als 25 Prozent haben, denn
immerhin soll eine freiwillige Veranlagung solcher Einkünfte
("Veranlagungsoption") zu ihrem niedrigeren bzw. ihrem
Null-Steuersatz möglich sein. Die Steuerfreiheit
von Kursgewinnen nach Ablauf der Spekulationsfrist von
einem Jahr soll entfallen. (Sh.
IHK Stuttgart,
a.a.O. und "Abfrage
der Bankkonten soll fallen", ftd.de,
3.11.06).
Die erneute Selbstbedienung der Neoliberalen aus dem
Volkseinkommen bedeutet eine weitere Entlastung das
Faktors Kapital zu Lasten des Faktors Arbeit und der
schwachen Konsumnachfrage. Das Fremdkapital wäre so nur noch mit
25 Prozent belastet, während die Arbeit der Klein- und
Normalverdiener bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen
allein schon mit mehr als 20 Prozent Sozialabgaben plus
Einkommensteuer belastet ist. Darüber hinaus sollen die
Unternehmenssteuern und vor allem die Besteuerung der
Zinserträge drastisch gesenkt werden. Man
fördert damit also weiter den Abbau von Arbeitsplätzen
und deren Ersatz durch Automatisierungs-Kapital,
entlastet aber zugleich die Erträge dieses Kapitals in
treuer Dienerschaft zu den Profiteuren.
"Die
Linkspartei nannte 'Steuergeschenke für die Unternehmen'
einen Skandal (ebd.). Die FDP protestiert, weil ihr und
ihrer Kundschaft die Umverteilung nach oben - unabhängig
von deren Ausmaß - nie weit genug gehen kann (ebd.).
Etliche Kommentatoren waren verwundert, wie schnell und
geräuschlos sich die schwarzrötlichen Koalitionäre auf
dieses Machwerk geeinigt haben. Man konnte sich das nur
damit erklären, dass die öffentliche Diskussion über den
vorherigen "Gesundheitskompromiss" (sh. hier
Gesundheitsreform.htm)
die ohnehin stark gesunkene Zustimmung zur
Merkel-Mannschaft noch weiter in den Keller gebracht
hatte. Dabei waren diese Koalitionäre redlich bemüht,
die Verteilungswirkungen der Unternehmenssteuerreform so
unübersichtlich wie möglich zu halten. Vor allem wollten
sie eine Diskussion darüber vermeiden, warum sie
überhaupt eine Abgeltungssteuer einführen und wieso
diese auch noch für ihre Zinserträge ihrer
"bestverdienenden" Kundschaft gelten soll. Falls man
behauptet, dass es bei diesen marktverzerrenden
Wohltaten nur um die Eindämmung der Steuerflucht gehe,
dann sollte man auch andere Möglichkeiten zu deren
Bekämpfung (sh. oben und auch die dänische Alternative)
in aller Öffentlichkeit einmal breit und vertieft
diskutieren, aber ohne die übliche medienwirksame
Irreführung im Interesse der Profiteure.
Außerdem präsentierten die neoliberalen Meinungsmacher
diese Großtat geschickt mit den 20 Milliarden Euro
Steuer-Mehreinnahmen durch den Strohfeuer-Aufschwung,
der sich eingestellt hat
kurz vor ihrer verbissen festgehaltenen
konjunkturdrosselnden Mehrwertsteuererhöhung zur
Finanzierung ihrer Umverteilung nach oben. Da allein deren
drei Prozentpunkte in 2007 ebenfalls deutlich mehr als
20 Milliarden Euro bringen, addiert man das einfach
(abzüglich Konjunkturdrosselungs-Effekt) zu den 20
Milliarden von 2006 und spricht nun von 40 Milliarden
staatlichen Mehreinnahmen für 2006 und 2007 (sh. den
typisch naiven Titel "Konjunktur treibt Steuereinnahmen
hoch",
netzeitung.de, 3.11.2006,
mit dem Einleitungssatz: "Die
Öffentliche Hand kann 2006 und 2007 mit insgesamt um
39,5 Milliarden Euro höheren Steuereinnahmen rechnen.").
Wenn Lafontaine von einer Politik aus dem "Irrenhaus"
spricht, so muss man doch zumindest zugeben, dass die
Koalitionäre bei der Wählertäuschung äußerst geschickt
agieren.
Zu deren unverdientem Glück sind durch
diese Art "Aufschwung" von September 2005 bis
September 2006 rund 317.000 zusätzliche
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
"geschaffen". Diese vielfach propagierte Zahl ist jedoch
zurechtzurücken, weil davon allein 234.000 in der
Endspurt-Phase von August bis September 2006
entstanden sind! Damit gibt es also offensichtlich keinen
Grund für das verfrühten Eigenlob unter den
neoliberalen Koalitionären (sh. "Moderne
Tagelöhner", DER SPIEGEL 49/06 vom 4.12.06, S.
88-90), denn trotz des Mehrwertsteuer-Endspurts sind die
317.000 Stellen
kaum mehr als ein Hundertstel des Tiefpunktes per
Anfang 2006 von etwa 26 Millionen
sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen. Dagegen lag deren Zahl Anfang 2003 -
zu Beginn der
Steuersenkungen für "Bestverdiener"
- noch über 37 Millionen (sh.
Bundesagentur für Arbeit: "Der
Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland",
November 2006, S. 24 und Grafik auf S. 2). Dazu zitiert
der FOCUS überraschenderweise einmal ganz neutral Oskar
Lafontaine nach einem Bericht von im/dpa:
Lafontaine sprach von einer "verfehlten
Arbeitsmarktpolitik". "Wer nur noch befristete Minijobs
und Niedriglöhne unterhalb des Existenzminimums
anbietet, darf sich nicht wundern, wenn Bindungen in der
Gesellschaft verloren gehen und sich junge Menschen
nicht entscheiden können, Kinder in die Welt zu setzen",
sagte Lafontaine. "Wer nicht weiß, ob er in drei Monaten
noch die Familie ernähren und seine Miete bezahlen kann,
würde ansonsten auch unverantwortlich handeln...
In allen wichtigen Fragen stimmt die große Mehrheit der
Volksvertretung im Bundestag gegen die große Mehrheit
des Volkes...
Ich hätte nie damit gerechnet, dass sich die SPD einmal
so entwickeln würde.
(Sh. "LINKE
- Lafontaine vermisst Menschlichkeit",
focus.de, 21.12.06.)
Immerhin verweist der
strahlende Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) als Grund für die beträchtlichen Steuer-Mehreinnahmen in
2006 auch auf die "hohen Gewinne der Unternehmen" (sh.
