Stand  14. Juni 2007,

zuletzt ergänzt am 21.4.2009.


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1) Exkurs:  Linksbündnis

2) Exkurs:  Quotengeplänkel, Satzungsdebatten und

Minorisierungs-Ängste der Bündnispartner

 

3) Exkurs:  Kein Links-Debakel durch Migrationspolitik

nach dänischem Negativ-Beispiel
 

4) Exkurs: "Fremdarbeiter"-Kampagne gegen Lafontaine

und weitere Diffamierungen


5) Exkurs: Freie Entfaltung für jugendliche Gewaltverbrecher


6) Exkurs:  Verleumdungs-Kampagne gegen Diether Dehm


7) Nachtrag vom 14.10.2007 zum vierten Exkurs

7b) Nachtrag vom 17.9.2008 zum vierten Exkurs:
Helmut Schmidts Verharmlosung des NS-Regimes


8)
Nachtrag vom 15.2.2008: Linksbündnis mit DKP?


9) Soll DIE LINKE Passagen aus dem Kommunistischen Manifest in ihr Parteiprogramm übernehmen?

10) Rufmord-Kampagnen gegen Gregor Gysi





1) Exkurs:  Linksbündnis


 

Mit der Bezeichnung "Linksbündnis" ist hier weiterhin DIE LINKE gemeint, da dieser Text schon mehrere Jahre vor ihrer Entstehung zum großen Teil fertiggestellt war und ein echtes Bündnis zwischen ihr und der  ehemals sozialdemokratischen SPD noch in weiter Ferne steht. Vorläufig scheitert auch eine rein realpolitische "Linkskoalition" an der Abkehr der SPD von der Sozialdemokratie.
 


Auf der Hauptseite rossaepfel-theorie.de wurde die Überschrift wie folgt präzisiert:
 

Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben!
 

Aus Sicht des Linksbündnisses (DIE LINKE) könnte man sie als Frage formulieren nach dem "Stoiber-Brecht-Zitat" (siehe weiter unten):
 

Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber?
 

Diese Frage müsste man eigentlich mit NEIN beantworten, obwohl über 90% der Stimmen an die Verantwortlichen für die Umverteilung nach oben (= Neoliberalen) gingen, also an CDU, FDP, SPD und Grüne. Aber selbst wenn von diesen 90 % noch 5 Prozentpunkte auf bestverdienende Wähler entfallen, die ganz simpel die Senkung ihres persönlichen Spitzensteuersatzes betreiben wollten durch Stimmabgabe für FDP und CDU, so bleiben noch 85% übrig. So viele  können doch nicht die "Allerdümmsten" sein!?

Andererseits haben diese 85% als Normalverdiener oder Einkommensschwache nur Nachteile durch ihre Stimme für die Umverteilung nach oben!? Viele Besserverdiener sehen offenbar nicht, dass ihre Steuervorteile gleich durch Kürzungen allenthalben wieder aufgezehrt und so an die "Bestverdiener" weitergereicht werden, so dass sie Konjunktur und Arbeitsmarkt abwürgen (sh. rossaepfel-theorie.de).

Die Antwort ist nicht leicht zu finden und erfordert - ergänzend zum Hauptthema - ein weiteres Puzzle der Wählermotivationen. Nach dessen Annäherung sollte sich jeder die Frage zunächst selbst beantworten. Zu diesen Motivationen gehören die Stimmalternativen der Wähler. Die neoliberalen Alternativen werden hier in der Rossäpfel-Theorie erläutert. Die Alternativen des Linksbündnisses findet man unter anderem in den Programmen der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WAsG) als "Grundpositionen" unter w-asg.de und als gemeinsames Programm des Linksbündnisses für die vorgezogene Bundestagswahl am 18.9.05 "Für eine neue soziale Idee. DIE LINKE". Man kann es herunterladen auf der Webseite der Linkspartei - ebenso wie das zugehörige Steuerkonzept "Einfach, sozial, gerecht - Unser Steuerkonzept". Außerdem findet man weitgehend angeglichene "Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland", Februar 2006, unter media.w-asg.de.

Zur Abwehr der neoliberalen "Epidemie" (sh. das Zitat von Norbert Blüm), also der globalen Umverteilung nach oben, interessiert vor allem die Verteilungspolitik, also insbesondere auch die Reaktion des Linksbündnisses auf die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53% auf 42% durch die Neoliberalen. Ebenso interessieren auch die Pläne der Neoliberalen für eine noch stärkere Umverteilung nach oben durch Kahlschlag in der Sozialpolitik. Dazu enthält das Wahlprogramm der Linkspartei bereits recht konkrete Aussagen, für die auch die WASG im Wahlkampf 2005 voll eintreten konnte.

Vor allem geht es um die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben und die alternative Finanzierung der gesetzlichen Sozialbeiträge von mehr als 40 Prozent der Bruttobezüge. Mit diesen Beiträgen sind lediglich die Löhne und Gehälter der Sozialversicherungspflichtigen belastet  - und zwar nur im unteren und mittleren Einkommensbereich.

Nach den arbeitsplatzschaffenden skandinavischen Modellen werden alle Sozialversicherungsbeiträge weitgehend über Steuern finanziert mit Spitzensteuersätzen bis knapp unter sechzig Prozent für die Einkommensspitzen. Dieses System ist vom Linksbündnis vorläufig nicht vorgesehen. Ähnliche, wenn auch etwas schwächere Lohnentlastungen lassen sich jedoch erzielen über eine unverfälschte Bürgerversicherung, zumal das Feld für eine Bürgerversicherung in verfälschter Form bereits durch die pinkgrünliche Koalition teilweise vorbereitet ist . Daher lässt sich vorläufig diese etwas schwächere Alternative auch politisch leichter vermitteln. Sie bietet aber stets die Angriffsfläche zur Beibehaltung einer Beitragsbemessungsgrenze.

Der Grund für die Bevorzugung dieser Alternative beim Linksbündnis dürfte jedoch eher sein, dass es auch dort starke Kräfte gibt, die skandinavische Spitzensteuersätze nicht einmal als Fernziel anvisieren mögen und die bei 50% oder 47% die Obergrenze sehen - auch im Gegensatz zu Oskar Lafontaine (sh. Lafontaine-Zitat hier unter "Politik für alle"). Diese progressive Halbherzigkeit mag im Hinblick auf ihren Wahlerfolg vielleicht sogar besser sein wegen der Wählermanipulation durch die bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher. Sie lässt sich außerdem ganz gut kompensieren durch die Hinzunahme einer echten Bürgerversicherung. Mit den 47% und den damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten würde es allerdings bei linearer Steuerprogression schon schwieriger, die Unterschiede zwischen Linksbündnis und den Rotgesprenkelten zu erkennen. Allein über Substanzsteuern für größere Vermögen (Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Grundsteuer) wird man die neoliberale Wende nicht rückgängig machen können. Mit der Argumentation für kreditfinanzierten Konjunkturprogramme wird man ebenfalls einen schweren Stand haben und auch keinen längerfristigen Erfolg begründen können.

Eine hohe Vermögensteuer auf große Vermögen scheint zwar einerseits geboten, auch um die skandalöse Ungleichverteilung des Volkseinkommens zu korrigieren, die durch die erfolgten und weiterhin anvisierten Steuersenkungen für "Bestverdiener" noch verschärft wird (sh. hier die Angaben zur Vermögensverteilung), denn diese Spreizung bei der Vermögensverteilung bewirkt  schon von sich aus eine zusätzliche Spreizung bei der Verteilung des (unverdienten) Primäreinkommens und wirkt damit - ähnlich wie in den Entwicklungsländern - negativ auf Nachfrage und  Arbeitsmarkt. Viele Einwendungen gegen die Vermögensteuer sind nur im Sinne der Umverteilung nach oben rein ideologisch begründet (sh. Rudolf Hickel: "Nachhaltige Finanzpolitik mit der Vermögensteuer", iaw.uni-bremen.de, 01/2003). Andererseits sollte man aber gerade bei der Vermögensteuer - im Gegensatz zu anderen Substanzsteuern - die Einwände berücksichtigen, die gegen einen zu hohen Ansatz dieser Steuer vorgebracht werden und die vorläufig eher für  die übrigen Substanzsteuern  sprechen, z.B. für eine drastische Erhöhung der Erbschaftsteuer auf große Vermögen nach dem früheren Vorbild der USA mit Erleichterungen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen bei langfristiger Fortführung von personalintensiven Familienunternehmen. Die Einwände sprechen aber vor allem für die Rückkehr zu den Ertragsteuersätzen der Wirtschaftswunderjahre und für die Spitzensteuersätze nach skandinavischen Vorbild. Diese Gegenargumente findet man z.B. in den Quellenangaben der grünen Meinungsmacher, die selbst auf die Vermögensteuer setzen oder setzten, um ihre Senkung des Spitzensteuersatzes für sich selbst und die übrigen "Bestverdiener" zu finanzieren.

Trotz allem ist ihre Beauftragung des DIW anzuerkennen. Es handelt sich um die seriöse Studie von Stefan Bach et al. "Modelle für die Vermögensbesteuerung von natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften...", DIW, 27.8.04, unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/steuern_finanzen/dokbin/41/41589.pdf, oder in Kurzform unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/steuern_finanzen/dokbin/41/41590.pdf, sowie um die ebenfalls nicht unbeachtliche "Stellungnahme der Deutschen Steuer-Gewerkschaft zur einer Wiederbelebung der Vermögensteuer", Berlin, 24.8.04.

Die echte Bürgerversicherung bedeutet eine Einbeziehung aller Einkunftsarten in die Beitragsbemessungsgrundlagen. Sie erfordert insbesondere eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und Pflegeversicherung, aber auch schrittweise in der Rentenversicherung, für die zugleich Leistungshöchstgrenzen einzuführen wären. Mit diesem System ließe sich die ständige neoliberale Forderung nach Senkung der "Lohnzusatzkosten" erfüllen und der schwache Konsum drastisch stärken, weil die Kosten des Sozialstaates nicht mehr fast ausschließlich von den Löhnen im unteren und mittleren Bereich zu tragen wären. Zu dieser unausweichlichen Systemumstellung tendiert das Programm des Linksbündnisses (sh. unten). Seine zeitliche Streckung bietet die Möglichkeit der Erfolgskontrolle und Anpassung, bevor zum nächsten Schritt übergegangen wird. 

Statt dessen plante die pinkschwarze Koalition eine halbherzige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze zur Schonung der Politiker und sonstigen Bestverdiener (sh. "Besserverdiener sollen mehr zahlen" (sh. handelsblatt.de,  26.10.05).

Wegen der Abschaffung der Solidaritätsbeschränkung für "Bestverdiener" (Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze) wird eine unverfälschte Bürgerversicherung auch interessant für eine Koordination im Linksbündnis mit den Thesen zur Strategie der PDS vom 22.6.2004, die eine "deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen - bis zu ihrer allmählichen Aufhebung" fordern. Das Wahlmanifest der WASG vom 3.7.05 lässt sich damit gut vereinbaren.

Der "Aufruf aus der PDS zur neuen Linkspartei in Deutschland - Abschied und Wiederkehr" vom 6.7.06 steht dazu ebenso wenig im Widerspruch, auch wenn DER SPIEGEL in seinem Artikel "Realpolitiker kritisieren Lafontaine" vom 5.7.06 einen anderen Eindruck suggeriert. Zur Stützung dieses Eindrucks bietet DER SPIEGEL in dem Artikel lediglich einige inoffizielle vage Kommentierungen aus Kreisen der eigenwilligen Berliner PDS, der wegen ihrer Koalition mit der Berliner SPD von dortigen WASG-Mitgliedern neoliberale Politik vorgeworfen wird. Daraus lässt sich aber beim schlechtesten Willen kein Zwist im Linksbündnis auf Bundesebene mit Lafontaine herleiten. Vielmehr bezieht sich das Lob in dem "Aufruf aus der PDS" ausdrücklich auch auf Oskar Lafontaine mit den Worten:
 

Der Wahlerfolg 2005 ist darüber hinaus selbstverständlich Ergebnis des Engagements der beiden Spitzenkandidaten Gregor Gysi und Oskar Lafontaine für eine neue soziale Idee.
 

Wenn  unter der Hand "einige von Lafontaines Forderungen" als "Modelle der siebziger Jahre der westdeutschen Linken" kritisiert werden, dann könnte sich das auf schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme beziehen, die von den Unterzeichnern des PDS-Aufrufs anscheinend abgelehnt werden.

Auch die JUNGE WELT  sieht in dem Papier nach den Ausschlachtungsversuchen anderer Medien eine gewisse Kritik an Lafontaine (sh. "Schwül im Gewühl", jungewelt.de, 6.7.06) und erkennt die gleichen feinen Unterschiede, wie sie oben bereits ausgeführt wurden:
 

Oskar Lafontaine konzedierte, die vorliegenden Fassung hätte auch er selbst unterzeichnen können. Tatsächlich bestehen die drei Seiten vor allem aus wolkigen Formulierungen, an einer Stelle wird der Saarländer sogar positiv erwähnt. Auffällig ist lediglich, daß konkrete ökonomische Forderungen völlig fehlen, andererseits eine »Rückführung überhöhter Verschuldung« explizit als »Aufgabe der Linken« angemahnt wird. Das ist indirekt Rückendeckung für Kürzungspolitik und Absage an Beschäftigungsprogramme, die ohne Neuverschuldung selten auskommen – also doch gegen Lafontaine gerichtet.
 

Aber in einer demokratischen Partei müssen nicht alle Mitglieder völlig einer Meinung sein, zumal bei derart schwierigen Einschätzungen. Jedenfalls könnten solche Notprogramme nach Keynes zur kurzfristigen Überbrückung erforderlich werden, bevor sich ein Ende der fatalen Steuergeschenke für Bestverdiener positiv auf den Arbeitsmarkt auswirkt und bevor nicht auch die Großvermögen nach international üblichen Sätzen für die Erbschaft- und evt. auch Vermögensteuer in die Gemeinschaftspflichten des privatisierten Volksvermögens einbezogen werden.

Außerdem bemerkt Lafontaine mit Recht, dass die deutsche Staatsverschuldung mit ca. 69 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (sh. wko.at, 3.12.2006) nur wenig über dem Durchschnitt von 64 Prozent der westlichen EU-Staaten liegt - trotz der falsch finanzierten Kosten für die deutsche Einheit. In Talkshows beeindrucken die Neoliberalen ihre "baffen" Zuschauer gern mit der kaum vorstellbaren Zahl von 1.448 Milliarden Euro an staatlicher Gesamtverschuldung (in 2005, lt. Statistischem Jahrbuch 2006, Kapitel 23) und begründen damit die Mehrbelastungen der Einkommensschwachen, um von dem viel naheliegenderen Gedanken an den Verzicht auf ihre laufenden Steuergeschenke abzulenken. So auch Dieter Bohlen, der mit zunehmender Euroflut aus seinem Tingeltangel den Weg von der DKP über die Jusos zum Neoliberalismus gefunden hat (sh. "Menschen bei Maischberger", 28.11.06). Als gelernter Betriebswirt konnte oder wollte er die Nachhilfe von Oskar Lafontaine nicht verstehen, dass das private Netto-Geldvermögen in Deutschland von
2.691 Milliarden Euro auch irgendwie zinsbringend anzulegen ist (sh. ebd. und  DEUTSCHE BUNDSBANK Monatbericht Juni 2006, S. 27, Tabelle "Geldvermögen und Verbindlichkeiten der deutschen Haushalte" sowie zu den 4,8 Billionen Euro Sachvermögen ebd., S. 29, sowie hier Unternehmenssteuerreform.htm).

Bohlens Denksperre lag offenbar in seiner Befürchtung, dass Teile des Vermögens oder der Steuergeschenke aus seinem "Superstar"-Rummel auf irgend eine Weise an die Opfer der Umverteilung nach oben zurückgegeben werden sollten. Lafontaine musste mehrfach wiederholen, dass es hier nur darum ging, das viele Geld nicht unter den Stuhl zu packen. - Tatsächlich wurde die alternative Kreditvergabe der Banken an  private Unternehmen aufgrund staatlicher Regulierungen in den letzten Jahren erheblich erschwert (sh. die "Heuschrecken"-Förderung Basel II). Auch die weltweite Nachfrage nach Krediten aus den obigen 2.691 Milliarden Euro hält sich in Grenzen,  was man an den niedrigen langfristigen Zinsen sehen kann.


Oskar Lafontaine hat immer wieder auf das erfolgreiche skandinavische Modell verwiesen, mit dem auch ein übermäßiges Anwachsen der Staatschulden vermieden werden kann. Vor allem wird dabei deutlich, warum bei erhöhter Steuerbelastung das Nettoeinkommen für Klein- und Normalverdiener durch verminderte Beitragsbelastung dennoch zunehmen kann und soll - sogar ohne die erforderlichen Lohnerhöhungen. Hier gilt insbesondere das Argument der Finanzwissenschaftler um Bernd Raffelhüschen (Discussion Papers 115/04),  dass über den Steuertarif - im Gegensatz zum beliebig ausdeutbaren Begriff der "Bürgerversicherung" - ein progressiver Sozialausgleich erfolgt.

Allerdings wird das Argument von diesem  bestbezahlten Finanzwissenschaftler blauäugig oder vorbeugend verwendet zur Einführung einer Kopfprämie in der Krankenversicherung und zur Umlenkung der
Sozialbeiträge zugunsten seiner Finanziers in der privaten Versicherungswirtschaft (Sh. "Raffelhüschen versucht erstmals, seine Interessenverflechtungen zu verteidigen", nachdenkseiten.de, 9.5.2006. Dort bekommt man auch eine Ahnung, welche fatale Rolle die Drittmittelfinanzierung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für die Politikberatung spielt.) Vor allem soll die Steuersenkung für "Bestverdiener" erhalten bleiben, indem man viele Normal- und Geringverdiener auf Sozialhilfeniveau drückt. Dagegen wird hier das Kopfgeld wegen der vorhersehbaren rabiaten Kürzungen der Einzelzuschüsse (wie beim CDU-SPD-Kompromiss zu Hartz IV) entschieden abgelehnt. Zur Zeit ist der Anteil der Sozialbeiträge mit zunehmendem Gehalt des Bestverdieners sprunghaft regressiv: Je größer sein Anteil am Volkseinkommen, um so geringer seine persönliche Beitragsquote. Für Löhne und Gehälter im sozialversicherungspflichtigen Bereich ist praktische immer die volle Last zu tragen und für andere Einkünfte (mit wenigen Ausnahmen) gar nichts.

Auch im Gesundheitswesen als Teil der Lobbyisten-Landschaft zeigt sich, dass es in Wahlprogrammen nicht nur um Steuer- und Abgabensätze geht, sondern auch um Beseitigung von anderen gesetzliche Regelungen zur Umverteilung nach oben. Damit würde selbst bei Rückkehr zu den höheren Steuersätzen und niedrigeren Abgabensätzen der "Wirtschaftswunder"-Jahre noch eine erhebliche Finanzierungslücke offen bleiben, wenn man den neoliberalen Spuk nicht beendet.

Zu den Plünderungsmöglichkeiten der Best-"Verdiener" im Gesundheitssystem sh. den Exkurs hier unter Gesundheitsreform.htm.

Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen dürften das Parteiprogramm der Linkspartei  und das Gründungsprogramm der WASG (sh. unten) dem Neoliberalismus des politischen Establishments weit überlegen sein,  da sie dessen Umverteilung nach oben schrittweise korrigieren. Auch die "Wertschöpfungsabgabe" nach dem Konzept des Linksbündnisses zur Neutralisierung der fingierten Gewinnverlagerung ins Ausland usw. (sh. Abschnitt 1) soll die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung mindern, weil andernfalls nur die Lohnsumme statt der betrieblichen Leistung mit solchen "Zusatzkosten" belastet ist und dies die Tendenz zum Ersatz von Personal durch Kapital verstärkt.

In einem gemeinsamen Interview vom 29.6.05 mit dem STERN haben Lafontaine und Gysi wichtige Punkte ihrer Programmvorstellungen für die Linkspartei und das Linksbündnis näher erläutert:
 

"Wir brauchen nur die Gewinne, die hohen Einkommen und die Vermögen so zu besteuern wie unsere Nachbarn", sagte der frühere SPD-Chef und Bundesfinanzminister. Gäbe es in Deutschland eine Vermögensteuer wie in den USA, würde der Staat rund 50 Milliarden Euro mehr einnehmen. "Hätten wir nicht die Körperschaftsteuer gesenkt, ergänzt um den Abzug früherer Verluste, hätten wir in der Summe 70 oder 80 Milliarden Euro mehr." Investierende Betriebe müssten belohnt werden, "Finanzspekulanten ordentlich Steuern zahlen".

Gysi forderte zur Entlastung kleiner und mittlerer Betrieben von Lohnnebenkosten eine Wertschöpfungsabgabe und einen auf sieben von 16 Prozent verminderten Mehrwertsteuersatz auf Handwerkerrechnungen,
 

zitiert nach Handelsblatt, 29.6.05, vollständiges Interview im STERN 27, 2005, S. 38 bis 45.

 

Die Vermögensteuer wird von den Neoliberalen grundsätzlich abgelehnt, meist mit dem Irreführungs-Argumenten, dass sie verfassungswidrig sei, dass sie kaum etwas bringe und daher ihr Aufkommen durch den Verwaltungsaufwand weitgehend aufgezehrt würde. Man täuscht den Wähler systematisch darüber hinweg, dass nur die viel zu niedrige Bewertung des Grundvermögens verfassungswidrig war und dass das Aufkommen nur dann viel zu gering ist, wenn man auf den weiteren Steuergeschenke für seine Millionärs-Kundschaft beharrt und bei den Dumping-Steuersätzen bleibt. Genau das unterstützen auch die Pseudo-Sozialdemokraten, da sie in ihrem Wahlprogramm für 2009 nun doch auf eine Forderung nach der Vermögensteuer verzichten. Sie wollen nämlich lieber mit den Best-"Verdiener"-Lobbyisten von der FDP als mit der Linken koalieren. Gegen die alte Schröder-Garde um den Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier helfen auch die Argumente ihres finanzpolitischer Sprechers Joachim Poß nicht weiter. Dazu heißt es im SPIEGEL vom 17.4.2009 unter der Überschrift "STREIT UM VERMÖGENSTEUER – SPD-Finanzexperten drängen Steinmeier zur Linkswende":

 

Einwände, die Erhebung der Steuer sei zu aufwendig, weist Poß als "Propaganda" zurück. So habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG für das Bundesfinanzministerium errechnet, dass die Erhebungskosten bei weniger als zwei Prozent liegen würden
 

Eine Vermögensteuer, glaubt der Finanzexperte, würde selbst bei großzügigen Freibeträgen rund zehn Milliarden Euro in die Kassen spülen. Da das Geld den Bundesländern zustünde und diese auch über die Bildungshoheit verfügen, ließen sich die Einnahmen leicht an Investitionen in Lehre und Schulen koppeln.

 

Der Verrat an der Sozialdemokratie geht also weiter. Bei einer Koalition mit der Linken könnte der Schröder-Clan auch seine sozialdemokratische Maskierung innerhalb der SPD nicht aufrecht erhalten.
 

Es gilt aber leider auch weiterhin Schröders Satz: "Zum Regieren brauche ich nur BILD, BamS und Glotze". Eine Politik gegen die Umverteilung nach oben wird sofort von Umverteilungsprofiteuren in den Chefredaktionen und ihrem Medienkapital diffamiert - im Namen der "Pressefreiheit". Diese wird ständig ad absurdum geführt durch BILD, WELT, die gesamte Springer-Presse, aber auch durch "seriöse" Blätter wie die FAZ und durch fast alle anderen tonangebenden Meinungsmacher bis hin zu den Neoliberalen in den Staatssendern. Das Ganze wird noch verstärkt durch "wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute", die von den Umverteilungsprofiteuren finanziert und von neoliberalen Profiteuren geleitet werden. Da wundert es nicht, wenn die Politik unter dem Einfluss solcher Medien zum Opportunismus verkommt, wenn gerade die Opportunisten die Oberhand gewinnen und Steinmeier in der Schröder-Spur bleibt:

 

Er soll laut "Süddeutscher Zeitung" während der Sitzung der Parteiführung gesagt haben: "Ich will nicht als Kandidat der Steuererhöhungen laufen."

 

(Sh. "STREIT UM VERMÖGENSTEUER – SPD-Finanzexperten drängen Steinmeier zur Linkswende", a.a.O.)



Da die WASG und PDS noch einen gemeinsamen Namen für den Wahlkampf vereinbaren mussten und Lafontaine wie auch die übrigen  WASG-Kandidaten wegen des kurzfristigen Wahltermins und aus juristischen Gründen nur auf PDS-Listen unter diesem neuen Namen kandidieren konnten, stellte sich die Interviewer-Frage nach den Programminhalten. Dazu
 

Lafontaine: Wir brauchen kein Gespräch über Inhalte. Denn wir wissen seit vielen Jahren genau, für welche Positionen wir stehen. Ich gehöre zu denen, die das PDS-Programm aufmerksam gelesen haben.
Können Sie es so unterschreiben?
Lafontaine:
Ja.
Sie halten es für sozialdemokratisch?
Lafontaine:
Ja. Das Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus steht auch im Grundsatzprogramm der SPD.
Sie brauchen also vor der Wahl keine Programmgespräche mehr zu führen?
Lafontaine:
Wir müssen uns nur noch auf Schwerpunkte verständigen.
 

Man sieht also, dass Abweichungen zwischen dem Programm der Linkspartei, dem vorläufigen Gründungsprogramm der WASG und anderen WASG-Programmentwürfen wie auch den Programmvorstellungen von Lafontaine und Gysi keine nennenswerten Probleme bieten, weil all diese Programmentwürfe in die gleiche Richtung zielen, nämlich Stopp für die Arbeitsplatzvernichtung als Folge der Umverteilung nach oben; Schaffung neuer Arbeitsplätze insbesondere durch finanzpolitische Entlastung der Arbeit bei den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen und durch Rückführung des umverteilten Volkseinkommens, diesmal nach unten, zur Stärkung der abgewürgten Konsumnachfrage.

Richtig in den WASG-Programmen ist auch, dass die volkswirtschaftlichen Kosten der Umweltzerstörung und -gefährdung allein schon aus Lenkungsgründen von den Verursachern zu tragen sind, und zwar auch von den EU-Subventionsempfängern im Fall von Umwelt-Dumping.

Bei den stufenweise erhöhten Einkommensteuersätzen ist zu beachten, dass sie für Klein- und Normalverdiener im Laufe einer Legislaturperiode stufenweise, Zug um Zug und kontrollierbar mehr als ausgeglichen werden durch geringere Sozialbeiträge und durch Korrektur von unsinnigem Umverteilungs-Kahlschlag. 

Außerdem soll sich auch für Besserverdiener, Selbständige und Beamte nach Schließen aller "Schlupflöcher" und Steuersparmodelle insgesamt eine leichte Besserstellung bei der Lebenshaltung ergeben, sofern sie keine leistungsfähigeren "Bestverdiener" sind (sh. oben), unter anderem durch geringere Arbeitgeberanteile für die Unternehmer und weniger Kürzungen bei Pensionen, Kindergärten, Universitäten, aber vor allem durch Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Grundlagen. Damit kann man der vorhersehbaren Irreführung durch die Wahlpropaganda der Neoliberalen vorbeugen. Außerdem bedeutet ein Spitzensteuersatz von 60%  wie in Dänemark (59%) auch für den Bestverdiener eine Durchschnittsbelastung seines Einkommens von weniger als 50%, sofern es sich nicht um einen Einkommensmillionär handelt.

Wichtig ist auch, dass man z.B. bei einem Spitzensteuersatz von 47% + 12% Beitrag zur Bürgerversicherung für alle Einkommensarten (und alle gesetzlichen Versicherungszweige) ohne Beitragsbemessungsgrenze ebenfalls eine  Spitzenbelastung von 59% hätte. Die  unterscheidet sich im Ergebnis nicht sehr stark von der bisherigen Gesamtbelastung alleinstehender Besserverdiener mit z.B. 38% Spitzensteuersatz und 21% Arbeitnehmeranteilen, wenn man berücksichtigt, dass es für die Arbeitnehmeranteile bisher keine Grundfreibeträge gibt. Die Kleinverdiener zahlen dagegen stets mehr als 20% Arbeitnehmeranteile ab der ersten Mark, so dass der Durchschnitts-Abgabesatz für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte auch bei geringem Steuersatz oder bei Steuerfreiheit stets über 20% liegt. Schon der Grenz-Abgabensatz der Normalverdiener  steigt schnell auf 40% oder 50% an. (Der Arbeitgeber zahlt zusätzlich noch einmal mehr als 20% ab der ersten Mark.)

Eine Rückführung des Spitzensteuersatzes von 42% auf zunächst 47% mit deutlich mehr als ausgleichender Entlastung für Klein- und Normalverdiener könnte man als erste Kontrollstufe betrachten zur Belebung der Konsumnachfrage und folglich auch der Investitionen sowie des Arbeitsmarktes. Von diesem Schritt ist die Rede im WASG-Newsletter vom 13.5.05 und im WASG-Gründungsprogramm vom 22.1.05 (Version 31.5.05).

Je weiter sich der Spitzensteuersatz dem skandinavischen Vorbild nähert, um so geringer müssen die Beitragssätze für die Bürgerversicherung sein. Auf dem Wege dorthin könnte man auch über eine höhere Mehrwertsteuer für Luxusgüter nach skandinavischen Vorbild sprechen und über ermäßigte Mehrwertsteuer für Leistungen im konsumnahen Bereich nach dem Konzept des Linksbündnisses (sh. unten) - zur Eindämmung der Schwarzarbeit. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wäre auch eine Diskussion über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialleistungen um denselben Betrag konjunkturpolitisch vertretbar (nach dem abgewandelten Haavelmo-Theorem - sh. hier Abschnitt 1).

Die Finanzierung des linken Wahlprogramms dürfte schon deshalb besser gesichert sein als das pinkschwarze Wolkenkuckucksheim, weil die Umverteilung nach oben durch die Mehrwertsteuererhöhung einen heftigen Konjunktureinbruch ab 2007 erwarten lässt nach den vorgezogenen Anschaffungen in 2006. Gemäß dem linken Wahlprogramm will das Linksbündnis
den Spitzensteuersatz nur auf 50% anheben, aber einen Zuschlag für die gesetzliche Krankenversicherung auf andere Einkunftsarten erheben. Dazu berichtete die FAZ:
 

Die gesetzliche Krankenversicherung soll zur Pflichtversicherung für alle werden, "in der Beiträge auch auf Kapitalerträge, Mieten, Pachten und Zinsen unter Beachtung von angemessenen Freibeträgen erhoben werden" und in der "die Beitragsbemessungsgrenze zunächst auf 5.100 Euro angehoben und später aufgehoben wird".
 

Sh. "Linksbündnis - Von oben nach unten umverteilen", faz.net, 8./9.7.05, Nr. 156 / Seite 12. Dort findet sich auch die Finanzierungsübersicht zum vereinfachten solidarischen Steuerkonzept des Linksbündnisses, das veröffentlicht ist  unter dem Titel "Einfach, sozial, gerecht - Unser Steuerkonzept".  Während die Finanzierungspläne der übrigen Parteien für Kopfprämie, Arbeitsmarkt usw. längst ad absurdum geführt wurden, scheint das Konzept des Linksbündnisses recht plausibel.
Die finanzpolitische Kompetenz des Linksbündnisses liegt offenbar darin, dass durch seine Korrektur der asozialen Umverteilung nach oben zugleich auch die Mittel zur Senkung der "Lohnzusatzkosten" sowie zur Wiederbelebung des Konsums und des Arbeitsmarktes frei werden. Das würde - im Gegensatz zu den Programmen der übrigen Parteien - auch dann gelten, wenn nicht alle Zahlen realisierbar wären, denn zumindest stimmt hier die Richtung
und tatsächlich steht für diese Arbeitsmarktförderung weit mehr als die jährlich 60 Milliarden Euro zur Verfügung, die  zum großen Teil nach oben umverteilt wurden (sh. hier Haupttext).

Nach der obigen "Finanzierungsübersicht" ergeben sich Mehreinnahmen von jährlich etwa 60 Milliarden Euro. Dabei ist das Potential von weiteren 60 Milliarden noch gar nicht berücksichtigt, das noch ausgeschöpft werden kann durch angemessene personelle Verstärkung der finanzamtlichen Außenprüfungen gegen die Steuerhinterziehung in großem Stil. Auch wegen unsinniger Bestimmungen zum  Länderfinanzausgleich begnügt man sich in einzelnen Bundesländern bisher häufig mit Steuerprüfung auf Sparflamme, so dass sich große und mittlere Unternehmen bei der Standortwahl eher für das Bundesland mit den größten Hinterziehungs- oder Verkürzungsmöglichkeiten entscheiden.

Zu den dadurch verursachten Steuerausfällen bei Einkommensmillionären siehe auch den Artikel "Rechnungshof - Finanzämter verschonen Millionäre", stern.de, 14.11.06:
 

Wie aus dem Jahresbericht hervorgeht, prüft der Fiskus im Schnitt jährlich nur 15 Prozent der Einkunftsmillionäre. Dabei gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Eine konsequentere Prüfung sei "allemal lohnend", sagte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels. Er verwies darauf, dass jede Sonderprüfung Mehreinnahmen von durchschnittlich 135.000 Euro ergeben habe.
 

Auch die weit über 10 Milliarden Euro jährlich aus einer international nicht unüblichen spekulationshemmenden Börsenumsatzsteuer (Tobin-Steuer) sind in der Finanzierungsübersicht nicht aufgelistet, weil man offenbar nicht mit einer schnellen Realisierbarkeit rechnet. Bei den angesetzten 16,6 Milliarden Euro aus der "Verbreiterung der Bemessungsgrundlage" dürften längst noch nicht alle Steuersparmodelle berücksichtigt sein, mit denen sich Einkommensmillionäre auf Sozialhilfeniveau arm rechnen. Aber dieses Unwesen lässt sich ebenfalls nur schrittweise beseitigen.

Dennoch ließen sich mit solchen Maßnahmen mittelfristig noch einmal leicht 30 Milliarden Euro jährlich realisieren, so dass man schon bei 90 Milliarden wäre. Dabei ist der  "Selbstfinanzierungseffekt" noch gar nicht berücksichtigt, der von den Neoliberalen sonst immer bemüht wird und der sich hier effektiv ergibt durch die Nachfragestärkung, denn hier wird das Geld nicht - wie von den übrigen Parteien - nach oben umverteilt und dadurch weitgehend dem Kreislauf für die Nachfrage entzogen.

 

Am deutlichsten lassen sich die Finanzierungsreserven einschätzen, wenn man bedenkt, dass allein schon durch die Anhebung der deutschen Steuerquote auf das mittlere europäische Niveau von Großbritannien zusätzliche Staatseinnahmen von mindestens 160 Milliarden Euro jährlich zufließen würden (sh. hier rossaepfel-theorie.de). Dieses Geld könnte man zum großen Teil konjunkturfördernd zur Absenkung der Sozialversicherungsquote verwenden, so dass die deutsche Abgabenquote insgesamt nicht einmal steigen müsste.

Die bestbezahlten Söldner des Medienkapitals und der Proporz-Cliquen spüren, dass sie bei diesem Programm auf ihre üppigen jährlichen Steuergeschenke verzichten müssen, um die sie in ihren Kampagnen so hart gekämpft haben. So hieß es gegen Ende der BILD-Kampagne am 5.12.2003 noch in diesem Blatt:
 

"Steuern runter! Senden Sie Ihren Wut-Brief per eMail – Noch heute unterschreiben! Es brennt, es drückt, es eilt!"

 

(Sh .zu den BILD-Kampagnen auch den Abschnitt "Weitere Unersättlichkeiten (Glos-Vorstoß)" hier im Exkurs Unternehmenssteuerreform.htm.)


Zur Absicherung derartiger Umverteilungs-Kampagnen polemisiert BILD heftig gegen Oskar Lafontaine als härtestem Gegner solcher Wählertäuschung. Nach Aufkündigung seiner Möglichkeit, in BILD  als Kolumnist und kritischer Fremdkörper eine Leserschaft von über 10 Millionen anzusprechen, und nach den überraschenden Erfolgen des Linksbündnisses konnte die Rückkehr zur neoliberalen Stimmungsmache nicht ausbleiben. Schon am 19.7.05 schrieb BILD:
 

Gysi und Lafontaine machen unbezahlbare Wahlversprechen
Die fünf Lügen der Linkspartei
Lüge: bewußt falsche, auf Täuschung angelegte Aussage
(Definition laut Duden)

Wollen Oskar Lafontaine und Gregor Gysi die Wähler für dumm verkaufen?
Oder denken die beiden, sie könnten alles versprechen, weil sie es doch nie halten müssen?
BILD hat nachgerechnet: Die Wahlversprechen ihrer Linkspartei kosten unbezahlbare 90 Milliarden Euro! Und das bei leeren Kassen und einer Staatsverschuldung von heute schon 1,4 Billionen Euro!
 

Allerdings kann man diesen Meinungsmachern nicht nachweisen, dass es sich bei ihrer Stimmungsmache für die Umverteilung nach oben um Lügen im Sinne ihres Zitates handelt, also um eine "bewußt falsche, auf Täuschung angelegte Aussage", denn man muss ihnen auch einiges an Ignoranz zubilligen. Es fragt sich allerdings, ob sie ebenso ignorant sind, wenn es um ihr eigenes Portemonnaie geht. Auch mit ihrer willkürlichen Hochrechnung der veranschlagten und refinanzierten jährlichen 60 Milliarden Euro auf die obigen  90 Milliarden, würde also mittelfristig immer noch nicht der gedeckte Finanzierungsrahmen gesprengt. Das gilt sogar ohne Berücksichtigung der teilweisen Selbstfinanzierungseffekte (sh. oben), die hier mit Sicherheit eintreten, aber in Berechnungen für die Neoliberalen meist weit übertriebenen werden. Zu dieser Hochrechnung um 30 Milliarden sh. auch "Die 5 Halbwahrheiten der Bild-Zeitung", Die Linke.PDS, 20.7.05.

Als ob die Desinformation der etwa zehn Millionen wahlberechtigten BILD-Leser noch nicht reichte, hat der Axel-Springer-Verlag auch noch die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 gekauft (sh. "Deutschland braucht kein Springer TV", tagesschau.de, 5.8.05, sowie Interview mit Günter Wallraff: "Bei Wahlen macht 'Bild' immer Politik für die Rechten", taz.de, 21.11.05, und zur sinkenden Auflage von 3,83 Mio. verkauften Exemplaren in 2005: http://www.bildblog.de/auflage.html, Stand: 28.11.05). Mehr zu Meinungskauf/Pro7Sat1 sh. hier unter Pro7Sat1.htm. Einen Beleg für Wallraffs Aussage lieferte die Springerpresse wieder einmal bei der Bundestagswahl vom 18.9.2005 mit ihren Kampagnen gegen Lafontaine und die Linkspartei. (sh. unten). Die übrigen neoliberalen Medienmacher standen ihr aber kaum nach.

Es geht also keineswegs nur um die TV-Ausschlachtung von Springer-Kampagnen wie letztens gegen "Florida-Rolf" (sh. Die ZEIT, 29.2.04: 17 Schlagzeilen in fünf Monaten) oder das Voyerismus-Marketing gegen Sibel Kekilli nach dem alten Springer-Motto "Seid nett zueinander" (sh. Karl Pawek: "Fluch der Harmonie", 2003).

Auch die Wählertäuschung aufgrund von profitablem Selbstbetrug ist letztendlich betrügerisch. Wenn man keine Lügen mehr hören will, müsste man die neoliberalen Meinungsmacher völlig ignorieren und könnte meistens vier von fünf Christiansen-Gästen zu Beginn ihres Gleichschaltungs-Zirkus nach Hause schicken. Auch wenn einem solche Lügen zuwider sind, so zwingen sie nicht nur zur Stellungnahme, sondern liefern zumindest auch den Stoff zur Aktivierung gewisser Gehirnbereiche, um beim Gegenangriff auf die  Täuschungsmanöver möglichst punktgenau zu reagieren und die ständige Ablenkung der Neoliberalen von ihren selbstsüchtigen Umverteilungszielen zu verhindern.

Die Sozialabgaben fallen für den Klein- und Normalverdiener mit mehr als 20% Grenz- und Durchschnittsbelastung stärker ins Gewicht als seine Lohnsteuer. Außerdem belasten sie seinen Arbeitgeber noch einmal in gleicher Höhe und fördern so die Tendenz zur Produktionsverlagerung oder zum Ersatz seiner Arbeitsplätze durch Automatisierungskapital.

In dem Kontrastprogramm zu den neoliberalen Tricks der übrigen Parteien bei der Finanzierung von Sozialabgaben liegen ebenfalls erhebliche Möglichkeiten zur Ankurbelung von Konjunktur und Arbeitsmarkt. Mit der für später geplanten Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und dem Ersatz der Lohnzusatzkosten durch eine "Wertschöpfungsabgabe" nach "Leistungsfähigkeit" (sh. unten) nähert sich das Linksbündnis dem skandinavischen Modell schon recht gut an - bis auf die Tatsache, dass bei einer echten Steuerfinanzierung die hohen Einkommen einen höheren Prozentsatz tragen als die niedrigen. Außerdem will das Linksbündnis gegen die alarmierend niedrige Geburtenrate noch eine Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro monatlich erreichen (bisher 154 Euro für das erste und zweite Kind).

In der gesetzlichen Rentenversicherung plant sie eine konjunkturfördernde Absenkung der viel zu hohen Belastung für den Faktor Arbeit durch eine "Erwerbstätigenversicherung", in deren Bemessungsgrundlage nicht nur die Einkünfte von Arbeitnehmern sondern alle Einkünfte einbezogen werden. Dazu heißt es in ihrem Wahlprogramm vom 27.8.2005 (evt. über http://sozialisten.de/service/download/dokumente/wahlprogramme/index.htm), am Ende von Abschnitt 2.2:
 

Die Beitragsbemessungsgrenze soll an- und später aufgehoben werden.

Menschen mit höheren Einkommen sollen also in größerem Umfang für die solidarische Finanzierung der Renten herangezogen werden, ohne dass ihre Ansprüche in gleichem Maße steigen.
 

Zur "Solidarischen Bürgerversicherung" heißt es gleich danach:
 

Die Beitragsbemessungsgrenze soll in einem ersten Schritt auf 5.100 Euro angehoben und später ganz aufgehoben werden. Wir halten am Grundsatz der paritätischen Finanzierung fest und fordern entsprechende Korrekturen.
 

Die konsum- und beschäftigungsfeindlichen "Lohnzusatzkosten" sollen nicht nur gesenkt, sondern mittelfristig komplett abgeschafft und ersetzt werden durch eine "Wertschöpfungsabgabe", denn wegen der fortschreitenden Automatisierung in Produktion und Verwaltung wird immer mehr einseitig belastete Arbeit durch billigeres Kapital ersetzt. Dazu heißt es in Abschnitt 2.4 (ebd.):
 

Wir wollen, dass Unternehmen nach ihrer realen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, also nach ihrer Wertschöpfung und nicht nach der Zahl der Beschäftigten und der Höhe des Bruttolohnes in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen. Wir treten deshalb für einen Prozess ein, in dem die heutigen Lohnnebenkosten durch eine Wertschöpfungsabgabe ersetzt werden.
 

In der Neoliberalismuskritik wird von anderen zu Recht darauf hingewiesen, dass Deutschland Exportweltmeister ist und dass die Lohnkosten  nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Wertschöpfung in der deutschen Industrie ausmachen. Also seien die "Lohnzusatzkosten" wiederum nur etwa 20% von diesem Bruchteil. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, dass ein großer Teil der Wertschöpfung für den deutschen Export bereits in europäische Niedriglohnländer  verlagert wurde und dass vor allem der Konsum und der Arbeitsmarkt im Inland wesentlich belebt würde, wenn man die Kosten der Lieferungen und Dienstleistungen fürs Inland um bis zu 40% Sozialabgaben senkte durch Beendigung der Umverteilung nach oben.

Die Wertschöpfungsabgabe ließe sich so ausgestalten, dass die Beitragshöhe auch durch die Verschiebung des kompletten Konzerngewinns in parasitäre Steueroasen nicht beeinträchtigt würde, gegebenenfalls auch mit Koppelung an den Konzernumsatz in Deutschland.

Zum Steuertarif schreibt die Linkspartei (ebenda, S. 28):
 

Bei der Lohn- und Einkommensteuer wollen wir Personen und Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen entlasten und Steuerpflichtige mit hohen und sehr hohen Einkommen stärker heranziehen. Der Eingangssteuersatz soll 15 Prozent betragen – bei einem Freibetrag von 12.000 Euro. Dann soll der Steuersatz allmählich (linear-progressiv) bis zu einem Spitzensteuersatz von 50 Prozent ansteigen. Dieser soll auf die Einkommensteile oberhalb 60.000 Euro erhoben werden.
 

Sie will also den persönlichen steuerlichen Grundfreibetrag von jetzt 7.664 Euro  auf ein Existenzminimum 12.000 Euro je Ehepartner jährlich erhöhen. Die derzeitigen Kinderfreibeträge bringen den Klein- und Normalverdienern gar nichts. Sie sollen durch ein deutlich erhöhtes Kindergeld von monatlich 250 Euro je Kind ersetzt werden. Zur Finanzierung dieser Belebungsmaßnahmen will sie unter anderem das Ehegattensplitting abschaffen, von dem am meisten Bestverdiener ohne Kinderfreibeträge profitieren. Die Normalverdiener erhalten ihren Ausgleich für die Abschaffung des Ehegattensplittings allein schon durch die Erhöhung des Grundfreibetrages um mehr als die Hälfte auf 12.000 Euro (sh. oben).

Zur Zeit setzt der Spitzensteuersatz bei ein bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 52.152 Euro (sh. Grafische Darstellungen, Blatt 12) bzw. dem Doppelten für zusammenveranlagte Ehepartner. Nach dem Konzept des Linksbündnisses könnte der Freibetrag für den einen Ehepartner auf den anderen übertragen werden, so dass der Spitzensteuersatz erst bei 60.000 + 12.000 = 72.000 Euro einsetzen würde. Es ergibt sich also schon einmal vorweg eine klare Rückführung von Steuergeschenken für Meinungsmacher und sonstige Bestverdiener in den Konsumkreislauf. Deswegen erscheint es vertretbar, dass das Linksbündnis die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzlichen Krankenversicherung nur schrittweise aufheben will, durch deren Beitragsbegrenzung die Bestverdiener begünstigt werden.

