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Stand 29. Mai 2007,
zuletzt ergänzt am 10.11.2009.
Zurück zum Abschnitt 1:
Was sagen amerikanische Ökonomen zu
Steuersenkungen für Bestverdiener und Meinungsmacher?
Was bringt dagegen die Rossäpfeltheorie?
"Unternehmen, deren Existenz lediglich davon
abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben
ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein
Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben."
US-Präsident Franklin D. Roosevelt, 1933
(sh.
mindestlohn.de)
Exkurs:
Mindestlöhne, "Bolkestein-Hammer"
und Leiharbeit
(Siehe hierzu auch die Exkurse:
Leiharbeit,
EU-Lohndumping.htm
und
Hartz-IV.htm.)
Von den 15 alten EU-Ländern haben 6 Länder gesetzliche
Mindestlöhne zwischen 8 und 9 Euro (sh.
mindestlohn.de,
Stand 4.3.07). Die gesetzlichen Mindestlöhne in
Griechenland, Spanien und Portugal liegen deutlich
darunter. In fünf weiteren Alt-EU-Ländern (Dänemark,
Schweden, Finnland, Österreich, Italien) sind
Mindestlöhne durch Tarifverträge mit deutlich mehr als
80%iger Geltung geregelt (sh. Claus Schäfer: "Gesetzliche
Mindestlöhne…", boeckler.de, April 2005, Blatt 7)
und liegen teilweise auch noch über den obigen 9 Euro: "Im wirtschaftlich boomenden Dänemark bekommt derzeit
fast niemand weniger als 90 Kronen (12 Euro)", lt.
tagesschau.de, 20.3.06. Dagegen erscheint den
Neoliberalen in Deutschland schon ein Mindestlohn von
7,50 Euro zu hoch (sh. unten).
Zum Thema "Mindestlohn" ist folgendes zu beachten
(sh.
rossaepfel-theorie.de und hier weiter
unten):
-
Die unproblematischen Aussagen zur fiskalischen
Umverteilung nach oben hier im Haupttext sind unabhängig
von der Entscheidung für oder gegen Mindestlöhne. Es
soll daher hier îm Exkurs auch keine Relativierung durch problematischen
Modellansätze zu den Mindestlöhnen erfolgen. -
Klar ist nur, dass die üblichen Modellansätze der
Neoliberalen die Nachfrageeffekte von Mindestlöhnen
ausblenden und insofern nur propagandistisch aufzufassen
sind.
-
Die Finanzierung von
Sozialversicherungsbeiträgen über höhere Ertrag- und
Substanzsteuern würde auch entscheidend zur Lösung des
Arbeitsmarkt-Dilemmas beitragen, das mit der Forderung
nach einem gesetzlichen Mindestlohn verbunden ist.
-
Diese weitgehende
Steuerfinanzierung ermöglicht eine drastische Senkung
der Arbeitslosenquote und damit der verbleibenden
Finanzierungslücke in den Sozialsystemen.
-
Die weitgehende
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben über Ertrag- und
Besitzsteuern nach dem Standard konjunkturstarker
Nachbarstaaten kann mehr Arbeitsplätze schaffen, als
durch den Fortfall von Dumping-Arbeitsplätzen infolge
eines gesetzlichen Mindestlohns verloren gehen.
-
Preiserhöhungen durch Einführungen von Mindestlöhnen
im Dienstleistungsbereich müssen nicht zu entsprechender
Nachfragereduzierung im Dienstleistungsbereich führen.
Die Budgeteinschränkungen werden auch andere Bereiche
betreffen wie Fernreisen, Umfang der PKW-Nutzung oder
Bereiche mit kapitalintensiverer Produktion wie
Neuanschaffungen, Wohnungsgröße usw., während die
zusätzliche Nachfrage der Ex-Dumpinglöhner weitere
Arbeitsplätze schafft.
-
Ein steuerfinanziertes
bedingungsloses Grundeinkommen als Anreiz für weiteres
Lohndumping ist ebenso abzulehnen wie
Mehrwertsteuererhöhungen.
-
Die Halbierung der
Arbeitslosenquote, z.B. auf das dänische Niveau,
ermöglicht das dänische Prinzip "Fordern und Fördern"
und führt von sich aus zu höheren Löhnen.
-
Diese Steuerfinanzierung
nach skandinavischem Vorbild hat Vorrang vor dem
Festhalten an den Steuergeschenken für die bestbezahlten
Meinungsmacher.
-
Die Anhebung der deutschen Steuerquote vom untersten
Platz der Alt-EU auf mittleres oder skandinavisches
Niveau würde durch Ausbau des öffentlichen Sektors nach
solchen Vorbildern (z.B. investive Kinderbetreuung, Bildung und
Forschung) die Arbeitslosenquote senken und damit der
Lohndrückerei entgegenwirken.
-
Gewerkschaftlich
ausgehandelte Mindestlöhne liegen wegen zu geringer
Mitgliedschaften teilweise unter 4 Euro
pro Stunde, auch und gerade für
unverzichtbare Dienstleistungen ohne ausländische
Dumping-Konkurrenz (sh. unten).
-
Gesetzliche Mindestlöhne von etwa 8 Euro pro Stunde
reichen bei Familien mit Kindern oft nicht zur
Existenzsicherung und sind dann weiterhin staatlich
aufzustocken, nicht nur durch Kinder- und Wohngeld.
-
Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit muss sich für
Arbeitslose auch finanziell lohnen.
-
Das Ausweichen von Arbeitslosen in Schwarzarbeit ist
marktkonform durch drastische Senkung der Mehrwertsteuer
bei konsumnahen Dienstleistungen einzudämmen.
-
Durch Verzicht auf die
ausufernden Steuerprivilegien für "Bestverdiener" würden
auch solche Absenkungen der Mehrwertsteuer möglich
zugunsten der zurückgestauten Konsumnachfrage von Einkommensschwachen.
-
Nicht jedes Unternehmen muss erhalten werden, das nur
durch Dumping-Löhne existieren kann, aber kein Haushalt
sollte durch Dumpinglöhne in die Insolvenz getrieben
werden.
-
Stundenlöhne deutlich unter den westeuropäischen
Mindestlöhnen dürften bei den hiesigen
Lebenshaltungskosten und dem kontrastierenden Reichtum
sittenwidrig sein und gegen die Europäische Sozialcharta
verstoßen (sh. unten).
-
Vor allem ist beim Thema "Mindestlohn" die vollständige Öffnung des deutschen
Arbeitsmarktes spätestens zum 1.5.2011 für Arbeitnehmer
aus den östlichen EU-Staaten zu berücksichtigen, so dass
durch gesetzliche Mindestlöhne der verschärften
Lohndrückerei entgegengewirkt werden kann.
-
Neben den Steuersenkungen für "Bestverdiener", der
Mehrwertsteuererhöhung, den Kürzungen bei
Einkommensschwache, staatlichen Leistungen usw. dient
auch die Lohndrückerei der Umverteilung nach oben.