"Konjunktur treibt Steuereinnahmen hoch",
a.a.O.), die
von der jahrelangen Lohndeckelung und dem jetzigen Strohfeuer zu Lasten der Einkommensschwachen
profitieren. Diese Unternehmensgewinne lassen
sich nun noch weiter steigern aus dem Überschuss
von mehr als 10 Milliarden Euro, den die Bundesanstalt
für Arbeit in 2006 "erwirtschaftet" hat (sh. die FAZ
mit dem Müntefering-Zitat im Titel: "Das ist eine kleine
Großstadt in Deutschland",
faz.net, 30.11.06),
insbesondere zu Lasten der neuen Hartz-IV-Opfer.
In Wirklichkeit liegt die einzige
Hoffnung für eine teilweise Kompensation der
Konjunkturabwürgung durch die Mehrwertsteuererhöhung
nach 2006 in zusätzlichen Impulsen durch die
gestärkte Weltkonjunktur und in der "Hysterese",
also einem Beibehaltungs-Effekt oder der Trägheit, die
nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch im
(konjunkturellen) Verhalten der Wirtschaftssubjekte eine
Rolle spielt, z.B. in mangelndem Widerstand gegen die
Bewegungsenergie des einmal begonnenen Anstiegs(!). Den
Hoffnungs-Phantasien sind keine Grenzen gesetzt: Der ursprüngliche
(falsche) Impuls führt in die richtige (konjunkturelle) Richtung und
diese wird beibehalten, auch wenn die neuen
Folge-Impulse schon in die entgegengesetzte Richtung
drängen. Durch diese vorläufige Beibehaltung der Richtung
werden jedoch auch positive Impulse gesetzt, die die
Richtung zunächst stabilisieren können. Außerdem
bestärken sich die
neoliberalen Meinungsmacher schon seit
Herbst 2006 gegenseitig in dem Glauben an die
Gaukeleien ihrer Lobbyisten (sh. das GfK-Getrommel zum
Konsumklimaindex
und die anschließende Resonanz). So erreichen sie
vielleicht, dass am Ende auch die Verbraucher und Investoren
ein wenig an den
weiteren Aufschwung nach der Mehrwertsteuererhöhung
glauben und dass die Umverteilung nach oben durch die sich
selbst erfüllende Prophezeiung am Ende fortgesetzt
werden kann.
Die zusätzlichen Haushaltslücken werden nach den
schönrednerischen Verlautbarungen der schwarzrötlichen
Koalitionäre "eines Tages" wieder ausgeglichen (sh.
ebd.), angeblich durch mehr Wachstum, wahrscheinlich
aber durch weitere konjunkturdrosselnde Umverteilung nach oben:
Ausfälle werden "eines Tages" wieder ausgeglichen
Das Konzept sehe eine Absenkung des
Körperschaftsteuersatzes auf 15 von 25 Prozent vor,
berichtete Steinbrück nach der abschließenden Sitzung.
Die Steuerlast der Kapitalgesellschaften insgesamt werde
von 38,65 auf 29,83 Prozent sinken. Die Reform solle zum
1. Januar 2008 in Kraft treten und halte, wie zuvor
vereinbart, die Grenze von fünf Milliarden Euro für die
anfängliche Entlastung der Unternehmen ein. Die
Einnahmeausfälle für den Staat würden durch die
positiven Effekte "eines Tages" wieder ausgeglichen, so
Steinbrück.
Zu den angeblichen fünf Milliarde Euro sagte der
Steuerexperte Lorenz Jarass in einem taz-Interview vom
15.3.2007, abgedruckt auf seiner Webseite
Jarass.com mit
einer
Liste seiner Schriften
und Vorträge:
Wir sind in unseren
Berechnungen auf 12 bis 14 Milliarden Euro Steuerausfall
im Jahr gekommen.
Die ursprüngliche Idee der Reform - niedrigere
Steuersätze, aber dafür eine breitere
Bemessungsgrundlage - war richtig. Schließlich macht es
keinen Sinn, dass wir im Vergleich zu unseren
Wettbewerbern bei Unternehmenssteuern die höchsten
nominalen Sätze, aber gleichzeitig das niedrigste reale
Aufkommen haben. Aber Steinbrück hat den gleichen
politischen Fehler gemacht wie Lafontaine im Jahr 1999:
Die Senkung der Steuersätze wurde politisch
festgeklopft, die strukturellen Änderungen und die
Gegenfinanzierung hingegen nicht. Das Ergebnis ist
entsprechend.
Durch massive Lobbyarbeit ist das ursprüngliche Konzept
zu einem Torso zerschossen worden. Gerade von den
sinnvollen Regeln, mit denen Kapitalverschiebung ins
Ausland unterbunden werden sollte, ist fast nichts
übriggeblieben. Beispielsweise können Zinsaufwendungen
für Investitionen im Ausland weiterhin von der Steuer
abgesetzt werden, während die dort erzielten Gewinne
nicht besteuert werden. So wird Arbeitsplatzverlagerung
weiterhin steuerlich subventioniert. Die geplante
"Zinsschranke" ist zu einem zahnlosen Tiger geworden.
Betroffen sind höchstens noch mittelgroße inländische
Firmen - und Steuerberater, für die das ein
Beschäftigungsprogramm ist.
So sieht es auch Oskar Lafontaine, dem zu seiner Zeit
als Finanzminister nicht nur die Lobbyisten von rechts,
sondern seine eigene Schröder-Regierung in den Rücken
gefallen ist, bis hin zu seinem unausweichlichen
Rücktritt. Er sagte zu dieser Schönrechnerei in einem
Interview mit dem
Deutschlandradio Kultur am
3.11.06:
Jetzt also weitere fünf Milliarden - andere sprechen von
10 oder 15 Milliarden, genau weiß das ja niemand. Das
ist einer der Gründe, warum drei Viertel der Bevölkerung
im jüngsten "Deutschlandtrend" gesagt haben: Dieser
Regierung kann man nicht mehr vertrauen. Wer, wenn es
dem Volk schlecht geht, den Unternehmen super geht, dann
auf die Idee kommt, das Volk mit
Mehrwertsteuererhöhungen zu belasten und die Unternehmen
weiter zu entlasten, der hat wirklich kein Vertrauen
verdient.
Zugleich beklagen sich die neoliberalen Heuchler über
das Anwachsen rechtsradikaler Stimmungen aufgrund dieses
berechtigten Vertrauensschwundes. Wenn die Linke von den
Pseudo-Linken und den übrigen Neoliberalen als die
letzten Bastion des sozialen Gewissens erkannt und
deshalb nach historischem Muster diffamiert wird, dann
muss man sich nicht wundern, dass als Ventil aus der
Wählertäuschung am Ende wieder die radikale Rechte in
den Vordergrund tritt.