Einen Großteil ihrer steuerpolitischen Belebung für Konjunktur und Arbeitsmarkt will das Linksbündnis finanzieren durch Mobilisierung von 25 Milliarden Euro jährlich aus dem toten Volkseinkommens, das der Nachfrage und dem Wirtschaftskreislauf durch Umverteilung nach oben entzogen wurde:
 

Zinseinnahmen und andere Kapitaleinkünfte will die PDS an der Quelle mit 50 Prozent besteuern. Wer weniger verdient, soll sich das zuviel Gezahlte mit der Einkommensteuererklärung zurückholen können. Die Vermögenden sollen noch einmal zur Kasse gebeten werden: "Das oberhalb von 300.000 Euro liegende Vermögen wird bis zu einem Vermögen von 1 Million Euro mit einem Steuersatz von 0,7 Prozent besteuert, darüber mit 1,5 Prozent und oberhalb von 5 Millionen Euro mit 2,5 Prozent." Das würde nach der PDS-Kalkulation 25 Milliarden Euro in die Kassen des Staates spülen...
Lafontaine hat schon bekundet, kein Problem mit dem Programm der Schwesterpartei zu haben.
 

sh. "Linksbündnis - Von oben nach unten umverteilen", FAZ.net, 8.7.05.

Tatsächlich stimmt die Richtung recht genau mit den Vorstellungen nach den WASG-Programmentwürfen überein. Sehr begrüßenswert zur Förderung der Arbeitsplatzbeschaffer sowie des Arbeitsmarktes ist auch die Absenkung der Mehrwertsteuer für Handwerkerleistungen und Medikamente auf 7%. Die Absenkung der Mehrwertsteuer im konsumnahen Bereich dürfte etliche Dienstleistungen wieder eher bezahlbar machen und von der Schwarzarbeit wieder in den sozialversicherungspflichtigen Bereich zurückholen. Sie wurde hier schon an anderer Stelle mit diversen Dokumentationen gefordert, aber der Hauptimpuls muss über die Einkommensteuerfinanzierung von Sozialbeiträgen kommen, das heißt aus der Korrektur der Steuersenkung für Bestverdiener und der gesamten steuerlichen Umverteilung nach oben. Die Absenkung der Mehrwertsteuer für Medikamente senkt ebenfalls die Belastung des Arbeitsmarktes mit den Sozialbeiträgen für die Krankenversicherung.

Weitere Einzelheiten und die Infografik "So rechnet die PDS" findet man unter anderem in der FAZ, a.a.O. Das Bundesfinanzministerium wendet z.B. ein, dass die Steuerausfälle durch die Erhöhung des Grundfreibetrages von jetzt 7.664 Euro auf 12.000 Euro höher seien, als sie vom Linksbündnis veranschlagt wurden. Grund sei, dass von dieser Erhöhung durch den linear progressiven Tarif auch die Normal- und Bestverdiener profitieren.

Tatsächlich würden die Klein- und Normalverdiener von einer teilweisen Steuerfinanzierung ihrer Sozialabgaben wesentlich mehr profitieren als von einer Erhöhung ihres Grundfreibetrages (sh. "Rechenfehler bei Linkspartei?", n-tv.de, 7.8.05), weil sich die Ersparnis mit dem Eingangssteuersatz von 15% ja zunächst nur auf die 4.336 Euro bezieht, die über den bisherigen Grundfreibetrag von 7.664 Euro hinausgehen. Sie würde also bei einem Alleinstehenden ohne Kinder für diesen Einkommensteil lediglich 0,15 * 4.336 = 650 Euro jährlich betragen. Dagegen würde sich eine Ersparnis des Arbeitnehmers schon bei einem Viertel seiner Sozialabgaben, also von etwa 5%, auf das gesamte sozialversicherungspflichtige Bruttoeinkommen beziehen. Deshalb dürfte diese Steuerfinanzierung gegenüber der Erhöhung des Grundfreibetrages absolut vorrangig sein -  schon allein zur Förderung des Konsums und des Arbeitsmarktes.

Der Bestverdiener profitiert allein von der Erhöhung des Grundfreibetrages um 4.336 Euro bei einem vorgeschlagenen Spitzensteuersatz von 50% mit 0,50 *   4.336 = 2.168 Euro plus Solidaritätszuschlag und  zuzüglich der Ersparnisse auf allen Progressionsstufen, weil bei ihm die Erhöhung des Grundfreibetrages eine Verminderung des zu versteuernden Einkommens um den gleichen Betrag auf der Stufe des Spitzensteuersatzes bedeutet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er auch nach Erhöhung des Grundfreibetrages noch mit  mindestens 4.336 Euro im Bereich des Spitzensteuersatzes liegt. Es gilt auch dann, wenn der Spitzensteuersatz nach den Vorstellungen des Linksbündnisses schon bei niedrigeren Einkommen einsetzt als bisher. Zwar bedeutet dieser Vorteil des Bestverdieners mit der Erhöhung der Grundfreibeträge eine gewisse Kompensation für das vorgezogene Einsetzen seines Spitzensteuersatzes für zusammenveranlagte Bestverdiener (60.000 statt bisher zweimal 52.152), aber tendenziell ist die Steuerfinanzierung von Sozialabgaben für Konjunktur und Arbeitsmarkt ohnehin effizienter.

Diese Steuerfinanzierung würde auch zur Lösung des Dilemmas beitragen, das mit der Forderung nach einem existenzsichernden Mindestlohn verbunden ist (sh. hier die Exkurse: "Mindestlöhne und Bolkestein-Hammer" und "EU-Lohndumping.htm").


Der FAZ-Bemerkung, dass Lafontaine Managerbezüge oberhalb einer gewissen Größenordnung mit 100% besteuern will, erscheint dort völlig ernst gemeint. Bei Managern wie Schrempp und Ackermann hätte das auch etwas für sich. Lafontaine hat jedoch bei einer TV-Inquisition durch Michael Friedmann darauf hingewiesen, dass es sich bei der Forderung um ein Zitat handele.

Gewiss war der erste Satz des folgenden Lafontaine-Vorschlages an die SPD zur Wahl 2002 nicht nur eine Pointe, zumal die rosa-grünliche Koalition gerade die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42% durchgesetzt hatte:
 

"Seine Partei habe bei der Wahl "eine Chance, wenn sie wieder kenntlich wird"... Sie erklärt, es sei ungerecht, für den ledigen Facharbeiter mit 60 000 Euro Jahreseinkommen denselben Spitzensteuersatz zu fordern wie für den Manager, dessen Jahressalär 6 Millionen Euro beträgt. Pro 100 000 Euro über dem Facharbeiterlohn steigt der Spitzensteuersatz künftig um 1 Prozent und erreicht bei 6 Millionen Euro 100 Prozent. Ab dieser Grenze wird jeder Cent weggesteuert." Die Einkommensmillionäre würden zwar aufjaulen, "das Volk wäre begeistert", so Lafontaine,
 

sh. STERN, G+J, 15.5.2002, unter presseportal.de.

Aber auch Lafontaine weiß natürlich, dass es verfassungsmäßige Grenzen der Besteuerung gibt. Diese lassen sich aber von einem Proporz-Gericht mit zeitweiser Dominanz von Neoliberalen nicht für alle Zeiten verbindlich festschreiben.

Die Neoliberalen in Regierung und Opposition können es kaum fassen, dass trotz ihrer gemeinsamen Schaukämpfe in den Talkshows und trotz vereinter Gehirnwäsche in den übrigen Medien noch genügend kritisches Bewusstsein übrig geblieben ist für eine Zustimmung von mehr als 8 Prozent zum Linksbündnis. Besonders die Schwarzen fürchten jetzt um ihre sicher geglaubten Privilegien bei der nächsten Bundestagswahl. So auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger von der CDU (sh. "Umstrittene Ost-Thesen", faz.net, 12.8.05):
 

Oettinger hatte nach einem Bericht der Zeitung "Badischen Neueste Nachrichten" gesagt: "Die Linken und die Mutlosen im Osten Deutschlands dürfen nicht entscheiden, wie Deutschland regiert wird."
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Stefan Mappus, bestätigte am Freitag die Äußerung Oettingers - und verteidigte sie gleichzeitig. Oettinger habe nicht generell von den den Bürgern in den neuen Ländern gesprochen, sondern von "den Linken, die dort agieren", sagte Mappus.
 

Ähnlich frustriert sind auch andere, wie der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Dessen tatsächliche Äußerungen wurden trotz aller Verfälschungsversuche seines CSU-Generalsekretärs Söder originalgetreu im Bayerischen Rundfunk gesendet. Dazu schreibt die FAZ (sh. "Stoiber und der Wahlkampf", faz.net, 11.8.05):
 

Doch zur besten Frühstückszeit wurde dann am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk vermeldet, was Stoiber am Abend zuvor bei einer Wahlkampfkundgebung in Schwandorf in der Oberpfalz gesagt hatte: "Wenn es überall so wäre wie in Bayern, hätten wir überhaupt keine Probleme. Nur, meine Damen und Herren, wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern. Die Stärkeren müssen manchmal die Schwächeren mitziehen. Das ist nun einmal so." Und damit bei den Zuhörern keine Mißverständnisse aufkamen, worüber der CSU-Vorsitzende gerade so animiert sprach, fügte er noch hinzu: "Ich will nicht, daß noch einmal die Wahl im Osten entschieden wird."
 

Die Stoiber-Zitate aus dieser Rede kann man zur Zeit auch noch im Originalton nachhören in dem Rundfunkbericht von Silvia Engels: "Edmund Stoiber sorgt für Wirbel mit Wahlkampfäußerungen", dradio.de,  11.8.05, 13:14h > AUDIO ON DEMAND > FLASH.

Am 4.8.05 hatte der frustrierte Stoiber schon bei einem Dorffest in Eglofs in Baden Württemberg gesagt (sh. "Stoiber beim Wort genommen", lt. faz.net, 12.8.05):
 

"Wir freuen uns über die Entwicklungen in den neuen Ländern. Wir wissen, daß das schwierig ist. Und ich weiß, daß natürlich auch Bayern, Baden-Württemberg gerade auch für die neuen Länder enorm in den Finanzausgleich finanzieren. Aber ich akzeptiere es nicht, daß letzten Endes erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das wird nicht mehr sein. Wir leisten jedes Jahr, wir leisten jedes Jahr etwa 120 bis 130 Milliarden Euro Finanzausgleich zur Aufbausituation der neuen Länder. Aber es darf nicht sein, und das ist der Appell auch an alle Vernünftigen - es darf nicht sein, daß letztlich die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen."
 

Die erschreckten Umdeutungsversuche in späteren Reden von Edmund Stoiber und durch die neoliberalen Meinungsmacher halfen wenig, um ihn vor einem Absturz durch seinem Rohrkrepierer zu schützen - zugunsten einer plötzlich aufgefrischten Angela Merkel.

Eine gewisse Plausibilität hat dagegen Stoibers Brecht-Zitat (lt. FAZ-Überschrift):
 

"Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber",
 

wenn er denn Bertolt Brecht richtig verstanden hat ("Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber", aus: "Schweyk im Zweiten Weltkrieg"). Allerdings soll er das lt. faz.net vom 13.8.05 nicht auf die düpierten Wähler der neoliberalen Parteien bezogen haben, die sich ja auch wegen der überwältigenden Irreführung kaum woanders ihr Kreuzchen eintragen können. Vielmehr meint er damit die Wähler des Linksbündnisses, das als einzige politische Kraft Schluss machen will mit der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.

Bei all diesen unzureichenden Manipulationsversuchen blieb den Neoliberalen noch die schwache Hoffnung, dass es ihnen gelingt, den Willen von etwa zehn Prozent der Wähler mit Hilfe des einmaligen deutschen Wahlrechts zu brechen, indem sie aus den Kandidaturen der WASG-Kandidaten auf den offenen Listen der Linkspartei eine unzulässige Listenverbindung konstruieren und dies mit Hilfe  ihrer vereinigten neoliberalen Proporz-Vertreter im Bundesverfassungsgericht als "Rechtslage" präsentieren.

Dies erinnert an die  Konstruktion des "Halbteilungsgrundsatzes" durch ein BVG-Urteil aus dem Jahre 1995  - unter maßgeblicher Mitwirkung des damaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof, jetzt Unions-Wunschkandidat für das Amt des Bundesfinanzministers und Propagandist eines Spitzen- und Einheitssteuersatzes von 25% in konsequentem Weitermarsch zu einem "Viertelteilungsgrundsatz"! Die Landeswahlausschüsse haben sich für diesen legalistischen Neoliberalismus-Schutz jedenfalls nicht einspannen lassen, obwohl sicher viele ihrer Mitglieder dazu die größte Lust verspürten.

Dass sogar Verfassungsrichter ihrem Proporz verhaftet sein können, stört auch den Bundesrichter und parteilose Kandidaten der Linkspartei Wolfgang Neskovic. Zu der medienwirksamen durchsichtigen Argumentation zweier ehemaliger Verfassungsrichter gegen die Zulassung der Linkspartei sagt er (sh. "Nescovic weist Kritik an der Linkspartei-Listen zurück", Berliner Zeitung, 18.8.2005):
 

Ich bin doch sehr verwundert, dass zwei Richterkollegen mit juristisch derart substanzlosen Überlegungen Einfluss auf die Entscheidung der Wahlausschüsse zu nehmen versuchen. Es handelt sich hier, mit Verlaub, vorrangig um eine politische Frage, und der Verdacht drängt sich auf, Frau Graßhof und Herr Klein verfolgten mit juristischen Mitteln politische Ziele. Da muss der Eindruck entstehen, beide instrumentalisierten den Vertrauensbonus, der mit ihrem ehemaligen Amt als Verfassungsrichter verbunden ist, für parteipolitische Zwecke. Meinen Richterkollegen ist bewusst, dass sie mit ihren Darbietungen politisch den Parteien in die Hände spielen, denen sie ihre Ämter verdankten, Frau Graßhof der SPD, Herr Klein der CDU.
 

Es ist jedenfalls nichts daran auszusetzen, wenn WASG-Kandidaten auf Listen der Linkspartei bei Bedarf in die Linkspartei eintreten, weil deren Wahlprogramm - im Gegensatz zu den Wahlprogrammen aller anderen Parteien - nicht nur für Lafontaine ebenso akzeptabel ist wie das vorläufige Wahlprogramm der WASG.

 
Im Hinblick auf das Verhältnis der Linken zur SPD ist nachzutragen, dass es keineswegs um eine Demontage der SPD gehen kann, sondern vielmehr um ihre Stärkung durch Wiederbelebung ihres sozialdemokratischen Wesens. Die Linke hat zwar zu dieser zwangsweisen Rückbesinnung schon einige erfolgreiche Impulse gegeben, aber sie kann ihre sozialdemokratischen Ziele gesetzgeberisch nicht ohne eine starke Koalition mit der SPD durchsetzen. Diese Linie verfolgt auch Oskar Lafontaine. Der Leipziger Volkszeitung (LVZ) sagte er in einem Interview:


"Obwohl Sie mir das nicht glauben werden, ich hatte nie das Ziel, die SPD fertig zu  machen. Ich engagiere mich erneut politisch, um die deutsche Politik zu verändern." Dabei komme die Linke gut voran. "Das längere Arbeitslosengeld I, weniger Zwangsverrentung und den Durchbruch beim Postmindestlohn gäbe es ohne die Linke nicht. Diesen Weg werden wir fortsetzen. Die neuesten Beschlüsse der Koalition, so bescheiden sie auch sind, wurden in Reaktion auf die Linke getroffen."
 

(Sh. "LVZ: Lafontaine: SPD ist für die Linke im Bund nicht regierungsfähig. /  'Ich hatte nie das Ziel, die SPD fertig zu machen'", presseportal.de, 1.3.2008.)

Obwohl eine solche realpolitische Haltung zur SPD eine Selbstverständlichkeit ist, nutzen einige Linke aus der ehemaligen SED gerade diese Hetze der Rechten gegen Lafontaine, um innerhalb des Linksbündnisses eine Position gegen ihn aufzubauen. Die Spaltungs-Strategie der Neoliberalen in der SPD ist klar: Eine Koalition mit Lafontaine als einem der wenigen verbleibenden profilierten Sozialdemokraten lehnen die etablierten Schein-Sozialdemokraten in der SPD kategorisch ab. Dagegen stellen sie durchaus eine Koalition mit ehemaligen SED-Spitzenfunktionären in Aussicht, wenn diese nur Lafontaine kaltstellten. Insgeheim gehen die Verräter der Sozialdemokratie mit einiger Sicherheit davon aus, dass damit die Linke ohnehin wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen würde, auch durch Vereinnahmung und erneute Rote-Socken-Kampagnen.

So weit ist die Politik von der übelsten Sorte bekannt. Es ist aber schwer verständlich, dass die Betreiber von ihren Wunschpartnern auch noch unterstützt werden. Hilfreich erweist sich dabei unter anderen André Brie, der sich durch seine subtile Kritik an Lafontaine hervorgetan hat. In seinem SPIEGEL-Interview vom 30.7.2007 mit der bezeichnenden Überschrift "Denken in Schwarz-Weiß" sagte er auf die Frage nach "Lafontaine und dessen Leute(n)":
 

Wir kritisieren das Schwarz-Weiß-Denken des George Bush und praktizieren es selbst.
 

DER SPIEGEL witterte eine Bestätigung für seine Diffamierungs-Kampagnen gegen Lafontaine und fand auf seine entsprechende Frage auch prompt das einfühlsame Verständnis für Lafontaines angebliche quasi psycho-pathologische Gleichgewichtsstörungen:


SPIEGEL: Lafontaine treibt die Linke in eine Feindschaft zur Spitze der Sozialdemokratie, die Leute wie Sie immer überwinden wollten.

Brie: Lafontaine ist nach seinem Bruch mit der SPD psychologisch in einer schwierigen Situation. Das war eine dramatische Zäsur, die schwer zu verarbeiten ist. Aber er kann nicht die gesamte Linkspartei in eine radikale Feindschaft zur SPD führen, nur weil er selbst diesen Bruch schwer verarbeiten kann. In der Perspektive müssen wir das Land gemeinsam mit der SPD verändern -jetzt, wo es eine Mehrheit jenseits von CDU und FDP gibt. Deshalb müssen wir realitätsnahe, politikfähige Vorstellungen entwickeln.
 

Die Pflege des Spalt-Pilzes durch vereinzelte ehemalige PDS- und WASG-Mitglieder soll hier nicht weiter kommentiert werden, weil in der Tat nur eine vereinte Linke zusammen mit einer runderneuerten SPD gegen die Neoliberalen und ihre Köder zur Umverteilung nach oben erfolgreich sein kann. Es ist aber auch nicht erstrebenswert, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, selbst wenn die neoliberalen Meinungsmacher den kleinsten Ansatzpunkt in der Linken begierig ausschlachten.

Zu diesen Meinungsproduzenten kann man die taz eigentlich nicht rechnen. Ganz frei von solchen Einflüssen scheint sie aber nicht zu sein.
Die Lage der Linken zu Beginn des Jahres 2008 kommentiert  sie wie folgt:
 

In dieser Auseinandersetzung wollen die Reformpolitiker der früheren PDS, zu denen Brie gehört, nicht länger stillhalten. Ihr Widerstand gegen die Dominanz des Partei- und Fraktionschefs Oskar Lafontaine wächst. Sie nervt, dass allein Lafontaine definiert, was "links" sei. Sie kritisieren, dass er links und rechts des Weges alles einsammelt, was der Linkspartei Erfolg verspricht. "Einkaufswagenpolitik" nennen sie das süffisant. Und die Reformer sind bestürzt, wie abfällig ihr Vorsitzender über das Führungspersonal der Konkurrenz spricht. Merkel, Beck, Westerwelle - für Lafontaine sind alle "Totalausfälle", "Versager", "dumm wie Schifferscheiße".

Dabei ist die Grenze für die Lafontaine-Kritiker klar: Keine direkten politischen Attacken, keine persönlichen Angriffe. Dafür ist Lafontaine viel zu wichtig für die Partei, vor allem für ihren Erfolg im Westen. Und dafür fehlt den Reformern auch ein Anführer. Bisky, der Parteichef, moderiert zwischen alter PDS und alter WASG.


(Sh. Jens König: "Richtungsstreit in Partei Die Linke – Protest gegen Lafontaines SPD-Hass", taz.de, 28.2.2008.) Wenn Lafontaine als weggemobbter SPD-Vorsitzender (sh. hier rossaepfel-theorie.de) versucht, auch der verbleibenden SPD-Basis die Augen zu öffnen für den Verrat ihres Establishments an der Sozialdemokratie, dann kann man das sicher nicht als "SPD-Hass" bezeichnen. Die Kritik an Kurt Beck kommt doch viel eher von rechts, weil er die Tabuisierung einer Koalition mit der Linken in den Bundesländern nicht länger unterstützt. Die Hauptprofiteure in der SPD bei der steuerlichen Umverteilung nach oben (sh. hier rossaepfel-theorie.de) fürchten den überfälligen Verlust ihres Vertrauens bei ihrer restlichen Partei-Basis. DER SPIEGEL vom 1.3.2008 titelt und schreibt:
 

Spitzengenossen wollen Kanzlerkandidatur Becks verhindern
Offene Rebellion in der SPD-Spitze: Nach Informationen des SPIEGEL wollen die Reformer Steinbrück, Platzeck und Müntefering ihren Gesinnungsgenossen Steinmeier zum Kanzlerkandidaten machen. Parteichef Beck habe sein Recht verwirkt. Die einzige Stellvertreterin an Becks Seite: Andrea Nahles.
 

Natürlich stehen Schröder-Freund Michael Naumann, RWE- und INSM-Freund Wolfgang Clement  sowie etliche Schein-Sozialdemokraten in der SPD voll hinter jedem, von dem sie eine Verhinderung des Bündnisses mit der Linken erwarten, auch hinter dem ehemaligen Schröder-Mitstreiter Steinmeier. Nach dessen Aussage haben aber die Absprachen "ganz sicher nicht stattgefunden" (zeit.de, 2.3.08). Er bezeichnete die SPIEGEL-Meldung als "Unsinn" (ebd.).  Die neoliberalen Profiteure in der SPD fürchten jedenfalls nichts mehr als ihre Bloßstellung durch eine Koalition mit den Linken im Bundestag. Dagegen dürfte sich die berechtigte Kritik von Lafontaine an Beck eher in Grenzen halten, auch wenn es sich in dem taz-Artikel anders anhört.

Es ist aber kaum nachzuvollziehen, wieso die Tageszeitung Lafontaines Kritik an Merkel oder gar an Westerwelle als überzogen ansehen kann. Was die Rotkarierten betrifft, so kann es nach Lafontaines eigenem Bekunden selbstverständlich ohnehin nicht sein Ziel sein, "die SPD fertig zu  mache" (sh. oben).  "Versager" und "Totalausfälle" sind die Verräter der Sozialdemokratie allemal. Aber dass deren "Führungspersonal" und das Establishment der übrigen Parteien "dumm" sind, kann man nur für sie hoffen, denn sonst könnte man ihnen kaum noch etwas nachsehen. Viele haben sich wohl aus Egoismus nur selbst verdummt, um noch in den Spiegel schauen zu können (sh. hier rossaepfel-theorie.de).


Bei den Linken liegen die Probleme anders. Einige ihrer Mitglieder nutzen jetzt sogar den Ausschluss der DKP-Abgeordneten Christel Wegner aus der niedersächsischen Fraktion der Linken (sh. unten), um sich gegen eine angebliche Definitionshoheit von Lafontaine zu behaupten:
 

Eine Reihe jüngerer Reformpolitiker, unter ihnen die Landeschefs Klaus Lederer (Berlin) und Matthias Höhn (Sachsen-Anhalt) sowie die Bundestagsabgeordneten Jan Korte und Michael Leutert, hält die Debatte mit dem Ausschluss von Wegner nicht für beendet…
Dabei müsse es für die Partei eine klare Übereinstimmung geben: "Dass jede Art von Sozialismus für uns die Existenz von 'Organen', 'Komitees' und 'Diensten' ausschließt, die über 'richtig' und 'falsch' von Positionen und Sichtweisen entscheiden."
 

(Sh. ebd.). Die hier genannten "Reformpolitiker" stammen aus der PDS. Sicherlich hat die ehemalige PDS, insbesondere in der Finanzpolitik, einige gute Ansätze, denen die Vorstellungen von vielen WASG-Mitgliedern aus SPD, Grünen und Gewerkschaften noch etwas hinterherhinken. Solche neoliberalen Altlasten kann man aber keineswegs Lafontaine vorwerfen. In Wirklichkeit geht es wohl auch hier noch um die gleichen Selbstbehauptungs- und Selbstfindungs-Scharmützel wie im obigen Interview von André Brie. Die Formulierungen klingen ein wenig nach ständigen Definitions-Komitees zur Abgrenzung gegen mutmaßliche andere Definitions-Komitees.

 




 

2) Exkurs:
Quotengeplänkel, Satzungstreue und Minorisierungsängste
 


In der Wahlperiode vor Entstehung des Linksbündnisses war die PDS nur mit zwei Abgeordneten, beides Frauen, im Bundestag vertreten, die von den Medien weitgehend ignoriert wurden. Die Aufmerksamkeit richtete sich eher auf  medienwirksame PDS-Mitglieder wie Gregor Gysi,  Lothar Bisky und Bodo Ramelow. Das existenznotwendige Medienpotential des Bundestages konnte nicht ausgeschöpft werden.

Bei allen wünschenswerten Gleichstellungsbestrebungen ist vorauszusetzen, dass der Auftritt des Linksbündnisses im Bundestag durch qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten, aber nicht unbedingt durch Quotenfrauen gemäß PDS-Satzung (Statut) bestimmt wird. Auch den qualifizierten Frauen geht es mehr um den dringend benötigten Erfolg der einzigen Partei gegen die Umverteilung nach oben als um die Quoten.

Das Quotenproblem konnte der Verfasser selbst überrascht kennen lernen bei einer aufschlussreichen, aber eigentlich überflüssigen Rand-Diskussion über den sicheren Listenplatz für den WASG-Kandidaten Professor Herbert Schui in Niedersachsen. Herbert Schui war als erstrangiger Wunschkandidat der WASG für die Landesliste der Linkspartei aufgestellt worden. Er hätte aber auf dem unsicheren Listenplatz 4 landen können, denn Platz 1 wurde von Diether Dehm (sh. unten) von der Linkspartei beansprucht, und in diesem Fall hätten nach Abschnitt 4 Abs. 3 des Linkspartei-Statuts eigentlich die Plätze 2 und 3 von  Frauen besetzt werden müssen, "solange Bewerberinnen zur Verfügung stehen". Diese Selbstblockade der ehemaligen PDS im Kampf um die Wählerstimmen gilt bis auf Widerruf auch für alle anderen Landeslisten der Linkspartei. Allerdings sind bei der Linkspartei die Frauen mit 52% in der Überzahl, aber "70 Prozent der WASG-Anhänger sind einer forsa-Studie zufolge männlich", lt. n-tv.de, 3.7.2005.

Gleichwohl hat auch die Linkspartei an der PDS-Frauenquote festgehalten (sh. "Ruf nach Einführung einer Frauenquote", DIE LINKSZEITUNG, 23.9.05):
 

Angesichts der Debatte über eine Männerdominanz in der Linkspartei-Fraktion betonte Lötzsch, die weiblichen Abgeordneten der Fraktion hätten bei ihrem Treffen gestern Abend großen Wert auf eine Frauenquote bei allen wichtigen Positionen gelegt. Über die Verteilung der Posten werde die Fraktion in ihrer Klausursitzung in der kommenden Woche "gründlich diskutieren".
 

Dies zeigte sich insbesondere bei der Postenverteilung für den erweiterten Fraktionsvorstand (sh. "Linkspartei will Hartz IV rückgängig machen", netzeitung.de, 2.10.05):
 

Bei den Wahlen zum erweiterten Fraktionsvorstand hinter den Chefs Gysi und Lafontaine wurden dagegen fast nur Frauen gewählt. So sind nun die Abgeordneten Lötzsch, Inge Höger-Neuling, Barbara Höll, Petra Sitte, Martina Bunge, Petra Pau und Monika Knoche stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Als einziger Mann wurde Wahlkampfmanager Bodo Ramelow in die Riege der Stellvertreter gewählt. Parlamentarische Geschäftsführer wurden Dagmar Enkelmann und Ulrich Maurer...
Gysi erklärte, der hohe Frauenanteil sei ein typisches Merkmal für die Linkspartei. Im neuen Vorstand sei die Frauenquote der Partei mehr als erfüllt, sagte auch der Sprecher. (nz)

 

Entgegen manchen Äußerungen bringt die Quote auch nicht  mehr Frauenstimmen, denn die SPD hatte z.B. ohne Quote 35% der Frauenstimmen und 33% der Männerstimmen (sh. "Umfragen Wer wählte was?", tagesschau.de/Infratest-dimap, September 2005).

Tatsächlich hätte der Listenplatz 4 in Niedersachsen nicht für den Einzug von Herbert Schui in des Bundestag gereicht (sh. "Gewählte Landeslistenbewerber...", Webseite besucht am 3.10.05).

Dagegen dürfte die Quote der abgeordneten WASG-Kandidaten zuzüglich der parteilosen Kandidaten in der Bundestagsfraktion der Linkspartei nicht dem Anteil der Wählerpräferenzen für die WASG im Vergleich zur ehemaligen PDS entsprechen. Aber es wäre wegen des deutschen Verbots von Listenverbindungen aus juristischen Gründen nicht sinnvoll gewesen, wenn die Linkspartei den WASG-Kandidaten in den meisten westdeutschen Landesverbänden großzügig einen Vorrang bzw. Gleichrang oder ihren Listenplatz 1 überlassen hätte. Schließlich blieb es der Linkspartei auch unbenommen, dass sie westdeutsche WASG-Kandidaten auf die ostdeutschen Landeslisten der Linkspartei setzte.

Schui hatte diese Randdiskussion des Verfassers über die Listenplätze nicht mitbekommen und nahm seine mögliche Rückstufung auf Platz 4 gelassen.  Man musste eine Lösung finden, denn man konnte auf den anerkannten kritischen Ökonomen nicht verzichten, zumal in ganz Deutschland ansonsten fast nur neoliberale Ökonomen, also Umverteiler nach oben,  in der Öffentlichkeit zu sehen sind. Auch in der WASG braucht man Ökonomen, um gegen die Arbeitsplatz-Vernichtungspolitik der Neoliberalen in Regierung und Opposition die richtigen Konzepte überzeugend zu vermitteln. Dabei hilft auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Axel Troost (WASG-Mitbegründer) auf Platz 2 der sächsischen Landesliste (sh. "Fliegender Namenswechsel", nd-online.de, 11.7.05).

Nach einigem Hin und Her wurde Herbert Schui immerhin auf den halbwegs sicheren Platz 3 gesetzt, hinter den PDS-Kandidaten und eine PDS-Frau.

Nach Schui folgte dann auf Platz 4 eine Kandidatin, die die WASG für ihre eigene Landesliste auf Platz 2 gewählt hatte. Bei weniger prominenten Ideal-Kandidaten sieht es mit Vernunftlösungen im Falle von Quotenproblemen nicht so günstig aus, auch wenn die WASG in Westdeutschland das Mehrfache an Mitgliedern hat wie die PDS. Ein Beispiel dafür ist die Landesliste von Bayern, aber besonders heftig zeigte sich das bei der Landesliste von Berlin (sh. Tom Strohschneider: "Stolpersteine auf dem Weg zu Listenplatz vier", nd-online.de, 8.8.05), wo der qualifizierte WASG-Kandidat Ralf Krämer nur sehr knapp auf den völlig unsicheren Platz 6 kam - hinter Gregor Gysi, dem umstrittenen Hakki Keskin (parteilos) und drei Quotenfrauen. Tatsächlich reichte nur noch Platz 4 für ein Bundestagsmandat (sh. die Kandidatenliste und die Liste der gewählten Abgeordneten).  Lt. Liste der gewählten Abgeordneten wurden Petra Pau und Gesine Lötzsch jedoch auch direkt gewählt in ihren Berliner Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg, die schon bei der Bundestagswahl 1998 (und auch davor in etwas anderer Gebietsaufteilung) als sichere PDS-Wahlkreise gelten konnten (sh. http://www.statistik-berlin.de/wahlen/ > "Wahlergebnisse ab 1919" > "Wahljahr" (z.B. 1998) > "Erststimmen in Prozent").

Damit soll nicht gesagt werden, dass die "Quotenfrauen" weniger qualifiziert wären als die Kandidaten, die die übrigen Parteien im allgemeinen so aufzubieten haben.  Wegen der Finanzpolitik gemäß Wahlprogramm der Linkspartei stehen sie vielmehr für Erfolg am Arbeitsmarkt gegen weiteren Niedergang. Auch gibt es Kandidatinnen wie die EU-Abgeordnete Sahra Wagenknecht, die man allein schon wegen ihrer jüngsten Beiträge zur EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht als "Quotenfrauen" bezeichnen kann (sh. hier EU-Lohndumping.htm).
Als Sprecherin ihrer parteiinternen "Kommunistischen Plattform" und wegen ihres Verständnisses in jungen Jahren für Stalins blind-exzessive "Säuberungen"-Massaker (sh. "Weißenseer Blätter ", Heft 4/1992, S. 13) ist sie im Linksbündnis allerdings immer noch umstritten, obwohl "Kommunismus" als Utopie einer humanen Gesellschaft nicht mit Stalinismus zu verwechseln ist und eine 23jährige sich in ihrem revolutionären Idealismus leicht übernimmt. Merkwürdigerweise werden die Massaker zum Ende der "bürgerlichen" Französischen Revolution längst nicht mit diesem Schrecken belegt. Außerdem muss Sahra Wagenknecht den neoliberalen "bürgerlichen" Selbstbedienern zuliebe nicht beteuern, dass sie das nach fast zwanzig Jahren alles etwas anders sieht.

Auch in Talkshows kann Sahra Wagenknecht – im Gegensatz zu einigen anderen - für die Linke punkten durch ihre neu gewonnene ökonomische Kompetenz und ihr Auftreten (so. z.B. bei Maybrit Illner und auch gegen diese am 14.2.2008).
Jedenfalls hätte die PDS auch für sich allein schon wesentlich bessere Wahlchancen in Westdeutschland gehabt mit einer überzeugenden Vertretung im Bundestag, wenn man ohne Fraktionsstatus auch eher auf Präsenz eindrucksvoller Persönlichkeiten in den Medien als im Bundestag zählen muss und linke Abgeordnete von den neoliberalen Medienmachern ohnehin gern ignoriert werden. Anscheinend spielte die Quote auch eine Rolle bei der Vergabe der wenigen aussichtsreichen PDS-Direktkandidaturen. Mittlerweile versucht eine der beiden bisher eher unauffälligen PDS-Bundestagsabgeordneten jedoch in auffallender Weise sogar ausdauernd, Oskar Lafontaine und damit das gesamte Linksbündnis zu demontieren; sh. "Pau schürt Streit mit Lafontaine", spiegel.de, 6.7.05.

Mittlerweile geht Katja Kipping, stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei.PDS Katja Kipping, in ihrem jugendlichen Eifer (sh. hier auch Mindestlohn.htm) schon so weit, dass sie den Ersatz von Oskar Lafontaine oder Lothar Bisky an der Spitze der Bundestagsfraktion durch eine Frau fordert (sh. "Frau an Spitze der vereinigten Linken?" net-tribune.de, 9.6.2007). Es fragt sich nur, welche Frau im Linksbündnis das machen sollte, ohne die Partei bei den Wahlen wieder weit zurückzuwerfen, selbst wenn Lothar Bisky aus Altersgründen auf den Posten verzichten sollte.

Bisher hatten die Demontageversuche linker Partikularinteressen gegen das Linksbündnis nur vereinzelt Erfolg, insbesondere auch bei Gruppen der WASG mit ihrer illusorischen Hoffnung auf einen erfolgreichen Alleingang.

Bedenklicher wird es schon, wenn Lothar Bisky sich einspannen lässt für eine neoliberale Europapolitik. So erscheint es jedenfalls, wenn die folgende Passage stimmt (sh. "Die Messer sind gewetzt", jungewelt.de, 15.4.06):

 

Parteichef Lothar Bisky hat Katina Schubert als stellvertretende Parteivorsitzende vorgeschlagen und über den Tagesspiegel (Donnerstagausgabe) mit Rücktritt gedroht, falls sie nicht gewählt wird. Die Mitarbeiterin von Harald Wolf hat sich öffentlich für die EU-Verfassung stark gemacht; deren Bekämpfung ist aber eines der wichtigsten Anliegen Lafontaines. Auch ansonsten soll sie sich abfällig über den Saarländer geäußert haben.
 

Dennoch muss das Linksbündnis ein Erfolg werden, weil so viele politisch Wache dies dringend erwarten und endlich wieder eine nicht ignorierbare Opposition gegen die Umverteilung nach oben in den Bundestag kommen muss. Der Verfasser schreibt hier für dieses  Ziel über die "Rossäpfel-Theorie" schon seit Anfang 2004, als von einem Linksbündnis noch längst nicht die Rede war. Er gehörte keiner politischen Partei oder sonstigen Gruppierung an und hätte die gerade gegründeten WASG  schließlich auch ohne Lafontaines Beitritt als Mitglied unterstützt, obwohl ohne dessen Hilfe der Kampf  gegen die Wählertäuschung weit weniger aussichtsreich gewesen wäre. Dennoch war es ein Signal für den Beitritt noch am selben Tag, als Lafontaine am 25.5.05 seine Mitarbeit bei der WASG unter der Voraussetzung des Linksbündnisses zugesichert hat.

Allerdings besteht aus Zeitmangel kaum Kontakt zur WASG, abgesehen von ihren regelmäßigen Infos in der Mailbox, und es ist dort auch kaum Interesse am eigenen Engagement zu spüren. Für viele Kandidaten und ihren Anhang zählt es vielleicht mehr, wenn man für sie Plakate klebt. Aber der Verfasser kämpft hier ohnehin nicht in erster Linie für die dringend benötigte Partei noch gegen irgend jemanden, sondern gegen die Wählertäuschung und gegen die eigenen Interessen, weil er seinen großen Zeitaufwand als Finanzmakler anderweitig sicher gewinnbringender einsetzen könnte.

Bei den Grünen (neu: "Radieschen-FDP") könnte man nach dem "Frauenstatut" mit der mindestens hälftigen Frauenquote ähnliche Probleme haben, wenn es denn bei ihnen überhaupt mehrere geeignete männliche und weibliche Kandidaten gäbe. Profiliert hat sich erneut der grüne Außenseiter mit "Einzelmeinung"(en) Hans-Christian Ströbele durch seinen erstaunlichen Erfolg als Direktkandidat. Er hat wieder das bundesweit einzige grüne Direktmandat gewonnen (sh. http://www.statistik-berlin.de/wahlen/ > Endgültiges Ergebnis > Direktmandate). Nachdem ihn seine Partei zur Bundestagswahl 2002 nur auf einen aussichtslosen Listenplatz gesetzt hatte, war er für 2005 auch nicht durch die grüne Landesliste abgesichert (sh. http://www.statistik-berlin.de/wahlen/ > Bundestagswahl 2005 > Landeslisten > Liste 3).

Andererseits gehört schon einiges an Idealismus dazu, wenn ein Kandidat mit guten Verdienstmöglichkeiten in anderen Berufen eine Sechzigstundenwoche auf sich nimmt und von seinen Abgeordnetenbezügen einen erheblichen Teil an die Partei abzugeben hat. Für diesen Einwand haben einige Teilnehmer des Politikforums in ihrem teilweise niveaulosen (sh. hier Abschnitt 1, Fußnote 7) aber unverklausulierten Anonymitäts-Stil anscheinend wenig Verständnis. Die folgenden Beiträge sind jedoch gemischt und liefern auch Sachinformationen zum Einstieg in weitere Recherchen:
 

Dampflok: Es ist keinesfalls sozialistisch, den Sozialismus zu predigen und gleichzeitig so hohe Diäten zu kassieren, daß sie in dekadentem Luxus schwelgen Da sind die Grünen solidarischer: Sie müssen einen Teil ihrer Abgeordnetenbezüge abtreten.
SoleSurvivor: Sämtliche Bundestags- und Europaabgeordneten der PDS geben einen großen Anteil ihrer Abgeordnetenbezüge an die Partei bzw an gemeinnützige Träger ab Bei den Landtagsabgeordneten weiß ich es nicht, es wird aber nicht groß anders sein Bei uns finanziert zB ein Landtagsabgeordneter privat ein Jugendbüro mit Ausstattung Heizung, Internet-PC, Telefon, Möbel.
Harka: PDS-Abgeordnete geben auch schon lange einen Teil ihrer Diäten ab, eben damit sie sich nicht wegen des vielen Geldes schämen müssen.
 

An den Beispielen von Friedrich Engels, aber auch eingeschränkt von George Soros   sollte hier gezeigt werden (sh. Abschnitt 1), dass man durch eine sinnvolle Verwendung seines Vermögens gegen die Politik der Umverteilung nach oben für das Gemeinwohl mehr erreichen kann, als wenn man wie St. Martin seinen Mantel teilt. Am Beispiel von Buffett sollte deutlich werden, dass allein schon ein öffentliches Bekenntnis gegen die Umverteilung nach oben in dieser Hinsicht mehr bewirkt. Man muss von qualifizierten Politikern zwar ein überdurchschnittliches soziales Engagement gegen den Neoliberalismus erwarten, aber nicht, dass sie zugleich Heilige sind. Diese mögen sich fürs Seelenheil statt fürs Gemeinwohl auf unpolitische Brosamenverteilung mit erbaulichen Reden beschränken und den herrschenden Kleptokraten wohlgefällig sein.

Entsprechend den Aussagen im Politikforum heißt es in der Finanzordnung der PDS vom 6./7.10.01, lt. Internet-Veröffentlichung der Linkspartei vom 13.7.05:
 

3.4. Mitglieder von Parlaments- und Kommunalvertretungen mit PDS-Mandat sowie Wahlbeamte der Partei leisten neben ihren Mitgliedsbeiträgen gemäß Beitragsrichtlinie zusätzliche Zuwendungen als Spenden an die jeweilige Ebene der Partei. Die Spendenzahlung erfolgt in Übereinstimmung zwischen Vorständen und MandatsträgerInnen auf freiwilliger Basis.
 

Es soll hier nicht untersucht werden, ob man von den Kandidaten je nach Qualifikation und gewohntem Lebensstandard unterschiedlich hohe Spenden erwartet, um den nachgewiesenen Verdienstausfall ganz oder teilweise zu ersetzen. Die Abgeordnetenbezüge sind zwar üppig, besonders wenn man den sehr schnellen Aufbau von hohen Versorgungsansprüchen berücksichtigt. Aber ohne die "Beraterhonorare", "Aufsichtsratstantiemen" und sonstige Köder für Politiker in den Parteien der Neoliberalen können die einfachen Abgeordneten jedenfalls keine Reichtümer anhäufen. Dafür sind die Mandatsträger eines Linksbündnisses aber zum Glück nicht die geeigneten Ansprechpartner.

Andererseits werden  nebenher die Quoten  gemäß Abschnitt 4 des Linkspartei-Statuts auch dadurch abgesichert, dass diese Satzung in dem unmittelbar vorhergehenden Abschnitt 3 (2) nach Art aller übrigen Parteistatuten den folgenden Passus enthält:
 

Jedes Mitglied hat die Pflicht:
* die Grundsätze des Programms der Partei zu vertreten und das Statut einzuhalten;
* die statutengemäß gefassten Beschlüsse der Parteiorgane zu respektieren ...

Die Förderung der Gleichstellung der Mitglieder und die Verhinderung jeglicher Art von Diskriminierung bilden ein Grundprinzip des politischen Wirkens der Partei.
 

Man sieht an diesem parteienüblichen Maulkorb mit Genitivschachtelungen schon, dass die Mitgliedschaft eines kritischen Beobachters in einer Partei auch Nachteile haben kann, wenn sie sich nicht auf die (engagierte) ehrenamtliche und notfalls aufkündbare Mitarbeit beschränkt oder das Mitglied seine eigenen Vorstellungen in Programm und praktischer Politik ausreichend realisiert findet bzw. realisieren kann.

Man kommt so z.B. unmittelbar zu den sechs letzten halbwegs programmtreuen SPD-Politikern, die von ihrer neoliberale Parteimehrheit arg in die Zange genommen wurden (berlinonline.de, 11.10.03) und die der SPD-Fraktionschef Müntefering als die "feigen und kleinkarierten" Abweichler (nämlich Klaus Barthel, Horst Schmidbauer, Fritz Schösser, Rüdiger Veit, Sigrid Skarpelis-Sperk und Ottmar Schreiner, sh. zdf.de, 24.10.03) mit dem "weißen Fuß" (netzeitung.de, 27.9.03) bezeichnet hat. Von diesen sind bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 jedoch lediglich noch Schreiner, Barthel und Veit in den Bundestag gekommen. Sigrid Skarpelis-Sperk war 60 Jahre alt geworden und hat entnervt auf eine weitere Kandidatur verzichtet (sh. ihren offenen Brief vom 8.6.05). Horst Schmidbauer hatte ebenfalls das Rentenalter erreicht. Dafür ist allerdings als Schwergewicht mit sozialem Gewissen noch der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach durch Direktwahl hinzugekommen. Die Bestverdiener in der Fraktion und anderswo versuchen aber, ihn durch etliche Leichtgewichte mit wenig sozialem Gewissen zu neutralisieren und sich so vor einer weitergehenden Steuerfinanzierung der Sozialversicherungssysteme zu retten.


Das mussten auch Ottmar Schreiner und die wenigen verbleibenden Sozialdemokraten in der SPD bei ihrem Widerstand gegen die Umverteilung nach oben durch die Schröder-Clique bitter erfahren. Auf die Frage nach deren Repressionsversuchen sagte Schreiner:


Na ja, das ging soweit, dass nahe gelegt worden ist, auf das Mandat zu verzichten, auf das Bundestagsmandat.

Besonders unangenehm war die Häufigkeit von Fraktionssitzungen, dass in einer Sitzungswoche gleich mehrere Fraktionssitzungen anberaumt worden sind, die eindeutig zum Zwecke hatten, diejenigen, die bei dieser Frage nicht der Fraktionsmehrheit folgen wollten, doch noch in die Knie zu zwingen.
 

(Sh. "Wer nicht spurt, fliegt raus – Politiker unter Druck", TV-Magazin "Kontraste" (mit Video), rbb.de, 20.3.2008.)