-
Die ökonomischen Gründe gegen Mindestlöhne sind daher
vor allem selbst indoktrinierte Vorwände jener Parteien
und Ideologen, die am nachdrücklichsten für die Umverteilung nach oben
eintreten mit Senkung ihrer Spitzensteuersätze auf
propagierte 35 oder gar 25 Prozent, finanziert durch
Mehrwertsteuererhöhungen und alle möglichen
Mehrbelastungen der Klein- und Normalverdiener.
Das Thema Mindestlohn ist hier nur ein Exkurs zu
den Hauptthemen "Steuersenkung für Bestverdiener" und
"Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben"
(sh.
rossaepfel-theorie.de).
Es kann daher nicht ebenso ausführlich bearbeitet werden
und wird auch nur im Hinblick auf die Hauptthemen
betrachtet. Dennoch spielt es für beide Themen eine
wichtige Rolle, weil durch die diversen Steuersenkungen für
"Bestverdiener" die nötigen Mittel gegen die
Arbeitsplatzvernichtung verschenkt wurden und werden.
Außerdem erfolgt die
Umverteilung des Volkseinkommens nach oben schon vor
dieser finanzpolitischen Sekundärverteilung auch und
gerade bei der Primärverteilung, vor allem über die
Renditen des Großkapitals, aber nicht zuletzt auch über
das Lohndumping.
Die Arbeitslosenquote in Deutschland wurde so auf hohem
Niveau stabilisiert. Es fehlt damit das Geld für eine
teilweise Steuerfinanzierung der
Sozialversicherungsbeiträge, die auch nach Ansicht der
neoliberalen Umverteilungsprofiteure zu einer
entscheidenden Belastung des Arbeitsmarktes geworden
sind.
Der Anstieg der Arbeitslosenquote in Deutschland von ca.
4% Ende der siebziger Jahre auf mehr als 10%
(sh.
destatis.de, Stand 3.2.07, und
"Arbeitslosenquoten",
wko.at, Stand 18.4.2008) führte auch dazu, dass
immer mehr Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen arbeiten müssen
und dass daher die Forderung nach einem gesetzlichen
Mindestlohn in Deutschland immer stärker wird.
Das derzeitige und
frühere Eigenlob der Neoschwarzen, Rotkarierten und
Gilbgrünen für ihre neoliberalen angeblichen Beiträge
zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit ist dreister
Wählerbetrug. Die Entwicklung der deutschen
Arbeitslosenquote von etwa 8 Prozent in 1995 über einen
Anstieg bis auf 10,7 Prozent in 2007 und dann wieder auf
etwa 8 Prozent in 2008 (sh.
"Arbeitslosenquoten",
wko.at, Stand
18.4.2008) geht einher mit einem zunehmenden Anteil
der Geringverdiener von 15 auf
22,2 Prozent in den zehn Jahren bis 2006. Dazu heißt es in der Tagesschau:
Innerhalb eines Jahrzehnts
stieg der Anteil der Geringverdiener von 15 auf 22,2
Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts
für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität
Duisburg-Essen, die seit Januar vorliegt und nun in
Amsterdam vorgestellt wurde. Demnach arbeiten heute 6,5
Millionen Beschäftigte in Deutschland für wenig Geld.
"Die Befunde für die Bundesrepublik sind
besorgniserregend", sagte der Direktor des IAQ, Gerhard
Bosch, der "Frankfurter Rundschau"…
2006 arbeiteten insgesamt 1,9 Millionen Menschen für
eine Stundenlohn unter fünf Euro.
(Sh.
"Fast jeder Vierte arbeitet für
Billiglöhne – Immer weniger Lohn für immer mehr
Beschäftigte", tagesschau.de,
18.4.2008, mit weiteren Nachweisen.) Zumindest die
Alleinstehenden unter diesen
1,9 Millionen "Working Poor" im Jahre 2006 stehen sich nicht besser
als Arbeitslose, denn bei 160 monatlichen Arbeitsstunden
zu höchstens fünf Euro, womöglich noch abzüglich 20 Prozent
Sozialabgaben, arbeitet ein Alleinstehender unter dem
Sozialhilfe-Niveau (zur Definition der "Geringverdiener"
sh. den IAQ-Report
2008/01: "Weitere
Zunahme der Niedriglohnbeschäftigung…" ).
Aber die Statistik ist unter dem Einfluss der großen
neoliberalen Koalition insgesamt drastisch gefälscht
(sh. z.B.
"3,2 Millionen Arbeitslose
gelten als nicht arbeitslos", faz.net,
12.3.2008.)
In den gleichen zehn Jahren sank die Arbeitslosenquote
im Hochsteuerland Dänemark von etwa fünf Prozent auf 2,7
Prozent (sh.
"Arbeitslosenquoten",
wko.at, Stand 18.4.2008) bei einem Spitzensteuersatz von
59 Prozent, während die Neoliberalen in Deutschland,
vorgeblich zur Belebung des Arbeitsmarktes, diesen
Steuersatz von 53 auf 42 Prozent abgesenkt haben. Die
Meinungsmacher von CDU und FDP wollten ihn für sich und
ihre Kundschaft sogar auf 36 bzw. 35 Prozent absenken
(sh.
rossaepfel-theorie.de). Auch andere
EU-Länder mit wesentlich höherer Steuerquote konnten die
Weltkonjunktur viel besser nutzen als die deutschen
Volksverdummer mit ihrer Drosselung der Konsumnachfrage,
also trotz des hohen deutschen Exportanteils.
Die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne ist
insbesondere wichtig zur Vermeidung von weiterem
Lohndumping zugunsten der Umverteiler durch die
bevorstehende vollständige Öffnung des deutschen
Arbeitsmartes für osteuropäische Arbeitnehmer, so dass
auch noch so intelligente Studienmodelle zur
"aktivierenden Sozialhilfe" allein schon von daher nicht
ausreichen (sh. z.B. die Untersuchung von Hans-Werner
Sinn et al.:
Aktivierende
Sozialhilfe 2006: Das Kombilohn-Modell des ifo Instituts,
München,
Januar 2006,
auf der Grundlage von deren Untersuchung:
Aktivierende Sozialhilfe - Ein
Weg zu mehr Beschäftigung und Wachstum,
ifo Schnelldienst
9/2002, mit der allzu
partiellen graphischen
Darstellung "Verteilungseffekte der Lohnsenkung für
bereits im Niedriglohnsektor Beschäftigte" - Abb. 8, S.
46).
Die Beschränktheit solcher verzerrten neoliberalen
Darstellungen wird schon deutlich bei einem Interview
von Oskar Lafontaine mit drei ebenso beschränkten
tuenden Interviewern von der Süddeutschen Zeitung (sh.