Die Gewinnverschiebungen in parasitäre Steueroasen durch
fingierte Zinsen aufs scheinbare Fremdkapital und
dergleichen mehr will man zunächst nachsichtig angehen
(ebd.):
"Zinsschranke" für Großunternehmen
Gegenfinanziert werden soll die Steuersatzsenkung
über eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die
Gewinnbesteuerung, unter anderem durch eine
"modifizierte Zinsschranke". Das heißt, Großunternehmen
können Zinsen nur steuerlich absetzen, wenn dem ein
angemessen großer Gewinn gegenüber steht.
Zu dieser "Zinsschranke
heißt es in der Tagesschau:
Zinsen für Kredite wirken dann nicht mehr komplett
gewinnmindernd, wenn ein bestimmtes Verhältnis von
Zinsen zu Gewinnen überschritten wird. Dieses soll bei
30 Prozent liegen.
(Sh. "Die Eckpunkte der Unternehmenssteuerreform", tagesschau.de, 2.11.06.)
Gemeint ist die Einführung einer Hinzurechnung von
Schuldzinsen bei der Körperschaftsteuer. Durch Belastung
der deutschen Unternehmen mit Zinsen für das eigene Geld
der Unternehmensbetreiber werden in großem Umfang
Gewinne in Deutschland herunter-manipuliert und in
parasitäre Steueroasen verschoben, wo dieses Geld
"geparkt" ist. Dies
soll jedoch anscheinend weiterhin erlaubt sein bis zu
einer Freigrenze von einer Million Euro bei der
Körperschaftsteuer.
Dagegen soll bei der Gewerbesteuer die bisherige Hinzurechnung der
Dauerschuldzinsen von 50% auf 25 bis 30 Prozent gesenkt,
dafür aber ergänzt werden um die Hinzurechnung der
übrigen Schuldzinsen sowie pauschalierter
Finanzierungsanteile von ebenfalls manipulierbaren
Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzen mit einem
Freibetrag von 50.000 Euro jährlich (sh. Bericht der
IHK Stuttgart,
Dokument 19402, über die Einigung vom 2.11.06, -
Stand 5.11.06). Auf diese Weise kann kaum noch jemand das Ausmaß der
Umverteilung nach oben überblicken.
Die Hinzurechnungspauschalen für die
Finanzierungskosten liegen bei 25 Prozent für bewegliche
Wirtschaftsgüter und Lieferantenkredite. Für
unbewegliche Wirtschaftsgütern werden sie wegen des
hohen Zinsanteils an den Gesamtkosten solcher
(langfristigen) Investitionen mit 75 Prozent angesetzt
(ebd.).
Bei der wesentlich gewichtigeren Körperschaftsteuer will
man offenbar unterderhand ganz auf eine Hinzurechnung
der Manipulationswerkzeuge Mieten, Pachten, Leasingraten
und Lizenzen verzichten.
Der IHK-Verweis auf die Propaganda-Seiten
des Bundesfinanzministers bringt
ohne Detektivarbeit deutlich weniger Information als die
IHK-Seite selbst, dafür aber viel Schönrederei. Die
profitierenden IHK-Kunden sollen offenbar besser
informiert werden als der geschröpfte Normalverbraucher.
Wegen der allgemeinen Empörung über die bisherige
Duldung von weiteren manipulierten Gewinnverlagerung aus
Deutschland in EU-subventionierte parasitäre Steueroasen
denkt man auch an eine
Besteuerung von Funktionsverlagerungen (hierzu sind ein
Erlass des Bundesfinanzministeriums sowie flankierende
gesetzliche Maßnahmen vorgesehen, die in der genauen
Ausgestaltung noch offen sind)
(Sh. Bericht der
IHK Stuttgart,
a.a.O.) Ferner sollen einige innerdeutsche
Gewinnmanipulations-Möglichkeiten eingeschränkt
werden (sh. ebd., auch zu weiteren Einzelheiten).
Bei der Körperschaftsteuer entsprechen die obigen 30
Prozent der "Zinsschranke" in etwa der (bereits nach
unten manipulierten) Eigenkapitalquote deutscher
Großunternehmen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahren.
(Zur Eigenkapitalquote der US-Großunternehmen von mehr
als 37 Prozent siehe Reinhard Lahusen: "US-Unternehmen
kapitalorientierter", Deutsche Bank
Research,
mit Zahlen aus der
Bach-Datenbank der
EU-Kommission, die gelegentlich
erreichbar ist, wenn es den EU-Bürokraten beliebt. - Sh.
auch
BACH -
Guide for the database users,
23/8/2001.) Diese niedrige Zinsschranke mit zahlreichen
Schlupflöchern öffnet einer Gewinnverschiebung weiterhin
Tür und Tor. Eine angebliche Kompensation durch
moderates Strecken von Abschreibungsmöglichkeiten dient
nur zur Irreführung der Laien. Dagegen wäre die
Absenkung der Unternehmenssteuersätze in Richtung auf
das derzeitige Dumping-Niveau der meisten EU-Staaten durchaus
diskutabel gewesen, wenn man die Entlastung durch ein
wesentlich effektiveres Schließen der Schlupflöcher
mindestens ausgeglichen hätte.
Andernfalls hat man bei dem Dumping-Wettlauf am Ende den
Theater-Effekt, wonach einer nach dem anderen aufsteht,
um besser zu sehen. Mit solchem Verhalten wird im Falle
der Volkswirtschaft jedoch nur den
Raubtierkapitalismus gefördert.
Genau dies ist die Zielrichtung der "christlichen
Demokraten" und ihrer Lobbyisten. Für sie kam eine "aufkommensneutrale" Unternehmenssteuerreform von Anfang
an nicht in Frage. Die SPD-"Linke" forderte auch nicht
eine Aufkommenserhöhung, z.B. auf das Niveau vor den
pinkgrünlichen Jahrhundertwerk,
was ohne
weiteres darstellbar gewesen wäre durch die notwendigen
Erweiterungen der Bemessungsgrundlagen und den Verzicht
auf die unsägliche Abgeltungssteuer. Vielmehr wollten
diese untergebutterten "Linken"
äußerstenfalls eine Aufkommensminderung von einer
Milliarde Euro pro Jahr akzeptieren. Finanzminister
Steinbrück (SPD) - mit Rückdeckung durch
SPD-Fraktionschef und Schröder-Freund Peter Struck - war
jedoch von vornherein der richtige Mann für die CDU zur
Umverteilung nach oben. Er einigte sich mit den
Neoliberalen auf eine Senkung von etlichen Milliarden
Euro jährlich, wobei heftig gedeutelt wird, ob es nun
fünf oder acht Milliarden sind (sh. "Steinbrück
kollidiert mit dem SPD-Parteirat", taz.de,
27.2.07). Als Trost für seine noch nicht
gleichgeschalteten Parteigänger glänzte Steinbrück mit
der Erkenntnis,
dass durch das Wirtschaftswachstum irgendwann die
heutigen Mindereinnahmen wieder ausgeglichen würden. An
der langfristigen Relation der Umverteilung zugunsten
der Lobbyisten ändert das natürlich nichts.