Wer seinen Posten in der Partei am Ende nicht vor allem als gute Geldquelle mit möglichst niedrigen Steuern begreift, wer der   neoliberalen Ideologie und dem Zwang der fortbestehenden Schröder-Seilschaften standhält, der wird die Psychologie solcher Wandlungen z
um Neoliberalismus kaum nachvollziehen, so z.B. Ulrich Maurer (DIE LINKE) in einem Interview der Pforzheimer Zeitung vom 5.4.2007 über seine ehemalige Parteikollegin Ute Vogt (SPD):

Interviewer: Haben Sie einen Rat an Ute Vogt?
Maurer: Eigentlich den, den ich immer hatte. Ich habe ja bekanntlich mal sehr viel von ihr gehalten und habe sie kennengelernt als idealistische junge Frau. Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist auf der Strecke. Mein Rat damals wie heute: Sie muss sich um politische Substanz bemühen. Und das hat sie, glaube ich, nicht getan.


Auch Franz Müntefering ist dem Kanzler der Bosse schon so weit nachgefolgt, dass er nicht nur die wenigen verbleibenden Sozialdemokraten in seiner SPD als "feige und kleinkariert" bezeichnet (sh. oben). Er diffamiert auch noch das mittel- und langfristige sozialdemokratische Ziel einer humanen Gesellschaft als "Sozialromantik", weil er sonst keine Argumente mehr gegen das Linksbündnis hat. Müntefering:
 

Die betreiben nationale Sozialromantik und suchen sich populistische Positionen. So einfach macht die Sozialdemokratie es sich nicht. Links war nie sozialromantisch, sondern hatte immer mit der Realität des Lebens zu tun und ist aufs politische Gestalten ausgerichtet. Sozialdemokraten leben nicht auf Wolke 7.


(Sh. sein Interview mit der Berliner Zeitung vom 7.4.2007). Als "Sozialdemokrat" ohne sozialdemokratische Leitidee disqualifiziert er sich immer mehr für ein zukünftige Koalition der Linken, auch wenn man sein verständliches Bemühen um die Rettung seines Vereins vor der Abwanderung der restlichen Sozialdemokraten in Rechnung stellt.

Dieser Niedergang der SPD hat damit begonnen, dass der Kanzler der Bosse von den neoliberalen Medien hochgejubelt wurde als Garant für die Umverteilung nach oben gegen Lafontaine  Dazu Franz Müntefering in dem gleichen Interview:
 

Wir stehen in der Tradition der Schröderschen Regierungsjahre…
Dass den Wahlkampf 1998 Gerhard Schröder gemacht hat, war kein Zufall.
 

In der Tat war diese Manipulation kein Zufall, aber Franz Müntefering und die übrigen Hauptprofiteure in der SPD wollen nicht begreifen, dass es ein Verrat an der Sozialdemokratie war und dass Oskar Lafontaine als damaliger Finanzminister und neoliberal gemobbter Parteivorsitzender deshalb zurücktreten musste, wenn er nicht auch zum Verräter der Sozialdemokratie werden wollte.


Dennoch sollte eine so extreme Abkehr fast der gesamten Partei von ihrem eigenen Programm und ihren sozialdemokratischen Wurzeln kein Anlass für generelles Misstrauen gegenüber neuen Parteien sein. Die letzten sozialdemokratischen Politiker in der SPD wären sicher bei der WASG sehr willkommen, sollten es aber vielleicht doch noch etwas in der SPD aushalten, damit dieser Partei noch ein Funken Hoffnung bleibt. Dagegen hat der ehemalige SPD-Arbeits- und Sozialminister Rudolf Dressler gar keinen Einfluss mehr in der SPD, denn er wurde seinerzeit von der Schröder-Mannschaft weggelobt als Botschafter nach Israel wegen seines Festhaltens an der Sozialdemokratie. Insofern wäre es ein gutes und starkes Signal, wenn er sich jetzt
- nach seiner Rückkehr aus Israel -  beim Linksbündnis engagierte als heutiger Heimat der Sozialdemokraten.
 

Inzwischen schloss sich Rudolf Dressler der  "Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD" (AGSS) an. (Sh. Interview mit dem Mitbegründer Wolfgang Denia: "Wir sind eine programmatische Provokation", jungewelt.de, 4.4.2009, und "SPD-Flügelkämpfe - Wie Sozis die Sozis retten wollen", stern.de, 28.3.2009.) Demnach wurde die AGSS im März 2009 gegründet, um den Sozialdemokraten in der SPD wieder eine Stimme zu verschaffen. Bemerkenswert sind unter anderem folgende Antworten von Wolfgang Denia:
 

Warum trauen Sie sich erst jetzt aus der Deckung? Schließlich setzt die SPD im Zeichen der Finanzkrise gerade wieder auf mehr Staat und weniger Markt.
 

Das Krisenmanagement der Parteioberen ist weder überzeugend noch ausreichend. Mit ein bißchen Kurswechsel und der ein oder anderen marginalen Korrektur läßt sich verlorenes Vertrauen nicht zurückgewinnen. An der Basis erwartet man eine umfassende, kritische Analyse der Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit und ein grundlegendes Umdenken. Wer dagegen bei einem Absturz in der Wählergunst von über 40 auf 25 Prozent keine Ursachenforschung betreibt und schon bei einem Prozentpünktchen mehr behauptet, es gehe bergauf, der führt die ehemalige Volkspartei SPD in den Untergang.
 

Warum treten Sie nicht gleich zur Linkspartei über?
 

Mit einer noch schwächeren SPD und einer womöglich leicht stärkeren Linkspartei gibt es keinen Regierungs- und Politikwechsel. Wir müssen uns auf die eigene Programmatik besinnen, dann wird die SPD auch wieder zu Mehrheiten gelangen.

 

Diese Antwort scheint überzeugend. Wenn es den Sozialdemokraten in der SPD gelingt, endlich ihren abgewirtschafteten Schröder-Clan auch wieder zu Sozialdemokraten zu machen oder allmählich abzulösen, dann hat war ihr Ausharren in der SPD nicht umsonst.
 



Die obigen satzungsmäßigen Mitgliedspflichten der WASG UND Linkspartei mögen autoritär erscheinen, sind aber wohl ein notwendiges Strukturelement für den Zusammenhalt jeder Partei, also auch für die demokratischen Sozialisten, wenn die Satzungen und Programme tatsächlich demokratisch zustande kommen. Für die WASG und wohl auch für die PDS kann man dies voraussetzen. Insofern ist eine Solidaritätsklausel für das Verhalten nach innen und außen positiv zu sehen. In anderen Parteien haben die bestbezahlten Oberen und Wirtschaftsverbände sicher mehr als nur demokratische Einwirkungsmöglichkeiten,  sei es bei der Programmentwicklung oder beim Wählerbetrug durch Verrat an den Wahlprogrammen, z.B. in der Sozialpolitik.

Die Minorisierungsängste bestehen darin, dass vor allem die WASG-Mitglieder in bestimmten Landesverbänden eine Überstimmung durch die PDS-Mitglieder, also ihre Minorisierung (= hier "Verkleinerung" zur Minderheit) befürchten. Sie sagen mit Recht, dass sie schon längst in die PDS hätten eintreten können, wenn sie das gewollt hätten. Die bloße Umbenennung der PDS in Linkspartei sei noch keine Garantie für einen Politikwechsel. Die Politik der PDS nach der Wende mit vielen Altkadern schien ihnen nicht akzeptabel. Linkspartei-Vertreter der sozialen Marktwirtschaft wie Gregor Gysi,  Lothar Bisky, West-Import Bodo Ramelow usw. seien allein nicht imstande, den Kurs ihrer Partei zu bestimmen.

Diese Befürchtungen scheinen jedoch völlig unbegründet, wenn man sich das Wahlprogramm der Linkspartei anschaut (sh. oben). Mittlerweile bleibt die Linkspartei mit anvisierten 50 Prozent Spitzensteuersatz unnötigerweise sogar noch unter den Sätzen der CDU-FDP-Regierungen während der Wirtschaftwunderjahre von 53 und 56 Prozent - und noch weiter unter den skandinavischen Sätzen. Die unternehmerfreundlichen Äußerungen von Gregor Gysi könnten überkritische Betrachter schon zu der Frage führen, ob er als Unternehmer (freiberuflicher Anwalt) vielleicht schon in seinen Zugeständnissen für andere Unternehmer zu weit gehen würde. Aber anscheinend weiß er sehr wohl zu unterscheiden zwischen den bedrängten arbeitsplatzschaffenden kleinen und mittleren Unternehmen einerseits, und arbeitsplatzverlagernden Großkonzernen andererseits.

Gelegentlich können sich die Mitglieder das WASG und der Linkspartei aufgrund von Personalfragen nur schwer einigen, obwohl sie in ihrer politischen Zielsetzungen durchaus die gleiche Linie verfolgen. Naturgemäß gibt es in allen Parteien Gruppen, die sich um den Aufbau ihrer Organisation verdient gemacht haben und auch weiterhin ihren Einfluss gegenüber der jeweils anderen Gruppierung behalten möchten. Die FDP besteht seit dem Austritt von Ingrid Matthäus-Meier und anderen offenbar nur noch aus Neoliberalen.  Bei den Grünen führte ihr jahrelanger Prozess der Selbstfindung letzten Endes zur Minorisierung des linken Flügels und zur Entstehung einer zweiten Partei der Besserverdiener. Bei der SPD wurden die Sozialdemokraten einfach von den Schröders, Clements, Steinbrücks usw. untergebuttert. Ex-INSM-Kurator Wolfgang Clement machte sogar Hoffnung auf seinen SPD-Austritt bei ihrer "Annäherung an die Linke" (sh. welt.de, 20.12.07, und "Clement droht mit Parteiaustritt", welt.de,  21.12.2007, nachgetragen 23.12.07). - In der CDU findet man nach dem Abgang von Heiner Geißler und Norbert Blüm kaum noch eine Spur von christlich-sozialem Gewissen.

Im Linksbündnis ist dagegen die gemeinsame Linie des Kampfes gegen die Umverteilung nach oben klar bestimmt, aber die Personalfragen sind noch nicht abschließend geklärt. Das geht hin bis zum gegenseitigen Karrierismus-Verdacht bei Kommunalwahlen, auch wenn dort kaum etwas zu gewinnen ist und obwohl der Wille zur Übernahme von schlecht bezahlter politischer Verantwortung eher das Gegenteil von Karrierismus ist. Gewiss kann man sich dabei für andere Ämter profilieren. Aber der Erfolg im Linksbündnis dürfte auch stark von der glaubwürdigen Vertretung seines Programms abhängen. Allerdings mangelt es teilweise noch an der deutlichen Umsetzung dieser Linie durch die Linkspartei, wo sie ihre "Fundamentalopposition" aufgegeben hat und (als Alternative zu einer rein neoliberalen Regierung) eine Minderheit in einer Regierung mit der SPD geworden ist - wie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Dies führt naturgemäß zur Mitverantwortung für Kompromisse mit der neoliberalen SPD-CDU-Politik und zu  Verwerfungen mit der WASG. Aber auch ungeklärte Personalfragen können separate Wahlantritt von WASG-Teilgruppen auf regionaler Ebene zur Folge haben. Hilfreich ist das sicher nicht für ein gemeinsames Ziel, aber die Wähler gegen den Neoliberalismus sollten darin keinerlei Dramatik sehen und sich an die Gruppen halten, die ihre Interessen am besten vertreten können.

Eine realistische Einschätzung des Linksbündnisses in deutschen Medien, wird man kaum von neoliberalen Meinungsmachern finden, da sie schon von vornherein ihre Propagandisten richtig platziert haben. Das gilt für die Politik, für die Profiteure in den Verbänden und "wissenschaftlichen" Instituten sowie für die Söldner des Medienkapitals und des Medienproporzes. Zuweilen findet man aber solchen Realismus in ausländischen Medien. So schreibt z.B. der Tagesanzeiger Zürich:
 

Bisher haben die etablierten Parteien die Linkspartei wie eine Aussätzige behandelt. Immer, wenn es um Gespräche geht, betonen etablierte Parteivertreter, sie würden «mit allen demokratischen Parteien reden» und unterstreichen so, dass sie die Linkspartei nicht zu diesem Kreis zählen. Der deutsche Verfassungsschutz ging sogar soweit, Oskar Lafontaine zu überwachen, als ob der SPD-Veteran zum Verfassungsfeind geworden wäre, weil er bei einer Parteigründung mitgemacht hat…

Dieses immense Misstrauen gegenüber der Linken rührt aus der deutschen Geschichte. Letztlich misstrauen die Deutschen sich selbst noch immer. Die Erfahrung, dass zwei totalitäre Systeme auf deutschem Boden wurzelten, ist das Trauma deutscher Politik. Dabei hat der Antikommunismus im Westen ungebrochen Tradition über die Nazi-Ära hinweg. Die Abwehrreflexe des Kalten Krieges zählten zum eisernen Bestand der Bonner Republik, die Frontstaat und ausersehenes Schlachtfeld für den Atomkrieg in der Konfrontation zwischen Ost und West war. Das ist der Grund, weshalb noch heute in den alten Bundesländern viele bereits rot sehen, wenn die SPD es bloss wagt, den demokratischen Sozialismus als ihre «stolze Tradition» zu bezeichnen.
 

(Sh. "Wer hat Angst vor Oskar Lafontaine?", tagesanzeiger.ch, 25.2.2008.)

Die Überwachung von Oskar Lafontaine rührt allerdings nicht "aus der deutschen Geschichte", sondern aus deren Missbrauch für weitere Bespitzelungen, um mehr Material zur weiteren Diffamierung und Hetze gegen ihn zu finden (sh. hier Exkurs 4). Die Allergie der Neoliberalen gegen den "demokratische Sozialismus" der ehemaligen Sozialdemokraten und jetzigen Linken rührt lediglich daher, dass dieses Ideal die weitere Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen behindern würde.




3) Exkurs:
Kein Links-Debakel durch Migrationspolitik
nach dänischem Negativ-Beispiel



Bei der Umsetzung ihres Programms in der Migrationspolitik  (zum Asyl sh. dagegen weiter unten) müsste auch eine vereinigte Linke besonders auf die Qualifikation der Migranten und auf die Lage am Arbeitsmarkt achten, damit das Linksbündnis mit seinen wichtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen nicht ausgerechnet - wie die Sozialdemokraten in Dänemark - durch Kritik der Neoliberalen an ihrer Ausländerpolitik scheitert oder an sogenannten Volmer-Erlassen wie bei den Grünen. In Dänemark wurden die Sozialdemokraten deshalb zugunsten der Rechtsliberalen Ende 2001 abgewählt, obwohl sie die Arbeitslosenquote von mehr als 10% im Jahre 1993 kontinuierlich auf  4,3% in 2001 gesenkt hatten (Deutschland in 2001: 7,4%) - (sh. "DÄNEMARK - Platz zum Atmen", DER SPIEGEL 48/2001, S. 186, sowie "Fogh, Mann des Jahres", nordschleswiger.dk, 28.12.01, und  ARBEITSLOSENQUOTEN, wko.at, Stand 8.1.06).  Man muss es nicht allen recht machen, auch nicht den bestens Bestallten, die ihr humanitäres Selbstwertgefühl auf Kosten anderer pflegen oder sich mit einer "Reichensteuer" für Jahreseinkünfte über 250.000/500.000 Euro vor ihrer eigenen Beteiligung an den Folgen ihrer Politik drücken wollen. (Zur Abwahl der dänischen Linken im Jahre 2001 sh. weiter unten.)

Derweil blockieren sie die Ausweisung von Hass- und Gewaltpredigern, die ihren Märtyrer-Zöglingen 72 Jungfrauen versprechen, wenn sie als Selbstmordattentäter mit Sprengsätzen beinahe täglich "mitten in eine Menge wartender Gelegenheitsarbeiter" fahren (sh. "Anschläge im Irak...", tagesschau.de, 12.12.06) oder arglose Berufspendler in westlichen Ländern umbringen. Ansonsten achten solche Kidnapper des Islams jedoch auf strengste Sexualrepression  wie die "christlichen" Schwinger der Todsünden-Keule zur Gängelung und Ablenkung von den wahren Problemen. Unsere neoliberalen Schein-Humanisten haben aber anscheinend auch ein Herz für Schleuser und ausländischen Extremisten, weil sie nach ihrer falsch verstandenen Schickimicki-Multikulti-Ideologie erst die Attentate abwarten müssen:
 

Etwa dreihundert von rund 30.000 in Deutschland lebenden Islamisten sind derzeit als "brandgefährlich" eingestuft – so gefährlich jedenfalls, dass ihnen jederzeit Terroranschläge zugetraut werden,
 

sh. Udo Ulfkotte: "Der islamistische Vielflieger, der nach dem Weg ins Cockpit fragte", netzeitung.de, 6.9.04. (Ebenso ermutigen die Pseudo-Linken auch Nazischläger mit viel zu milden Strafen zur Steigerung ihrer Gewalttaten und ereifern sich mehr über Lafontaines Verständnis für die illegale Gewalt-Androhung gegen habgierige Erpresser zum Auffinden ihrer Opfer - im Fall des ermordeten 11jährigen "Jakob von Metzler" - als über den Tod dieser Opfer.)

Auch die verhinderten jugendlichen Kofferbomber aus dem Libanon haben sich nicht nur dort und durch Terror-Seiten im Internet mächtig aufhetzen lassen. Sie wurden auch noch durch Hassprediger in Deutschland in ihrer Mordlust bestärkt, um nach dem Wiederabdruck der dänischen Mohammed-Karikaturen in Deutschland nicht wegen Untätigkeit "in die Hölle" zu kommen (sh. "Die Kofferbomber - Terrorziel Bahn", Film von Thomas Berndt, Stefan Buchen und Michael Cordero (2006)", phoenix.de, Wiederholung am 24.1.07. Leider sind in dem Video- und PDF-Ausschnitt bei Panorama vom 9.11.06 die weiteren Verhetzungen der Attentäter in Deutschland nicht enthalten - sh. PANORAMA: "So viele Tote wie möglich - Geständnis eines Kofferbombers", und evt. "Die Kofferbomber - Terrorziel Bahn", am 19.2.07, 18 Uhr, bei 3sat).

Die Problematik der legal eingebürgerten Islamisten wurde z.B. deutlich durch die TV-Dokumentation von Gert Monheim: "Der Gotteskrieger und seine Frau", daserste.de, 26.2.07.
Der ägyptische "Gotteskrieger" Reda Seyam wollte zunächst nach seinem Mathematik-Studium in Ägypten eine entsprechende Arbeit in Deutschland  finden. Kurz vor Ablauf seines deutschen Visums wurde er durch Heirat mit einer Deutschen eingebürgert und war gut eingegliedert.  Bald entwickelte er sich jedoch durch den Einfluss eines Hasspredigers mit entsprechendem Umfeld allmählich selbst zum "Gotteskrieger", zunächst im Ansatz noch nachvollziehbar wegen der "Ethnischen Säuberungen" der Serben gegen die muslimischen Bosniaken, dann aber als mutmaßlicher Terror-Beteiligter in Indonesien und jetzt als bekennender Befürworter des Taliban-Regimes in Afghanistan sowie der Gewalt gegen alles, was die Ausbreitung seines Islamismus behindert. Nach den Vorfällen in Indonesien und internen Informationen zum 11. September 2001 trennte sich seine deutsche Frau von ihm und wurde vom Bundeskriminalamt in ein fragwürdiges Zeugen-Schutz-Programm gedrängt. Inzwischen lebt ihr Ex-Mann mit seiner zweiten (albanischstämmigen) Frau und ihren sechs Kindern von angeblich 2300 Euro Arbeitslosengeld in Berlin. Hinzu kommen die wesentlich höheren Kosten für seine behördliche Terrorismus-Überwachung rund um die Uhr. (Laut Hartz-IV-Rechner von Norbert Heydorn müsste der Betrag bei der großen Familie wohl deutlich über den 2.300 Euro liegen. - Siehe in dem Film auch, wie die wirtschaftliche Existenz und Sicherheitslage seiner arglosen deutschen Exfrau ruiniert wurde durch sein "Gotteskriegertum" und das Bundeskriminalamt.) Seinen jüngsten Sohn hat er stolz "Dschihad" genannt, so dass dessen spätere Berufschancen in Deutschland allein schon durch diesen Terrorismus-Anklang beeinträchtigt werden. Aber vielleicht soll der Kleine mit der islamistischen Indoktrination durch seinen Vater ("Religionsunterricht") ohnehin ebenfalls "Gotteskrieger" werden.  - Zum opportunistischen und möglicherweise tödlichen Leichtsinn deutscher Politiker siehe z.B.  auch "Islam-Import - Ein Imam kommt nach Deutschland", ndr.de, 4.2.07.

Mittlerweile will hat auch die Bürokratie-freudige und bestbezahlte Justizministerin Zypries (SPD) einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Teilnahme an Terrorcamps ausarbeiten lassen. Voraussetzung für die Verfolgung ist aber die kaum erfüllbare zusätzliche Bedingung, dass den zukünftigen Terroristen schon vor ihrem Terror-Anschlag die Absicht dazu nachgewiesen werden kann (sh. "Bosbach kritisiert Pläne zur Strafbarkeit des Terrortrainings", pr-inside.com, 21.4.2004). Insofern handelt es sich bei diesem weiteren aktionistischen Gesetzes-Monstrum lediglich um eine Absicherung zugunsten der Terror-Touristen.


Ein Markstein gegen Denkschablonen in der Islam-Debatte ist der neu gegründete Zentralrat der Ex-Muslime mit seinen mutigen Vorsitzenden, der iranstämmigen Mina Ahadi und der türkischstämmigen Arzu Toker. Diese sagte zur Gründung im Februar 2007: "Islamkritiker konnten früher aufgrund vermeintlicher Ausländerhetze leicht in die rechte Ecke gedrängt werden. Nach der Gründung des Zentralrats wird dies so einfach nicht mehr möglich sein." Sie wenden sich gegen die generelle Unterdrückung muslimischer Frauen durch den Islam. Insbesondere geht es ihnen um Enttabuisierung sowohl unter den Muslimen als auch unter den Deutschen. Es geht ihnen aber auch um einen Protest gegen das Schüren von Jenseitsangst als Unterdrückungs- und Aufhetzungsinstrument in den Händen der "religiösen" Meinungsmacher, seien es Muslime, Christen, Hindus oder was auch sonst. Die beiden Vorsitzenden haben erwartungsgemäß bereits Todesdrohungen von Islamisten in Deutschland erhalten. Ihnen war klar, dass bereits mehrere Deutschtürkinnen für ähnliches Engagement mit solchen Drohungen leben mussten, so z.B. die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz durch ihren Aufruf gegen das Kopftuch und die Anwältin Seyran Ateş mit ihrer Unterstützung für deutschtürkische Frauen, von denen bereits eine in ihrer Kanzlei erschossen wurde. Dabei erlitt Frau Ateş selbst Schussverletzungen.  

Die Islamisten, zusammen mit
Islamrat und  Milli Görüş, betrachten das Kopftuch und die Ideologietreue ihrer Frauen dagegen als Zeichen für deren "demokratische" Freiheit der (oftmals aufgezwungenen) Meinung. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass im "christlichen" Abendland und in der Türkei die Frauen ihr Wahlrecht auch erst im Laufe des 20. Jahrhunderts erhalten haben (Deutschland nach dem Sturz des Kaisers im Jahre 1918, Türkei mit Atatürk 1930, Frankreich nach der alliierten Befreiung 1946, Alpenparadies Schweiz 1971/1990. Es folgten - nicht ohne Druck von außen - Afghanistan 2003 und Kuwait 2005, sh. Wikipedia: Frauenwahlrecht). Das Kopftuch für Frauen wird im Christentum heute zwar nur noch bei Papstaudienz erwartet, aber in früheren Jahrhunderten galt noch die Bibelstelle: "Ein Weib aber, das da betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt", aus 1. Korinther 11:5 (sh. Wikipedia: Kopftuch).

Ein Beispiel für die fatale Schwächung der Linken durch die Pseudolinken ist, dass rechtzeitige Maßnahmen gegen islamistische Hassprediger und Attentate nur von "Recht(s)denkenden"  vorgeschlagen werden, die ansonsten das soziale Gewissen nur zum Schein vor sich hertragen:
 

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte, in Deutschland lebende Muslime müßten bereits dann abgeschoben werden können, wenn sie eine der Verfassung widersprechende Gesinnung propagieren...
Die allermeisten Muslime in Deutschland seien "sympathisch und friedlich", sagte Beckstein der "Welt am Sonntag". Ihre Radikalisierung müsse aber entschlossener verhindert werden. Deshalb reiche es nicht, Haßprediger abzuschieben. "Vielmehr müssen wir an alle islamistischen Gegner der Verfassung heran", sagte der CSU-Politiker,
 

sh. "Beckstein fordert Gesinnungstest für Zuwanderer - Union will härteren Kurs gegen Islamisten", welt.de, 17.7.05, und die unsägliche Vorstellung, die Beckstein am 1.6.2008 bei Anne Will gegen Oskar Lafontaine geboten hat.

Auf die berechtigten Forderungen der Rechten reagieren die Pseudolinken (hier von der "Radieschen-FDP") und Produzenten von laxen Einreise-Bestimmungen nach Art des gescheiterten Volmer-Erlasses lediglich mit der Entstellung der Aussage, um auf einen Popanz einzuschlagen und so von ihrer selbstgefälligen Blockade notwendiger Terrorismus-Vorbeugung abzulenken:
 

Die Vorschläge des bayerischen Innenministers Beckstein zur Unterwanderung aller deutschen Moscheen sind verheerend. Er stellt damit alle Moslems unter Generalverdacht. Wir dagegen sagen, dass man die Balance von Sicherheit und Freiheit wahren muss. Hassprediger müssen bestraft werden. Wir brauchen auch mehr Polizisten mit interkulturellem Hintergrund. Aber man kann nicht die Moscheen pauschal zur Brutstätte der Gefahr erklären. Das sind Argumente, die Sie so von keiner anderen Partei hören,
 

sh. "Grünen-Chefin Roth über das Regieren und Opponieren", Berliner Zeitung, 15.7.05. Ihr angebliches Linkssein besteht lediglich in solchen Ablenkungsmanövern von ihrer Umverteilungspolitik, von der vor allem sie sowie die übrigen Meinungsmacher und Bestverdiener  profitieren. Um diese Ablenkung zu verstärken, scheuen sie auch selbst vor Hasspredigten nicht zurück:
 

Der Begriff "Hassprediger" hatte sich im deutschen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit der Abschiebung des "Kalifen von Köln", Metin Kaplan, im Mai vorigen Jahres eingebürgert. Seither wird er überwiegend für islamische Geistliche verwendet, die in ihren Moscheen zu Gewalttaten gegen Andersgläubige aufrufen. In der politischen Auseinandersetzung wurde er erstmals von den Grünen-Politikern Claudia Roth und Volker Beck benutzt. Im Streit um das Zuwanderungsgesetz bezeichneten sie den bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) als "Hassprediger", den CDU-Chefin Angela Merkel für die Dauer der Verhandlungen "in verbale Sicherungshaft" nehmen müsse,
 

sh. "SPD dämpft Hass auf Lafontaine", taz.de, 19.7.05. >Auch ansonsten tun sich solche "Wohltäter" auf Kosten der Umverteilungsopfer gern hervor mit starken Worten wie "Zwangsgermanisierung" gegen Lehrer, die an Schulen mit extrem hohem gemischten Ausländeranteil die Verwendung der deutschen Sprache weitgehend durchgesetzt haben, auch auf dem Schulhof, mit großem Sprachkompetenz-Fortschritt für die Schüler und zur großen Zufriedenheit ihrer Eltern, (sh. "DEUTSCHPFLICHT AN BERLINER SCHULE – 'Unsere Konfliktlotsen sind arbeitslos'", spiegel.de, 5.6.2007). Zumindest hatten Claudia Roth und ihre Gesinnungsfreunde die Unterstützung von neokonservativen Blättern des türkischen Medienkapitals wie der Hürriyet des Medienmoguls Aydın Doğan. Die engagierte türkische Rechtsanwältin Seyran Ateş bezeichnete diese selbstgefällige Anbiederung an die falsch verstandenen Interessen von Ausländern  ironisch als Rassismus im umgekehrten Sinn – mit Hinweis auf die beliebte Rassismus-Keule solcher Pseudo-Linken (in der "Talk-Show" "Cohn-Bendit trifft…",  terranova.de, 13.6.2007).


Selbst vereinzelte Stimmen aus der Linkspartei und einzelne kritische Journalisten ließen sich einspannen mit  scharfer Kritik an Lafontaine, so auch Petra Pau, weil  man ihm keine großzügige Einwanderungspolitik nach dem Vorbild der daran gescheiterten dänischen Sozialdemokraten (sh. oben) zutraut und ihm daher "Abschottungspolitik" vorwirft sh. "Oskar ante portas - wie links ist die Linkspartei?", WDR-Monitor, 11.8.05.
 
Aber die große Hetzjagd der Meinungsmacher gegen Lafontaine und die Verwendung des Begriffs "Hassprediger" gegen ihn nimmt weit mehr persönliche Gefährdung kalkuliert in Kauf als im Falle der oft ignorierten Mahnungen von Günther Beckstein.

Wenn man die islamistischen Gruppen durch verfassungstreue oder gar verfassungspatriotische Muslims näher anschauen lässt, dann wird man schon einige wenige Nester mit Kreuzzugspredigern finden, die das volle Interesse verdienen. Die übrigen Muslime hierzulande sind selbst durch den Terror bedroht. Sie dürften ein Eigeninteresse daran haben, dass der Islam nicht durch Islamisten gekapert wird. Dazu wäre es nötig, dass sie von sich aus eingeschleuste oder aufgewiegelte Hassprediger aufspüren und Hinweise geben, die weitere Maßnahmen ermöglichen, denn selbst werden sie kaum eine Aussage vor Gericht riskieren. Der Laizismus sollte z.B. echten Kemalisten nicht schwer fallen, denn sie treten in der Türkei (und wohl auch in Deutschland) sogar für das Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen ein, was wegen der fortdauernden starken islamistischen Strömungen in der Türkei auch leichter zu begründen ist.

Aber es gibt auch etliche arabischstämmige Moslems, die - wie z.B. Bassam Tibi - gewiss für richtig verstandenen Multikulturalismus eintreten, die jedoch mit dem Schickimicki-Multikulti unserer Pseudolinken nichts im Sinn haben. - Der mörderische Hass der islamistischen Kreuzzugsprediger wird teilweise auch durch eine imperialistische Selbstbedienung und Parasitismusförderung der USA und ihrer Verbündeten geschürt. Dies geschieht seit dem Kalten Krieg bis heute, z.B. durch den Land- und Wasserraub Israels in den mit Mauern und Schlagbäumen zerstückelten Palästinensergebieten (sh. unter anderem die Artikel von Uri Avnery , das Buch von  Felicia Langer: "Die Entrechtung der Palästinenser", uni-kassel.de, und z.B. den Bericht "Alltägliche Gewalt in Hebron" von Sebastian Engelbrecht über Ismail Adra, DLF 22.5.2007, per Audio, 7:51 bis 7:57 Uhr). Solche Provokationen können aber nicht im entferntesten als Entschuldigung gelten für Attentate auf völlig unbeteiligte Ersatzopfer und Mitempfindende
auch wenn "Teilnahmslosigkeit" gegenüber den scheinbar "Fernsten" nicht von der Mitschuld befreit (sh. hier Dritte_Welt.htm). Die Barbareien sind auch keine Rechtfertigung für die hysterische Massenindoktrinierung und Gehirnwäsche gegen solche  Unbeteiligten und für den Terrorismus-Drill in Koranschulen - schon bei den billig geköderten und skrupellos manipulierten Kleinsten. Dies gilt auch für die verbreitete klammheimliche Freude über unschuldige Attentatsopfer.

Der Land- und Wasserraub ist aber zwar  keine Rechtfertigung für den Angriff auf das Existenzrecht Israels mit den Ressourcen in den Grenzen der "Grünen Linie"
(sh. hier Land-_und_Wasserraub.htm), die von den Palästinensern gezwungenermaßen großzügig anerkannt wurden und als Grenzen für deren zukünftigen Staat zu sehen sind (sh. auch Wikipedia: "Israelische Sperranlagen"). Der so geschürte Hass in der arabischen Welt gegen Israel und die westlichen Unterstützer des Unrechts hat sich aber selbst in Spanien, Frankreich und anderswo gegen völlig unbeteiligte Passanten entladen.

Auch in Deutschland gibt es Hassprediger, die man nicht frei herumlaufen lassen kann und die gegen eine Abschiebung prozessieren, weil sie in ihren Heimatländern angeblich oder tatsächlich menschenrechtswidrig verfolgt werden.  Für solche Hassprediger ist ein Verbleib in Deutschland mit Sicherungsverwahrung besonders schwer vermittelbar, zumal durch den Verzicht auf Abschiebung auch noch Unterbringungskosten zu Lasten des Steuerzahlers entstehen. Dazu Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach:
 

Die Maßnahme der Sicherungshaft ziele nicht auf "Tausende", sondern auf einige Dutzend Ausländer, sagte Bosbach. Es gebe Personen, von denen eine besondere Gefahr ausgehe und die ausreisepflichtig seien, die aber nicht abgeschoben werden könnten, weil entweder tatsächliche oder rechtliche Abschiebehindernisse bestünden. Wenn etwa in ihrem Heimatland Folter oder Todesstrafe drohe, sei eine Abschiebung nicht möglich. "Dann steht der Staat vor der unangenehmen Alternative, sie frei herumlaufen lassen zu müssen", fügte Bosbach hinzu. Die gegen die Sicherungshaft geäußerten Bedenken, etwa von Seiten der FDP und Grünen, seien nicht stichhaltig,
 

sh. "Union will Schilys Sicherungshaft durchsetzen", welt.de, 5.8.2005. Die Bedenken der FDP und Grünen beziehen sich natürlich nicht auf die Unterbringungskosten, sondern auf eine Verletzung des humanen Umgangs mit den Hass- und Mordpredigern, den gerade auch diese Parteien bei den Hartz-IV-Opfern ihrer Umverteilung in die eigenen Taschen so sehr vermissen lassen. Aber die Kosten für die Sicherungsverwahrung von "einigen Dutzend" Hasspredigern und ihren abgerichteten "Märtyrern"  sind völlig vernachlässigbar, wenn  dadurch deren Rückkehr aus der Abschiebung und Attentate mit Hunderten von Toten und Verletzten vermieden werden können. Bundesinnenminister Schily beschreibt das Problem so:
 

Schily: Zum Beispiel: Wir wissen, dass eine Person in einem Ausbildungslager in Afghanistan war, wir wissen, dass sie Verbindungen zu Bin Laden hat, das reicht meist noch nicht für ein Ermittlungsverfahren...
 

sh. sein Interview "Einsperren zur Vorbeugung - wenn tödliche Gefahr droht", SZ, 3.8.05. Schily betont, dass gegen die "vorübergehende Freiheitsbeschränkung" mangels Abschiebemöglichkeit alle Rechtsmittel offen stehen würden, und fragt: "Haben Sie eine andere Lösung?".  Man sollte von seinen Gegnern zumindest erwarten, dass sie sich mit dieser Frage und der tatsächlichen Problemlage ernsthaft auseinandersetzen, statt immer nur bequem auf einen Popanz einzuschlagen und dadurch den Erfolg im Kampf gegen die Umverteilung nach oben und für eine humanere Gesellschaft zu gefährden. Ansätze zur ernsthaften und kritischen Prüfung der Vorschläge von Schily und von rechts finden sich in dem Artikel von Christian Rath: "Union will präventive Sicherungshaft", taz.de, 6.8.05.


Dagegen sind echte Asylbewerber angemessen aufzunehmen. Deren Qualifikation oder überdurchschnittliche Qualifikationsbereitschaft (z.B. beim Spracherwerb - mit oder ohne Akzentkolorit) dürfte in der Regel gegeben sein, so dass sie und ihre Kinder auch wirtschaftlich integrationsfähig sind. Extremistische Gewalt gegen unschuldige Opfer ist mit ihrem Asylstatus nicht vereinbar. Dazu bringen viele von ihnen auch noch  ansonsten seltene Charaktereigenschaften  mit wie mutigen Widerstand gegen das soziale Unrecht und gegen die Kleptokraten-Regime ohne Rücksicht auf ihre eigene Karriere, also Eigenschaften, die in der deutschen Schickimicki-Multikulti-Szene eher selten sind.

Diese Selbstdarsteller auf Kosten anderer wenden sich zwar einerseits gegen die sprachliche und soziale Isolierung von zwangsverheirateten Ehefrauen ohne ausreichende Deutschkenntnisse und die daraus folgende Ghettoisierung vieler Kinder. Sie sind auch öffentlich entsetzt über die teilweise spätere Radikalisierung dieser chancenlosen Kinder wie z.B. in Großbritannien, den Niederlanden und zunehmend auch in Frankreich. Andererseits tun sie sich aber gern damit hervor, dass ihnen die Heraufsetzung des Nachzugsalters für Ehepartnerinnen von 16 auf 18 Jahre und die Voraussetzung von ausreichenden Deutschkenntnissen als Integrationsgrundlage schon "unmenschlich" erscheinen (sh. "Kritik am Kompromiss beim Bleiberecht – 'Skandalös', 'unmenschlich', 'gnadenlos'", tagesschau.de, 13.3.07, mit Bildern von Claudia Roth, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Petra Pau, wobei man allerdings Petra Pau recht geben muss, wenn sie in bezug auf die bereits eingereisten Immigranten für die unverschuldete Dauer ihrer Status-Klärung kritisiert, "dass geduldete Ausländer in einigen Bundesländern künftig nur noch Sachleistungen erhalten sollen. Damit könnten sie sich nicht einmal mehr eine Fahrkarte kaufen, um sich eine Arbeit zu suchen.") Bemerkenswert ist auch, dass ausgerechnet die schlagkräftigsten Lobbyisten für die Umverteilung nach oben hier ihr Feigenblatt finden:
 

Für FDP-Fraktions-Vize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist nicht nachvollziehbar, dass das Nachzugsalter für Familienangehörige auf 18 Jahre heraufgesetzt wird. "Skandalös und ungeheuerlich" sei zudem die geplante erleichterte Abschiebung straffälliger ausländischer Jugendlicher, sagte sie der "Netzeitung".
 

(Sh. ebenda). Auch die Einbürgerung von Jugendlichen in die Sozialsysteme und in die teuren deutschen Gefängnisse wollen die großzügigen Umverteiler von der  FDP trotz ihrer endlosen Steuergeschenke für sich selbst und die übrigen "Bestverdiener" von den übrigen finanzieren lassen:
 

Schlichtweg «skandalös» sei zudem, dass junge Menschen wohl ab dem 23. Lebensjahr erst eine Arbeit nachweisen müssten, um eingebürgert werden zu können. Als ebenfalls «skandalös und ungeheuerlich» bezeichnete die FDP-Politikerin [Leutheusser-Schnarrenberger] die geplante erleichterte Abschiebung straffälliger ausländischer Jugendlicher.


(Sh. "FDP findet Bleiberechts-Kompromiss skandalös", netzeitung.de, 13.3.2007, Klammerzusatz vom Verfasser.)

Zum Nachzugsalter gemäß EU-Richtlinie heißt es im NEWSLETTER Ausgabe 1, Februar 2006, bei migration-info.de:
 

Deutschland: Verschärfung des Ausländerrechts durch Umsetzung von EU-Richtlinien

Vor dem Hintergrund der Umsetzung von elf EU-Richtlinien in nationales Recht plant die Bundesregierung eine Änderung verschiedener ausländerrechtlicher Bestimmungen. Schwerpunkt der Reformen ist es, Zwangsehen, Prostitution und Schleusungen zu erschweren. Ein entsprechender Gesetzesentwurf mit Änderungen im Ausländer-, Aufenthalts- und Asylrecht liegt bereits vor.
 

Um "junge Ausländer vor Zwangsehen zu schützen" beinhaltet der Entwurf eine Anhebung der Altersgrenze beim Ehegattennachzug auf 21 Jahre. Zudem müssen nachziehende Ehepartner vor ihrer Einreise nach Deutschland ausreichende Deutsch-Kenntnisse vorweisen…

Die Altersgrenze beim Ehegattennachzug wurde in Dänemark bereits angehoben (vgl. MuB 6/02). In den Niederlanden ist ein Vorstoß, den Nachzug an den Nachweis von Sprachkenntnissen zu knüpfen, noch im Gesetzgebungsverfahren. Auch der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte bereits eine Erhöhung der Altersgrenze vorgeschlagen, konnte sich aber innerhalb der rot-grünen Koalition nicht durchsetzen.
 

Mit dem zitierten Artikel MuB 6/02 kommt man dem Kern der Sache näher:
 

Dänemark: Verschärfung des Ausländerrechts

Das dänische Parlament beschloss am 31. Mai dieses Jahres eine Verschärfung des Ausländerrechts. Die neuen Regelungen traten am 1. Juli 2002 in Kraft. Damit löste die seit Ende 2001 amtierende konservativ-rechtsliberale Koalitionsregierung von Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen (Rechtsliberale) eines ihrer zentralen Wahlversprechen ein (vgl. MuB 2/02). Neben den Regierungsparteien, die im Parlament über keine eigene Mehrheit verfügen, stimmte auch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei unter Führung von Pia Kjaersgaard für das neue Gesetz.

Das neue Ausländergesetz beinhaltet eine erhebliche Erschwerung der Familienzusammenführung. Vor dem In-Kraft-Treten der Gesetzesnovelle gab es ein grundsätzliches Recht auf Nachzug eines ausländischen Ehepartners. Künftig wird jeder Antrag individuell behandelt. Ferner schließt das neue Gesetz eine Zusammenführung von Ehepartnern im Alter von unter 24 Jahren aus. Mit dieser Maßnahme will die Regierung arrangierten Ehen entgegentreten…Zusätzlich muss der in Dänemark ansässige Partner über eine bestimmte Einkommenshöhe und ausreichend Wohnraum verfügen sowie eine Bankgarantie in Höhe von 7.000 Euro vorlegen. Das Nachzugsrecht für im Ausland lebende Eltern, die das 60. Lebensjahr erreicht haben, wurde abgeschafft.
 

Die Ankündigung genau dieser Maßnahmen hat im Jahr 2001 dazu geführt, dass die dänische Linke mit ihrer sozialen Politik abdanken musste zugunsten der liberal-konservativen Regierung von Anders Fogh Rasmussen. Vorläufig hat die neue Regierung aber den Spitzensteuersatz bei 59 Prozent gelassen und die soziale Politik nicht wesentlich zurechtstutzen können, weil sich die dänische Wählerschaft ihr soziales Gewissen bewahrt hat und bei weitem nicht so zum Opfer neoliberaler Manipulation geworden ist wie z.B. die Wähler in Deutschland, Italien oder gar den USA.


Die starken Worten von Claudia Roth und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ("absolutes Trauerspiel" und "skandalös", sh. oben) mit Vorwürfen der Rechtsabweichung gegen das deutsche Linksbündnis können sich nur auf die asoziale Umverteilungspolitik jener beiden "Parteien der Besserverdiener" beziehen (sh. rossaepfel-theorie.de). Das Linksbündnis reagiert zu Recht allergischer als andere und normalerweise mit Ausschluss, wenn es merkt, dass ein Mitglied in der rechten Szene aufgefallen ist. Abgesehen von einer Parteimitgliedschaft und ihren Einflussmöglichkeiten müsste es aber doch möglich sein, mit einer ehrlichen Politik gegen den asozialen neoliberalen Trend einige Mitläufer der  "schwarz-weiß-roten Fahnenschwenker" (sh. taz.de, 16.6.2005)  unter die Fahne der Vernunft zu bringen,  statt sie mit einer gewissen Arroganz in den dumpfen nationalistischen und rassistischen Einflussbereich zu drängen oder mit Kahlschlagsprogrammen aufzubringen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Mitläufer nicht an brauner Gewalt beteiligt waren oder sie billigend in Kauf genommen haben - wie viele gewendete braune Staatsträger und "christliche" Parteimitglieder in der Adenauer-Zeit.

Tatsächlich schickte die NPD einige Spione in die WASG, weil sie fürchtet, dass das Linksbündnis in der Lage wäre - bei allem berechtigten Volkszorn über die schamlose Umverteilung nach oben - doch noch "den Einzug der NPD in den Bundestag zu verhindern" (sh. Peter Nowak: "Lechts oder Rinks", TELEPOLIS, 28.6.05; hier könnte man das Ernst-Jandl-Zitat in der Überschrift  auch noch vervollständigen: "Manche meinen/lechts und rinks/ kann man nicht velwechsern/werch ein Illtum", jedenfalls seit dem Wegmobben Lafontaines durch die Neoliberalen bis zur Entstehung des Linksbündnisses. Siehe dazu auch die Erklärung von Gregor Gysi in dem Artikel von Florian Güßgen: "Der Beckenbauer der Linken läuft sich warm", stern.de, 27.7.05). Dabei ist von den Rechtsradikalen noch weniger soziales Gewissen zu erwarten als von den übrigen Rechten, den rechtsgewendeten "Sozialdemokraten"  oder gar den "Liberalen". So sagte beispielsweise Udo Pastörs, NPD-Vorsitzender im Landtag des leicht braun eingetrübten Mecklenburg-Vorpommern:
 

Unser erstes Augenmerk hat dem Gesunden und Starken zu gelten. Dieses ist zuallererst zu fördern und zu unterstützen.
Das ist keine Selektion, sondern einfache Logik. Denn wenn das Gesunde und Starke durch mangelnde Förderung irgendwann nicht mehr entsprechende Leistungen erbringen kann, dann ist es auch mit der Unterstützung der Benachteiligten aus.
 

(Sh. "Redemanuskript von Udo Pastörs, Rede gehalten in der 11. Landessitzung am 31.1.07", npd-fraktion-mv.de, Stand 27.2.07.) Dies entspricht ziemlich genau der rechtslastigen neoliberalen "Logik" nach dem Motto hier im Eingangszitat von Abschnitt 1: "Wenn man den Pferden genug Hafer gibt, kommt am Ende auch etwas als Futter für die Spatzen heraus" (John Kenneth Galbraith).
 