"Oskar Lafontaine im Interview -
'Der Raffgier Tür und Tor
geöffnet'", sueddeutsche.de,
17.2.2008):
SZ: Die Linke fordert einen gesetzlichen
Mindestlohn von 8,44 Euro. Ihr Parteifreund André Brie
sagt, ein Friseur in Mecklenburg-Vorpommern könne das
nicht bezahlen. Hat er da nicht recht?
Lafontaine: Nein. Wenn auch in
Mecklenburg-Vorpommern ein Mindestlohn gilt, kann der
Mecklenburger seinem Friseur einen höheren Preis bezahlen.
Im Gegenzug muss der Friseur seine Leute nicht mehr für vier
Euro beschäftigen.
SZ: Das ist doch ein Nullsummenspiel.
Lafontaine: Nein. In der Ökonomie dreht sich die
Spirale entweder insgesamt nach unten oder nach oben. Und in
Deutschland dreht sie sich bei Löhnen und Renten nach unten.
Das muss sich ändern. Es gibt keine seriöse Untersuchung,
die beweist, dass der Mindestlohn in der Summe
wirtschaftliche Nachteile bringt.
Nach oben dreht sich die Spirale erst wieder, wenn die
Arbeitnehmer für sich zumindest erst einmal ihren früheren Anteil am
Volkseinkommen gegen die Profiteure der Umverteilung
nach oben erstreiten und wenn der
Rentenklau
voll ausgeglichen wird. Dagegen führt nach den propagandistischen
Darstellungen der Neoliberalen eine
Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen eindeutig zu
einer tendenziellen Erhöhung der Arbeitslosenquote. Unter anderem wird die Erhöhung der Kaufkraft
und der Nachfrage bei den
konsumwilligen Einkommensschwachen zu Lasten der
tendenziell hortenden "Bestverdiener" völlig
ausgeblendet. Darauf beziehen sich auch die ansonsten
gut ausgearbeiteten Folien von Frank Heinemann:
Vorlesung AVWL II -
Makroökonomik, Wintersemester
2005/06, uni-muenchen.de. Eine detaillierte
Darstellung des "Neoklassischen Arbeitsmarktmodells"
bietet Bernd Reef:
Vorlesung: Einführung in die
Volkswirtschaftstheorie,
Wintersemester 2006/07, insbesondere mit den
Erläuterungen zu seiner Abbildung I.1.16. Die Kritik an
den überholten Vorstellungen findet man aber am ehesten
einmal wieder einmal in angelsächsischen Quellen, die
zitiert werden von Rudolf Hickel: "Streitfall
Mindestlohn" - Diskussionsveranstaltung der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft am 29.11.2006 in Berlin",
iaw.uni-bremen.de.
Ironischerweise ist es ausgerechnet wieder die
neoliberale
INSM, gegen
deren neoliberale Verkündigungen die Klärung der
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben
vorankommt.
Diese Auszehrung der Konsumkraft von Einkommensschwachen
ist der eigentliche Grund für die
hohe Arbeitslosenquote in Deutschland trotz guter Weltkonjunktur.
Das gilt insbesondere für die einseitige
hohe Belastung der Löhne von Gering- und
Normalverdienern mit den Kosten des Sozialstaates. Deren
Entlastung durch Steuerfinanzierung von
Sozialabgaben darf jedoch nicht
noch zu weiterem Lohndumping führen. Die Propagandisten
der Lohndrücker scheinen aber gerade diesen
Dumping-Wettlauf im Sinn zu haben, ebenso wie sie das
EU-finanzierte Steuerdumping in Osteuropa als Hebel zum
Steuerdumping für sich selbst und die übrigen
"Bestverdiener" begrüßen (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Zur Vermeidung solcher unbezahlbaren
Mitnahmeeffekte sind gesetzliche Mindestlöhne
nach dem Vorbild anderer europäischer Länder
einzuführen. Selbst in Großbritannien gilt
z.B. ein gesetzlicher Mindestlohn von 5,35 Pfund
Sterling (ca. 7,71 Euro
- sh. "Briten
erhöhen ihren Mindestlohn",
netzeitung.de, 20.3.06, mit weiteren Nachweisen, und
Mindestlohn.de, besucht 3.7.06) bei einer
Arbeitslosenquote in 2005 und 2006 von ca. 5 Prozent (Deutschland
offiziell knapp 10%
- sh.
Arbeitslosenquoten, wko.at, 3.7.06). Dazu
schreibt die Netzeitung (a.a.O:):
Der gesetzliche Mindestlohn wurde in
Großbritannien 1999 von der Labour-Regierung eingeführt
und seither um 40 Prozent erhöht. Die Arbeitslosigkeit
sank im gleichen Zeitraum um 25 Prozent. Im Unterschied
zu den Warnungen der britischen Arbeitgeber ist die Zahl
der Billig-Arbeitsplätze seither nicht zurückgegangen,
sondern deutlich gestiegen. Die Einhaltung des
Mindestlohns wird streng überwacht.
Das
Wirtschaftswachstum in Großbritannien lag in den fünf
Jahren nach Einführung des Mindestlohnes (2000 bis 2005)
trotz der abgeschwächten Weltkonjunktur bei 2,5%, in
Deutschland währenddessen bei 0,6%. Für 2007 erwartet
man dort ein Wachstum von 2,7% und in Deutschland von
vielleicht 1,2% (lt.
wko.at:
"Wirtschaftswachstum", Stand 11.3.07, und "Mindestlohn
anderswo", unter
mindestlohn.de).
Dagegen liegen
die Tariflöhne in Deutschland teilweise viel niedriger
als in Großbritannien
(z.B. in Sachsen die untersten tariflichen
Brutto-Stundenlöhne für Fleischereiverkäufer: 4,61 €,
Floristen: 4,30 €, Friseure: 3,06 € usw.; sh. "unterste
Tarife" bei
boeckler.de
und
lohnspiegel.de).
Der Organisationsgrad der Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberorganisationen ist so schwach und die
Arbeitslosenquote so hoch, dass existenzsichernde
Tariflöhne sofort von den nicht Organisierten
unterlaufen würden. In etlichen ostdeutschen
Tarifbereichen sind weniger als ein Drittel der
Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert. Schon von
daher und zur regionalen Nachfragebelebung scheint
ein gesetzlicher Mindestlohn unumgänglich. Das gilt auch
für das beliebte Totschlagsbeispiel des
Spargelstechens. Ein Einsatz der neoliberalen
Volksbetrüger zu diesen Arbeitsbedingungen wäre für sie
recht heilsam:
Sieben Tage in der Woche 8 bis 10 Stunden am Tag bei Wind
und Wetter hart körperlich arbeiten, und das bei einem
Tariflohn, der in Brandenburg bei 3 Euro 78 in der Stunde
liegt
(sh. "Wer
sticht den Spargel?", dradio.de, 26.5.06) Sie haben
damit immerhin mehr als die Hartz-IV-Sätze, die ihnen
zustehen, wenn sie den Job nicht verweigern.