Unterstützung erhielten diese Strategen aus ihren
eigenen Reihen durch den konservativen Seeheimer Kreis
mit seinem Sprecher Klaas Hübner. Aber Auch Joachim Poss
war mit von ihrer Partie (sh. "Kabinett
beschließt Gesetzentwurf zur Unternehmenssteuer",
pr-inside.de/ddp,
14.3.07).
Die wenigen verbleibenden Sozialdemokraten in der SPD
sträuben sich dagegen, dass für ihre Abstimmung über
diese weitere skrupellose Umverteilung nach oben laut
Struck und den bestbezahlten Parteioberen wieder einmal
der Fraktionszwang gelten soll,
dass
sie also bei Parlamentsabstimmungen über
Verteilungsfragen ihr Gewissen getrost zu Hause lassen
sollen. Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach bringt
es auf den Punkt: "Einer wird verlieren – Steinbrück
oder die Partei." (Sh. "Einer wird verlieren",
DER SPIEGEL 12/2007, S. 50.) Nach der
Sitzverteilung im derzeitigen Bundestag könnte die SPD
sofort mit dem Linksbündnis und den Grünen koalieren, um
dem Spuk ein Ende zu machen, ihr soziales Gewissen nicht
länger zu verkaufen und ihren dramatischen
Mitgliederschwund zu stoppen. Es ist also nicht
so, dass sie keine andere Wahl hätte. Oskar Lafontaine
hat diese rosa-rote Koalition mehrfach öffentlich
vorgeschlagen (sh. z.B. sein Interview "LINKSPARTEI
- Oskar Lafontaine will endlich mitregieren",
welt.de, 1.3.2007). Nicht er, sondern Steinbrück, Struck,
Bütikofer und
andere Neoliberale bei der SPD und den Grünen sind das Hindernis für eine gestärkte
Rückkehr der SPD und eine Wende des Parlaments zu einer
sozialdemokratischen Politik nach den skandinavischen
Erfolgsmodellen, die dort auch beim Machtwechsel zu
bürgerlichen Parteien weitgehend beibehalten werden.
Karl Lauterbach hätte diese Totengräber der SPD also
gleich in seine alternative Verliererliste mit
einbeziehen können. Sie sind offenbar nicht mehr mit den
Linken kompromissfähig, sondern nur noch mit jenen, die
die Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen
betreiben.
Auch Franz Müntefering hat sich für diese
Politik einspannen lassen und somit von der
Sozialdemokratie verabschiedet. Er polemisiert gegen
Oskar Lafontaine und schließt eine Koalition mit dem
Linksbündnis aus. Daraufhin hat ihn Lafontaine in der
Sächsischen Zeitung mit Recht als "Karikatur eines
Sozialdemokraten" bezeichnet. Später legte
Lafontaine lt. BILD nach: "Müntefering ist
mitverantwortlich für die Wahlniederlagen der SPD und
dafür, dass Hunderttausende SPD-Mitglieder aus der
Partei ausgetreten sind". Dagegen erhält Müntefering als
ein Garant für die Umverteilung nach oben von BILD schon
Unterstützung in der Überschrift. "Lafontaine
pöbelt gegen den Vizekanzler - Müntefering ist eine
Karikatur",
bild.de,
30.3.07, verbunden mit dem kräftigen Hieb gegen
Lafontaine, der als einer der Wenigen gegen solche
Wählertäuschung angetreten ist. Aber Franz Müntefering
gehört vielleicht zu letzten SPD-Oberen, die sich noch
irgendwann aus diesem falschen Fraktionszwang gegen die
SPD-Basis lösen können.
Die Senkung des kombinierten
Unternehmenssteuersatzes auf ein mittleres
westeuropäisches Niveau hätte bei den Hinzurechnungen
von verschobenen Gewinnen sogar zu kräftigen Steuer-Mehreinnahmen
führen können. Statt dessen erhalten die Großprofiteure
erneut Steuergeschenke in Milliardenhöhe aus dem
Volkseinkommen und dazu noch die unsägliche
Abgeltungssteuer, dies alles, nachdem man ihren
persönlichen Spitzensteuersatz gerade von 53 auf 42
Prozent gesenkt und dafür die Mehrwertsteuer von 16 auf
19 Prozent erhöht hat – zu Lasten der ohnehin schwachen
Konsumnachfrage.
Wenn sich auch viele Wähler durch die neoliberalen
Meinungsmacher ablenken lassen von dem Zusammenhang
zwischen Arbeitsplatzvernichtung und Umverteilung nach
oben, so spüren sie doch, dass sie von einem derartigen
"Aufschwung" für die Großprofiteure selbst eher Schaden
als Nutzen haben. Dazu heißt es in der Wirtschaftswoche
vom 30.9.06:
Die Regel "Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch
den Beschäftigten gut" gilt nicht mehr - dies behauptet
Renate Köcher, Chefin des
Instituts für Demoskopie Allensbach, in ihrem
Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche.
Weiter schreibt Renate Köcher lt. Wirtschaftwoche:
Auf mittlere Sicht von fünf bis zehn Jahren rechnet die
überwältigende Mehrheit mit höheren Arbeitslosenzahlen,
einem sinkenden Wohlstandsniveau, gravierenden Kürzungen
der staatlichen Sozialleistungen und gleichzeitig
steigenden Beiträgen und Steuern.
(Sh.: "Allensbach: Die Bürger misstrauen der
Wirtschaft",
wiwo.de,
30.9.06
(WWONLINE_217145).
In einem n-tv-Interview vom 2.4.07 mit Klaus von
Dohnanyi und Heiner Geissler sagte dieser, dass zu
seiner früheren Zeit als Regierungsmitglied noch über
80 Prozent der Befragten
gesagt hätten: "Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann
geht es mir auch gut." Heute glaubten das nicht einmal
20 Prozent. Nur 28 Prozent sagten, dass es noch sozial
gerecht zugehe.
Renate Köcher ist bei ihren obigen Aussagen jedenfalls
glaubwürdig, auch wenn sie als Mitglied in diversen
Aufsichtsräten der Großindustrie (Allianz, BASF,
Infineon, MAN) eher Zweifel an ihrer Neutralität weckt.
Dazu schreibt
Hagalz (Pseudonym) im
Politikforum am 2.10.06:
Im
übrigen hatte ich vor einiger Zeit mal eine interessante
Abhandlung von Prof. Dr. Dr. hc Elisabeth Noelle-Neumann
eingestellt, im welchem diese umfangreich darlegte, wie
Umfrageinstitute vor den Wahlen die Wahlergebnisse
beeinflussen und manipulieren würden.