Da die Sensibilität der Linken gegenüber rechtsradikalen Strömungen wesentlich ausgeprägter ist als bei den Rechten (sh. oben), haben Unterwanderungsversuche durch die unverbesserlichen braunen Minderheiten ohnehin keine Chance. Dazu Oskar Lafontaine:
 

Wir dürfen das Thema Schutz vor Billiglohnkonkurrenz nicht der NPD überlassen. Die NPD hat Probleme, wenn eine linke Partei konsequent Arbeitnehmerrechte vertritt. Das ist gewollt. Ich bin als einer der ersten für ein modernes Staatsbürgerrecht eingetreten, das nichts mit deutschem Blut zu tun hat, ich habe schon vor 20 Jahren die Aussiedlerzuwanderung kritisiert. Dafür wurde ich als antideutsch gebrandmarkt. Jetzt soll ich ein deutschnationaler Populist sein. Das ist einfach nur lächerlich,
 

sh. STERN 27, 2005, S. 42, auszugsweise vorab in: "Lafontaine umwirbt die SPD", spiegel.de, 29.6.2005. Am selben Tag konnte der Chef des Forsa-Instituts Manfred Güllner nicht umhin, für seine Auftraggeber STERN und RTL einen neuerlichen  Stimmenzuwachs auf 11% für das geplante Linksbündnis zu melden,  trotz seiner üblichen Unterstellungen gegen Links (d.h. links von der SPD) und besonders gegen Lafontaine. Nun sieht man  nicht nur irritierte Alibi-Aktionen bei den etablierten Parteien, sondern hier vielleicht auch die ersten Anzeichen für eine SPIEGEL-Berichterstattung über Lafontaine ohne die sonst übliche Polemik und die Unterstellungen der bestbezahlten Meinungsmacher gegen ihn.

Überhaupt können die extremen Egoisten unter den Meinungsmachern wie in allen Lebensbereichen sich kaum vorstellen, dass jemand anders als aus niederen Beweggründen handeln kann, wenn er ihnen ihre Beute streitig macht. Aber Lafontaine muss und soll kein Heiliger sein, zumal bei solchen Gegnern.







4) Exkurs: "Fremdarbeiter"-Kampagne
gegen Lafontaine und weitere Diffamierungen


Wenige Tage nach der beschriebenen "stilvollen" Inszenierung bei Christiansen, wo nun plötzlich ausgerechnet die Linken auf Wunsch von Rechts als "nationale Sozialisten" gelten sollten, wurde diese Richtung in den Medien fortgesetzt ("Lafontaine 'Nazi-Jargon' bezichtigt", "Eine Schande",  FOCUS, 16.6.05, nach einer BILD-Meldung vom selben Tage) mit einem entsprechenden Zitat aus der entlarvenden SPD-Diffamierungskampagne gegen Lafontaine.

Er hatte auf der mächtigen Demonstration in Chemnitz vom 14.6.05 in freier Rede und ohne philologische Kleinarbeit
das Wort "Fremdarbeiter" in bezug auf Auswüchse beim Lohndumping gebraucht (z.B. im Hinblick auf die aktuelle Debatte über Massenentlassungen in deutschen Schlachthöfen durch das profitable Geschäft von ausländischen und vor allem deutschen Dumping-Lohn-Agenturen mit Briefkasten und Kontaktpersonen in Polen, teilweise auch mit industriellen Anstiftern in Deutschland  - sh.. hier EU-Lohndumping.htm). Aber das Wort "Fremdarbeiter" sei früher auch von den Nazis verwendet worden (als Euphemismus für "Zwangsarbeiter" - so wie man heute z.B. "freistellen" für "entlassen" sagt oder wie das Wort "modern" in jüngster Zeit von den Neoliberalen als Euphemismus für "Kahlschlag" oder "Umverteilung nach oben" oder "Arbeitsplatzvernichtung" usurpiert wurde, damit niemand mehr "modern" für echte Arbeitsmarktförderung gebrauchen soll). FOCUS zitierte fast kommentarlos mit markigen Überschriften die Kampagnen-Vorreiter und den Satz von Lafontaine (ebd.):
 

"Das ist eine Wortwahl nahe am Nazi-Jargon. Damit schürt Lafontaine Ausländerfeindlichkeit. Einfach abstoßend!", sagte die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Cornelie Sonntag (SPD), der "Bild"-Zeitung am Donnerstag.
Auch der Rechtsexperte der Grünen, der Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag, kritisierte: "Fremdarbeiter ist ein Unwort aus der Zeit des Nationalsozialismus." Es sei "eine Schande", dass Lafontaine, um Emotionen gegen Ausländer zu schüren, zu solchen Worten greife.
 

Lafontaine hatte lt. FOCUS (ebd.) gesagt:
 

Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen.
 

Dazu erklärte Lafontaine am 18.6.05 beim  WASG-Landesparteitag in Köln an die Adresse der Scheinheiligen:
 

Der Duden führe den Ausdruck unter "veraltetem Sprachgebrauch", nicht aber in Verbindung mit der Nazizeit. "Solch heuchlerische Kritik kommt heraus, wenn irgendwelche Betroffenheitslyriker versuchen, einem am Zeug zu flicken..."
"Wir machen Ernst damit, dass wir nicht Schulter zuckend zugucken, wie Fleischer und Fliesenleger ihre Arbeit verlieren und ihre Familien nicht mehr ernähren können, weil EU-Kommissare ihre Freihandelsrichtlinien durchsetzen." Eines müsse klar sein: "Nicht die polnischen Handwerker, die sich zu Hungerlöhnen in Deutschland verdingen, sind die Lohndrücker, die sind selbst Opfer. Lohndrücker sind vielmehr die Profiteure hier im Lande",
 

sh. Bert Gerhards: "Der Stimmenfänger", Kölner Stadtanzeiger, 20.6.05.
 

Ich kann nichts dafür, daß die Nazis auch Deutsch gesprochen haben. ...
Hier stehe einer, so ruft er, "der sich schon früh dafür eingesetzt hat, daß die deutsche Staatsangehörigkeit nicht länger am deutschen Blut festgemacht wird". Er sei, anders als die NPD, nicht gegen die armen Billigarbeiter aus dem Ausland, aber gegen die Lohndrücker, die Tausende Fliesenleger und Metzger in die Arbeitslosigkeit schickten,
 

sh.  Markus Wehner: "Linksbündnis - Lafontaine, das ungeliebte Zugpferd", FAZ.net, 19.6.05.

(Diese beiden Weblinks werden nicht lange gebührenfrei erreichbar sein.)

Dem STERN sagte Lafontaine:
 

Die Nationalsozialisten waren nicht in erster Hinsicht fremdenfeindlich, sondern rassistisch. Arbeitnehmer aus fremden Ländern waren, wenn sie arischer Abstammung waren, im Dritten Reich sehr willkommen. Meine Forderung, dass wir diejenigen, die hier Arbeitsplätze haben, schützen müssen, gilt auch für Millionen ausländischer Arbeitnehmer. Das ganze ist ein lächerlicher Versuch, mich zu diskreditieren,
 

sh. STERN 27, 2005, S. 40.

Man könnte noch hinzufügen, dass sogenannte "arische" Fremdarbeiter und Fremdarbeiterinnen den Nationalsozialisten mehr als willkommen waren: Die Nazis hatten von ihnen ein hoch geschätztes Klischeebild, einen Popanz,  bis zu der Abartigkeit, dass sie mit ihnen ihren völkischen Idealtyp aus Rassenwahn zu den Klischeebildern der Nazikünstler "aufnorden" wollte, von denen sie in eigener Person (Hitler, Göring, Himmler, Goebbels, Eichmann) so weit entfernt waren.

Trotzdem sagt Ulrich Herbert, Autor eines Standardwerks zum Thema Fremdarbeiter in der Nazizeit, über den damaligen Gebrauch des Wortes "Fremdarbeiter" und zum Thema "Fremdenfeindlichkeit" bei den Nazis:
 

"Deutschland den Deutschen", das war die Naziparole ... Der Rassismus war nichts anderes als eine biologistische Überformung der Fremdenfeindlichkeit,
 

sh. "Lafontaine soll sich historisch weiterbilden", spiegel.de, 5.7.05.

Demnach wäre also nicht die Fremdenfeindlichkeit ein Ergebnis des Rassismus, sondern es wäre gewissermaßen umgekehrt. Dies mag durchaus so erscheinen, wenn man vom "Thema Fremdarbeiter" ausgeht, dabei zu diesem Begriff 600 Einzelerlasse der Nazis findet und durch solche intensiven Recherchen verständlicher- und gerechterweise, aber auch ganz offensichtlich aufgeladen ist.

Der Spiegel wollte sich jedenfalls in seiner jahrelangen Polemik gegen Lafontaine nicht erschüttern lassen. Zu ihrer Fortsetzung fand er in der quasi gutachterlichen Stellungnahme von Professor Herbert eine starke Stütze mit einer Interview-Frage, in der die entscheidende Kausalitätsbeziehung "nicht
in erster Hinsicht fremdenfeindlich, sondern rassistisch" (sh. Lafontaine-Zitat oben) vorsorglich weggelassen wurde:
 

SPIEGEL ONLINE: Herr Herbert, Oskar Lafontaine hat behauptet, die Nationalsozialisten seien rassistisch und nicht fremdenfeindlich gewesen und Beweise gefordert, dass der Begriff des Fremdarbeiters nationalsozialistisches Vokabular sei.
 

Nachdem unter rossaepfel-theorie.de etliche hanebüchenen Ergebnissen aus diversen Gutachten der "Weisen" und "Hohen Priester" aller Art zitiert wurden, kann hier jedoch nicht jedes renommierte Gutachten zu mehr oder weniger philologischen Fragen als einzig richtige Einschätzung akzeptiert werden. Das gilt um so mehr, als im Hinblick auf die Naziverbrechen eine emotionslose wissenschaftliche Analyse kaum möglich ist und dieser Umstand auch oft noch von Dritten gegen den politischen Gegner als Knüppel missbraucht wird. Allerdings zeigt das Interview mit Professor Herbert im späteren Verlauf, dass er sich von neoliberalen Stichwortgebern  nicht vereinnahmen lässt.

Ulrich Herbert erwähnt in dem Interview auch den Übergang von der zunächst harmlosen Begriffsbedeutung zur Verwendung des Begriffs durch die Nazis während der sechs Kriegsjahre, die nun für alle Zeiten sprachbestimmend sein sollen - wie auch bei anderen Wörtern der deutschen Sprache, die von den Nazis einst verwendet wurden:
 

Der Begriff bezeichnete seit Ende des 19. Jahrhunderts die ausländischen Arbeiter, die nach Deutschland zur Arbeit kamen. Er wurde dann 1939 beibehalten, auch als die Rekrutierung zunächst von Polen, dann von Angehörigen fast aller von Deutschland besetzten europäischen Länder immer weiter ausgedehnt wurde und wurde so der übliche, in der Bevölkerung verbreitete beschönigende Begriff für die ausländischen Arbeiter.
 

Noch deutlicher wird dies in der folgenden Passage:
 

SPIEGEL ONLINE: Ist der Begriff ein originär nationalsozialistischer Begriff?
Herbert: Nein, er war ja schon seit der Jahrhundertwende in Gebrauch. Nach 1945 wurde er einfach weiterbenutzt, was zeigt, dass der Zwangsarbeitereinsatz von den Deutschen nicht als Verbrechen angesehen wurde. Erst in den sechziger Jahren wurde er dann durch die freundlicher klingende Bezeichnung des "Gastarbeiters" ersetzt. In der Schweiz wird noch heute von ausländischen Arbeitern als "Fremdarbeitern" gesprochen.
 

Ulrich Herbert gibt sogar einen Hinweis darauf, dass anscheinend doch der Rassismus die Fremdenfeindlichkeit bestimmte, wenn er über die Fremdarbeiter sagt:
 

Wobei die aus Osteuropa viel schlechter behandelt wurden als die aus dem Westen.
 

Da man einen großen Raubüberfall und die Versklavung im slawischen Raum plante, wollte man zur Scheinrechtfertigung zuvor den Popanz einer eigenen rassischen Überlegenheit aufbauen, wie das z.B. auch zur "moralischen" Rechtfertigung der "christlichen" Sklavenjagden und bei der Ausplünderung der Juden geschehen war. Wenn die rassistische Hetze zur Gewissens-Konditionierung bei Ausplünderung und Raubmord nicht reicht, weil man keine Rassenunterschiede vorschieben kann, dann muss man sich etwas anderes einfallen, z.B. durch lukrative Diffamierung als Hexer und Hexen, Inquisitionsopfer, Heiden oder auszubeutende Klassen.

Sehr interessant - eindeutig eher pro Oskar Lafontaine und Linkspartei als pro SPIEGEL - wird das Interview mit Ulrich Herbert besonders ab der folgenden Passage:
 

Gegenüber den beschäftigungspolitischen Auswirkungen von EU-Erweiterung und Globalisierung hat sich in der deutschen und in der europäischen Bevölkerung ein erhebliches Abwehr- und Angstpotential angestaut, das man nicht ignorieren oder als "fremdenfeindlich" disqualifizieren kann.
 

Es lohnt sich, dort weiter nachzulesen, wahrscheinlich gegen Gebühr.

In einem FAZ-Interview mit Ulrich Herbert: "Wer sprach vom "Fremdarbeiter"?" vom 4.7.05 kommt Lafontaine mit dem eingefügten Foto der FAZ zwar bezeichnenderweise schlechter davon, dafür muss sie aber eine noch deutlichere Entlarvung der Diffamierungskampagne gegen Lafontaine hinnehmen:
 

Oskar Lafontaine hat am Sonntag in Kassel beim WASG-Parteitag gefordert, man möge ihm erst einmal nachweisen, daß "Fremdarbeiter" ein Begriff aus der Zeit des Nationalsozialismus sei. Ist er das?
Nein. Das ist ein traditioneller deutscher Begriff für ausländische Arbeiter und schon seit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert in Gebrauch. In anderen deutschsprachigen Ländern, vor allem in der Schweiz, ist er das bis heute. In der Bundesrepublik war er noch in den fünfziger Jahren üblich für Ausländer - in bedenkenloser Aufnahme des Sprachgebrauchs der Zeit vor 1945. Es gab Zeitungsartikel in den späten fünfziger, frühen sechziger Jahren, die titelten: "Erhard holt Fremdarbeiter". Sie meinten damit den Beginn der Gastarbeiterbeschäftigung. Der Begriff  "Gastarbeiter" setzte sich erst seit etwa 1963/64 durch, sollte freundlicher klingen und den vorübergehenden Aufenthalt der angeworbenen ausländischen Arbeiter in Deutschland besonders betonen...
Dabei spricht er einen wichtigen Punkt an: daß nämlich die neuen Formen vor allem der illegalen Migration mit Begriffen wie "Gastarbeiter" nicht mehr zu fassen sind, sondern durchaus Zwangscharakter besitzen. Wenn Lafontaine vorgeworfen wird, er fische damit am rechten Rand, so habe ich den Eindruck, daß die Rede von "Fremdarbeitern" in der breiten Bevölkerung gar keine Nazi-Assoziation mehr auslöst,
 

sh. faz.net, 4.7.2005.

Der Historiker Heinz Niemann schreibt:
 

Die Behauptung einiger Persönlichkeiten der politischen Öffentlichkeit, der Begriff »Fremdarbeiter« gehöre zum typischen Vokabular der Nazis, ist unrichtig...
In den Dokumenten der zahlreichen damit befassten Dienststellen der nazistischen Bürokratie, so in der Anordnung des »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz«, Sauckel, vom 7.Mai 1943 »Anwerbung, Beratung, Unterbringung, Ernährung und Behandlung ausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen«, werden ausschließlich die Begriffe »ausländische Arbeiter bzw. Arbeitskräfte«, »fremde Arbeitskräfte«, im Ausnahmefall in Papieren der NSDAP auch »fremdvölkische Arbeitskräfte« verwandt. Das rassistische Moment kam in der Etikettierung »Ostarbeiter« für die aus der Sowjetunion zwangsverschleppten Menschen zum Ausdruck. Der Begriff »Fremdarbeiter« gehörte eher der Alltagssprache der Menschen an...
Der Begriff »Fremdarbeiter« gehörte eher der Alltagssprache der Menschen an. Gestapolage- und Spitzelberichte zur Stimmung vor allem in der arbeitenden Bevölkerung besagen spätestens seit Stalingrad, dass damit kaum eine diskriminierende Haltung verbunden war...
 

sh. "Lafontaine mit Nazi-Worten?", Neues Deutschland, 12.7.05.

Wegen des DUDEN-Sprachgebrauchs und Lafontaines Sicht des Gegensatzes von Rassismus und teilweiser verdrehter "Fremdenfreundlichkeit" bei den Nazis wittert die Rechte schon eine neue Diffamierungschance. Ausgerechnet Jörg Schönbohm (CDU), Vorstandsmitglied des rechtslastigen "Studienzentrums Weikersheim", droht bereits publikumswirksam mit dem Verfassungsschutz. Der rechte Weikersheimer Think Tank wurde von dem Nazi-Richter und CDU-Ehrenvorsitzenden Hans Filbinger ("Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!") gegründet (sh. hier auch Diffamierungs-Resistenz.htm). Schönbohm hatte aus Bassam Tibis abgewogener "Leitkultur" die "Deutschen Leitkultur" für die CDU mobilisiert: ""Wer zu uns kommt, muss die deutsche Leitkultur übernehmen", sagte Schönbohm dem SPIEGEL", spiegel.de, 20.11.04. Er zeigt sich auch gern in rechten Studentenverbindungen wie dem "Hamburger Waffenring" usw.

Auf SPD-Webseiten wurde der Begriff  "Fremdarbeiter" bis zu der Kampagne stets arglos verwendet, aber noch während der Kampagne gegen Lafontaine eilends durch andere Formulierungen ersetzt. Das meldete DER SPIEGEL in seinem Bericht: "Nazi-Vokabel auf SPD-Internetseite", spiegel.de, 20.6.05.

Nach Entlarvung solcher Diffamierungen mit dem Fremdarbeiter-Knüppel durch Hinweis auf Duden oder Bundesbankberichte (sh. Beispiel "Kapitalflucht"-Lauffeuer: "Das Kapital wandert ab") werden solche bissigen Propaganda-Enten allerdings meist nicht wieder eingefangen, sondern eher als uneheliche Kinder schmählich totgeschwiegen nach dem Motto: Hauptsache, es bleibt immer etwas hängen!

Das Lohndumping wurde von jenen legalisiert, die ihre überhöhten Bezüge und ihre Gratis-Versorgung gesichert haben - zu Lasten der übrigen. Der Dumping-Vorwurf gilt mit Sicherheit nicht für die traditionellen "Gastarbeiter" als eingeladene Gäste und integrierte Staatsbürger, für immer noch unentbehrlichen, aber oft auch ausgenutzten  Spargelstecher (sh. hier Hartz-IV.htm), tariflich bezahlten ausländischen Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern mit oft unverantwortbaren Arbeitszeiten usw.

Auch in deren Interessen ist die legalisierte oder halblegale Vernichtung deutscher Arbeitsplätze zu verhindern gegen das Dumping der ausländischen Verleiher-Firmen, Konstrukteure von Umgehungsmodellen, deutschen Firmen mit ausländischen Briefkästen sowie der übrigen Nutznießer in Deutschland. Im übrigen sind die Interessen der mitbetroffenen ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland auch personell in der WASG repräsentiert, unter anderem durch den WASG-Sprecher Murat Cakir.

Kritik an dem türkischstämmigen Kandidaten Hakki Keskin kommt jedenfalls nicht zuletzt von Deutschtürken selbst (sh. "Kandidaten-Streit um Hakki Keskin - Kritik an TGD: Regierungshörige Türkei-Lobby", nd-online.de, 12.7.05; zu seiner "Regierungshörigkeit" beim Thema Völkermord an den Armeniern,  das in der Türkei höchstrichterlich als Volksverhetzung tabuisierten wurde, bis hin zu Mord und vielen Morddrohungen gegen türkische Tabubrecher; sh. z.B.: "GENOZID ...", DIE ZEIT, 21.4.2005, Nr. 17; also nicht die Anstiftung zum Massaker an den Armeniern ist die Volksverhetzung, sondern die öffentliche Aufforderung zur überfälligen Aufarbeitung des Themas; sh. "Der verdrängte Völkermord ..., wsws.org, 30.5.01).  Die WASG reagiert hier trotz dringend erwünschter weiterer aufgeklärter deutschtürkischer Mitglieder mit Recht empfindlich, gerade weil sie so allergisch ist gegenüber dem rechten Sumpf.

Die Arbeitsbedingungen der tariflich bezahlten ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland unterscheiden sich jedoch grundlegend von denen der neuen Dumping-Opfer. Dazu Lafontaine am 3.7.2005 auf dem WASG-Bundesparteitag:
 

 Ich habe Hemmungen gehabt, Menschen, die in Container gepfercht werden und zu Hungerlöhnen arbeiten, als Gastarbeiter zu bezeichnen,
 

lt. sfdrs.ch, 3.7.2005.
 

Nicht diese Menschen seien die Lohndrücker, sondern "die Unternehmer, die sie skrupellos ausbeuten" sagte Lafontaine unter dem Beifall der 350 Delegierten,
 

lt. de.today.reuters.com, Reuters,3.7.05, 15:01h,
 

Der Bundesregierung warf er eine Politik zu Lasten der Armen und "soziale Schweinereien" vor. "Das ist ein Irrenhaus", sagte er über die Gesundheits-, Renten- und Arbeitsmarktpolitik der Regierung,
 

sh. "Die neue Linkspartei", zeit.de/dpa, 3.7.05, und WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst ergänzte:
 

Wir wollen einen linken Block hinkriegen, der den sozialen Sauereien in diesem Land entgegentritt,

 

lt. sfdrs.ch, 3.7.2005.

Auch der neue Name "Linkspartei" kommt als sehr aussagefähig an:
 

Die Regierungsparteien SPD und Grüne sagten dem neuen Parteienbündnis den Kampf an und sprachen ihm die Berechtigung ab, sich als Linkspartei zu bezeichnen,
 

ebd.

Die neoliberalen, rechtslastigen und pseudolinken Meinungsmacher oder Dumping-Profiteure wollen von jeder empörten Kritik an ihre Umverteilung nach oben jedenfalls flugs ablenken mit  Ausweich-Themen  wie  mit dem Vorwurf der Demagogie und  Nazipropaganda, um den neoliberalen Medien ihr beliebtes Ersatzfutter zu geben. Von dieser schamlosen Umverteilung des Volkseinkommens sind sie nur insofern "betroffen", als sie die Umverteilungsbeute in Form von fünf- bis sechsstelligen Steuersenkungen einstreichen.

Man versucht dabei - je nach Ausmaß des eigenen Neoliberalismus - mehr oder weniger krampfhaft - dieses Ersatzfutter bis zur letzten Krume zu verwerten und das Diffamierungs-Halali auszuschlachten, um damit Hysterie zu schüren gegen die Linken und das eigene Volk nach dem Vorbild der dunkelsten Zeiten und der rechten Presse zur Zeit der Studentenproteste gegen den Marionetten-Schah und das Vietnam-Massaker. Aber diesmal kann man nicht  gegen "langbehaarte Affen" hetzen, sondern nur (ohne Nazi-Tabus) gegen die Opfer der eigenen Bereicherung und die Fürsprecher der Betrogenen.

Im übrigen ist es ohne Verlust der Spontaneität äußerst schwierig,  jeden Satz so zu formulieren, dass er nicht missverstanden werden kann, sei es aus bösem Willen, sei es auch nur aus der jeweiligen Wahrnehmungsprägung des Hörers oder Lesers oder gar wegen unklarer grammatischer Bezüge.  Diese Schwierigkeit gilt besonders dann, wenn eine Passage aus dem Gesamtzusammenhang gerissen wird. Der eine versteht unter dem "Reich des Bösen" (Ronald Reagan) zum Beispiel das System des Raubtierkapitalismus, der andere - Repräsentant dieses Systems - jedoch in bereitwilliger Naivität des Profiteurs die Front dagegen.

Das neoliberale britische Boulevard- und Kampfblatt  "The SUN" des größten Meinungsfabrikanten in den USA, Rupert Murdoch (Fox-TV, Financial Times London) hat immer wieder mächtige Kampagnen angezettelt, auch gegen Oskar Lafontaine wegen dessen Widerstandes gegen die asoziale Umverteilung nach oben und gegen den Steuer-Parasitismus von EU-Ländern während seiner kurzen Zeit als Finanzminister im Schröder-Kabinett. In   "The SUN" vom 25.11.98 stand auf der Titelseite neben Lafontaines Foto deshalb die Frage: "Ist dies der gefährlichste Mann Europas?" Ein größeres Lob von Seiten solcher globalen Kahlschläger und von den neoliberalen deutschen Gehirnwäschern kann Lafontaine sich kaum wünschen, wenn es ihn denn interessiert. Murdochs SUN hatte sich besonders darüber empört, dass Lafontaine für eine Steuerharmonisierung in der EU und damit gegen das britische Steuerdumping der pseudo-linken Blair-Regierung  vorgehen wollte, von dem auch Murdoch und die übrigen Meinungsmacher gegen Lafontaine profitieren. Solche Kampagnen waren auch Grund für die angebliche internationale Ablehnung Lafontaines, die eine Ablehnung durch die Neoliberalen Propagandisten war. Es wäre beschämend, wenn er - wie Gerhard Schröder und dessen engster Kreis - ihre Zustimmung gehabt hätte.
 

Die Gefahr durch den "gefährlichsten Mann Europas" für die neoliberalen Profiteure bestand offenbar in seiner Warnung vor deren eigennütziger Unterstützung von Steuerdumping und der Zockerei. (Sh. dazu auch "Lafontaine im SZ-Interview – 'Investmentbanker sind kriminell'", sueddeutsche.de, 3.10.2008, und hier Steuer-Parasitismus)


Wegen der Wählertäuschung durch die neoliberalen Meinungsmacher führt vernünftiges Handeln auch auf diesem Gebiet also leicht zur Wahlniederlagen oder zum Wegmobben einzelner Politiker wie im Falle von Oskar Lafontaine. Ihm wurde gerade auch von "sozialdemokratischen" "Experten" vorgeworfen, dass er die gesamte Finanzwelt gegen sich aufgebracht hätte, also insbesondere auch die Finanzminister und Notenbankchefs, die die Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestimmen. Zur IWF-Gläubigkeit der Politiker und sonstigen Meinungsmacher äußerte sich Joseph Stiglitz, Ökonomie-Nobelpreisträger und ehemaliger Vize-Präsident der Weltbank, in einem Interview mit Sonia Mikich und Kim Otto:
 

Mikich: Verstehen Sie, warum sozialdemokratische Regierungschefs wie Tony Blair oder Gerhard Schröder die Institutionen IWF oder Weltbank so zurückhaltend kritisieren? Im Gegenteil: sie geben sogar Bekenntnisse zu einem Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz ab.
Stiglitz:
In vielen Ländern haben die Sozialdemokraten inzwischen Angst vor den Finanzmärkten entwickelt.  
Mikich:
Weil sie nicht verstehen?  
Stiglitz:
Weil sie nicht verstehen. Und weil man ihnen sagt, dass Regierungen verantwortungslos sind, wenn sie die Finanzmärkte kritisieren. Und die Märkte reagieren darauf mit einer Erhöhung der Zinssätze, was wiederum die finanzielle Lage und das Haushaltsdefizit eines Landes noch weiter verschärft. Folglich können die Politiker nur schwerlich ihre sozialpolitischen Ziele erreichen.  
Mikich:
Und werden abgewählt?  
Stiglitz:
Und werden abgewählt. Aber auch wenn es ihnen nicht um ihre Wiederwahl geht, auch wenn sie ihre sozialpolitischen Ziele aufrichtig verfolgen, müsste man die Ausgaben um Milliarden erhöhen, um die Zinszahlungen leisten zu können, weil die Finanzmärkte ihr Vertrauen in (sie) verloren haben. Dadurch wird der Spielraum in Haushaltsfragen wesentlich eingeschränkt. Deshalb lassen sich Politiker überall auf der Welt, trotz guter Absichten, einschüchtern. Und deshalb tragen diejenigen, die keiner Regierung angehören, eine besondere Verantwortung, ihre Stimme zu erheben.


(Sh. Monitor - Spezial, wdr.de, 14.5.2002.)  Das Interview fand also statt im Mai 2002. Damaliger IWF-Chef war Horst Köhler, anschließend deutscher Bundespräsident. Die "sozialdemokratischen" Meinungsmacher kommen eigentlich noch ganz gut davon, weil Stiglitz ihnen lediglich Ignoranz und nicht den üblichen Volksbetrug nach Art der Neoliberalen bescheinigt. Allerdings sind nach der wohlwollenden Einschätzung von Stiglitz im Rest des Interviews die meisten Neoliberalen nicht weniger ignorant. Außerdem empfinden sie ihre Wählertäuschung in der Regel nicht als Betrug, weil ihr noch der profitable Selbstbetrug vorgeschaltet ist. Anders könnten sie das Wahlvolk auch nicht überzeugen (sh. rossaepfel-theorie.de).

Wichtig erscheint besonders der Appell von Stiglitz an die Meinungsmacher, "die keiner Regierung angehören". Aber leider werden sie fast alle von einem kapitalistischen oder Proporz-regierten Meinungsapparat bezahlt, dessen Spitzen und Finanziers sie sich meist andienen.
In einigen Politmagazinen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gibt es dagegen noch Widerstand. Aber vielleicht wurde gerade deshalb die Dauer dieser Magazine von den neoliberalen Proporz-Gremien drastisch gekürzt (sh. rossaepfel-theorie.de) zugunsten von Klamauk-Sendungen.

Der Appell von Stiglitz ist auch ganz im Sinne des folgenden Zitats von

 

Joseph Pulitzer
* 1847 - † 1911

"Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nicht von Geheimhaltung lebt.
Bringt diese Heimlichkeiten ans Tageslicht, beschreibt sie, macht sie vor aller Augen lächerlich. Und früher oder später wird die öffentliche Meinung sie hinwegfegen. Bekannt machen allein genügt vielleicht nicht - aber es ist das einzige Mittel, ohne das alle anderen versagen."

 
(Hierher kopiert von der Seite des Monitor-Magazins, Stand 14.4.2007).
 

Auch die Verlagsgruppe Pearson plc mit ihrer Financial Times London spielte ihre Rolle für die neoliberalen Meute in Deutschland und anderswo mit ihrer Financial Times London (FT.com). Pearson plc hatte zu der Zeit mit seinen diversen Aktivitäten etwa 3,6 Mrd. Euro Jahresumsatz. Maßgeblichen Einfluss auf Person hatte mit einem Aktienanteil von ca. 30 Prozent die Gründerfamilie Cowdray sowie mit 7 Prozent der französische Großfinanzier Lazard (sh. L. Hachmeister/G. Rager: Wer beherrscht die Medien?, München 2000, S. 216). Es wundert also nicht, dass die FT und ihre bestbezahlten Redakteure den internationalen Trend zur Umverteilung nach oben unterstützten. Aus diesem Blatt zitiert Noam Chomsky folgende "Vorwürfe" gegen Lafontaine:
 

Seine Steuergesetzgebung "schließt viele bei der Industrie beliebte Steuerschlupflöcher, ohne dies durch Senkungen in den wichtigsten Steuern auszugleichen", was ein Frevel darstellte, gegen den die Unternehmen "aufs äußerste protestierten". Der "unternehmens-freundlichere" Kanzler Schröder plante eine große Senkung der Unternehmenssteuern, aber "es war unklar, ob Lafontaine bei so etwas zustimmen würde - zumindest ohne anderswo Geld einzutreiben".
 

Zitiert aus Noam Chomsky: "Mach's gut Oskar", ZNet, März 1999 (engl. "A farewell to Oskar", 17.3.l999), worin sich Chomsky bezieht auf den gleichnamigen Artikel in der FT vom 13.3.99.Auch die Financial Times Deutschland druckte bereits nach britischem Vorbild Wahlempfehlungen für die CDU und FDP. - Es wäre für Lafontaine sehr wohl möglich gewesen, bei einer  Unternehmenssteuersenkung "anderswo Geld einzutreiben", nämlich bei den Gewinnausschüttungen an die Unternehmenseigentümer. Aber gerade dieses "Anrechnungssystem"  wollten die Neoliberalen zugunsten einer niedrigen Definitivbesteuerung der Großaktionäre abschaffen.

Die Financial Times London und The Sun sind nur Beispiele dafür, dass auch in Großbritannien der größte Druck zur Umverteilung nach oben von den Meinungsmachern ausgeht. Gerade sie drohen mit der Produktionsverlagerung, obwohl gerade der Abzug solcher Söldner des Medienkapitals und der Proporz-Cliquen ein Segen wäre.
Ein typisches Beispiel für das Ausmaß dieser Lobby ist die Webseite taxpayersalliance.com mit ihrem Artikel "Business leaders urge Brown to reduce taxes". Dieser Appell der Steuersenkungsallianz an den britischen Finanzminister wird von fast allen größeren Medien unterstützt (sh. dort die Liste "The TPA in the media" - Webseite gefunden am 13.3.06 mit ["daily mirror" pearson capital "daily telegraph" "daily express" "the sun" "financial times" spectator] - Sh. außerdem "Media ownership in the UK").

Zum Meinungs- und Stimmenkauf in den USA durch Murdoch und Konsorten antwortete der herausragende Kolumnist und Wirtschaftsprofessor Paul Krugman auf die Frage:
 

Trotzdem halten sich die US-Medien mit Kritik an Bush immer noch zurück - Warum?
Einige sind Teil der Maschinerie: Eine Hand voll wütender Milliardäre hat ein rechtes Netzwerk aufgebaut, zu dem Sender wie Rupert Murdochs Fox News und Zeitungen wie die "Washington Times" gehören. Die übrigen Medien gehen auf Nummer sicher und berichten nach dem Schema "einerseits - andererseits". Das liegt auch an den Hetzkampagnen, denen Kritiker wie ich ausgesetzt sind. Die meisten Journalisten sind nicht bereit, sich auf so etwas einzulassen und ihre Karriere zu riskieren.
 

Sh. das Interview: "Bösartiger Reagan", stern.de, 17.5.2004. Tatsächlich geht es nach wie vor und dort wie hier um die "Karriere(n)" (sh. Serge Halimi: "Journalismus in den USA - Die Konten der Kommentatoren", Le Monde Diplomatique, 16.8.96, taz.de).

Es erscheint als ein Gipfel von Plutokratie und Demokratie-Kauf, dass sich nun anscheinend auch die mögliche US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten Hillary Clinton vor der Macht des Medienkapitals von Rupert Murdoch verbeugt (
sh. z.B. den Artikel "Sag mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist", wsws.org, 10.5.06). Tony Blair hat dessen Förderung eher noch erhalten (ebd.), weil er  nach der Art von Gerhard Schröder eine historisch einmalige Bereitschaft und Gelegenheit bot, die Linke für die Umverteilung nach oben einzuspannen. Vielleicht erwartet Murdoch von Hillary Clinton, dass sie die Steuersenkungen für "Bestverdiener" durch Ronald Reagan und George W. Bush als Präsidentin beibehält. Aber über eine Millionärs-schonende Mehrwertsteuererhöhung lässt sich das dort nicht finanzieren. Falls sie ihn und die übrigen Umverteilungs-Profiteure also dennoch zur Kasse bittet, würde er in seinen Medien wohl einen Aufschrei der Empörung orchestrieren mit dem bewährten Bannwort "Steuererhöhungen". Sein Sender Fox News und seine übrigen Medien dominieren die Meinungsmache zur Umverteilung nach oben in den USA wahrscheinlich noch mehr als die Springer-Presse und andere neoliberale Medien in Deutschland (sh. z.B. zu den Manipulationen: Steven Kull et al.: "Misperceptions, The Media and the Iraq War", Menlo Park, California, 2.10.2003).

Nach dem Beitritt der zehn neuen EU-Länder zum 1. Mai 2004 führt extremes Steuerdumping - wie damals schon im Falle von Irland - noch unvergleichlich viel mehr zur EU-Finanzierung der Arbeitplatzverlagerung aus den Steuern der zukünftigen Arbeitlosen in Westeuropa. Hinzu kommt die Absetzbarkeit der Verlagerungskosten von der deutschen Steuer. Zur Kampagne von Murdoch und der britischen Neoliberalen schrieb die Welt vom 3.12.1998 unter der Überschrift "Lafontaine zieht sich britischen Zorn zu":
 

Die Massenblatt "Sun" machte in extrem großer Aufmachung gegen Lafontaine Front: Die Buchstaben "F" und "O" prangten auf der Seite eins, sie stehen als Abkürzung für "Fuck off" (ungefähr: verpiß dich). Die britische Regierung zeigte sich hinter den Kulissen wenig erfreut über die Äußerungen Lafontaines. Das antieuropäische Trommelfeuer der Boulevardpresse macht es Premier Blair immer schwieriger, für seinen europafreundlichen Kurs zu werben.
 

Zum Thema "Fremdarbeiter" möchten Lafontaine und Bisky aber offenbar weitere krampfhafte Ablenkungskampagnen der "linksliberalen Schickeria" und der Schönbohms vermeiden:
 

Nach und nach wird es langweilig. Auch auf der gestrigen Pressekonferenz von PDS-Chef Lothar Bisky und dem WASG-Politiker Oskar Lafontaine bemühten sich die anwesenden Journalisten vergeblich, eine neue Fremdarbeiter-Äußerung zu entlocken. Darauf ließen sich die Auskunft Gebenden aber gar nicht erst ein. Vielmehr präsentierten sich Bisky und Lafontaine geschlossen...

Überhaupt scheint die PDS nicht länger gewillt, sich von den Vorwurfsreflexen der linksliberalen Schickeria beeindrucken zu lassen. "Mit der DVU gibt es scharfe Auseinandersetzungen und das wird auch so bleiben, aber die Jugend lasse ich nicht auf der Straße stehen", so Bisky, der seine Partei im Brandenburger Landtag vertritt, zu Bemerkungen, die Linkspartei würde sich um rechte Wähler bemühen,
 

sh. Martin Müller-Mertens: "Bisky und Lafontaine geben sich geschlossen", rbi-aktuell.de, 8.7.05.

Dessen ungeachtet führen gewisse "Sozialdemokraten" das arglistige Spiel ungerührt fort. Manche steigern sich sogar noch in der Personalisierung ihrer Hetze, so z.B.  Klaus Ness, SPD-Geschäftsführer in Brandenburg, der es mangels Sachargumenten bedenkenlos mit aufstachelnden Hetzparolen der Hassprediger versucht, diese Infamie aber Lafontaine vorwirft  (sh. "SPD-Politiker nennt Lafontaine «Hassprediger»", netzeitung.de, 15.7.05). In Brandenburg gab es bei der letzen Wahl nicht wenige Braune. Hier wird man an die Aufwiegelung des tumben rechtsextremen Josef Bachmann zum Attentat gegen Rudi Dutschke durch Recht(s)denkende erinnert, zu denen sich nun auch rechtsgewendete Pseudolinke gesellen. Bei Lafontaine hat schon wesentlich weniger gereicht, um eine Geisteskranke zu ihrem Messerattentat gegen ihn einzuspannen. Bei Dutschke wurden die Hasspredigten der Neoliberalen von einem Wirrkopf als Mordpredigten aufgefasst.

Besonders in den Medien versuchen die Profiteure und Mitverursacher der Umverteilung nach oben, ihr charakterliches Image und Selbstbewusstsein aufzupolieren, indem sie sich als moralische Instanzen gegen Faschismus, Kommunismus und Sozialismus (!) gebärden,  nach dem Motto: "Aus Liebe zu Deutschland: Freiheit statt Sozialismus". Es geht also gar nicht um Faschismus und Kommunismus, sondern nur darum, den demokratischen Sozialismus, also den Kampf gegen die Umverteilung nach oben, mit den anderen Begriffen in einen Topf zu werfen, um ihn zu diskreditieren. Die deutschen Faschisten wurde ja noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg von den Konservativen in allen hohen Ämtern gedeckt, zumal der Faschismus historisch gesehen gerade wegen seines Kampfes gegen den Sozialismus von den Konservativen international hoffähig gemacht wurde und auch heute noch in Italien, vormals in Chile und latent in vielen anderen Ländern für diesen Zweck willkommen ist. In Deutschland ist er dagegen mit Recht inzwischen dermaßen tabuisiert, dass sogar die Neo-Konservativen und Neo-Liberalen den Begriff gern als Knüppel gegen die Sozialisten missbrauchen, um ihre Beute aus der Wählertäuschung zu verteidigen.

Mit dieser Masche unterscheiden sich die neoliberalen Profiteure allerdings kaum von den "kommunistischen" Oligarchen, die nach dem Sturz ihres Herrschaftssystems das russische Volksvermögen unter sich aufgeteilt und das Volk ausgeplündert haben. Dazu brauchten diese den Alkohol-benebelten Boris Jelzin nicht nur als triumphalen Panzer-Besteiger, sondern auch als Marionette (mit eigenem Anhang von Profiteuren), ebenso wie man hierzulande den neoliberalen Politikern  die Gesetze zur steuerlichen und sonstigen Umverteilung nach oben unterjubelt und sich dabei auch auf den großen Medieneinsatz verlassen kann.

 

Kurz vor der Wahl 1996 hatten sich Russlands tief zerstrittene Oligarchen unter Führung der Großunternehmer Boris Beresowskij und Wladimir Gussinskij am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos darauf geeinigt, gegen die drohende Wahl des KP-Chefs Gennadij Sjuganow doch Jelzin zu unterstützen. Ihre Fernsehsender taten daraufhin alles, um die "Kommunistengefahr" zu schüren und Jelzin in einem positiven Licht zu zeigen.

 

(Sh. "Nachruf: Jelzin brachte Russen Freiheit – und Chaos",  handelsblatt.com.) Nach dem Ende der Jelzin-Regierung wurden diese Clans kaum zur Verantwortung gezogen und das verschacherte Volksvermögen kaum zurückgeholt, weil man den Jelzin-Nachfolger Wladimir Putin als Garanten zur Absicherung dieser Plünderungen aufgebaut hatte. Oligarchen wie Boris Beresowski und Wladimir Gussinski mussten sich zwar ins Ausland absetzen, aber lediglich im Falle des Groß-Profiteures Michail Chodorkowski gab es eine spektakuläre Festnahme und Enteignung, weil er die Korruption angeprangert und die Opposition gegen Putin unterstützt hatte (sh. hier auch Schroeders-Freunde.htm).


Das Schlagwort "Freiheit statt Sozialismus" richtete sich zwar  im Wahlkampf von 1976 nach der CDU-CSU-Darstellung (sh. Wikipedia - besucht 24.6.06)  nur gegen die Ostpolitik. Auch im WDR-Kalenderblatt "Vor 30 Jahren" vom 24.5.06 wurde auf die Vorliebe des Nazi-Richters Hans Filbinger und des Pinochet-Freundes Franz-Josef Strauß für diese Parole hingewiesen. Konzipiert wurde die Parole jedoch laut Wikipedia von Alfred Dregger, dem "prominenteste(n)" Vertreter der so genannten Stahlhelmfraktion, eines nationalkonservativen Flügels der CDU". Bei so "prominenten" CDU-/CSU-Vertretern von "Freiheit statt Sozialismus" wirkt der Vorspann "Aus Liebe zu Deutschland" eher peinlich. Vielleicht haben die Neokonservativen das in den Folgejahren vorübergehend gemerkt. Im Wahlkampf 1990 sahen sie die Hauptgefahr für ihre Umverteilung nach oben offenbar in einer Koalition von SPD und PDS. Daher haben sie nach einer Initiative ihres damaligen Generalsekretärs, Pastor Peter Hintze, ihre "Rote-Socken-Kampagne" gegen die PDS gestartet (zur Rolle der Kirchen sh. hier auch rossaepfel-theorie.de, z.B. Papst, Wahlergebnis, Luther).

Über die Hetzkampagne gegen Lafontaine schrieb der FOCUS, dessen Chefredakteur der neuen Linken zu Beginn der Kampagne bereits "nationalen Sozialismus" vorgeworfen hatte (sh. hier Abschnitt 1):
 

Ramelow bezeichnete die Angriffe auf Lafontaine als unerträglich. "Das geht schon in Richtung Pogromstimmung gegen die Repräsentanten der Linkspartei", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Kalkuliert werde in Kauf genommen, "dass es irgendwann Übergriffe gibt",
 

sh. "'Pogromstimmung' gegen Lafontaine", focus.de, 16.7.05. Zum gleichen Datum hat der FOCUS jedoch all die  Hetzparolen gegen Lafontaine kritiklos ausgebreitet unter der Überschrift ""Hassprediger" SPD brutalisiert Attacken auf Lafontaine". Ähnlich machten es SPIEGEL ONLINE, N24, die FAZ mit Datum vom 15.5.05 unter der Überschrift "Brandenburger SPD nennt Lafontaine "Hassprediger"". Dort erfährt man, dass es sich einfach nur um  Bericht einen Bericht der US-Nachrichtenagentur Associated Press handelt. Man hat ihn einfach nur kommentarlos übernommen, obwohl man doch sonst auch in der FAZ mit Kommentaren geizt, wenn sie sich gegen Lafontaine richten.

Ohne Verstärkung durch die Medien ("Meutejournalismus") würde sich die Gefahr in Grenzen halten, dass man durch ein Attentat den Kampf gegen das Asoziale zurückwirft.

Nach all dem wundert sich der FOCUS noch über heftige Abwehrreaktionen aus der Lafontaine-Begleitung, wenn ihm einzelne aus der aggressiven Meute zu nahe kommen:
 

Nach einem Wahlkampfauftritt Oskar Lafontaines ist es zum Handgemenge mit Journalisten gekommen – und FOCUS TV filmte mit...

Die Tumulte entstanden, als Kameraleute Lafontaine angeblich zu nahe kamen. Ramelow erklärte in der "Thüringer Allgemeinen" vom Freitag, er habe versucht, "den Arm des Kameramanns herunterzudrücken, der Lafontaine verletzen wollte". Spieth sprach von einer "offensichtlichen Provokation einiger Journalisten". Der Polizei war am Freitag von dem Vorfall nichts bekannt.

"Eine aggressive Grundstimmung von Seiten der PDS gegenüber den berichtenden Journalisten", stellten dagegen die Mitarbeiter von FOCUS TV vor Ort in Erfurt fest. "Das Kamera-Team von FOCUS TV war definitiv nicht an der Rangelei beteiligt. Vielmehr hat FOCUS TV dokumentiert, wie die Kollegen von RTL und Spiegel TV durch Bodo Ramelow und weitere PDS/Linkspartei-Anhänger aggressiv attackiert wurden", heißt es in einer Stellungnahme von FOCUS TV.
 

Demnach ist also FOCUS dort nicht aggressiv aufgetreten und Lafontaines zurückgedrängte Diffamierer vom SPIEGEL (hier Spiegel TV) meinten es vielleicht diesmal auch nur gut mit ihm, sh. "Rede in Erfurt - Tumulte um Lafontaine", ONLINE FOCUS, 12.8.05.