Da sie an diese Knochenarbeit jedoch nicht gewöhnt
sind, dürften die späteren Kosten für ihre orthopädische
Behandlung, Kuren und Frühverrentung allerdings weit über
den Mindestlohn hinausgehen. Die polnischen Erntehelfer
stechen den Spargel inzwischen jedenfalls lieber in Schweden
zu zwölf Euro pro Stunde.
Gerade
im Dienstleistungsbereichen erfolgt also die
Lohndrückerei, obwohl ein
Schnellimbiss, Blumenkauf oder wöchentlicher Einkauf im
Ausland kaum als Alternative im Frage kommen.
Auch bei den obigen 7,71 Euro
und entsprechenden Preisen würde kaum jemand zum Friseur ins angrenzende Ausland
fahren oder ganz auf den Friseur und die anderen
Dienstleistungen wie die Briefzustellung verzichten (sh.
REPORT MAINZ: "Schuften
für Hungerlöhne - Das Elend der Briefzusteller",
swr.de,
26.2.07, mit Video).
Allenfalls werden die Hotels im grenznahen Bereich ihre
Wäsche zum Waschen nach Polen schicken oder ähnliche
Sonderfälle in Betracht kommen.
Von zunehmender Bedeutung für das Lohndumping im
Dienstleistungsbereich ist auch die rapide zunehmende
Leiharbeit, durch die immer mehr reguläre
Arbeitsverhältnisse verdrängt werden (sh.
unten).
Dagegen meinte
Klaus von Dohnanyi in einer Diskussion mit Heiner Geissler
am
2.4.2007 bei
n-tv, dass auch qualifiziertere Arbeiten wie
Ingenieurleistungen ins Ausland abwandern können. Dies ist
allerdings schon längst der Fall, z.B. bei der
Softwareherstellung in Indien, die sich durch preisgünstige
Telekommunikation international koordinieren lässt. Es geht
hier aber nicht um die Verlagerung von Billigjobs, sondern
um Löhne und Gehälter im mittleren und oberen Bereich. Auch
bei deren Anstieg drohen die deutschen Nutznießer des
Arbeitsplatzexportes regelmäßig mit weiterem Jobabbau und
dem Zwang zu weiterer Automatisierung. Um so dringlicher
wird es, dass der Globalisierungs-Nutzen für das
Volkseinkommen endlich angemessen auf seine Produzenten
verteilt wird und die Profiteure nicht obendrein noch
überhäuft werden mit Steuergeschenken aus dem Volkseinkommen
durch Senkung ihrer Spitzensteuersätze und der
Unternehmenssteuern. Dieses Geld muss den Produzenten des
Volkseinkommens zur Stärkung der Inlandsnachfrage zufließen,
damit das Wirtschaftswachstum nicht nur vom Export der
deutschen Produkte getragen wird, sondern auch eine
Grundlage hat in der viel gewichtigeren Konsumnachfrage.
In der obigen
Diskussion mit Klaus von Dohnanyi sagte
Heiner Geissler dazu (sh.
n-tv.de):
Es ist in auch in
der Zeit, als noch die CDU regiert hat, eine falsche
Wirtschaftspolitik gemacht worden. Vor allem beeinflusst
durch die eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie, die
Löhne nur als Kosten gesehen hat.
Das Münchner
Ifo-Institut hat die perverse Theorie, dass durch niedrigere
Löhne mehr Arbeitsplätze entstehen, entwickelt.
Das hätte so
nicht sein müssen, wenn da nicht eine
wirtschaftswissenschaftliche Theorie ein Meinungskartell
aufgebaut hätte, dem auch die Politik zum Opfer gefallen
ist.
Der sympathisch
erscheinende Leiter des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner
Sinn, ist zwar nicht der Erfinder der Rossäpfel-Theorie,
aber mit Ihrer ständigen Propagierung ist er zum medialen
Liebling der neoliberalen Meinungsmacher geworden. Sie haben
ihn durch seine ständige Präsenz in ihren Talkshows oder als
Kronzeugen der BILD-Zeitung, FAZ, DIE WELT usw.
entsprechend hochgejubelt. Dabei liefert er durchaus
intelligente Diagnosen, aber die Verführung besteht gerade in
deren Kombination mit einseitig neoliberalen
Therapie-Vorschlägen. Dies liegt daran, dass die Wirkung der
Umverteilung nach oben weitgehend ausgeblendet wird. Darüber
hinaus werden seine Aussagen von BILD allein schon durch die
tendenziösen Überschriften teilweise gerade in ihr
neoliberales Gegenteil verkehrt (Sh. BILD: "Steuern
runter!", wo es vielmehr um die Sozialabgaben
der Arbeitnehmer geht, die gerade wegen der niedrigen
Steuern für diese Meinungsmacher so hoch sind, sh. hier
rossaepfel-theorie.de.)
Zu den
explodieren Manager-Bezügen vom früher Zwanzig- oder
Dreißigfachen der Lohnempfänger zum Vielhundertfachen sagte
Heiner Geissler in dem Interview:
Man muss die
Frage radikaler stellen: Ist das Wirtschaftsystem in
Ordnung, das so etwas erlaubt?
Diese
Manager-Bezüge sind auch ihr Lohn für die Massenentlassungen
und ihre Umverteilung nach oben, vor allem zugunsten der
großen Kapitaleigner. Heiner Geissler steht nicht gerade für
eine Sozialdemokratie nach skandinavischem Vorbild,
war aber zumindest gegen die Steuersenkung für
"Bestverdiener" und hätte sich wohl den Raubtierkapitalismus
seiner jetzigen "Christen"-Partei nicht vorstellen können.
Eine solches "Wirtschaftssystem" beruht in der Tat auf einer
Mentalität, die nur mit Hilfe der neoliberalen und
kapitalistischen Meinungsfabrikation produziert werden
konnte.
Zu diesen
Fabrikanten gehört auch
Klaus von
Dohnanyi, prominenter Vertreter der gewendeten SPD
und ehemaliger Kurator der
"Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft". Er war ab 1990
Beauftragter der Treuhandanstalt, die von Gesine Lötzsch
(DIE LINKE) wegen ihrer Abzocker-"Betreuung" als "Mutter
aller Heuschrecken" bezeichnet wurde (sh. dazu DIE WELT vom
9.11.2009 mit dem flapsigen Titel "LATE NIGHT 'ANNE
WILL':
Die Ost-Seele braucht mehr
Streicheleinheiten"). Wie alle überbezahlten
neoliberalen Meinungsmacher möchte Dohnanyi
offenbar nicht einen Spitzensteuersatz von 56 bis 59 Prozent
bei weitgehender Steuerfinanzierung von Sozialabgaben nach
dem erfolgreichen Vorbild der skandinavischen Staaten
zahlen. Immerhin könnte er sich doch für
Einkommens-Multimillionäre etwas mehr als 47 Prozent
vorstellen:
Man sollte die
Spitzensteuern erhöhen, wenn man in richtig hohe Spitzen
kommt. Wenn man mit der Anhebung der Steuersätze später
einsetzt, dann kann man auch höher gehen. Als
Alleinstehender berührt man bei 60.000 Euro schon mit dem
letzten Euro den Höchstsatz. Das ist vielleicht zu früh.