Heiner Geissler hat in
dem Interview auch die Gefährdung der Demokratie
hingewiesen, die sich aus dem Meinungswandel zum Nutzen
eines "Aufschwungs" ergibt. In der Tat kann die
allmähliche Umwandlung einer Demokratie in eine Kleptokratie vom Volk nicht unbemerkt bleiben.
Im Ergebnis führt der Steuerdumping-Wettlauf
dazu, dass nun auch andere westeuropäische Länder wieder
nachziehen. So schrieb die Financial Times Deutschland
in einer Kolumne von Wolfgang Münchau am 3.4.07:
FTD: Billig bringt's nicht
Oskar Lafontaine hat recht: Bei den
Unternehmenssteuern ist Schwarz-Rot schon wieder eine
Reform missraten.
Kurz nachdem das Bundeskabinett die
Unternehmenssteuerreform beschlossen hatte, hat der
britische Finanzminister Gordon Brown eine Senkung der
Unternehmenssteuern von 30 auf 28 Prozent verkündet.
Hätte er das nicht getan, würde der britische Satz
künftig um Haaresbreite höher sein als der deutsche. So
aber ist die alte Rangfolge wiederhergestellt.
Wenig später beschloss dann auch die niederländische
Regierung, die Unternehmenssteuern auf 25 Prozent zu
senken. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein
Wettrennen um die billigsten Sätze stattfindet, wobei
sich für die am Rennen beteiligten Länder relativ
zueinander nichts ändert - nur dass jeder von ihnen
immer weniger Steuergelder einnimmt.
In einer donnernden Rede hat Oskar Lafontaine,
Fraktionschef der Linken im Bundestag, die Unsinnigkeit
der deutschen Unternehmenssteuerreform gegeißelt. Es
gibt wirklich keinen guten Grund - weder strukturell
noch konjunkturell -, Unternehmen jetzt finanziell zu
entlasten...
Lafontaine hat ebenfalls recht mit seiner
Anmerkung, dass Steuersätze allein kaum ausschlaggebend
sind für die Qualität eines Standorts... Sicher würden
exorbitante Steuern auf Unternehmensgewinne zu
schmerzhaften Verlagerungsprozessen führen, doch das
gilt mit Sicherheit nicht für die Steuersätze, die in
diesen Breitengraden erhoben werden.
(Vorübergehend auch gespeichert bei
finanztreff.de,
3.4.07.) Der Hinweis auf Lafontaine zeigt, dass es
noch Meinungsmacher ohne Scheuklappen gibt. Wenn der
Kolumnist jedoch folgert, dass man konsequenterweise
auch den allgemeinen Spitzensteuersatz für ihn und die
übrigen "Besserverdiener" noch weiter senken müsste,
dann richtet sich das nicht gegen das Steuerdumping,
sondern treibt es nur auf die Spitze. Diese Koppelung
ist ohnehin ein verbreiteter Hintergedanke für die
allgemeine Unterstützung der Unternehmenssteuersenkung
durch die neoliberalen Meinungsmacher. Völlig unerwähnt
bleibt in der Kolumne, dass die Senkung des
Unternehmenssteuersatzes unschädlich wäre, wenn durch
die Hinzurechnungen zumindest ein
kompletter Ausgleich geschaffen würde gegen die
Möglichkeiten der Gewinnverschiebung (sh. oben).
Typisch für die Wählertäuschung und den
neoliberal-"christlichen" Lobbyismus in Verbindung mit der
Unternehmenssteuerreform ist auch die Reform der
Erbschaftsteuer für Unternehmen:
Damit entfällt diese Steuer, wenn die Erben das
Unternehmen mindestens zehn Jahre fortführen oder durch
Bevollmächtigte fortführen lassen. Sie müssen sich also
noch zehn Jahre gedulden, wenn sie Kasse machen und
z.B. an fähigere Unternehmer oder an "Heuschrecken"
verkaufen wollen. (Zur Widerlegung der windigen
Argumente für diesen Coup sh.
"Erbschaftssteuer:
Die absurden Reformpläne der Bundesregierung",
MONITOR Nr. 549 vom 6.7.2006. Sh auch rossaepfel-exkurse.de/Sammlung.htm#Peter_Krämer.
Dem ist hier vorläufig nichts hinzuzufügen.)
Erst nach Ablauf dieser Form-Frist können sie sich
erbschaftsteuerfrei und ohne Rücksicht auf die
Arbeitsplätze endgültig zur Ruhe setzen mit dem
Vermögen, das ihre Eltern und vielleicht deren Eltern
oder Verwandten,
aber vor allem deren Arbeitnehmer geschaffen haben. Zur
extremen und zunehmenden Ungleichverteilung von
Einkommen und Vermögen zugunsten des selbst wachsenden
Kapitals sh. hier unter anderem
rossaepfel-theorie.de/Abschnitt_1b.
Die Erben von bedeutenden Unternehmern sind im
allgemeinen nicht die idealen Fortführer des
Unternehmens, ebensowenig wie die Erben von großen
Künstlern und Wissenschaftlern die idealen Fortführer
der Kunst und Wissenschaft sind. Bedeutende Unternehmer
findet man eher unter den Erben der vielen
kleineren Unternehmen. Aber die sind wegen der Freibeträge
bei der Erbschaftsteuer ohnehin kaum davon
betroffen.
Die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Aufhebung der
unhaltbaren Bewertungsprivilegien für Grundbesitzer
wird nicht die Erbschaftsteuer-Freiheit bei der
Vererbung des Einfamilienhauses an die nächsten
Angehörigen betreffen (sh. "STEUER
- Erben könnte teurer werden", welt.de,
4.2.2007).
Sonderregelungen sind z.B. auch denkbar bei größerem
Agrarbesitz, dessen schmale Erträge und üppige
Agrarsubventionen auch bei bescheidenem Lebensstil nicht
zur Bildung von Rücklagen für die Erbschaftsteuer
reichen.
Zum Thema Erbschaftsteuer hatte Sabine Christiansen am
11.2.07 in ihren Talk-Zirkus (sh.
sabine-christiansen.de)
ausnahmsweise einmal drei Gegner der Steuergeschenke für
"Bestverdiener" geladen. Sogar Oskar Lafontaine war
dabei. Anscheinend ist die Angst von Christiansen vor
der Erbschaftsteuer nicht so groß wie vor dem Verlust
ihrer jährlichen sechsstelligen Steuergeschenke bei der
Einkommensteuer. Immerhin hatte sie in der ersten
Sitzreihe noch zwei Lobbyisten der Großerben aufgeboten,
einen DIHK-Vertreter und einen unangenehm smarten "Bestverdiener"-Anwalt.