Zur "Hetzmasse" schreibt Elias Canetti:
 

Ein wichtiger Grund für das rapide Anwachsen der Hetzmasse ist die Gefahrlosigkeit des Unternehmens. Es ist gefahrlos, denn die Überlegenheit auf seiten der Masse ist enorm...
Die Eile, Gehobenheit und Sicherheit einer solchen Masse hat etwas Unheimliches. Es ist die Erregung von Blinden, die am blindesten sind, wenn sie plötzlich zu sehen glauben...
Die Hetzmasse ist sehr alt, sie geht auf die ursprünglichste dynamische Einheit zurück, die unter Menschen bekannt ist, die Jagdmeute...,
 

sh. Elias Canetti: Masse und Macht, Frankfurt a.M., 1980, S. 50.

Der erfahrene Journalist Günter Frech hat beschreibt in seinem Interview mit Murat Cakir, w-asg.de,  12.9.05, gewiss wichtige Gründe für den Meute-Journalismus, aber es geht nicht nur um den Vernichtungsinstinkt der Hetz-Meute als psychoanalytisch-verhaltenstheoretische Erklärung oder um die Denkträgheit als psychologisch-"physikalische" Erklärung, sondern auch um die Gier (= Steuersenkung für "Bestverdiener") als  psychologisch-materialistische und ökonomische Erklärung. Vor allem geht es darum, wie die herrschende Meinung der Herrschenden überhaupt produziert wird (sh. rossaepfel-theorie.de). Auch dies ist im Kapitalismus vorrangig eine ökonomische Frage. - Interessante und teilweise schockierende Erklärungshilfen bietet außerdem Howard Blooms "Konformitätspolitik", auch am Beispiel der afrikanischen Bantus (Telepolis, 16.1.1998, mit etlichen Weblinks).

Eine mildere Beschreibung des Konformitätszwangs findet sich in Hans Christian Andersens Märchen  "Des Kaisers neue Kleidern":
 

In Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern stehen die Erwachsenen da und tun so, als bestaunten sie prächtige Gewänder. Sie sehen davon nichts, aber haben Angst, das laut zu sagen. Heißt es doch, die Kleider blieben jenen unsichtbar, die für ihren Beruf nicht taugten. Ein Zwang zur Lüge liegt über ihnen. Und über dem Kaiser ebenso. Nackt posiert er vor seinem Volk. Aber er hat ja nichts an, ruft plötzlich ein Kind. Und es erhebt sich ein Flüstern. – Er hat ja gar nichts an, ruft endlich das ganze Volk.
 

Sh. Irmtraud Gutschke:  "Wie wir miteinander leben wollen 'Sozialismus als Tagesaufgabe' - Abend mit Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Daniela Dahn", nd-online.de, 8.11.05.

Die Hetzparolen gegen Lafontaine haben ihren Ursprung offenbar nicht bei den SPD-Hinterbänklern in Brandenburg, denn n-tv übernimmt die Pogromstimmung auch kritiklos, erklärt aber dazu:
 

Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Vorsitzender Matthias Platzeck hatte zuletzt vorgeschlagen, Lafontaine in "argumentative Manndeckung" zu nehmen. Dieser könne "die Menschen in Trance reden". Platzeck hatte vor dem Hintergrund der umstrittenen "Fremdarbeiter"-Äußerung Lafontaines von einem ungeahnten "Maß an Skrupellosigkeit" gesprochen,
 

sh. "'Hassprediger' von der Saar", n-tv.de, 15.7.05 , und die Überschrift:
 

Hart gegen herzlich
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck soll Gerhard Schröders oberster Helfer im Osten werden - als warmherziges Gegenmodell zu Angela Merkel,
 

sh. DER SPIEGEL, 29/2005, 18.7.05, S. 38.

Am nächsten Tag setzte n-tv noch eins drauf, zumindest mit der Überschrift: "'Hassprediger' wehrt sich", n-tv.de, 16.7.05, schränkte aber dann ein mit der Bildunterschrift: "Nein, ein 'Hassprediger' ist Lafontaine nicht".

Wie zu Beginn der "Fremdarbeiter"-Kampagne gegen Lafontaine wurde auch hier die Initialzündung für die Medien von den rechtsgewendeten "Sozialdemokraten" durch Vorschicken von Akteuren aus ihren hinteren Reihen geliefert, damit die eigentlichen Initiatoren ihre Hände in Unschuld waschen können und die Hinterbänkler ihre Sporen verdienen lassen. Aber diesmal haben sie so weit überzogen, dass sie  beinahe selbst zu ihren Attentatsopfern werden.

Am 18.7.05 wurde die "Hasspredigt" gegen Lafontaine zwar zurückgezogen, aber sie war ja schon durch die Medien in Umlauf gebracht und verbindet sich so in der öffentlichen Meinung mit den übrigen Diffamierungen - vielleicht auch irgendwann gegen ihre Urheber:
 

SPD: Lafontaine doch kein "Hassprediger"
Die Brandenburger SPD hat ein Schreiben zurückgezogen, in dem sie Lafontaine als "Hassprediger" bezeichnet. Landesgeschäftsführer Ness nannte die Formulierung "einen Fehler",
 

netzeitung.de, 18.7.05. Damit wird die Hasspredigt gegen Lafontaine zum simplen Fehler verharmlost. Der FOCUS ergänzt:
 

Brandenburgs SPD will Oskar Lafontaines Politik künftig nur noch inhaltlich kritisieren und nicht mehr mit Beleidigungen vom Thema ablenken,
 

focus.msn.de, 18.7.05.

Statt dessen lauten die einschlägigen FOCUS-Überschriften vom 22.7.05 nun:
 

HERR BACKHAUS

"Lafontaine Nachfolger Honeckers",
 

mit möglichst unauffällig gedruckten Namen des Urhebers für die neue Parole, mit Zwischenüberschriften vom gleichen Kleinkaliber. Abgesehen von solchen Albernheiten  wie hier vom FOCUS-Stichwortgeber Backhaus (SPD) werden die Rotkarierten wie das restliche neoliberale Kartell  jetzt hoffentlich nur noch mit ihrer Fremdarbeiter-Philologie und ihren eher alltäglichen Diffamierungen vom Thema ablenken oder auch einmal mit Astrologen aufwarten wie Springers Hamburger Abendblatt am 3.1.06 mit der Sternenguckerei von Winfried Noé gegen "Lafontaine: Von Juli an bleiben die Erfolge aus" und "Ein neuer Parteiaustritt" sollte in Springers astraler Wunschkonstellation stehen, zumal ihn doch Springer schon im Jahre 1999 selbst durch die neoliberalen Kampagnen gegen Lafontaine mit herbeigeführt hatte.

Im übrigen müssen sie nun doch ihre persönliche Bereicherung aus dem Volkseinkommen durch Umverteilung nach oben endlich zur Diskussion stellen. Entgegen der FOCUS-Formulierung  handelte es sich auch längst nicht nur um "Beleidigungen", sondern um gefährliche "Hetze" gegen eine Einzelperson. Insofern ging dies auch weit über die unglaubliche Rede des FOCUS-Chefredakteurs vom "nationalen Sozialismus" hinaus (sh. hier Abschnitt 1).

Auch Außenminister Fischer hat nicht nur äußerlich die Turnschuhe gegen seine Dreiteiler eingetauscht, sondern sich voll ins Establishment der "Radieschen"-FDP integriert. Auch seine Friedensbewegtheit schließt keine Hetze aus. Sh. dazu "Lafontaine verlangt Entschuldigung von Fischer", DER SPIEGEL, 13.7.05:
 

"Am geschmacklosesten hat sich bisher Joschka Fischer geäußert, der mich als deutschen Pim Fortuyn bezeichnet hat", sagte Lafontaine der "Rheinischen Post". Dies sei deshalb geschmacklos, "weil dieser niederländische Rechtspopulist Opfer eines politischen Attentats war", sagte Lafontaine.

Der Spitzenkandidat des Linksbündnisses sprach von einer "kaum zu verstehenden Entgleisung" Fischers. Denn auch er, Lafontaine, sei Opfer eines Attentats gewesen. "Ich erwarte, dass er sich dafür entschuldigt", sagte Lafontaine.
 

Nicht viel besser formulierte der früher Bundespräsident Roman Herzog seinen Widerwillen gegen alles,  was seinen "liebgewonnenen Besitzständen" entgegensteht, insbesondere seinen Steuergeschenken auf die jährlichen 214.000 Euro "Ehrensold", die ihm aus seiner fünfjährigen Tätigkeit als Bundespräsident noch immer zustehen (plus Dienstwagen mit Fahrer, Büro und drei Mann Personal); sh. Georg Fechter: "Ehrensold rollt". Am 15.9.1997 hatte er in seiner berühmt-berüchtigten Ruckrede im Berliner Luxus-Hotel Adlon zu seinem Publikum von "Bestverdienern" noch gesagt:
 

"Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland. Aber es ist auch noch nicht zu spät. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewonnenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen",
 

zitiert nach A. Buntenbach / H. Kellershohn / D. Kretschmer (Hg.): Ruck-wärts in die Zukunft, Zur Ideologie des Neokonservatismus, Duisburg, Juni 1998, m. w. Nachw., unter http://www.uni-duisburg.de/DISS/Internetbibliothek/Vorworte_von_DISS_Titeln/Ruck.htm. (Sh. auch die Rede bei stern.de: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen", 10.3.2004.)

Jetzt, wo der "Ruck" durch das Linksbündnis endlich möglich wird und er durch Verzicht auf seine rosagrünlichen Steuergeschenke von jährlich  fast 20.000 Euro endlich "mitmachen" kann,  mag er diese Chance nicht nutzen, ebenso wenig wie seine damalige begeisterten neoliberale Zuhörerschaft:
 

Der Kreisverband Essen der Wahlalternative WASG hat wegen ehrverletzender Äußerungen Strafanzeige gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog gestellt. Der CDU-Politiker hatte in einem ZDF-Interview in Bezug auf das Bündnis aus PDS und Wahlalternative erklärt, man müsse »Rattenfängern mit Charisma entgegentreten«. Die Bezeichnung »Rattenfänger«, heißt es in dem an die Staatsanwaltschaft Berlin adressierten Strafantrag, sei »eindeutig eine von Missachtung getragene ehrverletzende Meinungsäußerung über Mitglieder und Sympathisanten« der Linkspartei. Dies gelte insbesondere angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfs,
 

sh. "Rattenfänger: WASG zeigt Herzog an", sh. nd-online.de, 19.7.05. Die neoliberalen Meinungsmacher regt es aber anscheinend weniger auf, wenn die Gegner des Parasitismus als "Ratten" diffamiert werden, als wenn man sich scheut, dessen Opfer als "Gast"-Arbeiter zu bezeichnen.

Nachdem die neoliberalen Meinungsmacher und etablierten Parteien mit vereinten Kräften die potentiellen Attentäter gegen Lafontaine aufgehetzt haben, wollen sie ihm jetzt als Kandidat nur eingeschränkten Personenschutz geben:
 

Ein Betrunkener hat Oskar Lafontaine bei der Wahlversammlung der Linkspartei angegriffen. Der Mann rief "Oskar, ich hasse Dich!" und wollte sich auf den Spitzenkandidaten stürzen. Umstehende konnten den Mann zurückhalten,
 

sh. "Betrunkener wollte sich auf Lafontaine stürzen", spiegel.de, 3.8.05. Die Aufgehetzten sind nicht selten Geisteskranke, Verwirrte oder wie in diesem Fall Benebelte, die ohne eigene Reflexion nur noch das in Gewalt gegen eine Person umsetzen, was andere ihnen gegen sie eingetrichtert haben. Die neoliberalen Meinungsmacher missbrauchen also schamlos ihre Medienmacht und die Pressefreiheit bei der Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen. Sie entdecken und propagieren ihre rechtsstaatliche Moral erst mit großem Getöse, wenn der Bundesnachrichtendienst versucht, seine undichten Stellen durch journalistische Verbindungsmänner (Redaktions-Spitzel) auszuspionieren (sh. die massenhaften Medienbericht vom Mai 2006 zur BND-Affäre).

Nachdem das Fremdarbeiter-Thema nicht mehr weiter auszuschlachten war, haben sich solche Medien erwartungsgemäß wieder auf ihre lange bewährten "Recherche"-Methoden besonnen. So berichtet der Sprecher der Linkspartei Hendrik Thalheim in einer Presseerklärung vom 30.8.05:
 

Die Kampagne einiger Medien gegen Oskar Lafontaine überschreitet
inzwischen jedes Maß. Dabei wird vor Unwahrheiten und Falschdarstellungen nicht zurückgeschreckt. Die Bild-Zeitung ist in diesem Zusammenhang vom Landgericht Berlin schon zu einem Zwangsgeld von 5000 Euro verurteilt worden, weil sie eine entsprechende Gegendarstellung nicht abgedruckt hatte.
Offenkundig ist das große öffentliche Interesse für die Positionen von Oskar Lafontaine und der Linkspartei einigen Verlagen ein Dorn im Auge. Einschaltquoten wie beim Duell Lafontaine - Merz bei Sabine Christiansen von 6,3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern, was einem Marktanteil von 23 Prozent entspricht, sprechen eine deutliche Sprache.

Statt einer politischen Auseinandersetzung wird Oskar Lafontaine immer mehr persönlich angegriffen. Einige Journalisten gehen dabei inzwischen so weit, dass sie seine Haushaltshilfe, frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hoffnung auf irgendwelche verwertbaren negativen Statements anrufen.
 

"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt..." (Art. 14 Grundgesetz). Man muss sich fragen, warum diese Rechtsfolgen immer noch nicht eingetreten ist, denn bei solchem Missbräuchen des Eigentums am Medienkapital für Pressekampagnen handelt es sich wohl um die schlimmsten Verstöße gegen das Grundgesetz. Es geht um die Unterwanderung der Demokratie durch den "Informationskapitalismus".

Hier wird nicht angenommen, dass manche Journalisten heute noch Straftaten inszenieren oder begehen, um darüber einen reißerischen Artikel zu schreiben. Aber immerhin hatte Thalheim auch die Springer-Kampagne zum Wohnhaus von Lafontaine  zu kommentieren (mit Pressemitteilung vom 31.8.05), obwohl solche  Kampagnen  unter aller vermuteten Journalisten-Würde sind. Dieses Haus mit Obergeschoss und aufgesetztem Wintergarten hat lt. Lafontaine einen Grundriss von 11 * 11 Metern und lt. Springer-Presse eine Wohnfläche von 280 Quadratmetern (offenbar einschließlich Wintergarten, aber auch einschließlich Garage und Wohnung für die Mutter von Oskar Lafontaine, sh. unten). Lafontaines Schwiegermutter wohnt ebenfalls dort. Beide Mütter werden von ihren Kindern gepflegt. Man muss sich fragen, was für ein Haus sich die oberen BILD-Macher für ihren bestbezahlten Volksverdummungs-Journalismus leisten und warum sie Lafontaines Haus immer wieder als  "Palast der sozialen Gerechtigkeit" präsentieren.

In der Sendung Links-Rechts mit Hajo Schumacher und dem unverkennbaren ehemaligen Bild-Chefredakteur Hans Hermann Tiedje war Oskar Lafontaine wieder  einmal genötigt, auf diese Diffamierungen durch die Umverteilungs-Profiteure einzugehen:
 

Lafontaine fährt einen "kleinen Peugeot" Zitat aus der Sendung Links-Rechts mit Hajo Schumacher und Hans-Hermann Tiedje. Ausstrahlung: Heute Abend, 23:30 Uhr auf N24.

Berlin (ots) - Berlin, 29.11.2006 Linksfraktionschef Oskar Lafontaine wehrt sich gegen den Vorwurf, ein Luxus-Politiker zu sein. Er fahre einen "kleinen Peugeot" mit einem "Plastiklenkrad", sagte Lafontaine am Mittwoch in der N24- Sendung "Links-Rechts" und fügte hinzu: "Was brauche ich denn ein Riesenauto? Ich bin kein Autonarr."

Sein als "Palast" bezeichnetes Haus im Saarland habe lediglich einen "Grundriss von elf mal elf" Metern. Darin sei noch eine Wohnung für seine Mutter und eine Garage enthalten. Lafontaine betonte: "Wir haben kein Hauspersonal, nur eine Frau, die kommt auf 400-Euro-Basis." Seine Weine kosteten zwischen zwölf und 15 Euro. Der Fraktionschef fügte hinzu: "Es gibt auch wohlhabende Leute, die einen Sinn für soziale Gerechtigkeit haben.
 

(Kopiert aus juraforum.de, 29.11.06).

Die neoliberalen Volksbetrüger versuchen offenbar in ihren Kampagnen, Neid zu schüren gegen einen Kandidaten, weil er die Umverteilung nach oben  stoppen will, von der er und sie am meisten profitieren. Allerdings wirkt das Haus durch seinen offenen mediterranen Stil und durch das große ländliche Baugrundstück nicht gerade kleinbürgerlich. Bestenfalls könnte man Lafontaine also - im Gegensatz zu seinen Kritikern - einen guten Geschmack vorwerfen, ohne den sich ein solches Gebäude leicht verhunzen ließe, sei es durch die üblichen dicken antik getrimmten Säulen oder Keramik-Raubkatzen am Eingang. Aber selbst hierzu haben sie vorsorglich einen Architekten und einen Architekturpsychologen aufgetrieben, die ihre Kampagne unterstützen. Wenn sich diese Kampagne noch über die ganze Legislaturperiode ausschlachten ließe, würden sie solche "Experten" sicherlich ebenso zu "Prominenten" hochjubeln, wie sie es regelmäßig mit ihren bevorzugten "Wirtschaftsexperten" für die Umverteilung nach oben tun. Hier nun die Pressemitteilung der Linkspartei zu dieser Kampagne:
 

Die Bild-Kampagne gegen Oskar Lafontaine wird immer lächerlicher. Die einzigen, die auf die Kampagne, die heute mit so genannte architekturpsychologischen Erörterungen einen neuen journalistischen Höhepunkt hatte, hereingefallen sind, sind die Neonazis von der NPD,
die am 3. September meinen, Oskar Lafontaines Wohnhaus zum Zielpunkt einer Wahlkampfaktion machen zu müssen.
Bild verschweigt geflissentlich, dass die über 90jährige Mutter und die bald 88jährige Schwiegermutter von Oskar Lafontaine im Haus wohnen und von seiner Frau Christa Müller betreut und gepflegt werden. Dass die Bild-Zeitung mit ihren Angriffen nun den Vorwand für die NPD liefert, ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.
 

Man kann so etwas auch nicht damit entschuldigen, dass diese Manipulateure der sozialen Kälte es nicht besser gewusst hätten, denn sie kannten sogar die Kosten für den nicht einmal knapp mannshohen Schutzzaun um das etwas abgelegene Grundstück. Am liebsten hätte man Lafontaine und seiner Familie wohl auch noch diese normale Sicherheit versagt, nachdem mögliche Attentäter in den diversen Kampagnen dermaßen gegen seine Person aufgehetzt waren (sh. oben) und die Foto-Reporter penetrant durch seinen Zaun fotografierten .

Nach solchen Unverfrorenheiten kann man sich weiteres Nachlesen über die BILD-Kampagne gegen die Urlaubskosten von Lafontaines Familie und die alberne Jet-Story sparen, zu deren Beginn er während seines Urlaubs ausgerechnet beim Axel Springer Verlag an einer angeblich so wichtigen Interview-Runde teilnehmen sollte. Dabei ging es um den überraschend vorgezogenen Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005. Wenn den Schreiberlingen das Interview während seines sicher lange vorausgebuchten und wohlverdienten Familienurlaub so wichtig gewesen wäre, hätten sie es mit ihm auch auf Mallorca führen können. So aber könnte man fast annehmen, dass alles nur eingefädelt wurde, um einen weiteren Diffamierungsanlass zu schaffen. Tatsächlich muss BILD lt. Entscheidung des Berliner Landgerichts seine Privatjet-Kampagne gegen Lafontaine lt. Saar-Echo vom 16.9.05 jetzt einstellen:
 

Zur Begründung hieß es, nach Erkenntnissen des Gerichts habe ein Redakteur der "Bild"-Zeitung die Charterung einer Privatmaschine für Lafontaine selbst ins Spiel gebracht.
 

Diese Nachricht wird aber untergehen. Das Diffamierungsziel des Medienkapitals und seiner bestbezahlten Lakaien ist einmal wieder erreicht.

Nachdem man durch solche Wählertäuschung bzw. Meinungskauf den Stimmenanteil für das Linksbündnis auf 8,7 Prozent drücken konnte, werden die Diffamierungs-Kampagnen auf kleinerer Flamme fortgesetzt mit Springer-Titeln wie "Oskar Lafontaine schielt auf die Führung der neuen Linken", welt.de, 2.5.06, oder "Macht Lafontaine die Linkspartei zum Familienbetrieb? - Wo seine Frau, sein Zwillingsbruder und alte Weggefährten acht Monate nach dem Wahlerfolg untergebracht sind", B.Z. 23.5.06 ("B.Z. Berlins größte Zeitung", ebenfalls Axel-Springer-Verlag und krasses Gegenteil der nur teilweise abgedrifteten "Berliner Zeitung"). In üblicher BILD-Manier findet man dann im Text einen anderen Sachverhalt, als es die Schlagzeile suggeriert, aber immer noch eine irreführende Darstellung. Zu den "alten Weggefährten" heißt es z.B.:
 

Ulrich Maurer (57): Ein alter Parteifreund und einer der ersten "Überläufer" von der SPD zur WASG. Er wurde Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, kassiert 8761,25 Euro monatlich (inkl. seiner Abgeordneten-Diät).
 

Kein Wort davon, dass Ulrich Maurer ein Politiker von außerordentlichem Format ist und als langjähriges Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg bis zu seinem überfälligen SPD-Austritt auch nicht viel weniger verdient haben dürfte. Wenn man ihn an den Politiker-Favoriten des Axel Springer-Verlages und an den neoliberalen Meinungsmachern misst, wären diese schon mit Hartz IV sehr gut bedient, während Ulrich Maurer als Rechtsanwalt wohl mehr als seine Bundestagsbezüge verdienen könnte.

Zu den "Weggefährten" gehört auch der hochqualifizierte ehemalige Staatssekretär Claus Noé (67), für den die geschätzten 4.000 bis 5.000 Euro im Monat gewiss keine Motivation sind, um sich bei seinen Ruhestandsbezügen noch ein solches Arbeitpensum aufzuladen.

Zu Christa Müller, Ehefrau von Lafontaine erfährt der kampagnenanfällige Leser zu seiner Enttäuschung, dass sie sich in der WASG ein Ehrenamt aufgebürdet hat, zusätzlich zu ihren umfangreichen Aufgaben (einschließlich der Pflege im eigenen Haus von Mutter und Schwiegermutter). Der Zwillingsbruder von Lafontaine hat lt. B.Z. für seine Parteiorganisation mit fünf Mitarbeitern einen Gesamtetat von 10.660 Euro im Monat, mit dem die neoliberalen Meinungsmacher nicht einmal ein Promille ihrer täglichen Wählertäuschung bezahlen könnten.

Wenn all diese Rufmordversuche gegen Oskar Lafontaine entlarvt sind, dann kommt oft der ernst gemeinte Vorwurf, dass er sich als junger Mann in den 1970er Jahren einmal im Rotlichtmilieu "bewegt" und sich damals mit angeblichen "Gefälligkeiten" erkenntlich gezeigt habe oder dass er später gegen überhöhte Bezüge-Abrechnungen nicht protestiert habe.  Zu eigenen Erfahrungen mit Lafontaines frühem politischem Engagement im Saarland für Resozialisierungsmaßnahmen äußerte sich Günter Wallraff  begeistert bei Sandra Maischberger (sh. "Menschen bei Maischberger", 28.11.06). Inwieweit für Lafontaine damals auch das Rotlichtmilieu und mögliche Neigungen ins Spiel kamen, ist zu belanglos, als dass es hier zu recherchieren wäre.
 
Zur "Pensionsaffäre" schreibt die Wikipedia  (Stand 10.10.06): 
 

1992 fand das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" heraus, dass Lafontaines Pensionsansprüche aus seiner Zeit als Oberbürgermeister Saarbrückens nicht ordnungsgemäß mit seinen Bezügen als Ministerpräsident verrechnet waren und er zuviel Geld erhalten hatte. Dies war auf eine unklare Vorschrift im Beamtenrecht zurückzuführen, die die vorherige CDU-Regierung eingeführt hatte. Dies machte in den bundesweiten Medien als "Pensionsaffäre" Schlagzeilen. Nachdem ein Gutachten des Finanzrechtlers Hans Herbert von Arnim den Sachverhalt belegte und der saarländische Landesrechnungshof die Auffassung des Spiegels unterstützte, zahlte Lafontaine ohne Gerichtsverfahren rund 230.000 DM zurück.
 

Falls Lafontaine im Wirrwarr der vorgefundenen Politiker-Vergünstigungen aus CDU-Zeiten – trotz all seiner sonstigen Aufgaben – den Überblick behalten  und trotzdem nicht gegen die fehlende Pensionsverrechnung protestiert hat, dann muss er sich allerdings an anderen Lohn und Gehaltsempfängern messen lassen, die das gleiche tun würden. Wenn man den neoliberalen Meinungsmachern und Rufmördern nur so etwas vorzuwerfen hätte, wenn sie sich nicht bewusst für ihre Wählertäuschung überhäufen würden mit völlig unangemessener Abzocke und Steuergeschenken aus dem Volkseinkommen zu Lasten der Ärmsten, dann wäre diese gesamte Webseite überflüssig. Eine kurze Zeitungsglosse mit spitzer Feder zur "Pensionsaffäre" würde reichen. Und wenn sich der allgemeine Eigennutz in diesen Grenzen des allzu Menschlichen hielte, dann hätten wir eine viel bessere Republik. Aber wenn man sich den obigen komplizierten Sachverhalt genauer anschaut und die geringen bürokratischen Neigungen von Oskar Lafontaine dagegen hält, dann dürfte ihm nicht einmal dies vorzuhalten sein.

Es geht bei solchen Kampagnen gegen Lafontaine also immer nur um groß inszenierte und quasi konzertierte Manöver der Neoliberalen zur Diffamierung, zur Ablenkung von ihrer Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen und um Absicherung dieser skrupellosen Politik für die nächsten Wahlen.




Exkurs zum Rede-"Duell" Lafontaine-Merz vom 28.8.05


Beim "Duell" Lafontaine-Merz am 28.8.05 hatte Sabine Christiansen die höchste Einschaltquote seit drei Jahren. Vielleicht war es die erste akzeptable Christiansen-Politsendung überhaupt, da hier erstmals nicht das Übergewicht der neoliberalen Propaganda vorprogrammiert war. Die Anhänger der großen Koalition für die Umverteilung nach oben streiten sich zwar auch dort untereinander um die Fleischtöpfe, stehen aber wie eine Front -  alle gegen einen und ohne Moderationsausgleich - gegen jeden, der den Schwindel aufdecken will. Grundsätzlich lässt sich das Format "Alle gegen einen" wohl kaum sinnvoll moderieren, selbst wenn der Moderator es will.  Aber diesmal wurden an die Moderation auch keine hohen Anforderungen gestellt:

Ohne größere Rücksicht auf ihre immer mehr in den Hintergrund rückende Gastgeberin stritten hier zwei Politiker schnörkellos und scharf, aber ohne die in solchen Sendungen oft anzutreffende Schaumschlägerei um ihre Positionen.

Die Schaumschlägerei von Merz war allerdings auch hier beeindruckend bei Scheinargumenten, die sich bestens für eine Talkshow eignen, weil sie sich dort nicht so schnell widerlegen lassen - so z.B. die Behauptung, dass in Deutschland schon ein Facharbeiter "den Spitzensteuersatz" zahle.

Tatsächlich verdient ein deutscher Facharbeiter ("Average Production Worker") lt. OECD-Statistik knapp 35.000 Euro im Jahr (sh. "Comparison of wage levels", S. 1). Er zahlt dafür als Alleinstehender einen persönlichen Spitzensteuersatz von 24% (also 24 Cent für den letzten verdienten Euro, hier bezogen auf die letzten 1000 Euro Einkommensdifferenz = Einkommens-"Spitze"; sh. BMF "Berechnung der Lohnsteuer 2005". Insgesamt zahlt er 6.760 Euro für 35.000 Euro. Das ist ein "Durchschnittssteuersatz" von 6.760/35.000 = 19,3%). Als Verheirateter mit einem oder zwei Kindern zahlt er noch deutlich weniger, auch bei Zuverdienst der Ehefrau (ebd.).  Das ist nicht viel mehr als die Hälfte des (allgemeinen) "Spitzensteuersatzes" (= Höchststeuersatzes) von 44,3% (incl. Solidaritätszuschlag), der seit dem 1.1.2005 gilt. Bis einschließlich 1999 lag der noch bei 55,9%. Der neue Spitzensteuersatz beginnt für Alleinstehende erst bei 52.153 Euro und für Verheirateten erst beim Doppelten (sh. BMF: "Grafische Übersichten", 10/2004).

Ebenso irreführend war auch der Redeschwall von Friedrich Merz (CDU) gegen die Vermögensteuer oder sonstige Substanzsteuern nach US-Vorbild. Solche Steuern seien nicht mit dem angeblich hohen deutschen Spitzensteuersatz von 44,3% zu  vereinbaren.  Dabei liegt der allgemeine "Spitzensteuersatz" (= Höchststeuersatz") in New York z.B. bei 42,9%, also kaum niedriger als in Deutschland, und das auch erst, nachdem ihn George W. Bush noch einmal drastisch gesenkt hat. Bis zu Reagans Zeiten lag er dort noch bei 50 und 70 Prozent zuzüglich der Regionalsteuern (sh. rossaepfel-exkurse.de/sammlung.htm) und Substanzsteuern.

Beeindruckend war auch der Brustton von Merz bei seiner Argumentation für die weitere Senkung der Unternehmenssteuern. Die meisten Großunternehmen würden ohnehin mit ihrem eigenen Geld Finanzierungsgesellschaften in Ländern gründen, in denen ihre Zinseinkünfte besonders niedrig besteuert würden. Von diesen eigenen Gesellschaften lassen sie sich dann Kredite gewähren,  um durch die Schuldzinsen ihren steuerpflichtigen Gewinn in Deutschland zu senken. Für die niedrigen Ertragsteuern ihrer Finanzierungsgesellschaften in den Oasen erfolgt in Deutschland keine Nachversteuerung! Das Verfahren sei durch Doppelbesteuerungsabkommen abgesichert (sh. die Beispiele unter afu-net.de)  Er kenne sich da bestens aus, weil er als Rechtsanwalt selbst an der Beratung dieser Unternehmen (zur legalisierten Steuerflucht) beteiligt sei. Über die enormen Anwaltshonorare für die Verschiebung solcher großen Vermögenswerte hat er allerdings nicht gesprochen.

Wer in solchem Maße von der Steuerfluchtberatung profitiert, wird allerdings je nach Wesensart auch mehr Interesse haben an der Senkung seines Spitzensteuersatzes als der "Facharbeiter". Hinzu kommen ja unter anderem auch noch seine Bezüge aus diversen Aufsichtsräten und für die Beratung des Hedge-Fonds TCI, dessen Gruppe die Machtübernahme bei der Deutschen Börse eingefädelt und Merz dort einen Aufsichtsratsposten verschafft hat (sh. Ulrich Schäfer: "Das Gesicht der Heuschrecken", sueddeutsche.de, 12.5.05). Nicht ohne Grund hat er gegen die Verpflichtung der Abgeordneten zur Offenlegung ihrer Bezüge geklagt (sh. Chin Meyer: "Merz und seine Finanz-Bulimie", BERLINER KURIER, 1.3.06), jedoch erfolglos.

Das  "Transparenz"-Gesetz war allerdings durch den Einfluss solcher Leute ohnehin schon dermaßen verwässert, dass es kaum Transparenz schafft, denn der Wähler wird nun damit irregeführt, dass zu den zusätzlichen "Neben"-Einkünften der Abgeordneten nur angegeben wird, ob die Beträge bestimmte Grenzen überschreiten. Dabei erfolgen oberhalb einer Grenze von 7.000 Euro jährlich überhaupt keine genaueren Angaben mehr. Auf diese Weise errechnet sich z.B. für die 9 ausgewiesenen "Neben-"Einkünfte von jeweils "mehr als" 7.000 Euro für Merz ein zusätzliches Jahreseinkommen von "mehr als" 63.000 Euro, obwohl er diese Summe schätzungsweise allein schon von der Axa-Versicherung bekommt, die einen direkten Draht zur Regierung sicher gut gebrauchen kann . Für sein Aufsichtsratsmandat bei der Deutschen Börse strich er im Jahre 2006 ausgewiesenermaßen 100.000 Euro ein (sh. "Die Nebeneinkünfte des Friedrich Merz", manager-magazin.de, 11.7.2007, mit Auflistung), ganz zu schweigen von seine anwaltlichen Aktivitäten für "Heuschrecken"-Fonds usw. Ein derartiger Lobbyismus erfordert so viel Zeit, dass der Wähler oder Wahlboykottierer schon einige Unterscheidungskraft aufwenden muss, um nicht  an der Auslastung der Abgeordneten und am Sinn ders Parlamentarismus überhaupt zu zweifeln.

 
In der Debatte mit Lafontaine triumphierte Merz mit der albernen Behauptung:  Lafontaine habe wohl keine Ahnung, dass man die Steuerverlagerungsgeschäfte heute schon von einem PC erledigen könne. Zumindest hat er dadurch vor Christiansens Millionenpublikum zur besten Sendezeit kostenlos bekannt gegeben, dass sich finanzstarke Steuerflüchtlinge und Heuschrecken vertrauensvoll an sein Anwaltsbüro wenden können. Was an Substanz fehlte, kompensierte er ansonsten durch Effekthascherei.

Zu diesem Lobbyismus meinte  Lafontaine, dass andere Länder wie die USA ihre Steueransprüche wesentlich energischer durchsetzen als die deutschen Neoliberalen und dass Unternehmen auch dann ihre Steuern zahlen müssten, wenn sie einen PC hätten.
Wenn schon die Gerichte die Steuerminderung durch Zinsen für Kreditgewährung "an sich selbst" nicht als Scheingeschäft entlarven, so hätte Merz selbst als Politiker einen Gesetzentwurf dagegen einbringen können (sh. hier - gleich anschließend - den Exkurs zur deutschen Steuerflucht-Subventionierung durch Scheingeschäfts-Legalisierung). Das gilt auch  für die Steuerminderung durch Kosten zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Die Pink-Grünlichen haben sich bezeichnenderweise auch um dieses eminent wichtige Thema gedrückt und vielmehr den freien Zutritt fürs Steuerdumping forciert - auch hier als Ausputzer ihrer noch neoliberaleren Gegner.

 

Mit seiner Werbebotschaft in eigener Sache an weitere Finanzinvestoren oder Heuschrecken hatte Merz offenbar Erfolg, z.B. beim Verkauf des hohen Bundesanteil an der Industriebank IKB zum Schleuderpreis an den Finanzinvestor Lone Star. Dazu schreibt das Manager-Magazin:
 

Immer größerer Unmut über den IKB-Verkauf regt sich derweil unter Parlamentariern – auch weil die Anwaltskanzlei des CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz Lone Star beraten hatte. Der US-Investor hatte den Zuschlag für den Kauf erhalten, obwohl er nur 115 Millionen Euro zahlte. Finanzminister Peer Steinbrück war dagegen von einem Verkaufserlös von rund 800 Millionen Euro ausgegangen.

 

"Es stellt sich die Frage, ob und welchen Einfluss Merz da genommen hat", kritisiert der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen), "zumal es ja tatsächlich einige Merkwürdigkeiten in dem Prozess gegeben hat." Merz lehnte am Freitag gegenüber dem SPIEGEL jeglichen Kommentar zu dem Vorgang ab.

 

(Sh. "Kritik an IKB-Verkauf", manager-magazin.de, 7.9.2008, und "Mangelnde Transparenz – Russischer Oligarch kritisiert IKB-Verkauf", spiegel.de, 7.9.2008.) Bei einigen hundert Millionen Euro Preisdifferenz ist das ein lohnender Deal. Wenn maßgebende Politiker der CDU so merkwürdig im Geschäft sind, muss man sich über ihre Politik gegen das Volk nicht wundern.

 

Der Bundesanteil an der IKB wird über die  bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehalten. Zuständig für die Genehmigung des Deals ist Merzens Christen-Freund und Wirtschaftsminister Michael Glos als Vorsitzender des KfW-Verwaltungsrates. Den Deal muss also Glos mit seinem Verwaltungsrat nur noch absegnen. Dies soll in der KfW-Sitzung vom 18.9.2008 geschehen und ist offenbar schon längst mit Merz abgestimmt. Glos hat seinem Verwaltungsrat vor der Abstimmung  aber nicht einmal die "wichtigsten Vertragsbedingungen" bekannt gegeben. Dazu heißt es in der Süddeutschen Zeitung:

 

Die Mittelstandsbank IKB wird an den US-Finanzinvestor Lone Star verramscht - doch im Verwaltungsrat der KfW-Bankengruppe gibt es massive Bedenken.

Die Grünen-Abgeordnete Christine Scheel sagte der Süddeutschen Zeitung, ihr und den anderen Mitgliedern des Gremiums seien die wichtigsten Vertragsbedingungen bislang gar nicht bekannt. Der Verwaltungsrat soll an diesem Donnerstag endgültig über den IKB-Verkauf entscheiden. Seine Zustimmung gilt als sicher.

Trotzdem beharrte Scheel auf bessere Informationen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man derart komplexe Zusammenhänge im Rahmen einer Tischvorlage oder gar eines mündlichen Vortrages erfassen und beurteilen kann", sagte sie…

Lone Star will für die IKB rund 115 Millionen Euro zahlen. Der Staat, private und öffentliche Banken hatten rund 10,7 Milliarden Euro aufgeboten, um das Institut vor der Pleite zu retten.


(Sh. "Scheel kritisiert unbekannte Vertragsbedingungen", sueddeutsche.de, 17.9.2008, 18:38 Uhr.)

 

Stellvertretender Vorsitzender im KfW-Verwaltungsrat ist Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Zumindest ihn wird Glos die geheimnisvolle Abstimmungsvorlage rechtzeitig eröffnet haben.

Die große Koalition der beiden Geheimniskrämer Glos und Steinbrück findet bei ihrer Abstimmung gewiss die Unterstützung ihrer übrigen neoliberalen Mitglieder, darunter auch Michael Meister und Roland Koch (beide CDU) sowie Sigmar Gabriel (SPD). Die parlamentarische Opposition im Verwaltungsrat wird gegen diesen Klüngel und seine zurückgehaltenen Vorlagen nichts ausrichten können – trotz all ihrer Proteste. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Herbert Schui (DIE LINKE), forderte kurz vor der Sitzung in einer Presseerklärung vom 22.8.2008:

 

"Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist notwendig. Zuvor muss der KfW-Verwaltungsrat den Notverkauf aussetzen." erklärt Herbert Schui zum Verkauf der IKB an einen Finanz-Investor.

 

Der russische Investor und Bankier Alexander Lebedew wollte mindestens das Doppelte wie Lone Star  und bis zu 400 Millionen Euro für die IKB zahlen. Dem SPIEGEL sagte er in einem Interview vom 9.9.2008:


Wir waren bereit, 200 bis 400 Millionen Dollar anzubieten… Das Wichtigste ist: Unser Plan trägt strategischen Charakter. Anders als die Amerikaner sind wir kein Spekulationsfond. Wir wollten das Geschäft langfristig weiterentwickeln.

Wir suchen für unsere Nationalny Reservny Bank einen Partner, der Exporte deutscher mittelständischer Firmen auf den russischen Markt fördern könnte. IKB hat genau solche Klienten. Deutschland und Russland zusammengenommen ergeben einen Markt von 220 Millionen Menschen.
 

Vielleicht wird ja Lone Star die Bank demnächst an Lebedew mit einigen hundert Prozent Gewinn weiterverkaufen, damit sich ihr Handel mit Merz, Glos und Steinbrück gelohnt hat.
 

IKB: Sozialisierung der Verluste zur Stabilisierung des Bankenplatzes Deutschland

Im 22-köpfigen Aufsichtsrat der IKB sitzen gerade 2 Staatsvertreter: Jörg Asmussen, Leiter der Abteilung VII im Bundesministerium der Finanzen und Dr. Jens Baganz, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

(Sh. nachdenkseiten.de, 15.2.2008.)

 



Exkurs zur deutschen Steuerflucht-Subventionierung durch Scheingeschäfts-Legalisierung


In der Tat ist es bei einer ernsthaften Diskussion kaum zumutbar, auf solche systematischen Irreführungen durch Bierdeckel- und PC-Künstler weiter einzugehen. Dagegen wahren etliche neoliberale und bestbezahlte Ökonomie-Professoren immerhin einen gewissen Stil und eine scheinbare und wohlwollende wissenschaftliche Redlichkeit gegenüber Maßnahmen, durch die ihre Spitzensteuersätze sinken und nicht steigen sollen.

Wie wichtig eine ernsthafte und breitenwirksame Aufklärung gegen die neoliberalen Parteien und Meinungsmacher ist, zeigen auch etliche Veröffentlichungen von Attac und von der AFP Aktion Finanzplatz Schweiz über solche steuerliche Scheingeschäfte und zum legalisierten Großbetrug. Die verdienstvolle Schweizer (!) AFP ist erreichbar über aktionfinanzplatz.ch; sh. dort z.B. der Artikel von Stefan Howald: "Keine Steuerflucht, nirgends - Zur globalen Steuerhinterziehung", März 2005,  aktionfinanzplatz.ch.

Die Verschiebung von Milliardengewinnen aus Deutschland ins Ausland funktioniert nicht nur durch Steuergeschenke für den Arbeitsplatzexport (Absetzbarkeit der Verlagerungskosten) und durch EU-Subventionierung der Dumpingsteuern in den Fluchtländern. Wie sehr die Scheingeschäfte durch ignorante bestbezahlte Staatsdiener auch sonst gefördert werden, zeigt das Beispiel von Ingvar Kamprad (IKEA) als eines unter vielen (sh. die Sendung Monitor von Sonia Mikich: "...IKEAs ganz legale Steuertricks", 30.6.05). Die Kritik richtet sich also nicht gegen Kamprad, Jahrgang 1926, der lediglich diese bereitwillig geöffneten Scheunentore zur Steuerflucht nutzt und sich schon in den siebziger Jahren aus Schweden ins Steuerparadies Schweiz abgesetzt hat (sh. Wikipedia).

Der Großteil der Gewinnverschiebung ergibt sich auch hier durch die enormen Schuldzinsen, die IKEA Deutschland an IKEA-Unternehmen im Ausland bezahlen muss. Aber hier liegt die Fremdkapitalquote nicht bei den scheinbar erdrückenden 80 bis 90 Prozent, die sich Pleitefirmen aus Not und deutsche Großkonzerne zur Gewinnverschiebung zumuten. Kamprad, einer der reichsten Männer weltweit (sh. Wikipedia), hat vielmehr seiner IKEA Deutschland eine Fremdkapitalquote von 99,8% verschrieben. Das Unternehmen hat also praktisch überhaupt kein Eigenkapital. Ein großer Teil des Gewinns aus Deutschland wird auch noch durch Lizenzgebühren abgeschöpft für das Ausland.

Interessant ist auch, dass es im Falle von IKEA nicht einmal um die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Fertigung geht, denn die Produkte werden weitgehend im Ausland hergestellt. Es geht lediglich darum, dass man die importierten Produkte auch in Deutschland verkaufen will und dadurch im wesentlichen lediglich die Arbeitsplätze für die Verkäufer und Verkäuferinnen samt Verwaltungspersonal schafft. Man versteuert also nicht einmal die satten Gewinne aus der Dienstleistung in Deutschland hier und wird dabei auch noch von Gesetzgeber und Justiz unterstützt.

Die Appelle gegen die neoliberalen Interessengruppen innerhalb und außerhalb der Steuer-"Oasen" für einen praktikablen internationalen Austausch der zuverlässig testierten Besteuerungsdaten gehen in die richtige Richtung, bringen aber wegen der internationalen Verschleppungstaktik bei den notwendigen Zustimmungen der Nutznießer keine rechtzeitige Lösung.  Der Druck ist auf nationaler Ebene zu erzeugen durch die Information darüber, wie durch das Zusammenwirken von Regierungen, Gesetzgebern und Gerichten bei Doppelbesteuerungsabkommen, EU-Regelungen und Unterlassung der nationalen Rechtsanpassung die Scheingeschäfte legalisiert werden. Andernfalls ist die Politik - wie bei der Steuersenkung für "Bestverdiener" - nur dem Druck der Profiteure ausgesetzt. Mit dem heilsamen Druck ließe sich auch der Datenaustausch durchsetzen und die Bestrafung erreichen für Beteiligten am internationalen Steuerbetrug durch Vermögenseinzug zugunsten der geschädigten Länder, so dass man das Betrugsrisiko wieder scheut, die Staaten wieder ernst nimmt und auf die Globalisierung der Kapitalflüsse auch eine Globalisierung der Finanzkontrollen folgt. Interessant ist auch das Vorbild von Vietnam bei der Abgleichung der oft manipulierten Konzern-Verrechnungspreise mit den internationalen Marktpreisen (sh. Sven Giegold: "Steuerkonkurrenz, Steueroasen und Entwicklung", ohne Datum). Der Artikel von Giegold (mit Grafik) ist auch zu finden unter dem Stichwort "Steuerflucht, Konkurrenz, Entwicklung" auf der Webseite bewegungswerkstatt.org).

Ein Beispiel für die gerichtliche Umsetzungen von fatalen Regelungen ist das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.2.2004 (I R 42/02) gegen eine Finanzgerichtsentscheidung zum Begriff der Scheingeschäfte ("Gestaltungsmissbrauch" bei Kapitalverlagerung) gemäß § 42 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 (sh. BFH-Entscheidungen und "Rechtsprechung zu den sog. 'Dublin-Docks'-Gesellschaften", KMPG-Mitteilungen August/September 2004). Das Urteil steht in einer Reihe von BFH-Entscheidungen, die etwas allgemeinverständlicher dargestellt werden in dem Artikel "Nutzung von Steuervergünstigungen in Dublin zulässig" (zum BFH Urteil Az.: I R 94/97), Handelsblatt, 15.3.2000 (Nr. 053, Seite 4). Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland findet man unter bundesfinanzministerium.de und einen Artikel über "Grenz-Fälle der Betriebsprüfung" mit einigen Hinweisen unter kullen-mueller-zinsen.de

Beispiele für fatale Regelungen sind die Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland und der Schweiz. Dazu Kaspar Villinger, Schweizer Bundesrat, in einer Ständeratsitzung, zum "Austausch von steuerlichen Auskünften mit den USA":
 

Wir müssen mit den Amerikanern und als Welthandelsnation auch mit allen uns umgebenden Staaten zu einem Einvernehmen kommen. Wenn uns drei, vier Staaten das Doppelbesteuerungsabkommen kündigen, haben wir ein Problem, und zwar ein echtes und ein substanzielles.
 