Andererseits sollte dieser Steuersatz am Ende nicht
festgefroren sein. Wenn jemand 14 Millionen verdient, dann
könnte der Steuersatz auch ein bisschen höher sein als 47
Prozent.
Er orientiert sich
mit den Millioneneinkünften anscheinend ein wenig an dem Vorbild der unsäglichen
Reichensteuer, die die Gesetzesmacher und die meisten
Meinungsmacher nicht betrifft (sh. hier
reichensteuer.htm).
Insgesamt haben die
Dumping-Löhne in Ostdeutschland - wie in anderen
Wirtschaftsräumen mit Konsumdrosselung -
die Arbeitslosenquote
dort nicht gesenkt, sondern erhöht, weil die Konsumnachfrage
fehlt. Deshalb ist Iris Gleicke,
Sprecherin der Ost-SPD-Abgeordneten im Bundestag,
zuzustimmen, wenn sie die Einführung von Mindestlöhnen
vor allem in den neuen Ländern für unumgänglich hält:
Die Erfahrungen in Ostdeutschland zeigten, dass
Dumpinglöhne kein Standortvorteil seien, sagte sie in
der "Freien Presse".
(Sh. "Pofalla
gegen gesetzlichen Mindestlohn",
deutsche-handwerks-zeitung.de,
28.3.07.)
Die Verbraucher dürften vor kleineren oder größeren
Preiserhöhungen in bestimmten Dienstleistungsbereichen
zunächst etwas zurückschrecken.
Aber dann wird man, wie bei Preissteigerungen für Benzin
und Zigaretten, den Mengenkonsum kaum einschränken und
den wertmäßigen Konsum vielleicht noch erhöhen,
wobei hier noch die Kampagnen gegen das Rauchen und zu
vieles Autofahren hinzukommen. Dafür wird man aber mehr
Kaufkraft schaffen für die Dumping-Opfer.
Auch in Dänemark gibt es bei einem Stundenlohn von mehr
als 14 Euro plus Trinkgeld genug Friseure (sh.
Peter Bofinger et. al.:
"Vorrang
für das reguläre Arbeitsverhältnis...",
August 2006, S. 115 und 117).
Bei
dem dänischen Preisniveau vom 1,28fachen des deutschen
Niveaus liegt sie so mit ihrer Kaufkraft deutlich über
dem höchsten Tariflohn einer vergleichbaren
westdeutschen Friseurin. (Sh. "Internationaler Vergleich
der Verbraucherpreise – Fachserie 17 Reihe 10 – Juli
2009",
destatis.de.)
Die schamlose Ausbeutung des deutschen Brief- und
Paket-Kuriers und des Gebäudereinigers macht
besonders deutlich, dass eine menschenwürdige Bezahlung
kaum Stellen kosten würde. Die Mindestlöhne
würden lediglich zu einer etwas anderen Verteilung des
Volkseinkommens führen und brächten den Einkommensschwachen nicht nur ein halbwegs
akzeptables Einkommen für ihre ehrliche
Arbeit, sondern auch mehr Kaufkraft, um die schwache
Konsumnachfrage zu beleben und vielleicht noch etwas zu
ihren geplünderten Mini-Renten zu sparen gegen die
Abhängigkeit von Staatszulagen im Alter.
Laurenz Meyer (CDU) sagte dazu der
Netzeitung:
Wir als Union müssen aber auch feststellen, dass es in
19 von 25 EU-Ländern einen Mindestlohn gibt. Wenn wir
sagen, wir schauen uns in Europa nach
Lösungsmöglichkeiten um, dann sage ich: Wir müssen uns
auch die Mindestlohn-Regelungen in anderen EU-Ländern
anschauen.
Und dann stellen wir als erstes fest, dass in den
erwähnten 19 Ländern der Mindestlohn zwischen 120 und
1300 Euro brutto schwankt. Daneben müssen wir dann aber
auch die nationalspezifischen Unterschiede im
Arbeitsmarktbereich beachten.
Das zeigt, dass es sich um eine sehr komplexe und
schwierige Fragestellung handelt. Ich nähere mich einem
Mindestlohn nur mit größter Vorsicht. Eine
flächendeckende Einführung hätte zur Folge, dass alle
Arbeitsplätze, die unterhalb dieses Lohnniveaus liegen,
wegfallen. Mit dem Arbeitslosengeld II haben wir zudem
de facto schon einen Mindestlohn. Darunter lohnt sich
eine Arbeitsaufnahme kaum.
(Siehe: "Wir
haben schon einen Mindestlohn", netzeitung.de,
21.2.2006.) Vergleiche
ergänzend auch sein
Interview vom 28.3.07 mit dem
Deutschlandfunk. Darin sagt er gegen die
Mindestlöhne: "Wir haben inzwischen in
Deutschland - so sagt die Bundesagentur für Arbeit -
sechs Millionen Vollzeitarbeitsplätze in der
Schwarzarbeit." Er unterschlägt aber, dass
die Schwarzarbeit noch zunimmt durch die CDU-betriebenen
Mehrwertsteuererhöhung und Erhöhung der Sozialbeiträge,
dass durch Mindestlöhne mehr Konsumnachfrage entsteht
und dass sich die geforderten Mindestlöhne zumindest
teilweise kompensieren ließen durch Steuerfinanzierung
der mehr als 40% Sozialbeiträge, wenn er und seine CDU-"Mittelstands"-Lobbyisten
vom
MIT und PKM auf ihre asozialen
Steuergeschenke verzichteten. - Siehe als Kostprobe die
Frage der Interviewerin: "Dem Wirtschaftsflügel
Ihrer Partei, beispielsweise dem Vorsitzenden der
CDU-Mittelstandsvereinigung Schlarmann, gehen offenbar
schon die Überlegungen, eine Grenze der Sittenwidrigkeit
einzuziehen, zu weit." Vergleiche auch
folgende Passage zum "Mittelstands"-Verständnis der CDU
(aus dem
journalmed.de vom 22.10.2004):
"CDU-Politiker Rauen legt
Seehofer Rückzug aus Fraktionsspitze nahe",
wegen "dieser Außenseiterposition, mit dieser
Nestbeschmutzung, die er ein ganzes Jahr betrieben hat"
, sagte MIT-Vorsitzender Peter Rauen MdB, CDU. "Er bezog
sich auf Seehofers ablehnende Haltung zu der von der CDU
favorisierten Gesundheitsprämie".
Man sieht also, welche Interessen hinter den
"wohlmeinenden" und wohltönenden Äußerungen von Laurenz
Meyer stecken und hat ein weiteres Beispiel, wie die
neoliberalen Parteien davon durchdrungen sind.