Als betroffene Großgrundbesitzerin hatte sie Frau
Stephanie Gräfin Bruges von Pfuel eingeladen, die nach
eigenen Angaben einen sehr hohen Einkommensteuersatz
zahlt, aber keine Einkommensmillionärin ist. Bei diesem
hohen Einkommensteuersatz sollte man doch annehmen, dass
sie im Laufe der Jahrzehnte auch Rücklagen für die
Erbschaftsteuer bilden kann, z.B. durch entsprechende
Lebensversicherungen. Geladen war auch Wolf Schäfer,
emeritierter Ökonomie-Professor der
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, der eine
Vermögensteuer mit Voodoo-ökonomischen Scheinargumenten
vollkommen ablehnte und sich zu der Bemerkung verstieg:
"Wenn es heißt, die Erben haben nichts
dazu beigetragen für das was sie bekommen, dann frage
ich mich, warum soll der Staat partizipieren, der auch
nichts dazu beigetragen hat?"
(Sh.
sabine-christiansen.de,
Stand 12.2.07. - Zur
verbreiteten
Voodoo-Ökonomie der
Neoliberalen und der US-Neokonservativen sh. hier
auch deren Prinzip: "Den Staat in der Badewanne
ertränken", unter
rossaepfel-theorie.de.)
Dem Namensgeber
Helmut-Schmidt-Universität
mit ihren staatlich finanzierten Professoren und
besoldeten Studenten machte es keine Ehre. Das Publikum
war - wie bei Verteilungsfragen üblich - dicht mit
neoliberalen Claqueuren durchsetzt. Schäfer bevorzugt
"Mäzenatentum" gegenüber der Steuerfinanzierung, zumal
die kapitalstarken Absahner des Volkseinkommens auf
diese Weise die Hand am Indoktrinations-Geldhahn
behalten und sich ihre gefälligen Meinungsmacher selbst
aussuchen können (sh. hier z.B.
Demokratiekauf.htm).
Die Lohn-Schreiber der Axel-Springer-Erbin hatten
an solchen Extrem-Parolen zur Umverteilung nach oben
aber nichts auszusetzen. Statt dessen fiel man
reißerisch über Gräfin von Pfuel her (sh. "Die
arme Gräfin mit den goldenen Tassen",
welt.de,
12.2.07). Dies lief nach der Art, wie die
Meute-"Journalisten" - auf noch
primitivere Art - unter anderem auch Oskar
Lafontaines verunglimpfen, sein nicht allzu großes, aber geschmackvolles Einfamilienhaus als
"Palast
der Sozialen Gerechtigkeit" bezeichnen, ihn selbst als "Luxus-Lafontaine" titulieren, ihm die unsägliche
"Jet-Affäre" unterjubeln, seine gebuchte Ferien-Finca
für den Familienurlaub in ihrer BILD-"Zeitung"
ablichten, und keine Gelegenheit auslassen, um den
prominenten Gegner ihrer Umverteilung nach oben zu
diffamieren (sh. hier
Linksbuendnis.htm).
Welche primitiven und lebensgefährlichen Meute-Instinkte
durch die bestbezahlten Söldner des Medienkapitals und
ihre Hetze tatsächlich gegen Lafontaine geschürt werden,
zeigen wieder einmal eindrucksvoll die Leserbriefe der
FOCUS-Leser nach der Sendung, die dieses Blatt am 11. und
12.2.07 im "FOCUS-FERNSEH-CLUB" abgedruckt hat, die
merkwürdigerweise auch über Google-News sofort mit dem
Stichwort "Lafontaine" zu finden waren (Stand 12.2.07),
die hier zwar archiviert wurden, deren auszugsweise
Wiedergabe aber kaum zu verantworten ist.
7)
Weitere Unersättlichkeiten (Glos-Vorstoß)
Gleich nach Ostern 2007 inszenierte
BILD mit Hilfe von Wirtschaftsminister Michael Glos
(CSU) eine neue Medienkampagne zur Umverteilung nach
oben:
"Wir müssen dafür
sorgen, dass das Geld in den Taschen der Bürger bleibt,
die es verdienen." Spätestens zur nächsten
Bundestagswahl (2009) wolle er für eine
Lohnsteuer-Senkung kämpfen, verspricht er.
(Sh. "Nach
dem Versprechen von Wirtschaftsminister Glos",
bild.de,
11.4.2007,
und dazu das Glos-Interview von Bild am Sonntag "Mehr
Geld in die Taschen der Bürger", bild.de,
9.4.2007).
Wieder werden die Lohnsteuer-Zahler
vorgeschoben, obwohl doch die Lohnsteuer nur
eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer für Lohn- und
Gehaltsempfänger ist. Gerade die Lohnsteuerzahler mit
schwacher Konsumnachfrage sind viel höher mit den
staatlichen Sozialabgaben belastet als mit Steuern. Bis
zu den Beitragsbemessungsgrenzen zugunsten der
"Besserverdiener" zahlen sie mehr als 20 Prozent vom
ersten Euro, also ohne Freibetrag. Tatsächlich wäre
ihnen und dem Arbeitsmarkt wesentlich mehr gedient mit
der Senkung ihres Arbeitnehmeranteils zur
Sozialversicherung. Diese Belastung wurde jedoch mit
Einführung des Gesundheitsfonds zur Umverteilung nach
oben auch noch erhöht
(sh. hier
Gesundheitsreform.htm)
– ebenso wie die Mehrwertsteuer zur
Finanzierung der weitaus größten Steuergeschenke an
"Bestverdiener" in der Geschichte der Bundesrepublik
(sh.
rossaepfel-theorie.de).
Vor allem die Lohnsteuerzahler tragen -
im Gegensatz zu den übrigen Einkommensteuer-Zahlern –
die Kosten des Sozialstaates. Deutschland ist das Land
mit der niedrigsten Steuerquote in der Alt-EU (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Nicht einmal die groß angekündigte Steuerfinanzierung
der Krankenversicherung für Kinder wollen Glos, die
Meinungsmacher von BILD und die übrigen Neoliberalen
mittragen (sh. hier
Gesundheitsreform.htm).
Ihnen geht es nur um die Steuersenkung für sich selbst
und die übrigen "Bestverdiener". Sie meinen ihre
"Taschen", in denen das Geld bleiben soll, dass sie
angeblich "verdienen" mit ihrer
Wählertäuschung.
Statt dessen kommentiert der ehemalige
BDI-Präsident Olaf Henkel in BILD den Glos-Vorstoß wie
folgt:
Wenige Monate nach der größten
Steuererhöhung aller Zeiten plant Wirtschaftsminister
Glos niedrigere Steuern und Abgaben, nicht nur für
Unternehmen, sondern für alle Bürger.