(Sh. Protokoll zur Ständeratssitzung vom 2.6.03.) Es ist also keineswegs so, dass die Opfer des Steuerdumpings mehr auf seine Profiteure angewiesen sind als umgekehrt.



 

5) Exkurs:
Freie Entfaltung für jugendliche Gewaltverbrecher



 

Es gibt zahlreiche Beispiele von brutalsten Übergriffen durch rechtsradikale jugendliche Gewalttäter, die man  sofort oder nach kurzer Haft wieder auf die Menschheit loslässt, die sich gegenüber Gleichgesinnten sogar noch mit ihrer Haft oder dem Austricksen der Behörden brüsten und über den Staat lachen.

Schon zum blutigen Skinhead-Überfall mit Baseball-Schlägern auf ein Kinder-Zeltlager am Plauer See im Jahr 1996 schrieb DER SPIEGEL: "Die Anstifter stammen … meist aus der Skinszene und haben in der Regel ein beachtliches Vorstrafenregister" (DER SPIEGEL 30/1996, S. 28-32). Zu einem weiteren Fall, diesmal mit Todesfolge, hieß es dort:


Der mehrfach vorbestrafte Täter Andreas J. war bereits im Oktober vergangenen Jahres wegen schwerer Körperverletzung und Raub zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Jetzt muß die Staatsanwaltschaft Stralsund klären, ob ein Justizbeamter schuld daran hat, daß der Skin noch immer frei herumlief.

 

Auch nicht deutschstämmige jugendliche Gewalttäter überbieten sich immer häufiger gegenseitig mit Brutalitäten, um sich gegenüber ihresgleichen "glanzvoll" hervorzutun. Man lasse sich doch durch die läppischen Strafen in Deutschland nicht von der Gewalttätigkeit abbringen, sagte ein jugendlicher Streetworker und Ex-Gewalttäter aus dem nahen Osten in einer Fernsehsendung. Am wenigsten möchte man unter seinen Gesinnungsgenossen wohl als "uncooler"  "Streber" in der Schule gelten, zumal dann, wenn der eigene Antrieb sowieso fehlt. - Hinzu kommt natürlich die Verschleppung der Bestrafung oder schlechte Nachbearbeitung durch die mangelhaft finanzierten und koordinierten Verfolgungsbehörden.

Das heikle Tabu-Thema bietet einen bequemen Ansatzpunkt für Pseudo-Linke, mit dem sie von der Kritik an ihrer Umverteilung nach oben ablenken können. Genau das haben sie schon bei der Verwendung ihres vormals hoffähigen Begriffs "Fremdarbeiter" durch Oskar Lafontaine getan (sh. oben Exkurs 4). Im Hinblick auf die deutschen historischen Gewalterfahrungen zwingt die teilweise bestialische Gewalt von heute zu zeitraubenden und immer weiter gehenden Differenzierungen, um die schuldlosen Opfer dagegen zu schützen. Wegen oder trotz der historischen Traumatisierung mit Tabus wird nicht einmal allgemein akzeptiert, dass gerade bei Gewaltverbrechen der Opferschutz über dem Täterschutz steht. Das Thema kann der Linken nicht erspart bleiben. Auch diese Schlacht der Worte lässt sich jedoch einseitig instrumentalisieren, besonders im Wahlkampf. Bei der Anprangerung der Täter darf es keinen Duldsamkeits-Bonus geben für "Deutschstämmige" oder nicht "Deutschstämmige".

Ein typisches Beispiel für das falsche Toleranzverständnis, gerade von Pseudolinken und FDP, sind die Äußerungen der Gilbgrünen, Rotkarierten und Sozialdarwinisten zu dutzendmal vorbestraften und frei herumlaufenden Gewaltverbrechern nach einem lebensgefährlichen Überfall auf einen Rentner kurz vor Weihnachten 2007. Diese sadistische Orgie beschreibt DIE ZEIT vom 23.12.2007 wie folgt:
 

Überfall: Brutale Münchner U-Bahn-Schläger gefasst
Von Reue keine Spur: Nach dem brutalen Überfall auf einen Rentner in einer U-Bahn-Station in München sind die beiden Tatverdächtigen heute festgenommen worden. Ihr aggressives Vorgehen gegen den älteren Herrn schieben sie auf ihren Alkoholkonsum.
Am frühen Morgen habe die Polizei einen 17 Jahre alten Griechen und einen 20-jährigen Türken gefasst, berichtete Josef Wilfling von der Münchner Mordkommission. Die arbeitslosen Männer hätten die Tat gestanden. Beide gelten als Serientäter und sind den Angaben zufolge schon dutzende Male mit verschiedenen Straftaten aufgefallen. Wegen der beispiellosen Brutalität - so trat der 17-Jährige heftig gegen den Kopf des 76-jährigen Rentners - droht ihnen möglicherweise eine Anklage wegen versuchten Mordes, sagte Staatsanwalt Florian Weinzierl.
Die beiden Männer sollen den Rentner am Donnerstagabend verfolgt und zusammengeschlagen haben, weil er sie in der U-Bahn gebeten hatte, ihre Zigaretten auszumachen. Auf einem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie der alte Mann kurz darauf in der Station zu Boden geschubst wurde. Immer wieder haben ihn die beiden dann geschlagen und getreten. Schließlich nahm der 17-Jährige mehrere Meter Anlauf und trat so kräftig gegen den Kopf des Mannes, dass er sich selbst verletzte. Der Rentner blieb am Boden liegen. Die Schläger flüchteten mit dem Rucksack des Opfers. Ein kurz darauf vorbeikommender Passant verständigte die Polizei. Der 76-Jährige erlitt bei dem Angriff einen mehrfachen Schädelbruch mit Einblutungen ins Gehirn...
 

(Sh. "Überfall: Brutale Münchener U-Bahn-Schläger gefasst", zeit.de 23.12.2007.) Es ist also nicht nur ein Verbrechen, sondern in dieser Bestialität ein Anschlag auf die Menschlichkeit. Solche Auswirkungen durch Alkoholkonsum wären eher ein zusätzlicher Grund für die Sicherungsverwahrung in Sozialisierungseinrichtungen. Die Vorstrafen der Täter Serkan und Spiridon sind öffentlich halbwegs ausreichend dokumentiert, wie man es sich bei allen freigelassenen gemeingefährlichen Gewaltverbrechern wünschen möchte. Dazu schreibt merkur-online.de:
 

Serkan und Spiridon stießen stets auf milde Richter. Vier Wochen Jugendarrest erhielt der 20-jährige Serkan, und das erst bei der vierten Verurteilung.
Später saß er zwar wegen gefährlicher Körperverletzung bei einem Überfall sechs Monate in Untersuchungshaft, die Strafe wurde aber auf Bewährung ausgesetzt…
Der erste Ladendiebstahl mit 14 Jahren, bald kamen Beleidigung und Bedrohung dazu, dann Gewalt: mit 17 Jahren folgten räuberische Erpressung, schwerer Raub, Autodiebstahl. 39 Vorfälle notierte die Polizei ­ um ein Vielfaches mehr als die Verurteilungen…
Auf 23 Einträge bei der Polizei bringt es Spiridon L. Mit Sachbeschädigung und einem gestohlenen Fahrrad ging es los. Als er die Hauptschule nach der 8. Klasse ohne Abschluss verließ, hatte er über 200 Fehlstunden gesammelt. Er verbrachte sie auf der Straße ­ trinkend, pöbelnd. Wie sein Kumpel Serkan wurde auch er bald gewalttätig.
Zur Rehabilitierung mussten beide zum Anti-Aggressionstraining. Doch die Wut verschwand nicht in Seminaren. Alleine in diesem Jahr wurde Spiridon L. schon sechsmal bei der Polizei auffällig. Einmal griff er sogar Polizisten an. Konsequenzen hatte das Verhalten der beiden Schläger bisher kaum. Nicht mal die Polizei stufte das Duo intern als Intensivtäter ein, berichten Ermittler.
 

(Sh. "Wie aus Kindern Kriminelle wurden", merkur-online.de, 27.12.2007.)

Um die Ausweisung von Serkan zu blockieren, reicht eine "günstige Sozialprognose" von Psychologen (ebd.), wofür er nach Rücksprache mit seinem Anwalt und anfänglicher Reuelosigkeit (sh. oben) schließlich doch noch heftig Reue demonstrierte: 
 

Serkan A. hatte unter anderem vor zwei Jahren bereits einen Mann von hinten überfallen und ihn mit den Füßen getreten, als dieser auf dem Boden lag. Er raubte ihm ein Handy und Zigaretten. Er wurde zu einem Jahr Jugendhaft auf Bewährung verurteilt. Die Strafe hinderte den Türken nicht daran, während seiner Bewährungszeit weitere Straftaten zu begehen. Ins Gefängnis musste er trotzdem nicht.

Die zuständige Richterin damals, die nach Informationen der Bild-Zeitung auch im aktuellen Fall wieder als Ermittlungsrichterin eingesetzt ist, war Beate H. (49) vom Amtsgericht München. Als "Richterin Gnädig" tituliert Bild die Münchner Justizbeamtin. Sie hatte bereits den als Mehmet bundesweit bekannten Intensivtäter aus München im Jahr 2005 zu milden Bewährungstrafen verurteilt und war bereits damals in das Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geraten. Jetzt hagelt es wieder Kritik, weil sie Serkan A. in der Vergangenheit mit Samthandschuhen angefasst hat.


(Sh. "U-Bahn-Schläger: Amtsrichterin aus München in der Kritik", region-muenchen.de, 29.12.2007.)

Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wurde von BILD zu den Vorfällen befragt. BILD setzte gleich in der Überschrift den Schwerpunkt reißerisch und wahlkämpferisch auf Gewalt durch Ausländer: "Wer in Deutschland lebt, hat die Faust unten zu lassen!", bild.de, 28.12.2007. Auf der ersten Seite titelte BILD sogar in großen Lettern mit dem Koch-Zitat "Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer". (Sh. das Video zur Sendung "Koch fordert Härte gegen kriminelle Ausländer", hr-online.de, 28.12.2007.) Der Schwerpunkt speziell gegen Ausländer ergab sich auch aus Interviewerfragen, die in diese Richtung zielten, aber die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen BILD und den Neoliberalen bei Wahlkämpfen mit verteilten Rollen ist bekannt (sh. hier z.B. Demokratie-Kauf.htm, Pro7Sat1.htm, Wir-Papst-Du-Deutschland.htm):
 

BILD: Das Opfer von München ist explizit als "Deutscher" attackiert worden. Es gibt bei Gewaltdelikten die Kategorie "ausländerfeindlicher Hintergrund". Brauchen wir eine Kategorie "deutschfeindlicher Hintergrund"?

Koch: Es ist mir völlig egal, welchen Hintergrund Schläger haben. Gewalt bleibt Gewalt. Wir haben aber zu lange ein seltsames soziologisches Verständnis für Gruppen aufgebracht, die bewusst als ethnische Minderheiten Gewalt ausüben. Wer in Deutschland lebt, hat sich ordentlich zu verhalten und die Faust unten zu lassen. So gehört es sich in einem zivilisierten Land.

 

BILD: Was sagt es über den Stand der Integration, wenn der Anteil jugendlicher Ausländer an Gewaltkriminalität laut Statistiken sichtbar höher ist als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung?

Koch: Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer. Niemand darf sich hinter seinem "Migrations-Status" verschanzen. Null Toleranz gegen Gewalt muss ganz früh beginnen und Bestandteil unserer Integrationspolitik sein. Bis vor Kurzem wurden in multi-kultureller Verblendung Verhaltensweisen toleriert, die inzwischen zu hochexplosiven Gruppen-Aggressionen führen können. Wir müssen Schluss machen mit bestimmten Lebenslügen. Die deutsche Position in der Integrationspolitik war lange leider nicht klar genug.


Mit dem Vorwurf "multi-kultureller Verblendung" hat Koch allerdings ein Reizwort geliefert, dass sich  auch als ausländerfeindliche Demagogie für den Hessen-Wahlkampf im Januar 2008 deuten  lässt. Zumindest muss man Oskar Lafontaine recht geben bei seiner Kritik: "Auffallend ist doch, dass Koch schweigt, wenn rechte Schläger Ausländer zusammenschlagen." (Sh. Lafontaines Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 8.1.2008, unter http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1268123.) DIE LINKE erhebt jedoch vor allem den Vorwurf des neoliberalen Kaputtsparens durch Koch bei allen Maßnahmen, die gegen die Jugendkriminalität helfen könnten (sh. auch die Kritiken von Gregor Gysi und Ulrich Maurer weiter unten).

Die Wähler sind zwar skeptisch gegenüber den Motiven von Koch, befürworten aber mehrheitlich einen "härteren Kurs gegen Gewalttäter":


Fast zwei Drittel der Deutschen (64 Prozent) sind der Ansicht, dass der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Thema Jugendkriminalität aus rein wahltaktischem Kalkül in den Vordergrund gerückt hat.

In der Sache stimmen 63 Prozent der Deutschen einem härteren Kurs gegen Gewalttäter zu.
 

(Sh. stern-Umfrage: Sind Kochs Forderungen Wahlkampftaktik?", stern.de, Heft 3/2008.)

Etwas anders erscheinen die Akzente bei veränderter Fragestellung in Hessen. Dazu schreibt DIE ZEIT:

 
Zwiegespalten sind die Hessen beim Thema Jugendgewalt im Wahlkampf. 50 Prozent der Hessen finden es gut, dass Koch das Thema in den Wahlkampf eingebracht hat (48 Prozent nicht gut). Allerdings sind 65 Prozent der Befragten der Meinung, dass Kochs Lösungsvorschläge zu dem Thema nicht richtig sind. Gar 82 Prozent sind der Ansicht, dass Koch "erstmal seine eigenen Hausaufgaben in Hessen machen und dafür sorgen sollte, dass es dort zu schnelleren Gerichtsurteilen kommt".
 

(Sh. Umfrage in Hessen: CDU auf Talfahrt - Ypsilanti vor Koch", zeit.de, 18.1.2008.)

Der drohende Stimmenverlust von Koch bei der Hessenwahl im Januar 2008 liegt jedenfalls nicht vorrangig an seiner Instrumentalisierung des wichtigen Themas mit Hilfe der Springer-Presse und anderer Medien als Vehikel zur Umverteilung nach oben, sondern daran, dass ihm mangelnde Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung der erforderlichen Gegenmaßnahmen nachgewiesen wurde
(sh. unten)
. Treffend beschreibt dies Oskar Lafontaine in einem Interview: "Im Übrigen ist er in seine eigene Grube gefallen: In keinem Land ist die Jugendkriminalität so gestiegen wie in Hessen" (sh. "Koch sagt alles, nur nicht die Wahrheit", sueddeutsche.de, 20.1.2008).
 

In Großstädten wie Berlin ist der Anteil von Tätern "mit Migrationshintergrund" an solchen Verbrechen wesentlich höher als ihr Anteil an der Bevölkerung:


In Berlin sind rund 80 Prozent der Intensivtäter ausländischer Herkunft – abgeschoben werden können nur die wenigsten. Rund die Hälfte von ihnen besitzt den deutschen Pass. Und über 70 Prozent der restlichen Kandidaten genießen nach verschiedenen Paragrafen Ausweisungsschutz. So jedenfalls hat es der Leiter der Abteilung 47, Oberstaatsanwalt Roman Reusch, kürzlich in einem Vortrag ausgerechnet.


(Sh. "Berlin als Vorreiter: 500 Serientäter im Visier der Polizei", tagesspiegel.de, 29.12.2007).

Bei diesen Zahlen und dem damit verbundenen bemerkenswerten Anteil von organisierter Kriminalität hat sich der Leiter der Berliner Intensivtäter-Abteilung, Oberstaatsanwalt Roman Reusch, in ein politisches Minenfeld begeben und gefordert.


Es muss erreicht werden, dass besonders auffällige ausländische Kriminelle außer Landes geschafft oder sonst aus dem Verkehr gezogen werden können. Wenn nichts geschähe, drohe der Bürgerkrieg in den Kiezen.
 

Dass er dies ausgerechnet in einem Vortrag bei der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung sagte, verschlimmert anscheinend sein Vergehen in den Augen der Berliner Justizsenatoren Gisela von der Aue (SPD). Die politische Inkorrektheit liegt offenbar darin, dass er nicht nur von Kriminellen, sondern wegen des 80-Prozent-Anteils von "ausländischen Kriminellen" sprach. Jedenfalls reichte das der SPD-Senatorin, um statt der Kriminellen den Staatsanwalt aus dem Verkehr zu ziehen, in eine andere Abteilung zu versetzen und durch einen Verkehrsexperten zu ersetzen (sh. "Versetzung von Roman Reusch", rbb-online.de, 17.1.2008;  "Berlin will Hardliner-Staatsanwalt kaltstellen", spiegel.de, 17.1.2008; "Entscheidung im Fall Reusch: Staatsanwalt wird versetzt – Nachfolger war für Verkehrsdelikte zuständig", welt.de, 23.1.2008).

In Deutschland lag im Jahre 2005 der Bevölkerungsanteil der Deutschen mit Migrationshintergrund bei 10 Prozent. Hinzu kommt ein Ausländeranteil von 9 Prozent (sh. Heinrich-Böll-Stiftung, Stand 30.12.2007). Auch bei vielen Rechtsradikalen führt die Umverteilung nach oben zu einem oft aussichtslosen Wettbewerb um die wenigen verbleibenden Lehr- und Arbeitsstellen.  Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der erwarteten "blühenden Landschaften" wachsen viele auf in frustgeladenen Hartz-IV-Milieus.  Als Dauer-Arbeitslose meinen sie, dass sie ohnehin nichts zu verlieren haben, so dass die Integration der Anstifter und Null-Bock-Brutalos um so schwerer wird. Allerdings ist für die vielen labilen Mitläufer bei entsprechendem finanziellen Integrationsaufwand mit ausreichenden Berufsperspektiven eine Resozialisierung möglich, wenn sie nicht während dieser Maßnahmen oder später wieder unter den negativen Einfluss der Anstifter geraten.

Die Zahl von "80 Prozent der Intensivtäter ausländischer Herkunft" in Berlin ist allerdings extrem hoch und dürften dort auch teilweise auf einen erhöhten Ausländeranteil an der Bevölkerung zurückzuführen sein. Die Ergebnisse einer Studie über die Zustände in Berlin beschreibt die taz wie folgt:
 

Die Gründe, warum junge Männer mit Migrationshintergrund häufiger mit dem Gesetz in Konflikt kommen und gewalttätig werden, sind hinlänglich bekannt: Perspektivlosigkeit im Hinblick auf Ausbildung und Beruf, fehlende Partizipationsmöglichkeiten, Identitätskonflikte, innerfamiliäre Gewalt, traditionell-autoritäre Erziehungsmuster und überzogene Männlichkeitsvorstellungen. In Ermangelung von Identifizierungsmöglichkeiten "wird der Körper für die Jugendlichen oftmals zur vermeintlich letzten Ressource", heißt es in der Studie. "Diese Ressource wird gepflegt, mitunter bis zur Hypermaskulinität aufgebläht und in Form von Gewalt zum Schaden anderer eingesetzt."


(Sh. "Aggression und Migration - Der Körper als letzte Ressource", taz.de, 27.11.2007.)

Einige Kommentatoren weisen darauf hin, dass man mit Kindern von Immigranten aus China und Indien kaum Probleme habe, weil die wirtschaftliche, sprachliche und allgemeine soziale Integration der Familie nicht so oft durch die Abschottung der Mütter blockiert sei  (so z.B. Jürgen Krönig zum Thema "Jugendliche Gewalt in Europa", dradio.de, 7.1.2008, 9:17 Uhr). Ohne ein zusätzliches Arbeitseinkommen der Mütter sei aber für Einkommensschwache beim heutigen Lebensstandard ein Sozialhilfestatus kaum vermeidbar. Daraus folge dann eine zusätzliche soziale Benachteiligung der Kinder schon im Vorschulalter. Durch die Verweigerung von gesetzlichen Mindestlöhnen, die Umverteilung nach oben und den Zwang zum Schlangestehen in den Sozialämtern tragen die Neoliberalen also gerade bei zum Erwerbstätigkeitszwang für Mütter, die sich nach ihrer "christlichen" Ansicht angeblich besser um die Familie kümmern sollten.

Nach einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN) scheint es so, dass gebietsübergreifend etwa doppelt so viele Neuntklässler türkischer Abstammung selbst Körperverletzungen begangen haben (37,5%!) wie Deutschstämmige dieser Altersstufe (19,1%) (sh. Dirk Baier und Christian Pfeiffer: Gewalttätigkeit bei deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen – Befunde der Schülerbefragung 2005 und Folgerungen für die Prävention, Hannover 2007, Tabelle 2, Seite 19, mit Erläuterungen zur Auswahl u.a. auf Seite 13, 14 und 19, über kfn.de, Stand 30.12.2007; sh. auch Uta Gonnermann: Personenbezogene und Regionalisierte Kriminalanalyse für Berlin, Berlin 2006). Die Anzahl der Körperverletzungen durch Jugendliche hat von 1997 bis 2007 stark zugenommen. DER SPIEGEL schreibt zu den Untersuchungsergebnissen einer Bund-Länder-Gruppe:


Die Untersuchung für die Innenministerkonferenz besagt außerdem, dass die Anzahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren bei Gewaltdelikten in den vergangenen zehn Jahren um über 25 Prozent auf jetzt 43,4 Prozent gestiegen ist. In einzelnen Bundesländern hat sich die Zahl der Körperverletzungen durch jugendliche Täter demnach nahezu verdoppelt.


(Sh. "JUGENDGEWALT - Die isolierten Macho-Schläger", spiegel.de, 2.1.2008.) Der Anstieg ist aber lt. Christian Pfeiffer und anderen Kriminologen auch durch die erhöhte Anzeigebereitschaft zu erklären (ebd.).

Nach den Feststellungen des Hamburger Erziehungswissenschaftlers Peter Struck ist der Anteil der Körperverletzer mit ausländischer Abstammung aber dann kaum höher als bei deutschstämmigen Jugendlichen, wenn diese in ähnlich prekären und bildungsfernen Verhältnissen aufwachsen. Es sind also umgekehrt kaum Unterschiede zu erwarten zwischen dem Gewaltverhalten bzw. der Gewaltablehnung durch deutschstämmige und nicht deutschstämmige Jugendliche aus einem kultivierteren Umfeld.

Diese Feststellung wurde schon vor Jahren abgesichert durch Untersuchungen des Postdamer Psychologieprofessors Haci Halil Uslucan:
 

...Uslucan, der 2002 und 2004 für das Bundesfamilienministerium gewalttätige junge Deutsche und Migranten beobachtet und verglichen hatte, kritisierte, dass die öffentliche Diskussion nicht korrekt geführt werde. Wenn man junge Türken mit ihren deutschen Altersgenossen vergleiche, ergebe sich "eindeutig, dass türkische Jugendliche stärker gewaltbelastet sind". Dabei werde aber eine sozial gemischte Gruppe mit einer Gruppe verglichen, die mehrheitlich zur Unterschicht gehöre. "Es ist nicht fair, eine ganze Gesellschaft mit einer sozialen Schicht zu vergleichen", sagte Uslucan. "Es waren nicht die Istanbuler Bankdirektoren, die in den 70er Jahren nach Deutschland gekommen sind, sondern Menschen, die weitestgehend der Unterschicht angehörten." Wenn man nur Deutsche und junge Migranten der Unterschicht vergleiche, sei der Abstand nur minimal.
 

(Sh. "Kein Vorbild, aber Prügel", tagesspiegel.de, 11.1.2008.)


Der Fehler liegt offenbar nicht nur bei den unverantwortlichen Kürzungen im Bildungswesen und bei allzu zaghaften Justizorganen, sondern auch in der Gesetzeslage. Dazu schreibt DER SPIEGEL:
 

Für ein deutlich härteres Vorgehen plädiert auch der Kriminologe Hans-Dieter Schwind von der Universität Osnabrück. Er spricht sich in "Bild am Sonntag" dafür aus, ausländische Gewalttäter konsequenter abzuschieben und junge Kriminelle härter zu bestrafen... Das Risiko für jugendliche Gewaltstraftäter, gefasst und spürbar zur Rechenschaft gezogen zu werden, sei viel zu gering. "Sie kommen immer wieder mit gemeinnütziger Arbeit oder Bewährungsstrafen davon - was bei vielen den fatalen Eindruck erweckt: Der Staat droht nur, er macht aber nie ernst", sagte der Kriminologe. "Jugendliche Straftäter lachen oft über den Staat und seine vermeintlich schlappe Justiz." Im Ausland geborene Zuwanderer sollten künftig nur noch "auf Bewährung" eingebürgert werden, sagte Schwind dem Blatt. "Wer innerhalb von zehn Jahren drei Gewaltdelikte begeht, sollte die deutsche Staatsbürgerschaft automatisch wieder verlieren und auch abgeschoben werden können."
 

(Sh. "Jugendliche prügeln wehrlosen Mann nieder - Union fordert Erziehungs-Camps", spiegel.de, 30.12.2007.) Wie recht er damit hat, zeigt zum Beispiel der Fall des mehr als 60fachen jugendlichen Straftäters Mehmet, dessen Ausweisung in die Türkei zunächst vom Bundesverwaltungsgericht widerrufen werden musste, weil er als minderjähriger Ausländer einen gesetzlichen Anspruch auf "Schutz" in der Obhut oder Nähe seiner aufenthaltsberechtigten Eltern hatte. Man hört aber auch von türkischstämmigen Vätern, die ihre schwer erziehbaren Söhne für ein paar Jahre aus Deutschland in die Türkei schicken, um sie dort unter verschärften Bedingungen in türkischen Schulen und/oder Betrieben unter dem Einfluss der weit verzweigten Familien sozialisieren zu lassen. Dort gibt es nicht einmal in Mega-Metropolen wie Istanbul ein Phänomen von brutaler Jugendgewalt durch Schlägertypen, sondern eher "flinke" Diebstähle und Beraubungen durch Kinder, die bandenmäßig dazu gezwungen werden (lt. Bericht von Susanne Güsten für den Deutschlandfunk, "Europa heute", 11.1.2008). Andererseits gibt an Schulen in der Türkei oft noch mehr Gewalt als an Schulen in deutschen Problembereichen (sh. ebenfalls Susanne Güsten: "...Türkei", tagesspiegel.de, 7.5.2006).

Gegen die Schönrederei und den Missbrauch der deutschen Staatsbürgerschaft wendet sich auch die Opferschutz-Organisation Weißer Ring mit ihrem Vereinsvorstand Hans-Dieter Schwind. Dazu heißt es im SPIEGEL:
 

Der für Vorbeugung zuständige Kriminologe Hans-Dieter Schwind wirft den Migrantenverbänden in Deutschland vor, das Problem krimineller Ausländer zu verharmlosen: "Die aktuellen Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs. Wenn darauf nicht präventiv wie repressiv reagiert wird, fliegt uns das in den nächsten Jahrzehnten um die Ohren", sagte der Vereinsvorstand der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Man müsse die Diskussion jetzt führen - das Abwiegeln der Migrantenverbände helfe daher nicht. "Ich würde mir dort deutlich mehr Einsicht wünschen", sagte der ehemalige niedersächsische CDU-Justizminister.
Schwind forderte eine "Staatsbürgerschaft auf Probe", um kriminelle Deutsche mit Migrationshintergrund leichter des Landes verweisen zu können. "Wer nach seiner Einbürgerung wiederholt als Gewalttäter auffällt, von dem sollte man sich verabschieden."

 

(Sh. "JUGENDGEWALT - Weißer Ring wirft Migrantenverbänden Verharmlosung vor", spiegel.de, 11.1.2008, mit einer Grafik "Heranwachsende Gewalt - Polizeilich erfasste Gewaltkriminalität", wonach die Gewaltkriminalität der 18- bis 20jährigen von 19.297 erfassten Fällen in 1994 auf  35.484 Fälle im Jahre 2006 kontinuierlich angestiegen ist - mit dem Hinweis "BEVÖLKERUNG: Anteil der Nichtdeutschen 8,8% -  GEWALTKRIMINALITÄT: Anteil der der Nichtdeutschen an allen Tatverdächtigen 24,8% - männliche Tatverdächtige 82,2%, weibliche Tatverdächtige 12,8%.)

Es blieb leider wieder einmal rechten Politikern vorbehalten, die übliche kurzfristige Freilassung von jugendlichen Gewaltverbrechern zu kritisieren. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wunderte sich zum Beispiel:
 

"Die beiden hätten längst hinter Schloss und Riegel gehört. Bloß weil es sich um Jugendliche handelt, können wir nicht so nachsichtig sein", sagte er. "Wir müssen die Bevölkerung vor solchen Gewalttätern schützen."
 

(Sh. "Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes", spiegel.de, 24.12.2007.)  Das sieht Dieter Wiefelspütz, lauer innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ganz anders. Er und seine bestbezahlten pseudo-sozialdemokratischen Selbstbediener wollen zwar die jährlichen vierstelligen Steuergeschenke ihrer rotgrünlichen Koalition weiter beziehen (sh. hier rossaepfel-theorie.de). Sie meinen, dass die Hartz-IV-Opfer ihrer Umverteilung nach oben dafür bezahlen sollen und mit 347 Euro zum Leben auskommen können, dass sie auch vorher ihr lebenslang Erspartes aufzubrauchen haben (sh. hier  Hartz-IV.htm). Sie stecken sich und ihrer Kundschaft auch das Geld in die Tasche, dass für die Grund-, Haupt- und Vorschulen fehlt, insbesondere bei den Problemfällen.

Insofern ist Gregor Gysi vollkommen recht zu geben bei seiner Kritik am Missbrauch der Debatte für die Wahlkampfzwecke der "Christlichen":


Berlin (LiZ). Die vor Wahlkämpfen immer wieder auftauchenden Vorschläge von CDU-Politikern zur Verschärfung des Jugendstrafrechts lenken nach Ansicht des LINKE- Fraktionschefs Gregor Gysi nur davon ab, "dass eine gute Schule und gute Ausbildungs- und Beschäftigungs- möglichkeiten der beste Weg sind, Jugendkriminalität zurückzuführen". Es sei sinnvoller, mehr Lehrer einzustellen, als in den Strafvollzug zu investieren. "Gute Schulen sind die besten Erziehungscamps", so Gysi.

Die Regierung Koch in Hessen habe durch eine verfehlte Schulpolitik, die zu kürzeren Schulzeiten und überfrachteten Lehrplänen geführt hat, und durch zu geringe Anstrengungen bei der Integration ausländischer Jugendlicher das Gefährdungs- und Aggressionspotential der Jugendlichen erhöht.


(Sh. "Gute Schulen sind die besten Erziehungscamps", linkszeitung.de, 5.1.2008.)

Alle Experten für Jugendkriminalität halten es zur Abschreckung für besonders wichtig, dass die Strafe unverzüglich auf die Tat folgt. Dagegen musste Koch zugeben, dass die Jugendrichter in seinem Land Hessen neben Bremen den bundesweiten Verschleppungsrekord halten bei der Verurteilung von jugendlichen Straftätern (sh. den Abschnitt  "Verfahren dauern lange" in  "Hart aber fair" vom 10.1.2008 mit dem Titel "Jung, brutal und nicht von hier - Was ist dran am Streit um Ausländergewalt). Für brutale Gewaltverbrechen dauert es in seinem Bundesland acht Monate vom Eingang des Falles beim Landgericht bis zur Verurteilung. Laut Koch gibt es in seinem Land je 100.000 Einwohner mehr Richter als in etlichen anderen Bundesländern, aber der Hessische Richterbund fordert bis zu 30 Prozent mehr Richterstellen. Nach den Forderungen des Deutschen Richterbundes fehlen in Deutschland insgesamt rund 4.000 Richter (sh. ebd.). - Bei all seinen Argumentationen kann Koch nicht leugnen, dass es ihm und seinen "christlich"-neoliberalen Umverteilern vor allem darum geht, das Volkseinkommen durch zusätzlichen Senkungen des Spitzensteuersatzes umzuleiten in die eigenen Taschen und die ihrer betuchten Meinungsmacher-Kundschaft, sei es durch Kürzungen bei notwendigen Staatsausgaben oder durch Schröpfung der Normalverdiener und der Ärmsten (sh. hier rossaepfel-theorie.de, Gesundheitsreform.htm, Mindestlohn.htm, Unternehmenssteuerreform.htm, Staatsquote.htm usw.). Bei dieser Grundhaltung kann er kaum Vertrauen erwarten für seine Auslegung der Fakten, selbst wenn das eine oder andere von den Halbwahrheiten stimmen mag.

Diese Grundhaltung der Neoliberalen und ihre Vorgehensweisen werden im nachhinein auch deutlich durch ein Interview mit Ingolf Tiefmann, Vorsitzender des Hessischen Richterbundes, zu den Vorhaltungen von Roland Koch.  (Sh.  "Justiz wird geplündert", Frankfurter Rundschau vom 11.1.2008):
 

Die Regierung Koch wollte die Zahl aller Richterstellen um 8,8 Prozent kürzen. 2003 wurden bei der Operation "Sichere Zukunft" 120 Richter- und Staatsanwaltsstellen gestrichen. 2005 hat das Justizministerium dann berechnet, dass hessenweit 130,5 Richter fehlen - und das spüren wir jeden Tag.
…das Ministerium hat uns zu Beginn des Jahres zusätzlich auferlegt, dass wir 110 Minuten, also nicht einmal zwei Stunden, für Jugendstrafverfahren aufwenden dürfen. Diese geringe Vorgabe erfüllt weder den gesetzgeberischen Auftrag noch unsere eigenen Qualitätsansprüche. Im Jugendstrafrecht ist sie einfach tödlich.
…das Jugendstrafrecht ist im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht sehr stark vom Erziehungsgedanken geprägt. Deshalb brauchen wir in den Verfahren mehr Zeit, um mit den Jugendlichen zu reden - wenn das schon nicht im Kindergarten oder in der Schule geschah. Als Jugendrichter wollen wir etwas erreichen und nicht nur bestrafen. Und da ist diese kurze Zeit einfach tödlich.
Aber wer seine Justiz plündert, darf sich darüber nicht wundern. Nicht nur bei uns, auch bei der Polizei und Staatsanwaltschaft wurden Stellen gestrichen. Dabei brauchen wir genügend gut ausgebildete Polizisten, Richter und Staatsanwälte.


Allerdings lassen sich klare Fälle von Jugendgewalt im Anfangsstadium auch anders abhandeln, wie das US-weit anerkannte Erfolgsmodell des früheren New-Yorker Bürgermeisters Giuliani zeigt. Dazu schrieb und zitierte Graf Nayhauß in einer Kolumne für die Netzeitung ("Mit Night Courts gegen Jugendgewalt", netzeitung.de, 15.1.2008):
 

…"der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giulani schaffte es, mit drakonischen Maßnahmen generell die Kriminalität in seiner Stadt um 57 Prozent zu senken. Eine seiner Methoden waren sogenannte 'Night Courts'."
"Schnellgerichte, die auch nachts mit Staatsanwälten, Richtern, Justizbeamten und Anwälten zur Verfügung stehen. Wer wegen irgendeiner Missetat festgenommen wird, landet schnurstracks vor Gericht, wird verurteilt - vielleicht auch freigesprochen -, bekommt ansonsten seine Strafe und wandert, wenn es nicht bei einer Geldstrafe bleibt, direkt in den Knast."
Auszüge aus der Reportage über ein solches Schnellgericht in New York: "Fünfzehnminuten sind, großzügig gerechnet und gerundet, vergangen, und die Richterin hat die ersten sechs Fälle abgehandelt. Sechs Fälle in 15 Minuten macht zweieinhalb Minuten pro Fall. Eilentscheidung - in der Tat -, die von montags bis donnerstags im Night Court in Manhattans Centre Street getroffen werden.
Nur wer zu ersten Mal vor Gericht steht, hat Chancen, mit einigen Stunden Gemeinschaftsarbeit oder einer Strafe auf Bewährung den Saal wieder zu verlassen. Andernfalls: 30 Tage Gefängnis für Hehlerei; 23 Tage hinter Gittern und eine Geldstrafe für einen Mann, der seine Freundin geschlagen hat
...


Dies ändert jedoch nicht viel an der Notwendigkeit einer Resozialisierung von jugendlichen Gewalttätern. Auch hierfür sparen Neoliberale die erforderlichen Kräfte ein. Die Misserfolgs-Statistik von Roland Koch wurde noch erweitert durch Berechnungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Dazu titelte und schrieb die Süddeutsche Zeitung vom 13.1.2008:
 

Kriminalstatistik in Hessen
Die Täter sind Deutsche
Schwere Gewaltdelikte wie Raub, Vergewaltigung und Körperverletzung sind ausgerechnet in Hessen seit 1999 stärker gestiegen als in allen übrigen Bundesländern. Und zu 90 Prozent sind Deutsche dafür verantwortlich…

So begingen im Jahr 2006 14- bis 18-Jährige bezogen auf die jeweilige Einwohnerzahl in Hessen gut 66 Prozent mehr schwere und gefährliche Körperverletzungen als noch 1999. Im Bundesgebiet betrug der Anstieg 27,5 Prozent. Ähnlich sieht es bei der Jugendgewalt insgesamt aus, zu der neben Körperverletzung auch Raub, Vergewaltigung, Mord und Totschlag zählt. Hessen verzeichnet von 1999 bis 2006 eine Zunahme von gut 35 Prozent, das restliche Bundesgebiet dagegen nur 12,4 Prozent.

"Für diesen starken Anstieg der Gewaltdelikte sind vor allem Deutsche verantwortlich, nämlich zu etwa 90 Prozent", sagt der Leiter des KFN, der Kriminologe Christian Pfeiffer.

Kochs Regierung lasse sich nur bedingt für den Anstieg verantwortlich machen. So gebe es besonders viele Aussiedler in Hessen, die durch viele Gewalttaten auffielen.


Auch dies spricht für die Feststellung von Haci Halil Uslucan (sh. oben), dass die Gewaltkriminalität vor allem von der sozioökonomischen Lage der Täter abhängt und kaum von ihrer Nationalität. Gerade bei Aussiedler-Kindern wird diese Lage oft auch durch erhebliche Sprachprobleme beeinträchtigt, und es ist zu fragen, warum die vielversprechenden Deutsch-Vorlaufkurse von Koch (sh. unten) hier offenbar wenig gebracht haben. - Die schwache Position von Koch spricht aber nicht dafür, dass man gemeingefährliche Schlägertypen auf ihre Opfer loslässt. Dieser Kernpunkt ist festzuhalten, trotz schwerer Vorwürfe gegen Koch.

 

Auch Ulrich Maurer (DIE LINKE) ist nicht zu widersprechen, obwohl seine folgende Kritik an Roland Koch - oberflächlich betrachtet - kaum anders erscheint als die Äußerungen von Claudia Roth (sh. unten). Aber es ist schon ein Unterschied, ob die Kritik mit dem Kampf gegen die Umverteilung nach oben verbunden ist, also gegen die tieferen Ursachen der zunehmenden Jugendkriminalität, oder ob sie von jenen kommt, die diese Umverteilung mitverschuldet haben und weiterhin daran festhalten. Zur Kritik durch Maurer heißt es bei pr-inside vom 7.1.2008:
 

Berlin (AP) Die Linke hat die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel in der Debatte über eine Verschärfung des Jugendstrafrechts hart kritisiert. Indem sie dem hessischen Ministerpräsident Roland Koch beigesprungen sei, «hat sie sich als gnadenlose Populistin entpuppt», sagte Vorstandsmitglied Ulrich Maurer am Montag in Berlin. Koch treibe sein übliches Spiel, hole den «rechten Knüppel aus dem Sack» und mache Stimmung gegen Ausländer. «Was Koch in Hessen macht, ist eine üble, miese Wahlkampfstrategie.»
Seine Regierung habe nicht nur massiv Stellen bei der Polizei und im Strafvollzug abgebaut, sondern auch im Schul- und Betreuungsbereich. Deswegen sei seine Kampagne unglaubwürdig. Meist kämen jugendliche Straftäter aus einer «Situation fehlender Erziehungsleistung». An dieser Stelle müsse man ansetzen.
www.die-linke.de.


Sicher muss man an dieser Stelle ansetzen. Die Kampagne von Roland Koch ist ebenso unglaubwürdig wie die Kritik daran durch Claudia Roth (sh. unten). Aber die Kritik an Koch artet teilweise schon zu Hetzkampagnen aus. So heißt es z.B. im SPIEGEL:
 

Gestern hatte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vorgeworfen, "rassistische Ressentiments" zu verbreiten. (mehr...) Heute verschärfte Kolat seine Kritik und verglich Kochs Wahlkampf in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" mit Kampagnen der rechtsextremen NPD. "Der Zentralrat der Juden hat Recht. Das Niveau des Wahlkampfes von Herrn Koch ist von Kampagnen der NPD kaum noch zu unterscheiden", sagte Kolat. Er hoffe, "dass Herr Koch von den Wählern die Quittung für seine fremdenfeindliche Politik bekommt". Der Ministerpräsident schüre in unverantwortlicher Weise Rassismus.


(Sh. "JUGENDGEWALT - Weißer Ring wirft Migrantenverbänden Verharmlosung vor", spiegel.de, 11.1.2008.) Koch hat auf solche Vorwürfe schon in der Sendung  "Hart aber fair" vom 10.1.2008  geantwortet, dass man die NPD stärkt, wenn man sich bei diesem wichtigen Thema mit Abwiegeln oder Wegsehen begnügt.  Die berechtigte Empörung von Migrantenverbänden über die einseitigen Äußerungen von Koch würde besser ankommen, wenn sie die Ausweisung von gemeingefährlichen Schlägertypen ausdrücklich begrüßten.

Bei aller Kritik an Koch es muss doch gefragt werden, wie mit den bereits eingetretenen kriminellen Folgen der Umverteilung nach oben durch Koch & Co. und mit den bereits "herangezogenen" Gewalttätern umzugehen ist. Mit Sicherheit sind die Mittel für verstärkte Polizeipräsenz zu erhöhen statt für die Umverteilung zu kürzen, auch wenn die Polizei nicht überall sein kann. Es ist aber zu fragen, ob die bisherigen laschen Maßnahmen wirklich ausreichen, ob die nachgewiesene weitere Kriminalisierung von jugendlichen Gewalttätern im Knast wirklich ein Argument ist gegen ihre längerfristige Verwahrung mit hilfreicheren verspäteten Erziehungsmaßnahmen bis zu ihrer Resozialisierung, an die sich ausreichende Berufsperspektiven anschließen müssen. Dies kostet allerdings wesentlich mehr finanzielle Mittel, als der rechtzeitigen Sozialisierung durch die Neoliberalen entzogen wurden. Man muss solche Einrichtungen auch nicht gleich wieder amerikanisierend als "Erziehungscamps" bezeichnen, sondern es gibt hierzulande bereits die geschlossenen Erziehungsheime, und die Konzepte lassen sich auch auf junge Volljährige erweitern.

Selbst Justizministerin Zypries (SPD) zeigt sich offen für "Erziehungscamps", wenn man den Schlägertypen dort "Respekt" erweist (sh. "Justizministerin Zypries: Erziehungscamps sind sinnvoll", taz.de, 3.1.2008). Dieser Forderung wird allerdings Nachdruck verliehen, wenn die Gewalttäter in solchen Camps auch noch zu ihren Lieblingssportarten wie Bodybuilding und Kampfsport Gelegenheit bekommen. In dieser Hinsicht erscheint das viel zitierte Programm des Vorzeige-Heimes von Lothar Kannenberg doch nicht vorbildlich für andere, obwohl er aufgrund seiner eigenen Lebensgeschichte bestens damit umgeht und man sein Engagement sehr anerkennen muss. Nach seiner Methode spüren die Jugendlichen außer Härte aber auch die nötige Fürsorglichkeit des Betreuers. Die vorläufigen Erfolge seiner Übergangs-Station haben anscheinend auch damit zu tun, dass er seinen Zöglingen bei Bedarf die Haftanstalt zeigt, in der sie beim erfolglosen Abbruch der Maßnahme für lange Zeit landen würden. (Sh. "Wer nicht hören will… Letzte Chance für Schwererziehbare", 3sat.de, März 2006, und "Wir holen nach, was sonst im Vorschulalter vermittelt wird", sueddeutsche.de, 2.1.2008.)


Ansonsten fehlt für sinnvolle Erziehungseinrichtungen aber offenbar das umverteilte Geld ebenso wie für alle anderen sinnvollen Maßnahmen. Dazu heißt es in der Wikipedia - kaum zu glauben(!): "Dennoch beläuft sich die Zahl der Plätze für geschlossene Unterbringungen bundesweit auf nur ca. 150" (sh. Stichwort "Heimerziehung", Stand 14.1.2008). Auch in Roland Kochs Hessen sieht es nicht besser aus:
 

Bislang ist ein eigenes geschlossenes Heim an den im Vergleich zu Einrichtungen in Bayern oder Baden-Württemberg zu hohen Kosten gescheitert, denn zahlen müssen schließlich die Kommunen.
 

(Aus "Analyse: Kein geschlossenes Heim in Hessen", welt.de, 14.1.2008.) Die Kommunen kann man allerdings nicht auf den Kosten sitzen lassen, die durch die Umverteilung nach oben verursacht wurden, zumal diese Umverteilungs-Folgekosten kaum noch tragbar sind und bei den hohen Rückfallquoten immer wieder aufs neue anfallen. Als neue Alternative für hartgesonnene Fälle erscheint eine sogenannte "erlebnispädagogische Maßnahme" mit Betreuung, allerdings nicht wie früher in der Karibik, sondern in Sibirien. Dazu titelt und schreibt die Netzeitung vom 17.1.2008:
 

Hessen erzieht Jugendtäter in Sibirien
Hartes Programm für jungen Gewalttäter: Das Gießener Jugendamt lässt einen 16-Jährigen in einem russischen Dorf leben. Zwischen Holzofen und Plumpsklo soll er seine Aggressionen abbauen.