Bei Tarifverhandlungen sagen Laurenz Meyer und die
übrigen Neoliberalen regelmäßig, dass höhere Löhne zu
Preiserhöhungen (in den betroffenen Bereichen)
führen. Bei den Mindestlöhnen sagen sie dagegen, dass
"alle Arbeitsplätze, die unterhalb dieses Lohnniveaus
liegen, wegfallen" (sh. oben). Damit schließen
sie die Preiserhöhungen zwar nicht aus, aber sie
suggerieren - wie üblich - Scheinargumente zur weiteren
Umverteilung nach oben.
Gegen diese Irreführung hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung die Effekte der Mindestlöhne in
einer großen Studie ihres Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) genauer untersucht
(unter dessen Referatsleiter Claus Schäfer). Dazu heißt es in
der Netzeitung (sh. "EU-Studie:
Kein Jobverlust durch Mindestlöhne",
netzeitung.de, 14.3.2006):
Die Mindestlöhne hätten sich in höheren Preisen und
sinkenden Unternehmensgewinnen niedergeschlagen, sagte
Schäfer. Die reduzierten Profite hätten die Betriebe
aber nicht ihrer Existenz bedroht. Derzeit gibt es in 18
von 25 EU-Staaten nationale Mindestlöhne. Dabei variiert
laut WSI das Niveau der Mindestlöhne, gemessen am
jeweiligen Durchschnittslohn, zwischen 32,4 Prozent in
Estland und 50 Prozent in Irland.
In sieben EU-Staaten – darunter Deutschland – werden
Mindestlöhne per Tarifvertrag festgelegt. Allerdings
gibt es solche hier zu Lande derzeit nur am Bau, im
Dachdecker- sowie im Maler- und Lackierhandwerk. Die
Spanne reicht dabei für Ungelernte von 7,15 Euro bis
10,20 Euro pro Stunde. Fachpolitiker von Union und SPD
plädierten für eine gesetzliche Untergrenze von sechs
bis 7,50 Euro je Stunde.
Gegen gesetzliche
Mindestlöhne ist auch Antonio Schnieder,
seit 1. Januar neuer Präsident des
Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.:
Schnieder spricht sich gegen
Bestrebungen zur Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohns aus. Schnieder betont dabei, dass neue
Beschäftigung - vor allem im unteren Lohnbereich - nur
dann geschaffen werden könne, wenn die Arbeitskosten
nicht höher als die erwirtschaftete Produktivität sei.
(Sh. "Unternehmensberater warnen vor gesetzlichem
Mindestlohn / Negative Beschäftigungseffekte erwartet /
Besser Kombilohnmodelle intensivieren und reformieren",
Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU),
-Verbandspresse, 16.01.2007
13:50).
Als prominenter Unternehmensberater wird
Schnieder natürlich wissen, was "Produktivität" ist. Dazu weist die
Wikipedia richtigerweise darauf hin, dass
Produktivität = Ausbringungsmenge/Einsatzmenge nach
Marktpreisen zu bewerten ist, "sofern solche
existieren", denn die unterschiedlichen
Mengendimensionen in Zähler und Nenner müssen auf ein
einheitliches Maß gebracht werden. Wenn also der
Stundenlohn für die Friseuse in Sachsen z.B. von 3 Euro
auf 6 Euro erhöht wird und dadurch die Frisur um die
Hälfte teurer wird (bei gleichzeitiger Absenkung des
Unternehmensgewinns), dann erhöht sich auch die
"Produktivität" entsprechend dem Preisanstieg auf ein
Niveau jenseits der marktverzerrenden Bewertung für die
Arbeit jener, die keine Lobby haben und die ihre
tarifvertragliche Unterstützung durch die
Arbeitsplatzvernichtung verloren haben. Hier liegt der
eigentliche Grund für die angeblich geringe
"Produktivität" einer Friseuse in Ostdeutschland mit
knapp vier Euro Stundenlohn, die in Dänemark bei
gleicher Arbeitleistung das Dreifache verdienen würde
(sh. unten).
Von der Grundidee bezeichnet "Produktivität" nur
das reine Mengenverhältnis der Ausbringungsmenge zum
Einsatzes von Arbeit und Kapital (ggf. noch
Materialeinsatz als Teil des Kapitaleinsatzes).
Der Produktivitätsfortschritt bedeutet
produktionstheoretisch insofern eine rein mengenmäßige
Effizienzsteigerung. Da aber aus reinen Mengen kein
Quotient gebildet werden kann, lässt sich im
Dienstleistungsbereich bei Dumpingpreisen durch
Dumpinglöhne leicht von unzureichender Produktivität der
Arbeit bei Lohnerhöhungen fabulieren, um der
Lohndrückerei Vorschub zu leisten.
Ausschlaggebend für
die Schaffung und den Abbau von Arbeitsplätzen ist
jedoch gar nicht "dass die Arbeitskosten nicht höher als
die erwirtschaftete Produktivität" sind, sondern dass
die
Grenzkosten nicht höher als der
Grenzerlös sind, dass also je Haarschnitt für den
Unternehmer kein Verlust entsteht. Gleichzeitig hat der
Unternehmer natürlich auf Dauer seine
Gesamtkosten zu decken einschließlich seines Unternehmerlohns
für den alternativ realisierbaren Einsatz der eigenen Arbeit samt alternativer Eigenkapitalerlöse
( =
Opportunitätskosten).
Man kann auch beobachten , dass etliche Unternehmer -
teilweise aus ideellen Gründen - auf die Kalkulation der
Opportunitätskosten verzichten und ohne die volle
Deckung solcher Kosten ihr Unternehmen weiter betreiben (z.B. in der
Landwirtschaft oder bei anderen Unternehmern mit
bezahltem Grundbesitz). Aber natürlich zählt in
der Volkswirtschaft nicht das Verhalten von "etlichen",
sondern es zählen nur signifikante statistische
Veränderungen, durch die man in den Naturwissenschaften
mit begrenzten und kalkulierbaren Variablen bestimmte
Thesen zumindest widerlegen kann.
Im übrigen
behauptet Schnieder sinngemäß, dass mit Mindestlöhnen
über 5 Euro eine negative Bilanz bei der
Arbeitslosenquote nur zu vermeiden sei, wenn der
Arbeitsmarkt nach angelsächsischem Muster dereguliert
würde (nach dem Motto "Hire and Fire"). Diese
Argumentation wurde bereits oben in Verbindung mit den
wieder aufgefrischten Deregulierungsforderungen von Laurenz Meyer
und den übrigen Neoliberalen zurückgewiesen, denn es ist
nicht einzusehen, warum man im Bereich der Mindestlöhne,
also bei überwiegend ortsgebundenen und nicht
importierbaren Dienstleistungen, keine
ordentlich bezahlten Dauerarbeitsplätze schaffen könnte.
Geringverdiener können ihre Konsumnachfrage nur wirklich
nachhaltig erhöhen, wenn sie solche Arbeitsplätze haben.