(Sh. Olaf Henkel: "Mehr
Netto für alle!", bild.de,
11.4.2007.)
Mit dem Lobbyisten Henkel hat BILD genau den passenden
Kommentator gefunden. In der Tat kann man die
Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte zu
Lasten der Ärmsten schon als große Steuererhöhung
bezeichnen, aber nicht als die "größte … aller Zeiten",
sondern nur als die "umverschämteste" nach der gerade
erfolgten "größten" Senkung der Spitzensteuersätze für
Henkel, die BILD-Redakteure und die übrigen
"Bestverdiener".
Weiter schreibt Henkel:
Das
ist auch eine gute Nachricht für die Arbeitslosen, denn
vor allem die Abgabenlast macht deutsche Jobs oft zu
teuer.
Mit dem Hinweis auf die "Abgabenlast"
schreibt er etwas Richtiges, aber nur um die viel zu
hohen Sozialabgaben für die Klein- und Normalverdiener
mit den viel zu niedrigen Steuern für ihn und die
übrigen Meinungsmacher in einen Topf zu werfen und
dadurch den Leser zu verwirren.
Auch seine übrigen Aussagen folgen diesem
typischen Verwirrspiel. Dabei darf ein Hieb des
ehemaligen Arbeitgeber-Vertreters gegen die
Arbeitnehmerorganisationen nicht fehlen:
Auch
die Gewerkschaften und Arbeitgeber sollten begreifen,
dass es den Beschäftigten nichts nützt, wenn die Löhne
brutto steigen, netto aber nicht mehr dabei herauskommt.
Die Verwirrung über den fundamentalen
Unterschied zwischen Sozialabgaben und Steuern wird von
Henkel und seinesgleichen in allen Talkshows
durchgehalten.
Dass Glos als Stichwortgeber für eine
geplante BILD-Kampagne fungiert, zeigt sich schon an dem
BILD-Bericht zum Interview (sh "Nach
dem Versprechen von Wirtschaftsminister Glos",
bild.de,
11.4.2007). Diese Zumutung an den Leser beginnt wie
folgt:
Nach dem Versprechen von
Wirtschaftsminister Glos
Ab wann werden die Steuern
nun wirklich gesenkt?
Es war die
süßeste Nachricht zu Ostern, für viele köstlicher als
jedes Schokoladen-Ei.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (62, CSU)
verspricht Steuersenkungen!
Erst vor wenigen
Monaten trat die größte Steuererhöhung aller Zeiten in
Kraft – und jetzt das!
In BILD am SONNTAG
sagte Glos: "Als Erstes senken wir die
Unternehmenssteuern, um mehr Jobs zu schaffen.
Niedrigere Steuern im Bereich Lohn und Einkommen sind
der nächste Schritt."
Die Unterstützung von Großverdiener Karl
Heinz Däke, Präsidenten der Groß-Lobbyisten vom Bund der
Steuerzahler, ist ihm natürlich sicher. Den
geplanten Kampagnen-Charakter mit Einvernahme möglichst
vieler Ministerpräsidenten kündigt BILD am Ende des
Artikels an:
Alles nur Ankündigungen? BILD nimmt den
Wirtschaftsminister und seine Unterstützer beim Wort.
MORGEN in BILD: Was denken die
Ministerpräsidenten über Steuersenkungen?
Die BILD-Kampagne
findet bei etlichen anderen neoliberalen
Meinungsmachern schon ein positives bis begeistertes
Echo. CDU-Politiker verfolgen nach wie vor die Senkung
ihres Spitzensteuersatzes, verweisen jedoch
vorerst auf den Koalitionsvertrag bis zum Jahre 2009. Die SPD
schließt nach ihrer Steuersenkungs-Orgie zugunsten von
Bestverdienern und Unternehmen noch weitergehende
Steuergeschenke aus, vor allem mit Hinweis auf die hohe
Staatsverschuldung, von der sonst gerade die
Neoliberalen reden. Sie schweigt aber über den
eigentlichen Skandal der Arbeitsplatzvernichtung durch
Umverteilung nach oben, den sie wesentlich
mitverschuldet hat.
Typisch ist auch die Unterstützung von Glos und BILD bei
der Umverteilung nach oben durch den "Wirtschaftsweisen"
Wolfgang Wiegard
("SPD"), der unter dem Kanzler der Bosse schnell zum
Vorsitzenden des Sachverständigenrates (SVR) wurde und
jahrelang dessen neoliberale Politik entscheidend
mitbestimmte, bis er nach Auseinandersetzungen mit dem
neu hinzugekommenen SVR-Mitglied Peter Bofinger den
Vorsitz an Bert Rürup ("SPD") abgegeben hat.
Wiegard: "Ich habe den Vorschlag von Herrn Glos
eigentlich von Anfang an begrüßt
(sh.
DLF-Interview vom 19.4.2007). Während Wiegard
zur Umverteilung nach oben auch einen Spitzensteuersatz
von 25 Prozent "begrüßen" würde (sh.
rossaepfel-theorie.de),
ist der ebenfalls gern interviewte Thomas Straubhaar
wenigstens in diesem Punkte mehr Ökonom als Lobbyist für
sich und die übrigen "Bestverdiener". Angesichts der
zusätzlichen Milliarden aus konjunkturbedingten
Mehreinnahmen und Minderausgaben empfiehlt er die
vollständige oder teilweise Rücknahme der
Mehrwertsteuererhöhung, zumindest aus den Mehreinnahmen
(vgl. sein
DLF-Interview vom
10.5.2007).
Mit Rückendeckung
durch Schröders ehemaligen obersten "Wirtschaftsweisen"
bleibt
Wirtschaftsminister Glos auf Kurs.
Unterstützung für seine weiteren Steuergeschenke erhielt
er auch vom "christlichen" Fraktionsvize Michael Meister
und natürlich von der FDP (sh. "Glos erbost die SPD",
handelsblatt.com,
10.4.07). Mitte April 2007 setzte der bisher
eher unauffällige Glos im Gefolge von Michael Meister
(CDU) noch eins drauf mit seiner Forderung nach völliger Abschaffung der
Erbschaftsteuer für seine
Amigos (sh. "Glos
plädiert für Abschaffung der Erbschaftsteuer",
spiegel.de,
16.4.2007). Damit profilierte sich dieser
"Christlich-Soziale" endgültig als ein neuer Vorreiter
für die asoziale Umverteilung nach oben.