Um einen aggressiven Jugendlichen vor einer kriminellen Karriere zu bewahren, hat ein hessisches Jugendamt den 16-Jährigen für neun Monate nach Sibirien geschickt. Der Junge lebe unter einfachsten Verhältnissen in dem russischen Dorf Sedelnikowo, bestätigte der Gießener Jugend- und Sozialdezernent Stefan Becker.
Wegen seines aggressiven Verhaltens musste der 16-Jährige mehrmals die Schule wechseln, war aus einer Jugendhilfeeinrichtung geflohen und hatte sogar seine Mutter angegriffen…

Die Gießener Behörde ist nicht (die) einzige, die sogenannte intensivpädagogische Auslandsmaßnahmen einsetzt. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) sind derzeit etwa 600 junge Intensivtäter außerhalb Deutschlands untergebracht…
Die Kosten des Sibirien-Aufenthaltes lägen mit rund 150 Euro pro Tag nur bei einem Drittel einer Betreuung im Heim. Becker hingegen sah in den finanziellen Vorteilen nicht den Ausschlag für die gewählte Erziehungsmethode.
Von den 150 Euro entfällt der Großteil auf den Betreuer und die Reisekosten, weil während der Maßnahme eine weitgehende Selbstversorgung unter einfachsten Verhältnissen stattfindet. Die täglichen Kosten von 150 Euro erscheinen zwar sehr hoch, aber die Maßnahme rechnet sich trotzdem, weil sie erfolgversprechender erscheint als die übliche wohltuende Rundumversorgung in deutschen Heimen und weil dieser Komfort außerdem noch wesentlich teurer ist.
 

Es lohnt die weitere Lektüre des Artikels zum unterstütztem Schulbesuch, Holzhacken, Wasserholen usw. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht einmal um einen Intensivtäter, sondern um einen krankhaft aggressiven 16-Jährigen ohne Vorstrafen, der sich "freiwillig" dieser rein pädagogischen Maßnahme unterzogen hat. (Sh. "Sibirien-Dennis (16) wäscht T-Shirts bei -55 Grad", bild.t-online.de, 18.1.2008.) Erwartungsgemäß gab es trotzdem harsche Kritik von Salon-Sozialisten wie Schröder-Freund Michael Naumann, dem Sibirien allein schon wegen der der schrecklichen Vorbelastung dieses Namens missfiel (bei Maybrit Illner, zdf.de, 17.1.2008). Aber der deutsche Name ist auch vorbelastet, und in Sibirien leben auch Menschen seit Jahrtausenden vor dem Gulag.


Naumann distanzierte sich bei der Gelegenheit auch vorsichtig von einem gerade kursierenden Interview-Zitat seines Freundes Gerhard Schröder aus dessen Niedersachsen-Wahlkampf im Jahr 1997. Schröder hatte gesagt:
 

Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein bei ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell!
 

(Zitiert nach dem Interview von Angela Merkel: "MERKEL ZUR JUGENDGEWALT...", welt.de, 12.1.2008. - Original-Interview in "Bild am Sonntag" vom 20.7.1997, S. 4, lt. Gerhard Wolf: Kriminalität im Grenzgebiet, 1998, Web-Text S. 17). Die Distanzierung war allerdings sehr viel schwächer als die Holzerei gegen gleiche Sätze von gegnerischer Seite.  Lt. Naumann darf man nicht übersehen, dass Schröder im weiteren Verlauf des Interviews auch von erzieherischen Maßnahmen gesprochen hat, aber wer tut das nicht? Im übrigen sollen Pseudo-Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder am allerwenigsten als Kronzeugen für diesen Text in Anspruch genommen werden.


Viel lockerer als im Falle des 16-Jährigen ist dagegen z.B. der Umgang mit dem notorischen Schläger und Messerstecher Nidal R. (25, Schutzname "Mahmoud"):
 

Ein Gutachter soll über seine Gefährlichkeit urteilen. Dr. Karl Kreuzberg (57) sagte vorab zu BILD: "Es kann ihm kein Hang zu gefährlichen Straftaten nachgewiesen werden. Es liegen keine kriminologischen und gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vor." Diese Einschätzung wird er in den nächsten Wochen dem Gericht vortragen.
 

(Sh. "50 STRAFTATEN – Gutachter findet Intensivtäter nicht gefährlich", bild.t-online.de, 16.1.2008.)Zitate aus BILD sind zwar mit äußerster Vorsicht zu verwenden und sparen oft die wesentlichen Gesichtspunkte aus, aber nach allem Gesagten zur Behandlung jugendlicher Schläger scheint diese BILD-Meldung recht plausibel. (sh. auch bereits aus 2005 den Artikel "Serientäter 'Mahmoud' wieder vor Gericht - Zwei tätliche Übergriffe in nur drei Wochen - Abschiebung steht weiterhin aus", welt.de, 22.3.2005).

 

Trotz der bisher ausbleibenden Erfolge der üblichen Justiz-Maßnahmen mag ein Vertrauen auf die eher optimistischen Stellungnahmen der deutschen Richterschaft möglich sein, wenn die finanziellen und geeignete institutionelle Voraussetzungen erfüllt sind. Für gemeingefährliche Schlägertypen und gewalttätige Sittlichkeitsverbrecher können jedenfalls nicht die gleichen Haftbegrenzungen oder Verwahrungsbeschränkungen gelten wie für andere Kriminelle.


Mit der Umverteilung nach oben haben die Pink-Gilbgrünen und Neo-Schwarzen einschließlich Roland Koch Deutschland auf einen der letzten Plätze gebracht im internationalen Vergleich der Industrieländer bei den Bildungsausgaben in diesem Bereich (sh. "OECD in Figures - 2005 edition", oecd.org, Klick auf "Education expenditure" oder gleich öffnen mit http://dx.doi.org/10.1787/650383071321, Stand 31.12.2007), obwohl sie gerade mit ihrer hohen Quote gering qualifizierter Einwanderer erhebliche Zusatzaufwendungen erforderlich gemacht haben. Durch ihre Selbstbedienung haben sie die Konsumnachfrage gedrosselt, massenhaft existenzsichernde Arbeitsplätze vernichtet oder durch Sklavenarbeit ersetzt und die Berufschancen von vielen Jugendlichen auf den Nullpunkt gebracht (sh. rossaepfel-theorie.de). Ersatzweise können die Pseudo-Linken aber sehr viel billiger ihr angebliches "soziales Gewissen" zur Schau stellen gegenüber gemeingefährlichen Gewaltverbrechern zu Lasten der künftigen Opfer:
 

"Ich habe etwas gegen blinden Aktionismus", so Wiefelspütz zu SPIEGEL ONLINE, "und sehe überhaupt keinen Grund, diese Tat zum Anlass zu nehmen, schärfere Gesetze einzufordern". Die Täter in München seien mit äußerster Brutalität vorgegangen, "aber sie sind überführt und werden mit einer deftigen Freiheitsstrafe zu rechnen haben".
Der Fall zeige trotz aller Tragik und Brutalität, dass das Strafrecht in Deutschland "völlig ausreichend" sei, sagt Wiefelspütz. In Deutschland agierten "erfahrene Richter, die durchaus angemessen urteilen"...
 

(Sh. "Koalition streitet um Jugendstrafrecht", spiegel.de, 27.12.2007.) Diese Täter wurden schon dutzendmal "überführt". Sie wurden aber  immer noch auf ihre Opfer losgelassen dank der "erfahrenen Richter" wie im Fall von Serkan und der "völlig ausreichenden" Gesetze von Wiefelspütz. Aber die  schlappen pinkgrünlichen Discount-Moralisten drücken sich weiterhin um den Opferschutz  und beschränken sich aufs Schönreden.

Zu dieser Kategorie gehört auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die hier schon mehrfach in vorderster Reihe genannt werden musste und die vom Kabarettisten Urban Priol als "Betroffenheits-Flokati" charakterisiert wird, offenbar auch wegen ihrer kuscheligen Weicheierei zugunsten von Gewaltverbrechern trotz ihres forschen Tons zu Lasten der Opfer. Sie setzte noch eins drauf und kritisierte die Forderung nach Beendigung solcher Zustände als "plumpen Populismus".


In der "Frankfurter Rundschau" erteilte sie auch einer möglichen Ausweisung des türkischen Täters eine Absage. "Schon der Fall Mehmet hat gezeigt, dass das zu gar nichts führt.", sagte Roth.


(Sh. ebd.).  Sie kritisiert also nicht die Ablenkung von den Folgen ihrer neoliberalen Umverteilungspolitik, die von den "Christen" noch verschärft wird. Vielmehr verfolgt sie durch den Hinweis auf den Fall Mehmet weiter die grünliche Duldungspolitik, die wesentlich zu den Problemen beigetragen hat. Doch gerade der Fall Mehmet zeigt, dass die Ausweisung spätestens mit seiner Volljährigkeit  und nach vorherigen geeigneten Unterbringungen möglich gewesen wäre, denn er hatte nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, wie sie andere oft so übereilt erhalten. Es reicht schon, dass man deutsche Schlägertypen im Lande ihr Unwesen treiben lässt.

Schon bei der Einführung von verpflichtenden Deutsch-Vorlaufkursen für  Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen hatten sich die Pseudolinken mit dem selbstgefälligen Verdammungsurteil "Zwangsgermanisierung" profiliert. Dazu Roland Koch in einem Interview (sh. welt.de vom 12.7.2006):

 

Koch: Wenn ich garantieren will, daß Kinder in der ersten Schulklasse Deutsch sprechen können, muß ich diesen Kindern einen Deutschkurs vor Beginn der Schulzeit anbieten. Wir haben in Hessen als erstes Land 2002 einen Eingangstest für Schulkinder eingeführt. Dafür rügten uns seinerzeit Sozialdemokraten und Grüne wegen "Zwangsgermanisierung". Jetzt folgen uns viele andere Länder.

WELT: Ein ehrenwertes und teures Projekt. Schulkinder, die beim Test scheitern, müssen ja weiter gefördert werden.

Koch: Der Obersatz lautet: Wer an deutschen Schulen unterrichtet wird, muß Deutsch können. Wer den Test nicht besteht, bleibt nicht zu Hause, sondern muß durch weitere Spracherziehung unterstützt werden, bis er mit den anderen mithalten kann.


Noch heute wenden sich pinkgrünliche Ideologen heftig gegen solche Sprach-Vorlaufkurse zur rechtzeitigen Herstellung der sprachlichen Grundvoraussetzungen, so auch die hessische SPD-Politikerin Margaretha Sudhof, die bei einem Regierungswechsel Integrationsministerin werden soll. Dazu sagte der CDU-Bildungspolitiker Hans-Jürgen Irmer: Sudhof gehöre "offensichtlich zu den ewiggestrigen rot-grünen Ideologen", für die Deutschförderung eine "Zwangsgermanisierung" darstelle... Er nannte Sudhof eine "angebliche Fachfrau". Sudhof hatte es völlig falsch genannt, "Kinder nach einem Sprachtest in Vorlaufkurse auszusortieren, statt sie in die Schule zu integrieren". Irmer sagte, 97 Prozent der teilnehmenden Kinder schlössen die Vorlaufkurse erfolgreich ab und hätten dadurch "weitaus bessere Chancen in Schule, Beruf und Gesellschaft". Kultusministerin Karin Wolff (CDU) betonte, der Erfolg der Kurse sei "bei Lehrkräften, Erziehern und Eltern unbestritten" (sh. "Sudhof ist ahnungslos", fr-online.de, 11.1.2008).
 

Ein besonders krasses Beispiel für die pseudolinke Abwiegelung lieferte die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) in der Sendung "Hart aber fair" vom 10.1.2008 mit dem Titel "Jung, brutal und nicht von hier - Was ist dran am Streit um Ausländergewalt?". Man ließ ein Video einspielen, auf dem zwei Schauspielschüler als Randalierer in U-Bahnen einsteigen. Von den bedrängten, überwiegend älteren Fahrgästen traute sich kaum jemand, etwas gegen die laute Musik und andere Provokationen zu sagen. Als die Fahrgäste ausgestiegen waren, wurden einige von ihnen nach ihrem Stillhalten befragt und antworteten erwartungsgemäß, dass sie sich nicht zusammenschlagen lassen wollten. Nachdem Brigitte Zypries ihre Parteilinie abgespult hatte, wurde sie gefragt, wie man mit solchen  Zuständen umgehen sollten (die sie durch ihre ständige Schönrederei mitverschuldet). Darauf fiel Zypries nur ein, dass die Fahrgäste doch in einen anderen Wagen umsteigen könnten!


Wenn ehrliche Linke nach Art der Pseudo-Linken und der FDP ihre Wahlchancen verspielen, dann opfern sie ihren Kampf gegen die Umverteilung nach oben dem Einsatz für gemeingefährliche Gewaltverbrecher, die nun einmal ihre Aggressionen nicht an den eigentlichen neoliberalen und abwiegelnden Verantwortlichen auslassen, sondern immer häufiger auf unbeteiligte Opfer losgehen. Gerade mit dem Kampf gegen die Umverteilung nach oben kann man die künftige Entwicklung der Gewalt gegen Unschuldige eindämmen.






6) Exkurs: 
Verleumdungs-Kampagne gegen Diether Dehm



Im Hinblick auf die völlige Unglaubwürdigkeit der Lafontaine-Diffamierer braucht man auf deren ständig wiederholte Verleumdungen gegen den Kandidaten der Linkspartei Diether Dehm, Jahrgang 1950, wegen angeblicher Stasi-Tätigkeit von 1971 bis 1978 (sh. Wikipedia-Zitat unten) wohl kaum noch im einzelnen einzugehen.

Lediglich von Wolf Biermann sollte man eigentlich erwarten, dass er sich trotz seines verständlichen Stasi-Traumas an die Fakten hält. Seine angeblichen Gespräche mit Diether Dehm über Jahrzehnte zurückliegende Stasi-"Kontakte" mag es ja gegeben haben, aber die Frage bei den vielen archivierten "Kontakten" eines Spitzel-Systems ist doch immer, ob jemand nur abgeschöpft wurde oder als Kontaktperson sogar gegen die Ziele des diktatorischen Regimes gearbeitet hat, wie z.B. Richard von Weizsäckers Vater und vor allem die Hitler-Attentäter tatsächlich innerhalb des NS-Regimes schließlich gegen dessen Ziele gearbeitet haben. Sie waren nicht nur inoffizielle, sondern offizielle Mitarbeiter des Regimes, damals in einem Regime des industriellen Massenmordes. Diether Dehm fand dagegen nicht "schließlich" den geraden Weg, sondern stand von Anfang an engagiert gegen die Volksverdummer. Schon deshalb sind seine Aussagen glaubwürdig - im Gegensatz zu den Hetzkampagnen der neoliberalen Meinungsmacher. Die hätten natürlich auch ein Eingeständnis von Stasi-"Kontakten" gegen deren eigentlichen Sinn (sh. unten) schamlos öffentlich ausgeschlachtet, weil sie als Profiteure der Umverteilung nach oben mit dem linken Auge alles hinzutun, was ihnen auf dem rechten Auge fehlt. Im übrigen sind die Abschöpfungs-"Kontakte" ja durch das SPD-Schiedsgerichtsverfahren dokumentiert (sh. unten). Aber dessen Ergebnis passt nicht in die Verdummungs-Kampagnen, weil es die Verleumdungen gegen Dehm widerlegt (sh. unten).

Wolf Biermann müsste doch als kritischer Geist trotz seiner offensichtlichen Abneigung gegen Links und trotz seiner Etablierung im System erkennen (sh. "Kultur im Kabinett", politikerscreen.de, 11.8.05), dass nicht nur die PDS sich mit der WASG in die einzige demokratische Opposition gegen die asozialen Umverteiler gewandelt hat, sondern dass sich die SPD in nur sieben Jahren von einer sozialdemokratischen zu einer neoliberalen Partei entwickelt hat, während die übrigen etablierten Parteien sich in dieser Zeit von einer noch halbwegs erkennbaren Verfassungstreue zum Sozialstaat abrupt in Richtung Raubtierkapitalismus nach US-Vorbild gemausert haben. Die Wikipedia schreibt zur siebenundzwanzig Jahre zurückliegenden Vorgeschichte dieser Verleumdungs-Kampagne durch die asozialen Umverteiler (Stand 14.9.2005):
 

Als "marxistischer Sozialdemokrat" (Bezeichnung in 33 Jahren SPD-Mitgliedschaft bis zum Wechsel 1998 zur PDS gilt Diether Dehm in der Öffentlichkeit als "Westlinker" im Gegensatz zu den sog. Reformern in der PDS. 1996, war ein SPD-Schiedsgerichtverfahren gegen ihn wegen "Ostspionage bis zum Jahre 1977" straffrei eingestellt worden. Nach umfangreichen innerparteilichen Gerichtsverfahren wurde kein Beleg dafür gefunden, das Dehm wissentlich mit der Stasi kooperiert hatte. Vielmehr wurde die Akte 1977 von der Stasi enttäuscht beendet und danach die "DDR-Einreisefahndung" verhängt. Erst danach wurde Diether Dehm Manager von Wolf Biermann.
(Diether Dehm war Ende der sechziger und Anfang der siebziger als Künstler und VVN-Mitglied häufig bei Kulturveranstaltungen in der DDR, meist sogar den ganzen Sommer über. Die Stasi-Akte beginnt 1972 mit dem Versuch der Stasi, Dehm zum "perspektivIM" zu formen; 1977 endet dieser Versuch, weil sich Dehm glasklar und öffentlich für Biermann und Bahro ausgesprochen hatte. die Akte wird abgebrochen und verzeichnet "unbelehrbarkeit" von Diether Dehm und die Stasi stempelt Dehm zum Staatsfeind und legt ihn ab 1978 in die "DDR-Einreisefahndung".
Nach 17 Verhandlungstagen hat das SPD-Parteigericht zum Stasivorwurf das Verfahren gegen Dehm 1996 straffrei eingestellt. Grund: es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Dehm wissen konnte/musste, daß es sich bei den FDJlern, die Diether Dehm als Künstler getroffen hatte, um Stasi-Zuträger handelte. Er wurde also unwissentlich "abgeschöpft". In der SPD wurde Dehm nach 1996 wieder in diverse Funktionen gewählt, bis er sie dann zwei Jahre später verliess. Ausserdem gibt es keinerlei Geheimnisse in der Akte, die Dehm verraten hätte.)
 

Dagegen ist die düstere Vorgeschichte von Mitgliedern der CDU-FDP-Koalition in den Jahren nach dem Krieg nicht nur frei erfunden, sondern erdrückend belegt, aber niemand bei den "frommen Christen" hat jemals ernsthaft danach gefragt.

(Sh. auch http://www.rossaepfel-theorie.de/Diffamierungs-Resistenz.htm).
 


 


 

Exkurs:
Mindestlöhne und "Bolkestein-Hammer"


Verlagert nach Mindestlohn.htm.

 




Exkurs:
Plünderungsmöglichkeiten im Gesundheitssystem

 

Verlagert nach Gesundheitsreform.htm.


 


7) Nachtrag vom 14.10.2007 zum vierten Exkurs

All die beschriebenen Rufmord-Versuche der Neoliberalen gegen Lafontaine und andere konnten nicht verhindern, dass DIE LINKE sich auch und gerade durch seinen Einsatz bei dem Umfragen auf einem Niveau über 10% stabilisiert hat (sh. "Umfrage-Barometer", spiegel.de).  Die Akzeptanz für ihre und seine Forderungen liegt lt. einer Forsa-Umfrage für den STERN und RTL noch wesentlich höher:
 

Die Linkspartei legt in der jüngsten Forsa-Umfrage des stern weiter zu und liegt nun bei 14 Prozent, vor Grünen und FDP. Besonders schmerzhaft für die SPD: 40 Prozent der Bürger halten Lafontaines politische Forderungen für richtig…

 

Noch größer als in der gesamten Wahlbevölkerung ist die Zustimmung für die abgefragten Lafontaine-Positionen unter SPD-Anhängern. Knapp die Hälfte der sozialdemokratischen Wählerschaft (48 Prozent) hält die Forderungen für richtig. 30 Prozent der SPD-Wähler stimmen Lafontaine in Teilen zu, nur ein Fünftel der Parteianhängerschaft (20 Prozent) lehnt seine Positionen ab.
 

(Sh. "stern-Umfrage: Linkspartei triumphiert", stern.de, 4.7.2007.)

 

Zum gleichen Thema heißt es beim Saarländischen Rundfunk am 29.9.2007 unter sr-online.de:

Saarbrücken: Lafontaine für die meisten glaubwürdig
Die Mehrheit der Saarländer (56 Prozent) sieht durch den Parteiwechsel Lafontaines von der SPD zur Linken seine Glaubwürdigkeit nicht geschwächt. 25 Prozent halten sie sogar für gestärkt.


Aber durch Diffamierungen von Lafontaine und seinen Mitstreitern konnten die neoliberalen Demagogen immerhin erreichen, dass solche Werte am Wahltag bei weitem noch nicht erreicht werden und dass Lafontaine trotz weitgehender Akzeptanz seiner Forderungen bei den Noten für Spitzenpolitiker "nur" auf Platz 10 steht – weit hinter den Vorkämpfern für die Umverteilung nach oben (sh. Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer vom 14.9.2007).
(Vgl. auch die späteren Werte dieses ZDF-Instituts und die ähnlichen Werte von Infratest-Dimap für die ARD, aber die günstigere Bewertung durch das neoliberale ZDF für seine Parteien im Vergleich zum etwas ausgewogeneren Infratest-Dimap-Institut bei den Sonntagsfragen laut SPIEGEL-Umfrage-Barometer.)



Für die Landtagswahlen am 27.1.2008 in Niedersachsen und Hessen lässt sich die Manipulation der Wähler vielleicht noch dadurch verstärken, dass die Neoliberalen dank guter Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und sonstigen staatlichen Stellen irgendwelche fragwürdigen Vorwürfe gegen die Mandatsträgern der LINKEN ausgraben oder konstruieren lassen (sh. z.B. "Verfassungsschutz beobachtet Linke in Niedersachsen flächendeckend", spiegel.de, 22.9.2007.) Solche Methoden haben sich stets dort bewährt, wo gegen das Volk regiert wird.

Unter diesen Voraussetzungen ist zu befürchten, dass die geforderte Online-Durchsuchung von PCs sich nicht auf die angeblichen wenigen Extremfälle beschränkt (sh. dazu auch fast zeitgleich zu der SPIEGEL-Meldung: "Wulff will den heimlichen Onlinezugriff", Hannoversche Allgemeine Zeitung, 14.9.2007, S. 7, wonach sich aber die Online-Durchsuchung angeblich auch nur auf Extremfälle beschränken soll). Mit den "Früchten" solcher fragwürdigen, aber pünktlichen Beschnüffelungs-Aktionen wurde bereits Peter Porsch als Kandidat der Linken zur Sachsenwahl ausgerechnet während einer Wahlveranstaltung überfallen (sh. hier: Diffamierungs-Resistenz.htm).


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Recht bezeichnend für die Meinungsmache durch Chefredakteure und ihre redaktionellen Richtungsvorgaben  ist auch ein Artikel von Andreas Theyssen, Politik-Chefredakteur der Financial Times Deutschland. Für ihn ist Oskar Lafontaine ein "Angstmacher", der "für Mindestlöhne streitet, für die Umverteilung von oben nach unten. Der die Agenda 2010 als Synonym sieht für soziale Grausamkeiten und für volkswirtschaftliche Unvernunft. Der Devisengeschäfte besteuern will und sich einsetzt für eine Steuerpolitik, die Gewinn- und Unternehmenseinkommen stärker belastet, zudem die hohen Vermögen, Erbschaften und die Börsenumsätze" (sh. Andreas Theyssen: "Die Lafontaine-Republik", ftd.de, 8.10.2007)

 

Das scheint Theyssen unvereinbar mit Schriften und Reden von Lafontaine aus den Jahren 1986 bis 1989, als das Arbeitslosengeld noch bis zu 32 Monaten gezahlt wurde und die Arbeitslosenhilfe noch bis zu 57 Prozent des letzten Nettolohns betrug, bei Bedarf bis zur Rente (sh. Benjamin Harder: "Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe – Die Vorschläge der Hartz-Kommission", wsws.org, 5.7.2002), als die deutschen Unternehmen noch durch unnötige Begrenzung ihrer immer teureren Maschinenlaufzeiten auf dem Weltmarkt benachteiligt waren, auch durch Überteuerung der Samstagsarbeit, und als eine Beschränkung der Wochenendzulagen sowie ihre Besteuerung noch in weiter Ferne lag. Theyssen rückblickend in Präsensform:

 

Oskar Lafontaine hat erkannt, dass deutsche Arbeitsmarktgesetze nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Also setzt er sich ein für längere Maschinenlaufzeiten, für Wochenendarbeit, für Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich.

 

Aus diesen verzerrten Fakten zieht Theyssen den Schluss:

 

Weil der um 180 Grad gewendete Politiker, die Inkarnation des Heute-so-morgen-so, inzwischen der Leithammel der deutschen Innenpolitik ist.

 

Interessant ist daran lediglich, dass Theyssen Polit-Chefredakteur einer großen Tageszeitung ist. Somit hat er starken Einfluss auf die Manipulationsrichtung der übrigen Redakteure und liefert ein weiteres Beispiel dafür, dass die neoliberale Manipulation stets vom Medienkapital mit seinen bestbezahlten Meinungsmachern vorgegeben wird.

 

Es trifft auch nicht den Kern der Sache, dass Lafontaine "für die Umverteilung von oben nach unten" eintritt. Vielmehr geht es zunächst darum, die unglaubliche Umverteilung nach oben der letzen fünfzehn bis zwanzig Jahre wieder rückgängig zu machen, auch und gerade im Interesse von Konsumnachfrage und Arbeitsplätzen. Wenn Lafontaine aber deshalb als "Angstmacher" tituliert wird, zeigt das doch eher die "Angst" der weit überbezahlten Meinungsmacher vor dem Verlust ihrer völlig unangemessenen Steuergeschenke und die krankhafte Gier der Nimmersatten zu Lasten der Ärmsten.

 

Recht hat Theyssen allerdings mit seiner Zwischenüberschrift "Alle hoppeln auf Oskars Kommando", wo er den zurückschreckenden neoliberalen Wahlstrategen gewissermaßen Charakterschwäche vorwirft. Die sei nicht bestritten, aber hier wirkt sie wenigstens aus heilsamem Zwang in die richtige Richtung.


 

7b) Nachtrag vom 17.9.2008 zum vierten Exkurs:
Helmut Schmidts Verharmlosung des NS-Regimes


 

Während einige wenige SPD-Mitglieder wie Rudolf Dressler, Ottmar Schreiner und  die 60 Unterzeichner des Aufrufs "Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken" vom 1.9.2008 noch an sozialdemokratischen Werten festhalten, hat bereits Helmut Schmidt als Kanzlernachfolger und "Retter" vor der Sozialdemokratie von Willy Brandt eine große Anerkennung bei den Neoliberalen gefunden für seinen Schwenk nach rechts in den Jahren 1974 bis 1982, mit dem der Schröder-Kurs langfristig vorbereitet wurde.

 

Schmidts berechtigte Kritik an der israelischen Expansionspolitik und vielleicht auch seine schneidige Art verleitete den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin im Jahre 1981 dazu, ihn vor internationalem Publikum als "Nazi-Offizier" zu bezeichnen (sh. "Israel und Deutschland: Emotionen, Realpolitik und Moral", Bundeszentrale für politische Bildung, Seite besucht am 15.9.2008). Die berechtigte Empörung von Schmidt und auch von den deutschen Rechten wie Linken war groß. 

 

Das hindert Schmidt aber nicht daran, ähnliche Diffamierungen gegen Lafontaine abzulassen, weil dieser den Verrat des SPD-Establishments an der Sozialdemokratie entlarvt. Als Forum dafür suchte sich der ZEIT-Mitherausgeber Schmidt natürlich nicht DIE ZEIT, sondern? Natürlich das neoliberale Kampfblatt BILD, und hier speziell BILD am Sonntag.  Dazu schreibt die Netzeitung:

 

«Bild am Sonntag» hatte den 89-jährigen Schmidt, der von 1974 bis 1982 Kanzler einer sozialliberalen Koalition war und jetzt «Zeit»-Herausgeber ist, mit den Worten zitiert: «Der eine ist links, der andere rechts. Aber vergleichbare Populisten sind Lafontaine und Le Pen schon.» Charisma allein mache noch keinen guten Politiker aus, sagte Schmidt unter Verweis auf den Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Barack Obama. «Auch 'Adolf Nazi' war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist es auch», sagte der Exkanzler.

 

Weiter hieß es dort:

 

Daraufhin sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi in der «Leipziger Volkszeitung», auch Schmidt sei ein charismatischer Redner. «Charismatische Redner sollten sich ihre Fähigkeit nicht untereinander vorwerfen und schon gar nicht so unglückliche Vergleiche anstellen, die sie gegenseitig nicht benötigen»...

Gysis Fraktionskollegin Petra Pau wertete Schmidts Äußerungen als eine Beleidigung der Opfer des Nationalsozialismus. «Es gibt Vergleiche, die für Demokraten schon im Ansatz tabu sein sollten, weil sie letztlich das NS-Regime verharmlosen und Millionen Opfer verhöhnen», sagte sie. «Leider neigen Politiker aus dem Westen Deutschlands immer wieder zu derart unsäglichen Entgleisungen.» Das gebe zu denken. (nz/AP)
 

(Sh. "Linke empört über Lafontaine-Hitler-Vergleich", netzeitung.de, 15.9.2008.)

 

Die Empörung der Linken über Schmidts Vergleich wird aber von den Neoliberalen nicht unbedingt geteilt. Beim FOCUS ahnt man z.B. fast eine klammheimliche Freude in der Schlagzeile: "Hitler-Lafontaine-Vergleich - Linke schäumen wegen Altkanzler Schmidt", focus.de, 14.9.2008. Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) meint dagegen, dass man Schmidts Schützenhilfe zur Diffamierung von Lafontaine als eine Antwort auf eine Lafontaine-Äußerung vor 20 Jahren auffassen könne:

 

"Das erinnert ja durchaus an eine Attacke von Oskar Lafontaine vor 20 Jahren auf Helmut Schmidt, wo er gesagt hat: Die Sekundärtugenden Fleiß und Disziplin reichen nicht, mit denen konnte man auch das Nazi-Reich aufbauen", sagte Thierse im MDR. "Also insofern steht es eins zu eins zwischen Helmut Schmidt und Oskar Lafontaine."

 

(Sh. "Streit über Nazi-Vergleich – 'Schmidt ist alterssenil'", sueddeutsche.de, 15.9.2008.) Damals wie heute wurde und wird Schmidt jedoch von den Neoliberalen noch mehr gelobt als von den Sozialdemokraten. Von einer Diffamierungs-Kampagne gegen ihn konnte keine Rede sein. Seine heutiges Mitrennen bei der neoliberalen Hetz-Meute lässt sich also mit so schwachen Anklängen keineswegs rechtfertigen.

 

 

8) Nachtrag vom 15.2.2008: Linksbündnis mit DKP?

Ein Bündnis aller linken Kräfte gegen die Umverteilung nach oben scheint unbedingt erstrebenswert. Das würde auf den ersten Blick auch die DKP einschließen, also z.B. auch das DKP-Mitglied Christel Wegner, die auf dem neunten Listenplatz der Linken in den Niedersächsischen Landtag eingezogen ist. In ihrem Lebenslauf zur Kandidatenaufstellung hatte sie hinreichend ausführlich ihre DKP-Mitgliedschaft erwähnt (sh. ihren Vorstellungsbogen vom 15.8.2007). Sie ist also gar nicht Parteimitglied der Linken, sondern ist als DKP-Mitglied auf die Liste der Linken gesetzt und von den Delegierten der Linken auf diesen Listenplatz gewählt worden, denen die radikalen Positionen in den Reihen der DKP bekannt sein müssten. Im Zweifel hätte man die Kandidatin vor ihrer Aufstellung befragen können.

Der Grund für die die Wahl war, dass nach allen Prognosen die Linke nur eine schwache Chance für den Einzug in den Niedersächsischen Landtag hatte. Sie wollte nicht auch noch Wählerstimmen an die DKP verlieren, zumal die DKP sowieso an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde. Gegen die Umverteilung nach oben muss die Linke auch in Westdeutschland in möglichst vielen Landtagen vertreten sein, weil sonst alle ihre Initiativen im Bundesrat blockiert werden können. Also hat Die Linke in Niedersachsen als Kompensation für ihre Unterstützung durch die DKP deren Kandidatin auf ihre eigene Liste genommen. Bei dem erwarteten Wahlergebnis von etwa fünf Prozent für die Linke wäre Christel Wegner mit ihrem Listenplatz 9 sowieso nicht in den Landtag gekommen. Insofern erreicht die Naivität der delegierten Wahlmänner und –frauen auch nicht das Maß, das bei vielen Bundestagsentscheidungen der übrigen Parteien zu beobachten ist.

Allerdings hatten Gregor Gysi und andere von vornherein vor der Aufnahme von DKP-Mitgliedern auf die Wahllisten der Linken gewarnt. Dazu schrieb DIE WELT vom 17.2.2008 unter der Überschrift: "Stasi-Befürworterin Wegner lehnt Rücktritt ab":
 

An die Landesverbände im Westen appellierte Gysi, Kandidaturen von DKP-Mitgliedern nicht mehr zuzulassen: "Ich habe immer davor gewarnt, DKP-Mitglieder auf Landeslisten zu nehmen, nur damit die DKP nicht selbst antritt."


Das überraschende Wahlergebnis von 7,1 Prozent für die Linke war für sie also einerseits erfreulich. Es bedeutete aber andererseits auch eine nicht unerhebliche Belastung beim Wählervertrauen und künftigen Wahlen, denn die neoliberalen Meinungsmacher erklären dem Wähler selbstverständlich nicht solche Hintergründe, sondern nutzen das Ergebnis nur zur Irreführung.

Dazu ist das Auftreten von Christel Wegner – gleich nach der Niedersachsen-Wahl - bestens geeignet. Ihre Äußerungen zum DDR-Regime, zur Stasi und der Mauer  waren für die Linke ein harter Rückschlag. Dabei geht es auch nicht nur um Wählerstimmen, sondern um die Grundorientierung. Es fragt sich nämlich, ob man die DKP überhaupt als linke Partei bezeichnen kann, denn es gibt etliche Ähnlichkeiten zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus. Die linken Gegner des Stalinismus in der DDR hätten doch längst die DKP verlassen können. Sie hätten sich durch den Wechsel zur Linken von Mauer und Stasi distanzieren können. Die Kampf-Auftritte von einzelnen DKP-Mitgliedern gegen die WASG und die PDS waren schon vor der Gründung des Linksbündnisses so heftig, dass kaum jemand bei den Landtagswahlen an einen plötzlichen Gesinnungswandel solcher Außenseiter glauben konnte.

Die Antwort von Christel Wegner zum Mauerbau wird in einem Artikel von scharf-links.de wie folgt zitiert und kommentiert:

 

"Ich denke nur, dass man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass andere Kräfte, reaktionäre Kräfte, die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen." Dem Bericht zufolge rechtfertigte Wegner auch den Bau der Mauer an der deutsch-deutschen Grenze 1961. "Der Bau der Mauer war in jedem Fall eine Maßnahme, um zu verhindern, dass weiterhin Westdeutsche in die DDR konnten", wird die Angeordnete zitiert. Sie hätten die Wirtschaft geschädigt, weil sie billig eingekauft hätten. Die Abgeordnete scheint die Gründe für das Scheitern der DDR nicht im Mangel an Freiheitsrechten sondern in konterrevolutionären Umtrieben zu sehen. Sie scheint nicht begriffen zu haben, dass die Befreiung der Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung  nicht mit Unfreiheit und Fremdbestimmung auf den Weg gebracht werden kann. Ihre Argumentation ist kritikwürdig und es ist durchaus fraglich, ob sie  in ihrer eigenen Partei in dieser Form noch von einer Mehrheit geteilt wird.

Der Parteivorstand der Linkspartei distanzierte sich umgehend von der Abgeordneten. Die Äußerungen seien inakzeptabel, erklärte Sprecherin Alrun Nüßlein in Berlin. DIE LINKE lehne jede Form von Diktatur ab und verurteile den Stalinismus als verbrecherischen Missbrauch des Sozialismus. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, nutzte die Gelegenheit, ein umfassendes Bekenntnis zur kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung abzugeben und die Partei darauf programmatisch festzulegen. Zugleich kritisierte er die westdeutschen Landesverbände dafür, dass sie DKP-Mitglieder auf ihren Listen kandidieren lassen. "Es gibt für uns keinen Weg zurück in die DDR. Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung der Produktionsmittel. Und wenn einer eine andere Meinung hat und in der Fraktion ist, dann muss er eben überstimmt werden", wurde Gysi zitiert. Bundeswahlkampfleiter Bodo Ramelow kritisierte die Äußerung "auf das Schärfste"…

Der Landesvorsitzende der LINKEN in Niedersachsen Dieter Dehm teilte in einer hektisch formulierten Mail seinen ParteigenossInnen den Stand des Krisenmanagements zwischen Berlin und Hannover mit …  . Wörtlich heißt es: " ... die Fraktionsspitze hat in enger Tuchfühlung mit entscheidenden Genossen in Berlin Christel aufgefordert, ihr Mandat zurückzugeben, wenn die Zitate so von ihr gesagt und gemeint sind. Christel wird darüber nachdenken. Von frontal 21 (zdf), Panorama und Kontraste sind Teams unterwegs, nur um von uns bis in den letzten Kreis in Hessen, Niedersachsen, Hamburg usw. Äußerungen einzufangen, um in Hamburg den Einzug zu erschweren…"


(Sh. "Nach Äußerungen der kommunistischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner zur Stasi: Krisensitzung in Berlin", scharf-links.de, 14.2.2008).

Ob Gregor Gysi wirklich "ein umfassendes
Bekenntnis zur kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung" abgelegt hat, kann bezweifelt werden, denn mit Sicherheit will die Linke nicht hinter die Soziale Marktwirtschaft zurückfallen, die von den übrigen Parteien propagiert, aber verraten wird. Auch Gysi und die Linke wollen also nicht den "Kapitalismus pur". Außerdem will Gysi mit Recht keine Privatisierung von kapitalintensiven Schlüsselbereichen wie z.B. der Energiewirtschaft, die anschließend von privaten Oligopolisten gemeinschaftsschädlich betrieben werden.

Zu den persönlichen Meinungsäußerungen von Christel Wegner bestehen aber kaum Zweifel, dass "die Zitate so von ihr gesagt und gemeint sind" und dass diese auch auf der Linie der DKP Deutschland liegen. Sie sollte in der Tat "ihr Mandat zurückzugeben", um die Linke nicht weiter zu schädigen. Andernfalls müsste man sie wohl aus der Fraktion der Linken im Niedersächsischen Landtag ausschließen, so dass sie als Fraktionslose das Vertrauen in die Linke nicht weiter untergraben könnte. Zugleich würde damit ein Zeichen gesetzt zur Abgrenzung gegen jene DKP-Mitglieder, die noch immer nicht voll vom Stalinismus Abstand genommen haben. Es macht keinen Sinn, die Herrschaft durch das Kapital, seine Profiteure und Meinungsmacher abzulösen durch die Willkür von Autokraten mit ihren eigennützigen Lakaien. Das dürfte eher der Inhalt sein von Gysis "umfassendem Bekenntnis" zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

Man sollte diesen spektakulären Einzelfall jedoch nicht übermäßig dramatisieren. Die neoliberalen Parteien haben selbst ein Übermaß an Skandalen, allerdings eher durch Raffgier als durch ideologischer Borniertheit Einzelner, denen leider nicht zu helfen ist.
Man kann die Menschen nur durch Aufklärung und Kampf gegen den neoliberalen Wählerbetrug gegen die Umverteilungs-Profiteure und Söldner des Medienkapitals in Schutz nehmen, aber nicht zu ihrem Glück zwingen.


Auch wenn der demokratische Weg auf den ersten Blick wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint, so hat es doch schon einige Fortschritte gegeben. Betrachtet man die Stimmenverteilung bei den Sonntagsfragen (sh. Umfrage-Barometer), dann zeigt sich, dass  die neoliberale Kernfront von CDU/CSU und FDP oft nur ein Prozent Vorsprung hat gegenüber den restlichen Parteien oder bei Forsa sogar zurückliegt. Wenn also SPD und Grüne sich unter dem Druck der Linken auf ihr verkauftes soziales Gewissen besinnen, dann scheint durch eine Koalition mit der Linken zumindest eine halblinke Mehrheit nicht mehr ausgeschlossen. Dies wäre der erste Schritt zu einer Abkehr vom Raubtierkapitalismus. Eine Radikalkur nach den Vorstellungen von Christel Wegner führt nur zu noch viel größerem Unrecht.

Der Skandal um ihre Äußerungen bietet auch eine Chance für die Linke, denn sie könnte sich damit noch klarer von abgelegten Altlasten der PDS distanzieren als bisher, sei es durch einen medienwirksamen Mandatsverzicht von Christel Wegner oder auch durch ihren noch spektakuläreren Fraktionsausschluss.




9) Soll DIE LINKE Passagen aus dem Kommunistischen Manifest in ihr Parteiprogramm übernehmen?

 

Oskar Lafontaine hat angeblich vorgeschlagen, dass DIE LINKE Passagen aus dem Kommunistischen Manifest in ihr Parteiprogramm übernimmt. Die beiden Passagen, die DIE WELT aus seinen Vorschlägen zitiert, beschreiben in der Tat die heutigen Verhältnisse auf unübertreffliche Weise:

 

Zum Beispiel will er aus der Kampfschrift die Textstelle übernehmen, wonach die Bourgeoisie und das Kapital "die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohl erworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt" haben.

Aufnehmen will Lafontaine auch die Passage, wonach "an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt" wurde.

 

(Sh. "Linke nimmt Kommunisten-Manifest ins Programm", welt.de, 13.4.2008.) Diese und andere Schlagzeilen erwecken allerdings den Eindruck, als ob DIE LINKE das Kommunistische Manifest in ihr Parteiprogramm aufnehmen wollte (sh. z.B. auch "Kommunistisches Manifest als Parteiprogramm", netzeitung.de, 13.4.2008, und "Parteien: Linke soll kommunistisch werden", zeit.de, 13.4.2008).  Der Begriff "Kommunismus" ist aber durch die Diktatur im realen Kommunismus dermaßen disqualifiziert, wie man das vom Begriff des realen "Christentums" eigentlich auch hätte erwarten müssen (sh. z.B. Karlheinz Deschner:  Kriminalgeschichte des Christentums; sh. auch hier rossaepfel-theorie.de und Weihnachtstraum.htm). Einen solchen "Kommunismus" hätte sich Marx wahrscheinlich ebensowenig vorstellen mögen wie Jesus Christus das "Christentum" der vergangenen Jahrhunderte oder der heutigen "christlichen" Parteien.

 

Die tonangebenden "Christen" und die übrigen Profiteure der Umverteilung nach oben verfügten und verfügen aber über das Manipulations-Kapital im Sinne der Orwellschen Beobachtung:

 

Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.
 

(Aus George Orwell "1984", zitiert nach Albrecht Müller: "Propaganda-Maschine der Neoliberalen - Hat das ZDF diese Gleichschaltung nötig?", nachdenkseiten.de, 8.6.05.) Es fragt sich also, ob DIE LINKE dagegen mit den unübetrefflichen Sätzen von Marx bestehen kann oder ob die Lafontaines und Gysis nicht bei ihren eigenen hervorragenden Formulierungen bleiben sollten. Der Bezug auf den überragenden und verdrängten deutschen Denker wäre natürlich ein großartiges Signal.

 

Die jungeWelt schreibt zur Resonanz:

 

Auf den Kommentarseiten der On­line-Foren von Die Welt und Der Spiegel gab es dazu eine Fülle von Leserkommentaren. Viele Beiträge waren durchaus zustimmend zu Lafontaines Ankündigung, wobei die Verfasser oft auf den Sozialabbau in Deutschland und den weltweit zunehmenden Hunger verwiesen. Die ablehnenden Beiträge bemühten hingegen nur in seltenen Fällen Argumente. Viele Schreiber waren sich auch nicht zu schade für unflätige Beschimpfungen.

 

(Sh. "Manifest-Zitate im Programm?", jungewelt.de, 14.4.2008.) Aber die neoliberale Propaganda-Maschine wird sicher erst im Wahlkampf auf volle Touren kommen.
 

Die Provokation der Beschimpfungen und die Diskreditierung war offenbar das Ziel der üblichen Meinungs-Manipulation gegen Die Linke durch die Springer-Medien, in denen die Söldner des Medienkapitals für sich und ihre Brötchengeber ihre Kampagnen zur Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen betreiben. Die Art der Manipulation erinnert ein wenig an die Springer-Tricks bei der "Jet-Affäre" (sh. oben).  Tatsächlich hat sich Lafontaine gegenüber Springers WELT offenbar anders geäußert, denn in einem Interview mit der taz antwortete er auf die entsprechenden Frage:

 

taz: Sie zitieren überhaupt gern: Sie wollen auch Passagen des Kommunistischen Manifests in das Programm der Linkspartei übernehmen.

Das war eine Antwort auf eine polemische Frage der Welt. Natürlich wird unser Programm nicht in der Sprache des 19. Jahrhunderts verfasst. Es geht um die Inhalte.
 

Trotzdem: Das Kommunistische Manifest ins Parteiprogramm, die Vertreterin der Kommunistischen Plattform Sahra Wagenknecht wird eventuell Vizechefin - ist die Linkspartei auf einem Retrotrip?

Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer hat 1959 bei der Verabschiedung des Godesberger Programms gesagt, dass das Kommunistische Manifest ein Gründungstext der Arbeiterbewegung sei. So sehe ich das auch. Die Vision einer freien Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung ist kein Retrotrip.
 

Die Linkspartei hat im Westen zwar erstaunliche Wahlerfolge erzielt, aber nur 16 Prozent der Wähler können sich vorstellen, irgendwann mal die Linkspartei zu wählen. Bei FDP und Grünen sind es 30 Prozent. Wie wollen Sie aus diesem engen Milieu heraus?

Wir sind noch eine sehr junge Partei. Deshalb können wir noch nicht die gesellschaftliche Akzeptanz anderer Parteien haben. Außerdem werden wir von allen anderen bekämpft und diskreditiert.