Bei einer Diskussion zum "50. Forum Pariser Platz",
phoenix.de,
27.5.07, kam dieses offenbar unvermeidliche
Märchen von der niedrigen Produktivität der Billigjobs
auch von Beatrice Weder di Mauro, "Wirtschaftsweise" im
Sachverständigenrat, Expertin für internationale
Wirtschaftsbeziehungen und Ökonomie-Professorin in
Mainz. Anscheinend hat sie, trotz all ihres Charmes,
auch einiges an Empathie und Realitätsbezug verloren
durch ihren ständigen schlechten neoliberalen Umgang.
Dass sie ausgerechnet vom ehemaligen Wirtschaftsminister
Wolfgang Clement für den Posten im Sachverständigenrat
vorgeschlagen wurde, kann man ihr allerdings nicht zum
Vorwurf machen. Mit ihrer internationalen Perspektive
bezieht sie sich bei ihrem Produktivitätsbegriff
in Wirklichkeit auf die Weltmarktpreise für das
verarbeitende Gewerbe. In dieser Hinsicht wäre die
schulmäßige Argumentation mit der Produktivität
natürlich richtig.
Bei der Diskussion über die Mindestlöhne geht es aber gar
nicht um das international konkurrierende verarbeitende
Gewerbe, sondern um die Dienstleistungsbereiche, da die
Löhne im produzierenden Gewerbe ohnehin fast überall über
den Mindestlöhnen liegen. Mittlerweile sind mehr als 70
Prozent der etwa 35 Millionen Arbeitnehmer im
Dienstleistungsbereich und nur etwa 20 Prozent im
verarbeitenden Gewerbe beschäftigt (sh. "Erwerbstätige
und Arbeitnehmer nach Wirtschaftsbereichen",
destatis.de,
Stand 22.5.07). Aber selbst Dienstleister, die mit
Telediensten in Indien usw. konkurrieren, können mehr als
Mindestlöhnen zahlen.
Weitere
Diskussionsteilnehmer waren der unvermeidliche Götz Werner
mit seinem Köder des bedingungslosen Grundeinkommens durch
drastische Mehrwertsteuererhöhung zur Umverteilung nach oben
und Peer Steinbrück, Diplom-Volkswirt und rotkarierter
Finanzminister. Steinbrück hatte diesmal recht, als er Frau
Weder di Mauro ganz entschieden widersprach bei der
Verwendung des Produktivitätsbegriffs. Er wunderte sich auch
über die Position aus dem Sachverständigenrat, wonach der
Steuerzahler durch Kombilöhne die Gewinne der
Dumping-Unternehmer erhöhen sollte.
Im
Hinblick auf die
Verhältnisse in Ostdeutschland
halten allerdings
auch Peter Bofinger und seine Mitverfasser - nicht ohne
Bedenken - einen Mindestlohn von 4,50 Euro für
praktikabel, wenn dieser durch ein weiteres Bündel von
Zuschüssen und sonstigen Maßnahmen zu einem
akzeptablen Einkommen führt (sh.
Peter Bofinger et al.: Vorrang
für das reguläre Arbeitsverhältnis: Ein
Konzept für die Existenz sichernde Beschäftigung im
Niedriglohnbereich,
August 2006, Seite 105
f., Kapital IV.6 "Niedrigen Mindestlohn einführen
(Element 6)", mit dem Zusatz
auf Seite 1: "Der Inhalt des Gutachtens spiegelt
ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren
wider, die das Gutachten im Auftrag des Sächsischen
Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit verfasst haben.")
Im gleichen Text registriert
Bofinger, dass z.B. Friseure
in Deutschland im Jahr 2006 einen Tariflohn zwischen
2,75 und 7,99 Euro erhielten, während man ihnen in
Dänemark einen Mindestlohn von mehr als 14 Euro +
Trinkgeld zahlt (sh. ebd., S. 115 und 117). Schon
hier in Abschnitt 1 heißt es dazu: Der
Spitzensteuersatz für "Bestverdiener" liegt dort
(in Dänemark) bei 59
Prozent, die
Steuer- und
Staatsquote ist viel höher als in
Deutschland, aber die Arbeitslosenquote ist nur halb so
hoch wie hier (sh. Abschnitt 1 und "Jobs!
Deutsche stürmen nach Dänemark",
abendblatt.de,
30.1.07, oder "Dänen
sind scharf auf Deutsche", ftd.de,
30.1.07).
Der stern titelt zu den 4,50 Euro und zu
noch niedrigeren Löhnen in Deutschland: "Mindestlohn
- So billig sind Menschen zu haben",
stern.de,
Heft 4/2007. Weiter schreibt Roman Heflik dort in
dankenswerter Klarheit:
In vielen Ländern Westeuropas gelten gesetzliche
Mindestlöhne. Sie liegen zwischen acht und neun Euro. In
Deutschland aber können Arbeitnehmer schamlos
ausgebeutet werden. Völlig legal. Der stern zeigt
acht Fälle.
In der Tat könnte man meinen, dass Peter Bofinger hier - trotz seiner seriösen Abwägungen -
entweder schon dem Gruppenzwang im Sachverständigenrat
erlegen ist oder sich als Gutachter
zu sehr an den Interessen seiner Auftraggeber und
neoliberalen Lobbyisten in der sächsischen Regierung
orientiert hat. Es gibt dort eine "große" pink-schwarze
Koalition aus CDU (55 Sitze) und SPD (13 Sitze) (sh.
Wikipedia: Sachsen,
Stand
30.1.2007). DGB-Chef Sommer sagte zu den 4,50 Euro:
Was ginge, wäre das Modell, was die SPD momentan
diskutiert, dieses Modell von Herrn Bofinger: Dass man
sagt, ok, wir erstatten die Einkommenssteuer für
Niedrigverdiener. Was am Bofinger-Modell nicht geht,
sind die Einkommensgrenzen. Er setzt an bei einem
Mindestlohn von 4,50 Euro, der reicht hinten und vorne
nicht. Ohne 7,50 Euro Mindestlohn passiert gar nichts.
(Sh. "DGB-Chef
Sommer: Gesetzlicher Mindestlohn muss bei 7,50 Euro
liegen",
dradio.de,
15.1.07.)
Das Vorbild erfolgreicher Alt-EU-Länder beim
Mindestlohn ist unabweisbar. Man muss anerkennen, dass
Peter Bofinger und seine Mitautoren ihre Argumente in
dem Gutachten gegen einen akzeptablen deutschen
Mindestlohn auf diesem Hintergrund problematisiert
haben. Im Abschnitt "III.2.6.2 Mindestlöhne im
Ausland" (sh. Peter Bofinger et al., a.a.O.) schreiben
sie auf Seite 82:
Weder aus
theoretischer noch aus empirischer Sicht sind die
Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen eindeutig
(Eichhorst 2006). Nach der herrschenden Lehre sorgen
Mindestlöhne oberhalb des Marktlohnes für
Mindestlohnarbeitslosigkeit, denn das Angebot erhöht
sich und die Nachfrage geht zurück.