Noch-CSU-Chef Stoiber musste jedoch einsehen, dass die
Ersetzung der Erbschaftsteuer durch weitere Umverteilung
nach oben mit der SPD nicht zu machen ist, wenn sie
nicht noch den letzten Rückhalt bei ihrer Basis und der
Wähler verlieren will. Dazu heißt es im SPIEGEL vom
17.7.2007 unter der Überschrift "Die
Erbschaftsteuer bleibt":
Stoiber betonte, Steuerausfälle von 4,2 Milliarden Euro
wären für die Länder durch eine Abschaffung der Steuer
nicht zu schultern. Die Erbschaftsteuer steht allein den
Ländern zu.
Die
Erbschaftsteuer gehört mit der Grundsteuer und
Vermögensteuer zu den Substanzsteuern. Im
Vergleich zu den relativ hohen Substanzsteuer-Quoten in
den viel gepriesenen Wirtschaftssystemen der USA und
Großbritanniens sind diese Steuern in Deutschland
tatsächlich Bagatellsteuern. Aber das spricht nicht
für ihre Abschaffung, sondern für ihre deutliche
Erhöhung. Im Jahre 2003 lag der Anteil der
Substanzsteuern am Bruttoinlandsprodukt in den USA bei
3,1%, in Großbritannien bei 4,2%, in Deutschland
jedoch nur bei 0,8%! (sh. OECD: Revenue Statistics
1965 - 2004, 2005 Edition, S. 78, Table 2: "Taxes
on property (4000) as percentage of GDP").
Für das Jahr 2004 sind das in Deutschland geschätzte
18,9 Mrd. Euro. Davon entfallen 4,3 Mrd. Euro auf die
Erbschaft- und Schenkungssteuer, 4,6 Mrd. Euro auf die
Kapitalverkehrssteuer und 9,9 Mrd. Euro auf die
Grundsteuer (sh. ebd., S. 98, Table 38: "Estimates of
tax revenues"). Mit der Substanzsteuerquote von
Großbritannien hätte Deutschland das Fünffache seiner
Substanzsteuer-Einnahmen, also Mehreinnahmen von fast 80
Milliarden Euro, mit denen sowohl die Mehrwertsteuer als
auch die Sozialabgaben gesenkt werden könnten.
In
den USA lag die Maximalbesteuerung von Erbschaften noch
bis zum Jahre 2000 bei 55 Prozent plus Steuern von
Bundesstaaten - bei jahrzehntelanger guter
Beschäftigungssituation. Sie wurde erst ausgehöhlt durch
den propagierten "mitfühlenden
Konservatismus" von George W Bush im Rahmen seiner
"Dankeschön-Politik" für die großen
Wahlkampf-Finanzierer. Dies geschah über allmählich
steigende Freibeträge und sinkende Steuersätze bis zum
Jahr 2010 (sh.
Wikipedia:
Estate Tax)
und Patrick Martin: "US House votes to eliminate
inheritance tax",
wsws.org,
13.6.2000).
Aber ab 2010 gelten wieder die ursprünglichen Tarife,
wenn die neokonservativen Republikaner solche Regelungen
mit Hilfe der übrigen neoliberalen Volksbetrüger nicht
verlängern können.
Gemessen am Gesamt-Steueraufkommen ist die
Erbschaftsteuer in den USA und Großbritannien trotz
solcher Sätze von untergeordnete Bedeutung im Vergleich
zur Grundsteuer. In Deutschland läuft dagegen
eine Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen der viel
zu niedrigen Bewertung von Grundstücken für die
Grundsteuer. Das Gericht wird voraussichtlich die
völlig unrealistischen Bewertungsgrundsätze verwerfen,
aber durchaus Freibeträge für das Einfamilienhaus (wie
bei der Erbschaftsteuer) zulassen, so dass sich für den
kleinen Häusle-Besitzer keine Mehrbelastung ergeben
muss.
Dass auch Finanzminister Steinbrück
(SPD ) und weitere SPD-Politiker für die
Abschaffung der Erbschaftsteuer
bei ungeschmälerter Betriebsfortführung eintreten,
spricht lediglich gegen diese neoliberalen
Politiker, denn sie wissen sehr wohl, dass den meisten
Arbeitsplatzbeschaffern mit (teilweiser)
Steuerfinanzierung ihrer Sozialversicherungsbeiträge
sehr viel mehr geholfen wäre. Die Verfechter der
Umverteilung nach oben wissen ebenfalls, dass diese
Steuerfinanzierung sehr
wohl bezahlbar wäre durch den Verzicht auf die
Steuergeschenke für sie selbst und die übrigen
"Bestverdiener".
Auch die Süddeutsche Zeitung mit ihren teilweise
neoliberalen Beiträgen hat Kommentatoren, die dieses
Defizit bei den Substanzsteuern begreifen. So schreibt Paul Katzenberger:
Bagatellsteuer erhitzt die Gemüter
Zwischen Union und SPD bricht neuer Streit los - dieses
Mal über die Senkung der Erbschaftsteuer. Dabei ist die
ohnehin nur eine Bagatellsteuer. Unter bestimmten
Voraussetzungen sollte sie sogar erhöht werden…
Beispiele USA und Großbritannien
In der Entlastung
des Faktors Arbeit wären solche Beträge gut angelegt, wie
nicht zuletzt so marktwirtschaftlich verfasste
Volkswirtschaften wie die USA und Großbritannien belegen.
Deren Arbeitslosenquoten sind bekanntermaßen niedrig. Ihre
Erbschaftsteuern hingegen vergleichsweise hoch.
(Sh.
"Bagatellsteuer erhitzt die Gemüter",
sueddeutsche.de,
6.6.2007.)
Derweil
wiederholt Glos immer wieder im "wohlmeinenden" Brustton des profitablen
Selbstbetrugs seine eingängige
Irreführungs-Parole: "Wir müssen dafür sorgen, dass das Geld
in den Taschen der Bürger bleibt, die es verdienen" (sh.
oben).
Statt
dessen will er immer mehr vom Volkseinkommen für diejenigen,
die es durch Kapital abschöpfen wie auch für ihre Erben (sh.
Exkurs "Peter
Krämer"), für die
neoliberalen Volksbetrüger und sich selbst.
Anmerkung vom 12.9.2007:
Die große
neoliberale Koalition aus CDU/CSU und SPD hat die Probleme
der Gewinnverschiebung für ihre
Unternehmenssteuerreform 2008 teilweise thematisiert,
aber in ihrem Gesetz vom 14.8.2007
(BGBl. I
S. 1912)
nur faule Kompromisse gefunden. Immerhin hat sie erste
zaghafte Schritte in die Richtung unternommen, die auch von
Lorenz Jarass gezeigt wurde. Zu den weiteren Einzelheiten
sh. Lorenz Jarass: Unternehmenssteuerreform 2008 sowie seine
frei verfügbaren Artikel dazu unter
www.jarass.com.
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