 

Auch den Vorwurf einer nicht finanzierbaren Umverteilung nach unten und die ständigen Kampagnen der Neoliberalen für "Steuersenkungen" (nämlich ihrer Spitzensteuersätze) statt Steuerfinanzierung von Sozialabgaben entlarvte er einmal wieder als Betrug an der Opfern der Umverteilung nach oben:
 

taz: Herr Lafontaine, betreibt die Linkspartei klassische Umverteilungspolitik?
Oskar Lafontaine: Nein, das ist eher eine Rückverteilungspolitik. Die falsche Verteilung beginnt schon, wenn der Chef der Deutschen Bank, Ackermann, 14 Millionen Euro im Jahr verdient - oder richtiger: sich aus der Kasse der Deutschen Bank nimmt - und der Wachmann nur fünf Euro in der Stunde…

Die Linkspartei will, dass der Staat jährlich mindestens 50 Milliarden Euro mehr ausgibt. Das klingt abenteuerlich. Wo soll das Geld denn herkommen?

Ich verstehe nicht, was daran abenteuerlich sein soll. Wenn Deutschland die gleiche Steuer- und Abgabenquote wie der EU-Durchschnitt hätte, dann würde dies sogar Mehreinnahmen von 120 Milliarden Euro bedeuten…


(Sh. das taz-Inverview "Ich bin ein verkannter Mann" vom 10.5.2008 mit etlichen weiteren interessanten Aspekten.)

Die Ablenkung von der deutschen Steuerquote im internationalen Vergleich und von deren Zusammenhang mit der Abgabenquote ist ein Kernstück der neoliberalen Propaganda, gleich gefolgt von der Täuschung über den Spitzensteuersatz durch die Beschränkung der Alibi- "Reichensteuer" auf Einkommen über dem Niveau der allermeisten Propagandisten einschließlich der Spitzenpolitiker, "Wirtschaftsweisen" und Chefredakteure.


Die obigen möglichen Mehreinnahmen von 120 Euro Milliarden Euro ergeben sich im wesentlichen aus der extrem niedrigen Steuerquote vom etwa 22% in Deutschland.  Im Durchschnitt der Alt-EU (EU15) liegt sie bei etwa 29 % und in Dänemark mit seiner extrem niedrigen Arbeitslosenquote bei 48%.

(Sh. z.B. Bundesfinanzministerium: "Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2007", Übersicht 1 und 2, S. 10 f., nach den "Revenue Statistics" der OECD. Den Durchschnittswert der EU-15 erhält man  über http://stats.oecd.org mit dem Suchbegriff "Revenue Statistics" durch Tabellenextraktion. Sh. auch hier Staatsquote.htm und rossaepfel-theorie.de mit den Beispielen von skandinavischen Ländern und Großbritannien, das mit einer Staatsquote von etwa 30% etwa im Mittelfeld der Alt-EU liegt und dabei mit seinen Mehrwertsteuersätzen von 17,5%; 5% und 0% unter den deutschen Sätzen bleibt. Zur MWSt sh. coburg.ihk.de.)


Die Steuerquote liegt also in Deutschland um 29% - 22% = 7% höher als im Durchschnitt der Alt-EU - trotz der Kosten für die deutsche Einheit! Bei Anhebung auf die 29% hätte man
mit dem deutschen Bruttoinlandsprodukt von ca. 2500 Mrd. Euro in 2008 Mehreinnahmen von ca. 0,07 * 2500 = 175 Mrd. Euro.

Die Arbeitnehmer tragen mit ihren Einkommensteilen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenzen die Kosten des Sozialstaates in Deutschland fast allein. Mit der Umschichtung der Steuern um diese 175 Mrd. Euro ließe sich ihre einseitige Belastung auf ein normales EU-Maß zurückführen. Die Arbeitgeber würden am Ende sowieso indirekt entlastet, weil der unvermeidliche Gegendruck zur Existenzsicherung gegen ihre Lohndrückerei etwas geringer würde. Dies würde auch nach den Erwartungen der Neoliberalen die Arbeitslosenquote drastisch senken und dadurch noch viel zusätzliches Geld in die Sozialkassen bringen, so dass der soziale Kahlschlag beendet werden könnte. Es würde dann also zunächst reichen, wenn auch die (Gesamt-)Abgabenquote auf den EU-Durchschnitt nur geringfügig angehoben würde.

Diese "Abgabenquote", also der Anteil der Steuern und (Sozial-)Abgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP), liegt in Deutschland lt. OECD-Berechnungen bei etwa 36 %, in Dänemark bei etwa 49 %  und im Durchschnitt der Alt-EU (EU15) bei etwa 40 % (sh. die obigen Quellen zur Steuerquote).  Allein durch Erhöhung der Abgabenquote auf  obigen Durchschnittswert um 40 - 36 = 4% von den 2500 Mrd. Euro hätte der deutsche Staat schon Mehreinnahmen von 100 Mrd. Euro. Viel wichtiger ist aber, dass zumindest die Steuerquote auf EU-Durchschnitt (sh. oben) gebracht wird, damit das Volkseinkommen nicht von den Profiteuren der Umverteilung nach oben der arbeitsplatzschaffenden Nachfrage entzogen und irgendwo gehortet wird.





10) Rufmord-Kampagnen gegen Gregor Gysi
 

 

Zu dem bedeutendsten Gegnern der Umverteilung nach oben (sh. rossaepfel-theorie.de)  gehört neben Oskar Lafontaine auch Gregor Gysi. Auch gegen ihn versuchen die Neoliberalen daher immer wieder den Rufmord - in seinem Fall durch Rückgriff auf seine "DDR-Vergangenheit". Ihre Medienherrschaft unter dem Einfluss des Medienkapitals und ihrer egoistischen Eigeninteressen dient dabei zu Irreführungs-Kampagnen bei Unterschlagung wichtiger Informationen, die den geschürten Stasi-Verdacht gegen Gysi als völlig abwegig erscheinen lassen. Der Fall interessiert nicht nur wegen Gregor Gysi, sondern auch hier wieder wegen der Niedertracht der Täter gegen alles, was ihre Umverteilung in die eigenen Taschen behindert.

Schon seit vielen Jahren diffamiert man ihn wegen angeblicher "Stasi-Kontakte", insbesondere zu Lasten seines prominenten Mandanten Robert Havemann, den er Ende der siebziger Jahre gegen die Stasi und das DDR-Regime erfolgreich als Anwalt vertreten hatte und dabei für ihn unter anderem die Aufhebung des Hausarrestes erreichte.  Bei ihren Verleumdungen können sich die Aktivisten für die Umverteilung nach oben verlassen auf die irreführenden Dokumenten-Lieferungen von ihrer bestbestallten Büchsenspannerin und Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler:


Birthler sagte, inzwischen lägen ihrer Behörde Erkenntnisse vor, dass "eine wissentliche und willentliche Unterrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit stattgefunden hat - und zwar durch Gregor Gysi über unter anderem Robert Havemann". Sie widersprach Aussagen Gysis, die Informationen in den Akten könnten möglicherweise ohne sein Zutun durch Abhöraktionen gewonnen worden sein.


(Sh. "Marianne Birthler: 'Nur Gysi kann der IM gewesen sein'", stern.de, 28.5.2008.) Wegen diese diffamierende Darstellung durch Birthler im ZDF hatte Gysi gegen die Sendeanstalt geklagt. Die Klage auf Gegendarstellung durch Gysi wurde jedoch vom Landgericht Mainz in erster Instanz aus formellen Gründen abgewiesen, obwohl es die Anschuldigung gegen ihn für unbegründet hielt.
 

In der Sache selbst wurde deutlich, dass die Mainzer Richter Gysis Anliegen nicht als abwegig beurteilten, eher im Gegenteil. Nach der Berichterstattung des ZDF hätte der Zuschauer davon ausgehen müssen, Gysi habe sich mit den Informationen über Havemann direkt an die Stasi gewandt. Dies sei jedoch nicht belegt, hieß es bereits damals. Weder gehe dies aus den Stasi-Dokumenten hervor noch aus der eidesstattlichen Versicherung Klingensteins. Dass die Gegendarstellung Gysis folglich "offensichtlich unwahr" sei, sei wohl nicht der Fall, hieß es seinerzeit.
 

(Sh. "Formalie mit Folgen", zeit.de, 26.6.2008). Dagegen bleibt z.B. Springers WELT schon in der Überschrift weiterhin bei ihrer üblichen Leser-Irreführung zur Wähler-Manipulation. Sie titelt "GERICHTSENTSCHEID – Birthler darf behaupten, Gysi habe an Stasi berichtet", welt.de, 26.6.2008, und bringt lediglich im Text die knappe Einschränkung: "Die zuständige Kammer habe jedoch in der Verhandlung am 17. Juni signalisiert, dass die Ablehnung allein aus formalen Gründen zu erwarten und das Begehren von Gysi in der Sache nicht unberechtigt sei." Nachdem die Neoliberalen von den Gerichten also kaum noch Verleumdungs-Hilfe gegen ihre Selbstbedienungs-Blockierer erwarten können, mobilisieren sie erneut über ihren Immunitätsausschuss mit CDU-Vorsitz die Birthler-Behörde bei ihrer verzweifelten Suche nach tragfähigem Diffamierungs-Material: Siehe "Birthler soll Gysis Akten neu durchforsten", welt.de, 27.6.2008.
 

Auch in der ARD verbreitete Birthler ihre Diffamierungen im Dienste der Neoliberalen:

Die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, sagte im ARD-"Morgenmagazin" die betreffenden Unterlagen "sind Unterlagen zu einem IM (Inoffizieller Mitarbeiter), und der kann nach Aktenlage nur Gregor Gysi gewesen sein". Birthler fügte hinzu: "Wenn wir daran Zweifel hätten, würden wir diese Unterlagen nicht als IM-Unterlagen herausgeben."

(Sh. "Gregor Gysi – Streit um Stasi-Akten eskaliert", focus.de, 28.5.2008,  und hier Diffamierungs-Resistenz.htm über die FOCUS-Kampagne gegen den Linken-Politiker Peter Porsch.)

Die wahren Beziehungen zwischen Gysi und Havemann sind zwar bekannt, werden aber in den  Medien der Neoliberalen entweder ganz oder weitgehend unterschlagen. Bei der Google-Suche erscheinen die neoliberalen Medien regelmäßig auf den ersten Plätzen. Man muss schon lange suchen, bis man den folgenden qualifizierten Bericht in der Frankfurter Rundschau findet. Dieser Bericht zeigt, dass die Übernahme eines Mediums durch die Neoliberalen und ihr Kapital nicht umgehend und zwangsläufig zur Gleichschaltung und Korrumpierung aller dortigen Journalisten führen muss.  Gysis anwaltlichen Erfolge zugunsten von Havemann werden anderswo glatt unterschlagen. In dem Artikel heißt es dagegen:
 

Gysi wird vorgeworfen, 1979 einen Bericht für die Stasi über ein Treffen mit seinem damaligen Mandanten, dem DDR-Regimekritiker Robert Havemann, verfasst zu haben. Er betonte dagegen, nach der Übernahme von Havemanns Vertretung habe er erreicht, dass gegen seinen Klienten nicht einmal mehr Ordnungsstrafen ausgesprochen und der vorher verhängte Hausarrest aufgehoben worden seien.

(Sh. "Stasi-Vorwürfe – 'Ein Tribunal gegen Gysi'", fr-aktuell.de, 28.5.2008.) In Gysis Bundestagsrede vom 28.5.2008 konnte man nähere Einzelheiten dazu erfahren, soweit seine Richtigstellungen nicht überschrieen wurden:

Nachdem ich die Verteidigung und Vertretung von Robert Havemann übernommen hatte,

(Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Staatsschutz, nicht Mandantenschutz!)

habe ich Folgendes erreicht: Gegen ihn wurde kein Strafverfahren mehr durchgeführt; es gab keine Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen mehr. Nicht einmal Ordnungsstrafen wurden noch gegen ihn ausgesprochen. Der gegen ihn vorher verhängte Hausarrest wurde aufgehoben.

(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit! Reinhard Grindel (CDU/CSU): Was ist mit Herrn Erwin?)

Der Verkauf eines weiteren Hauses auf seinem Grundstück an einen IM konnte durch mich verhindert werden. Robert Havemann konnte sogar an Feierlichkeiten zur Befreiung des faschistischen Zuchthauses Brandenburg mit Erich Honecker teilnehmen, was damals ein in westdeutschen Medien Erstaunen auslösendes, herausragendes Ereignis war.

(Beifall bei der LINKEN)

Nennen Sie mir andere Abgeordnete des Bundestages, die sich für Robert Havemann so eingesetzt haben wie ich und diesbezüglich so viel erreicht haben.

(Beifall bei der LINKEN Julia Klöckner (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit! Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich! Empörend! Unerhört!)...

 


In der DDR entschied das ZK der SED, wen es über solche Gespräche wie die mit mir informierte. Das galt auch hinsichtlich der Staatssicherheit. Hätte ich versucht, parallele Beziehungen zur Staatssicherheit aufzubauen, hätten die Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED die Gespräche mit mir beendet.

(Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Wenn sie es gewusst hätten!)

Wozu sollte ich das riskieren?
Sie begreifen nicht, dass ich schon damals so souverän war wie heute.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich hatte Gespräche mit dem Zentralkomitee, der führenden Kraft der DDR. Ich brauchte keine Kontakte zur Staatssicherheit. Sie waren gar nicht nötig, entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde. Aus den Unterlagen ergibt sich klar, dass die Staatssicherheit mich überwachte, mich nicht mochte. Das nützt mir bei Ihnen gar nichts, weil Sie sich sehnlichst das Gegenteil wünschen.
 

("So schaffen Sie letztlich weder mich, geschweige denn die Linke", linksfraktion.de, 28.5.2008). Aber Stil und Würde dienen im neoliberalen Konzept ohnehin nur der Maskerade und der absurden Selbst-Aufwertung.

Zu den übelsten Diffamierern gehören erwartungsgemäß wieder die Axel-Springer-Söldner (sh. hier
z. B.  ~Meinungskauf/Pro7Sat1.htm) in ihren Massenmedien mit Schlagzeilen wie:  "BUNDESTAGSDEBATTE – Die 'untragbaren Sauereien' des Gregor Gysi", welt.de, 28.5.2008, und "DDR – Neue Akten erhärten Stasi-Verdacht gegen Gysi", welt.de, 22.5.2008, Hugo Müller-Vogg: "Linkes Schmierentheater", bild.de, 29.5.2008, Bettina Röhl: "Der heilige Gregor - Das komplette System Gysi stet auf dem Prüfstand", welt.de, 2.6.2008. Vor allem wird es Zeit, das komplette System der unheiligen gekauften Wählertäuschung auf den Prüfstand zu stellen, den Missbrauch des großen Privatkapitals für dessen angebliche "Meinungsfreiheit". - Aber auch andere neoliberale Meinungsmacher missbrauchen ihre gekaufte oder Proporz-bedingte Medienmacht zum Rufmord, um weiterhin ungestört ihre Umverteilung in die eigenen Taschen propagieren zu können. Dabei ist der Proporz selbst auch vom Meinungs- und Demokratiekauf wesentlich mitbestimmt.

In Wirklichkeit liefen die Kontakte im Interesse des prominenten Gysi-Freundes Havemann über Gysis Vater, den ehemaligen DDR-Kulturminister Klaus Gysi, zu Erich Honecker persönlich. Gregor Gysi hatte jedoch keine Veranlassung, der Sensationsgier und den Verdrehungskünsten seiner Gegner in bezug auf seine Mandaten-Interna Vorschub zu leisten:
 

Einen weiteren "Bericht über ein geführtes Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Gysi am 10.7.1979" wollte Gysi ebenso wenig öffentlich werden lassen. Darin wird ein Gespräch zwischen Gysis Vater Klaus und SED-Generalsekretär Erich Honecker über den Stand des Verfahrens gegen Havemann geschildert. Wörtlich heißt es darin: "Im Ergebnis hätte Gen. Honecker die juristisch konsequente Verteidigung von Rechtsanwalt Gysi begrüßt" und "an Rechtsanwalt Gysi Grüße mit der Empfehlung übermitteln lassen, ein Vertrauensverhältnis zu Havemann herzustellen mit dem Ziel, dass dieser seine Außenpropaganda einstellt".

Als Anlage dazu existiert noch ein "Tonbandbericht", in dem in der "Ich"-Form ein vertrauliches Gespräch mit Havemann wiedergegeben wird: "Ich schlug ihm noch einmal vor, jegliche Veröffentlichungen im Westen zu unterlassen und sich allein auf die DDR zu beschränken." Havemann wollte am Ende wissen, heißt es darin, "ob mein Verhältnis zu meinem Vater freundschaftlich oder kritisch sei".

(Sh. "DDR-Vergangenheit - Stasi-Akten bringen Gysi in Bedrängnis", spiegel.de, 20.5.2008.) Es wäre schon ein Wunder, wenn solche und andere Berichte ans Zentralkomitee nicht auch in den Akten der Stasi gelandet wären.  Gysi bestreitet überhaupt nicht seine Kontakte zum Zentralkomitee:

"Ich hatte Kontakt zum ZK", sagte Gysi gestern. Den habe er im Interesse seiner Mandaten genutzt. "Ich brauchte keinen Kontakt zur Staatssicherheit." Zudem habe die Stasi später festgestellt, er, Gysi, sei als IM ungeeignet. Dies wäre "Schwachsinn" gewesen, wäre er bereits 1979 als IM tätig gewesen.
 

(Sh. "Gysi bestreitet erneut wissentliche IM-Tätigkeit", sz-online.de, 29.5.2008.) Aber selbst wenn der "ungeeignete" IM bewusst direkte Kontakte zur Stasi im Interesse seiner Mandanten genutzt hätte, wäre das keineswegs verwerflich, ganz im Gegensatz zu den Irreführungs-Kampagnen und zum Opportunismus seiner Gegner, die solche "Kontakte" als "Beweis" zur Täuschung der Wähler für eine "Stasi-Verstrickung" von Gysi ausschlachten wollen.

Das inkriminierten Tonbandprotokoll war also offenbar die Antwort von Havemann an Honecker durch Gysi als "Postboten". Gysis Diffamierer sind auch vorsichtig genug, dass sie dieses Protokoll nicht als Bericht an die Stasi ausgeben. Sie sind aber so raffiniert, dass sie es trotzdem so erscheinen lassen, weil diese Dokumente in der Stasi-Unterlagen-Behörde von Marianne Birthler gefunden worden waren" (sh. die standardmäßige Darstellungsweise, wie sie auch präsentiert wird in dem Artikel "DDR-VERGANGENHEIT – Stasi-Akten bringen Gysi in Bedrängnis", 20.5.2008). Der Bericht durch den Postboten Gysi ans Zentralkomitee wird ihm also einfach nur klammheimlich als Bericht an die Stasi untergejubelt, indem man möglicherweise sogar absichtlich ein Verwirrspiel mit den Archivierungs-Orten betreibt.

Die FAZ hat sich ausnahmsweise einmal sehr verdient gemacht durch die Veröffentlichung des folgenden Artikels von Mechthild Küpper: "Hat Gregor Gysi der Stasi zugearbeitet? – Havemanns 'Postbote zum ZK'", faz.net,  28.5.2008. Darin heißt es:
 

Unkenntnis der "Abläufe im SED-Staat"

Den Berliner Zeithistoriker Manfred Wilke stört an der Debatte über Gysis Arbeit für die Stasi, dass sie von einer Unkenntnis der "Abläufe im SED-Staat" zeuge. Gysi sei vom Politbüro der SED, das über alles entschied, was mit Havemann zusammenhing, zum Pflichtverteidiger Havemanns bestimmt worden. Seine Aufgabe als Anwalt sei es gewesen, das Verfahren gegen Havemann "rechtsförmig zu machen", nicht etwa, sich als Vertreter seines Mandanten zu verstehen. "Ob er auch IM war", sagte Wilke am Mittwoch, sei eine "dusselige Geschichte"; er halte es "sogar für unwahrscheinlich". Parteifunktionäre seien im Grund nicht von der Stasi angeworben worden, sie hätten ohnehin mit den Staatsorganen zusammengearbeitet.
Man müsse, um Gysis Rolle als Anwalt in der DDR richtig zu verstehen, den "Akzent anders setzen" und die Konstruktion des SED-Staats "endlich ernst nehmen". Wilke und seine Frau Karin haben Havemann in den Jahren seiner Isolation häufig besucht; Havemann habe Gysi als seinen "Postboten" zum ZK gesehen.

 

Auf diese anwaltliche Rolle bezog sich offenbar auch Gysis Äußerung:
 

"Vom Leben in der DDR haben Sie keine Ahnung", sagt er. " Sie werden keinen Abgeordneten finden, der sich so für Robert Havemann eingesetzt hat wie ich". Gysi wirkt betroffen, er redet leise und temperamentlos. Der begabte Rhetoriker liest vom Blatt. Bezichtigt Birthler "im Zusammenspiel mit den anderen Parteien" der Verschwörung. Seine Rolle zwischen Staatsmacht und Dissidenten sieht er so: "Ich war schon damals so souverän wie heute". Es soll trotzig klingen, aber es wirkt hilflos und geht unter in empörten Zwischenrufen.
 

(Sh. "Herrschende Meinung", tagesspiegel.de, 29.5.2008.) Tatsächlich konnten die jahrelangen Diffamierungs-Kampagnen der Abzocker an Gysi nicht spurlos vorübergehen. Seine drei Herzinfarkte und seine schwere Gehirnoperation sind dabei anscheinend nur ein willkommene Nebeneffekte für die neoliberale Hetz-Meute. Von deren Wähler-Betrug hebt sich wohltuend das Interview ab, dass der Historiker Manfred Wilke der Mitteldeutschen Zeitung gegeben hat (sh. "Die Kernfrage ist: Welchen Parteiauftrag erfüllte Gregor Gysi?", mz-web.de, 1.6.2008):
 

Wilke: Wenn er behauptet, er habe die Stasi nicht nötig gehabt, stimmt das. Gysis Aufgabe war, Havemann im Sinne der SED zu bearbeiten, nicht ihn zu vertreten.
 

Hat Gysi Havemann geholfen, wie sein Sohn behauptet?

Wilke: Aus meiner Sicht hat Gysi, klug wie er ist, dafür gesorgt, dass Dummheiten verhindert wurden. Er hat für die Beendigung des Hausarrests gesorgt, der das Interesse des Westens an seinem Fall geschürt hat und versucht, die ganze Sache zu entdramatisieren.
 

Hat er ihm aufs Ganze mehr genutzt oder geschadet?

Wilke: Havemann hat mir selbst gesagt, er sehe in Gysi seinen Postboten zum Zentralkomitee der SED.
 

Sind die jetzt veröffentlichten Dokumente geeignet, Gysi als Spitzel zu überführen?
Wilke: Gysi war kein Spitzel. Er hat einen Parteiauftrag zum Kampf gegen einen Feind des Sozialismus ausgeführt. Aber kleinreden will ich seine Rolle im Fall Havemann nicht. Es war ein politischer Kampf.

 

Allerdings haben Manfred Wilke und Gregor Gysi nicht recht, falls sie die Diffamierungs-Kampagnen teilweise mit Ignoranz der Täter erklären wollen. Die neoliberalen Meinungsmacher finden doch sonst alles heraus, was ihrem Wählerbetrug dient.

So nachsichtig hat es Gysi aber nicht gemeint. Offensichtlich schwer betroffen von so viel Niedertracht sagte er:

"Seit Jahren versuchen sie mit allen Mitteln, mich zu beschädigen und meine Partei zu treffen." Dies geschehe "frei von Kenntnissen und böswillig". Tatsächlich habe er nie mit der Stasi zusammengearbeitet.

(Sh. "Gysi bestreitet erneut wissentliche IM-Tätigkeit", sz-online.de, 29.5.2008.) Und kämpferisch fügte er hinzu:"
 

Sie sind verzweifelt über den Erfolg der Linken ... Ihre Hoffnung ist, dass ich rausgehe aus der Politik", sagte Gysi am Mittwoch in Berlin. Es gehe darum, ihn als Person "fertig zu machen", meinte Gysi. Auf diese Art und Weise sei er aber "nicht zu schaffen".
 

(Sh. "Gregor Gysi – Streit um Stasi-Akten eskaliert", focus.de, 28.5.2008, und hier Diffamierungs-Resistenz.htm über die FOCUS-Kampagne gegen Peter Porsch.)

Wenn den neoliberalen Volksbetrügern nicht nur daran gelegen wäre, einen Gegner ihrer Umverteilung nach oben kaltzustellen, dann hätten sie mit Sicherheit auch die Söhne der verstorbenen Gysi-Mandanten und DDR-Regime-Kritiker Robert Havemann und Rudolf Bahro befragt.  Deren Befragung durch die Mitteldeutsche Zeitung gibt ein völlig konträres Bild zur veröffentlichten "Meinung" der Profiteure:
 

Florian Havemann, Sohn von Robert Havemann, würdigte die Arbeit von Gysi als Anwalt für seinen Vater in der DDR. "Unabhängig von der Frage, ob Herr Gysi IM war, was ich nicht beurteilen kann, hat er im Sinne unseres Vaters gehandelt", sagte Havemann der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".

"Unser Vater wollte über Gregor Gysi eine Verbindung zur Parteiführung herstellen. Das ist ihm gelungen. Ab dem Zeitpunkt, als er Anwalt unseres Vaters war, hat es keinen Prozess mehr gegeben." Dass nun wieder Vorwürfe gegen Gysi erhoben würden, habe politische Gründe, die im Erstarken der Linken zu suchen seien, meinte Havemann.

Der Sohn des DDR-Dissidenten Rudolf Bahro, Andrej Bahro, hat die Debatte im Bundestag als Tribunal bezeichnet. Bahro sagte in Berlin: "Das war eine Tribunalveranstaltung, wie ich sie im Bundestag noch nicht gesehen habe." Es sei eine der schlechtesten Stunden der Demokratie gewesen.

"Die jahrelange Jagd auf ihn hat ihn gesundheitlich ruiniert."  Es sei richtig gewesen, eine solche Debatte nicht direkt zu verfolgen. Wären Gysis damalige Mandaten wie sein Vater nicht tot, "wären sie ihm jetzt ganz sicher beigesprungen".

Er persönlich zolle Gysi Respekt, sagte Bahro. Gysi hatte in der DDR als Anwalt auch den Politiker und Philosophen Rudolf Bahro vertreten, der 1979 in die Bundesrepublik abgeschoben worden war.

Deutschland wäre schon sehr geholfen, wenn die aufgeplusterten neoliberalen Charaktermasken und Söldner des Medienkapitals auch nur eine Spur von dem Charakter hätten, den Gysi unter den schwierigsten Bedingungen bewiesen hat und vor allem weiterhin beweist in einer Zeit, wo es für den Opportunismus nicht einmal der äußeren Gewalt bedarf, sondern die innere Gier schon reicht. Diese Opportunisten hatten schon seit Jahren Gelegenheit, sich mit den Anerkennungen von Florian Havemann und Adrej Bahro für Gysi öffentlich auseinanderzusetzen. Der Tagesspiegel zitiert nun aus dem Interview in der Mitteldeutschen Zeitung zumindest drei knappe Zeilen, betet aber ansonsten die "Herrschende Meinung" der herrschenden Profiteure nach (Sh. "Herrschende Meinung", tagesspiegel.de, 29.5.2008.)

Die üblen Verleumdungen kamen von den neoliberalen Parteien und ihren Medien, aber am "liederlichsten" einmal wieder von den "Christlichen", die Gysi "liederlichster Verrat an seinen Mandanten" vorwarfen (sh. "Gysi trifft Söhne von Havemann und Bahro", morgenpost.de, 17.8.2008). Die Söhne boten sich bereitwillig als Zeugen für Gysi an:

 

Er habe die Ziele seiner beiden damaligen Mandanten durchgesetzt. Im Falle eines Verfahrens gegen Gysi boten sie sich als Zeugen dafür an…

Beide Söhne mahnten zu einem kritischen Umgang mit den Akten: Die Stasi-Akten allein dienten nicht der Wahrheitsfindung.

 

(Ebenda.) Damit wollen sich die neoliberalen Volksverdummer mit ihrem sogenannten "Immunitätsausschuss" aber immer noch nicht abfinden:

 

Der Immunitätsausschuss des Bundestags erteilte Birthler Ende Juni den Auftrag, systematisch nach weiteren Aktenvermerken über Gysi zu suchen, die seit 1998 aufgetaucht sind. Vor zehn Jahren hatte das Gremium nach einem Überprüfungsverfahren bereits mehrheitlich den Beschluss gefasst, eine IM-Tätigkeit Gysis für erwiesen zu erklären.

 

(Ebenda).


Äußerer Anlass für die Neuauflage der Kampagnen im Mai 2008 war eine Fahrt des prominenten Dissidenten-Anwalts Gysi in seinem Trabi am 3. Oktober 1979, bei der er einen jungen Systemgegner und Freund seines Freundes Robert Havemann mitgenommen hatte. Dazu schreibt die Sächsische Zeitung in dem zitierten Artikel vom 29.5.2008:
 

Bei einem Treffen von Gysi mit Havemann 1979 sei ein dritter Mann zugegen gewesen, der damals 19-jährige Thomas Erwin.

Erwin, der später den Mädchennamen seiner Mutter, Klingenstein, annahm, war wegen regimekritischer Äußerungen nicht zum Studium zugelassen worden. Er hatte sich mit Havemann angefreundet und war mehrfach im Haus des Dissidenten in Grünheide zu Gast.

An einem Abend im Oktober 1979 nahm ihn Gysi in seinem Trabant mit nach Berlin. Außer ihnen beiden sei niemand im Auto gewesen, berichtete Klingenstein jetzt. In der Stasi-Akte wurde vermerkt: "Der IM nahm 'Erwin'‘ mit in die Stadt und erfuhr zur Person folgendes: Alter: 19 Jahre, Abiturient, negativ eingestellt." Klingenstein wurde ein Jahr später verhaftet und in den Westen abgeschoben.

Nach Klingensteins Meinung und nach Darstellung Birthlers war dieser IM Gregor Gysi. Die Unterlagen würden das bestätigen, was der Immunitätsausschuss des Bundestages bereits 1998 mit der Mehrheit seiner Mitglieder festgestellt hatte: Gysi habe sich als Anwalt "in die Strategien des MfS einbinden lassen, selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben".

Gysi bestreitet dies seit Jahren. Zum Fall "Erwin" sagt er, er habe über den jungen Mann möglicherweise mit einem Mitarbeiter des Zentralkomitees der SED gesprochen, nicht aber mit der Stasi.
 

(Sh. "Gysi bestreitet erneut wissentliche IM-Tätigkeit", sz-online.de, 29.5.2008, und Wikipedia: Thomas Klingenstein.)
 

Es wundert nicht, dass der "Immunitätsausschuss des Bundestages bereits 1998 mit der Mehrheit" seiner neoliberalen Mitglieder Gysi zum IM machen wollte und dass diese Rufmörder auch später gegen konträre gerichtliche Feststellungen immun waren. Dazu Gysi:

 

Man könnte ja mal zur Kenntnis nehmen, dass die Gerichte in  Berlin und Hamburg die Behauptung untersagt haben, ich sei Stasi-IM gewesen, weil es dafür eben keine Beweise gibt. Ich glaube, bei 99 Prozent der Bevölkerung würde man das akzeptieren. Bei mir nicht.

 

(Sh. "Gregor Gysi – 'Die haben keinen blassen Dunst'", fr-online.de, 6.6.2008).


Die Erlaubnis zur Veröffentlichung der "Enthüllungen" zum Fall Erwin war zunächst strittig. Aber
 

Gysi hatte kürzlich seine Berufung gegen die Veröffentlichung der Dokumente darüber zurückgenommen, da sie schon längst publik seien.

(Sh. "Marianne Birthler: 'Nur Gysi kann der IM gewesen sein'", stern.de, 28.5.2008.)
 
Interessant an der obigen Darstellung in der Sächsischen Zeitung ist die Passage:

"Der IM nahm ,Erwin‘ mit in die Stadt und erfuhr zur Person folgendes: Alter: 19 Jahre, Abiturient, negativ eingestellt." Klingenstein wurde ein Jahr später verhaftet und in den Westen abgeschoben.
 

Sie kann den Anschein erwecken, als ob Gysi durch angebliche Enthüllungen gegenüber der Stasi zur Verhaftung des jungen Mannes beigetragen und ihm dadurch geschadet hätte.

Tatsächlich hat man aber die Passage um einen wichtigen Teil verkürzt, denn der Deutsche Depeschendienst zitiert sie wie folgt:
 

«zur Person folgendes: Alter: 19 Jahre, Abiturient, negativ eingestellt. Er hätte einen Protestbrief geschrieben, der Inhalt würde sich gegen den Ausschluss einiger Schriftsteller aus dem Schriftstellerverband richten».
 

(Sh. "Wie Rechtsanwalt Gysi mit der Staatsmacht kommunizierte", DDP, 22.5.2008.)

In Wirklichkeit war während der angeblichen Trabi-Fahrt also klar, dass die DDR-Behörden durch das Protestschreiben und seine Äußerungen in der Schule schon längst von der "negativen Haltung" des Systemkritikers wussten. Sie kannten natürlich auch seine persönlichen Daten, spätestens durch die Verweigerung des Studienplatzes. Der DDP-Bericht stellt das etwas anders dar:
 

Abschließend heißt es zu «Erwin» in der Akte: «Person wurde bisher operativ nicht bekannt.» Im Klartext bedeutet dies, dass die Stasi ihn noch nicht kannte.
Ärger mit der Staatsmacht hatte der junge Lyriker Thomas Erwin aber bereits: Man verweigerte ihm die Aufnahme eines Studiums, nachdem er in der Schule seine oppositionelle Haltung offen gezeigt hatte.
 

Dass die "Person … bisher operativ nicht bekannt" war, muss doch nicht bedeuten, dass dieser allgegenwärtigen Behörde gar nichts über deren offene Systemkritik bekannt war. Immerhin war der besagte Protestbrief an den Staatsrat gerichtet.

Auch in dem DDP-Bericht wird eingeräumt:

Ob Gysi IM war oder von der Stasi in Akten nur als IM bezeichnet wurde, um seiner Person bei ihm ohne sein Wissen «abgeschöpfte» Informationen zuzuordnen, bleibt strittig nach den Maßstäben, nach denen sich der Linke-Politiker eingeschätzt wissen will. Eine Verpflichtungserklärung für eine IM-Tätigkeit liegt nicht von ihm vor. Es gilt jedoch schon als fraglich, ob ein treues SED-Mitglied für eine solche Erklärung in Frage gekommen wäre, denn die Stasi war «Schild und Schwert» dieser Partei.

Sehr aufschlussreich zu diesen und anderen Fragen ist das bereits zitierte Interview, dass Gregor Gysi am 6.6.2008 der Frankfurter Rundschau gegeben hat (sh. "Gregor Gysi – 'Die haben keinen blassen Dunst'", fr-online.de, 6.6.2008). Weitere Einzelheiten über die kafkaesk verschlungene Informations-Dosierung und Verfälschung mit anonymisiertem Absender aus dem "Heiligtum" Zentralkomitee gegenüber der Stasi-Mitarbeitern unter falschem Namen findet man in dem Interview von Gregor Gysi mit der Süddeutschen Zeitung: "Stasi-Vorwürfe gegen Gregor Gysi - Ich war Anwalt, frech und ging an die Grenzen", sueddeutsche.de, 26.6.2008.


Geschadet hätte Gysi dem Systemkritiker durch die Stasi-Abschöpfung des Berichts über das bereits Bekannten auch nicht wirklich, denn nach etwa vier Monaten Haft durfte Klingenstein endlich in die Bundesrepublik ausreisen. Dies geschah wahrscheinlich wie üblich durch Freikauf, nachdem Prominente aus dem Westen gegen die Verhaftung protestiert hatten.

Die DDR hat sich bekanntlich mit dem Freikauf von Regime-Kritikern durch die Bundesrepublik ("Menschenhandel") dringend benötigte Devisen für ihre gescheiterte Planwirtschaft besorgt. Für diese Ausreise-Chance musste der Regimekritiker wohl mindestens kurzfristig eingesperrt werden.  Das bedeutet aber nicht, dass Gysi dem Freund seines Freundes Havemann durch "Fürsprache" beim ZK dabei geholfen hat.

Soweit Gysi überhaupt eine Verteidigung braucht, ergibt sich diese schon aus den diffamierend gemeinten richtigen Aussagen der Inquisitoren von SPD und Grünen, Stephan Hilsberg und Wolfgang Wieland, wie auch durch die Aussagen der angeblichen Opfer:
 

"Nicht der IM-Titel ist wichtig, sondern die Frage, wie eng Gysis Verhältnis zu Stasi war", sagt Stephan Hilsberg. "Ein Anwalt muss auch mit dem Teufel reden – aber im Interesse des Mandanten, nicht im Auftrag des Teufels", meint Wolfgang Wieland. Und noch jemand meldet sich am Mittwoch zu Wort. Florian, Robert Havemanns Sohn. Gysi hat "im Sinne unseres Vaters gehandelt", sagt er der "Mitteldeutschen Zeitung". Und der Sohn des DDR-Dissidenten Rudolf Bahro, Andrej, den Gysi ebenfalls verteidigt hatte, nennt die Debatte eine der schlechtesten Stunden der Demokratie. "Das war eine Tribunalveranstaltung".

(Sh. "Herrschende Meinung", tagesspiegel.de, 29.5.2008, worin der Tagesspiegel immerhin der Hetze den sehr kurzen Hinweis auf die Äußerungen der Dissidenten-Söhne entgegensetzt.)  Hilsberg und Wieland handeln selbst "im Auftrag des Teufels", durch ihr "falsches Zeugnis" gegen Gysi. Damit verschaffen sie sich selbst und den übrigen Profiteuren objektiv weitere Vorteile bei der Umverteilung nach oben, unterstützen die Täter gegen deren Opfer.

Bei dieser "teuflischen" Hexenjagd waren sie geborgen in der üblichen Hetzmasse, die alles tat, um die Richtigstellungen durch Gysi mit Zwischenruf-Salven zu verhindern (sh. die weitgehend überschrieene Rede von Gysi "So schaffen Sie letztlich weder mich, geschweige denn die Linke", linksfraktion.de, 28.5.2008). Die hysterische oder treuherzig gespielte Selbstgefälligkeit der "Ankläger" erinnert teilweise schon an den Volksgerichtshof. Vielleicht ist der eine oder andere aufgebotene Hetzer durch erlittenes DDR-Unrecht so traumatisiert, dass er selbst nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann. Solche "mildernden Umstände" gelten aber nicht für den Rest der Meute. Außerdem gab es auch in der DDR sogar Rechtsradikale und natürlich auch neoliberale Heuchler, die noch heute aus Gier alles für die Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen tun gegen jene, die diese Selbstbedienung aus dem Volkseinkommen blockieren könnten.



Ein Kommentator musste zugeben, dass die Hetzkampagnen die Linke, also die Gegner der asozialen Umverteilung nach oben, nur noch mehr untereinander verbinden. Dennoch profitieren die neoliberalen Volksverdummer bewusst von ihrem Wählerbetrug, denn ohne solche Diffamierungs-Kampagnen in ihren Podien und Medien wären die Umfrage-Ergebnisse der Linken und ihrer Spitzenpolitiker mit Sicherheit noch wesentlich besser. Gerade dies soll ja durch die Diffamierungen verhindert werden.



Am 2.7.2008 gab es einen Bericht bei ZDF HEUTE , wonach Gysi gegen das ZDF bei einem weiteren Prozess in dieser Sache vor dem Landgericht Hamburg unterlegen war. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender ließ es sich nicht nehmen, persönlich durch Film-Einblendung diesen Erfolg seines Anti-Links-Proporz-Senders zu verkünden: Man dürfe weiterhin öffentlich verbreiten, dass Gysi nach den "Recherchen" von Marianne Birthler und angeblichen eigenen ordentlichen Recherchen "willentlich und wissentlich an die Stasi berichtet" habe.
 

Trotzdem ist Brender dem "christlichen" stellvertretenden ZDF-Verwaltungsratschef und hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch anscheinend noch nicht rechts genug. Angeblich müsste Brender mehr Erfolg bei der Quotenjagd bringen. Da aber Koch beim ZDF nicht allein regiert, konnte er Brender trotz Unterstützung durch die Ratsmitglieder Edmund Stoiber, den Merkel-Vertrauen Willi Hausmann und weiterer "christlicher" Strippenzieher bisher nicht nach Berlusconi-Art abservieren. Bei früheren Gelegenheiten hatte die CDU mehr Erfolg mit ihrer "strukturellen Mehrheit" im Verwaltungsrat, so z.B. im November 2002 bei der Verhinderung von Hans Janke als Programmdirektor. Dazu heißt es in der neuen musik zeitung vom 2.3.2009:

 

Koch und die anderen Unions-Politiker argumentierten, Janke, der kein Parteibuch hat, sei «zu links». Der von der Union favorisierte Leiter der ZDF-Hauptredaktion Innenpolitik, Thomas Bellut, bekam den Posten.

 

(Sh. "Koch beeinflusste schon vor dem Fall Brender ZDF-Personalien", nmz.de, 2.3.2009.) Wenn man sich die Unterstützer von Brender anschaut, geht es beim ZDF wohl doch weniger um einen Proporz von Rechts und Links, sondern eher von Neoliberalen und äußersten Rechten.


Der Triumph der neoliberalen Propaganda gegen Gysi währte nicht lange. Das Landgerichtsurteil wurde durch das Oberlandesgericht Hamburg kassiert. In einem Artikel vom 1.8.2008 musste sogar DIE WELT die Kernaussagen des Oberlandesgerichts zu den ZDF-Darstellungen und die Antwort von Links wie folgt zitieren:
 

Vielmehr beruhe die hier vorliegende Berichterstattung auf einer "unzureichenden Recherche" und sei "insgesamt unausgewogen", hieß es in dem Urteil.

"Damit hat sich bestätigt, was Gregor Gysi von Anfang an erklärte, dass die Behauptung von Frau Birthler falsch und eine üble Nachrede ist", erklärte der Sprecher der Linksfraktion, Hendrik Thalheim.
 

(Sh. "STASI-VORWÜRFE – Gysi siegt vor Gericht gegen ZDF", welt.de, 1.8.2008). Nikolaus Brender lässt nun verlauten, dass er dagegen in die nächste Instanz geht, weil er die "üble Nachrede" gegen Links für "freie Berichterstattung" hält.

 

 

In einem Interview mit Gysi behauptete der ZDF-Journalist Peter Frey sogar, sein Sender habe Gysi fair behandelt:
 

ZDF: Die Frage aber ist: Warum klagen Sie gegen die Medien und warum nicht gegen Marianne Birthler und ihre Behörde?

Gysi: Ja, weil die sich in einer Art wichtig nimmt, verstehen Sie, das muss ich nicht noch unterstreichen. Ich möchte, dass die Medien mich fair behandeln. Sie soll doch quakkeln, was sie will. Im Augenblick geht die ja in jeden Raum rein, wo sie irgendwas gegen mich sagen kann. Sie scheint irgendwie fixiert zu sein. Übrigens, wissen Sie, was das Problem ist? Dass die Behörde eine andere Auffassung hat als sie. Ich kann Ihnen zwei Beispiele nennen: Die Behörde hat gesagt, die Unterlagen haben gar nichts mit mir zu tun, und sie sagt dann plötzlich, ach, sie ist einer anderen Auffassung. Aber das ist ein längeres Thema, können wir lassen. Ich möchte gerne, dass das ZDF und auch andere, die Zeitungen, der Rundfunk, mich fair behandeln, OK?

ZDF: Das haben wir getan, das können wir auch weiter tun, wir reden ja auch jetzt miteinander.
 

(Sh. "Man muss doch miteinander reden können", zdf.de, 3.8.2008.)

 

Gern wollte Peter Frey auch über die Vorzüge von Hartz IV aus Sicht der bestbezahlten Meinungsmacher reden, denn in den neoliberalen Proporz-Gremien seines Senders kann man mit den Linken nicht darüber reden, weil sie dort ausgeschlossen sind (sh. "ZDF im Parteibuch Lexikon" und Institut für soziale Dreigliederung: "ZDF-Verwaltungsrat als Inkompetenzlösung", Seiten besucht am 4.8.2008).
 

ZDF: Aber immerhin haben die Sozialdemokraten mit ihrer Arbeitsmarktpolitik, die Sie ja groß gemacht hat, Stichwort Hartz IV, doch wenn man es mal in der Perspektive sieht, in den letzten drei, vier Jahren die Grundlage geschaffen, dass viele neue Arbeitsplätze in Deutschland entstanden sind - anderthalb Millionen. Haben Sie sich mit Ihren Protesten da nicht getäuscht? Sind Sie zu scharf vorgegangen?

… Ist Hartz IV eine Voraussetzung für den Aufschwung gewesen?

 

Gysi: Nein, das ist ja Unsinn. Den Aufschwung haben wir international und das hat mit Hartz IV überhaupt nichts zu tun. Dieser Aufschwung im Unterschied zu früheren Aufschwüngen, hat relativ wenig gebracht. Etwa 10 bis 15, maximal 20 Prozent nehmen an dem Aufschwung teil, 80 Prozent haben davon nichts. Ich bitte Sie, wir sind die einzige Industriegesellschaft mit sinkenden Reallöhnen, mit sinkenden Realrenten, mit sinkenden realen Sozialleistungen. Ganz im Unterschied selbst zu den USA, zu Frankreich, zu Großbritannien oder Schweden - da gibt es Mindestlöhne von über acht Euro die Stunde, davon kann man ja in Deutschland nur träumen. Wir sind die Industriegesellschaft mit dem prozentual größten Anteil eines Niedriglohnsektors, da kann man doch nicht zufrieden sein. Die Regierung muss mal etwas dagegen tun.

 

ZDF: Sagen Sie mal, ob Sie dem Satz zustimmen: Sozial ist was Arbeit schafft.

 

Gysi: Das ist mir viel zu einfach. Arbeit in Würde bitte, das ist mir wichtig. Es muss auch um gute Arbeit gehen und die muss gut bezahlt werden. Wir haben Jobs in Deutschland, da arbeiten die Leute für einen Lohn, das würden wir beide nie machen - die knüppeln die ganze Woche. Nein, da muss sich etwas verändern. Natürlich, Arbeit ist wichtig, aber dazu gehört ein anständiger Lohn.


Freys Fragen gaben zugleich Gelegenheit zu neoliberaler Propaganda und zur Diffamierung der Linken als Gegner der Umverteilung nach oben. Für Wählerbetrug werden allerdings "Löhne" gezahlt, die die Hartz-IV-Opfer mit ihrer ordentlichen Arbeit und vielen Überstunden nie erreichen können.

 








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Was sagen amerikanische Ökonomen zu Steuersenkungen für "Bestverdiener" und Meinungsmacher? Was bringt dagegen die Rossäpfeltheorie?

 

 

 
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