Die
"herrschende Lehre" ist hier die Lehre der Herrschenden
und ihrer Meinungsmacher, die durch das Medienkapital
und die Großprofiteure hochgejubelten werden. Die
Herrschenden sind jedenfalls nicht die Wähler in ihrer
Mehrheit, weil diese kaum Einfluss haben auf ihre
Desinformation durch die Meinungsmacher (sh. hier z.B.
rossaepfel-theorie.de und
Demokratie-Kauf.htm).
Die Autoren fahren fort:
Durch die
geringere Lohnspreizung wird ein Teil des Angebots aus
dem Markt und damit in die Arbeitslosigkeit gedrängt.
Hiervon sind vor allem wettbewerbsschwächere
Arbeitnehmer wie Geringqualifizierte mit einem niedrigen
Einkommen betroffen…
Empirische Studien zu Beschäftigungswirkungen von
Mindestlöhnen geben kein einheitliches Bild ab:
Nationale Untersuchungen auf Basis von Makrodaten
zeigen, dass sich die Beschäftigungswirkungen einer
Einführung oder Variation von Mindestlöhnen in Grenzen
halten (Möller 2006)…
In Großbritannien wurde die Anhebung der Mindestlöhne um
38 Prozent in den Jahren 1999 und 2005 durch die
günstige wirtschaftliche Lage aufgefangen. Selbst in
einem ähnlichen institutionellen Umfeld können die
Effekte von Mindestlöhnen also je nach Wirtschaftslage
unterschiedlich ausfallen.
Genau hier
findet man das eingangs aufgelistete Argument, dass die
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben zur
Lohndrückerei und zum Druck auf mögliche Mindestlöhne
führt. In dem Zusammenhang behandelt das Gutachten auch
Bofingers zentrale Forderung nach Steuerfinanzierung von
Sozialabgaben (ebd., S. 83, und hier:
rossaepfel-theorie.de), die hier
ebenfalls in der Liste der Eingangsforderungen
enthalten ist:
Aus einer
Verteilungsperspektive könnte man den hohen Abgabenkeil
in Deutschland als Argument für einen relativ hohen
Brutto-Mindestlohn anführen. Allerdings ergäben sich
hieraus die bereits beschriebenen Probleme der
Diskrepanz zwischen Produktivität der Arbeitslosen und
der Höhe der Arbeitskosten. Hier gilt es daher, das
Problem an der Wurzel zu packen: Es ist ratsam,
angemessene Nettolöhne und betriebwirtschaftlich
vertretbare Arbeitskosten durch eine Senkung des
Abgabenkeils (und damit über eine Bruttolohnsenkung) zu
erreichen und nicht über die Einführung von
Mindestlöhnen.
In der Tat ist
der "Abgabenkeil" von mehr als 40% im Niedriglohnbereich
ein Hauptgrund für die Arbeitsplatzvernichtung durch
Umverteilung nach oben. Aber ohne die Einführung von
akzeptablen Mindestlöhnen für ordentliche Arbeit würde
die Umverteilung nach oben durch Mitnahmeeffekte und
Lohndrückerei noch verstärkt.
Ein typischer
Recherche-Hinweis für diesen Text war die kurze Bemerkung
von ver.di-Chef Frank Bsirske bei Maybrit Illner zur
Qualifikation der Billiglöhner. Widersacher
von Bsirske in dieser Sendung "Arbeitsmarkt
– Billig, befristet, bedroht – Sind das die Jobs von morgen?",
zdf.de, mit Video,
17.5.2007 waren in aufsteigender Reihenfolge (nach
Erträglichkeit/Dreistigkeit) der zurückhaltende Wolfgang
Gerke, Wirtschaftsprofessor und Wertpapierexperte; der
privat eher großzügige Günther Oettinger,
CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg (sh. "Postenschacher
bei der Bundesbank", sueddeutsche.de,
4.5.07, mit 220.000 Euro jährlich für Parteifreund,
Konkurrent und Bankenneuling Rudolf Böhmler als "Behelfskandidat
von … Oettinger");
und vor allem Wolfgang Clement, ehemaliger
rotkarierter SPD-"Superminister" im Schröder-Kabinett, jetzt
Berater eines Zeitarbeits-Unternehmens. Als fünfte
Diskussionsteilnehmerin war die grandiose Zeitarbeiterin,
Billiglöhnerin (7,87 Euro pro Stunde), Gebäudereinigerin und
Betriebrätin Susanne Neumann eingeladen. Auch Maybrit Illner
tat mit viel Charme und Geschick, was sie nur konnte, um
gegen die durchdringende Propaganda der Neoliberalen zu
bestehen - bis hin zum Beinahe-Eklat mit Clement. Insofern
war es wirklich wohltuend im Vergleich zu anderen
Talksendungen.
Clement,
der für seine diversen Beiträge zur Umverteilung nach oben
hier schon auf etlichen Seiten mehrfach "gewürdigt" wurde,
pries einmal wieder seine Hartz-IV-Gesetze. Er
stellte es als Erfolg dar, dass schon die Hälfte der neuen
Jobs auf dem Arbeitsmarkt in seiner Leiharbeits-Branche
entstehen (sh. auch hier den Exkurs zur
Leiharbeit),
sagte jedoch nicht, wie viele Jobs woanders dadurch
verloren gehen. Illners Hinweis auf das Lohndumping in
seiner Branche um bis zu fünfzig Prozent zu Lasten der
Zeitarbeiter tat er ab mit dem Hinweis auf den gesetzlichen
Mindestlohn zumindest für die
Gebäudereiniger
(ab 1.7.2007, gemäß Koalitionsvertrag: 7,87 Euro
Westdeutschland und 6,36 Euro Ostdeutschland)
sowie auf einige besserbezahlte Zeitarbeiter. Außerdem
betreibe seine Branche einen angeblich hohen "Qualifizierungs"-Aufwand.
Dabei erweckte er – wie üblich - den Anschein, als ob die
Schuld für die rasante Zunahme solcher prekärer
Arbeitsverhältnisse nicht bei in der hausgemachten hohen
deutschen Arbeitslosenquote, sondern bei der mangelnden
Qualifikation der Arbeitnehmer liege. Trotz aller guten
Ansätze von Illner thematisierte sie nicht die
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben (sh.
rossaepfel-theorie.de) seit den
Kohl-Regierungen und ihrer Nachfolgern als Hauptursache
dieser Misere. Dies verbieten allein schon die ZDF- und ARD-
Proporz-Fesseln, ganz zu schweigen von der neoliberalen
Gleichschaltung bei den privaten Sendern.
Susanne Neumann
verwies auf die hohe berufliche Qualifikation vieler
Billiglöhner, bevor Clements Branche überhaupt mit ihrem
angeblich beachtlichen Qualifizierungsaufwand beginnt. Frank
Bsirske bestätigte ihre Beobachtung mit Hinweis auf eine
Studie, wonach bereits sieben Millionen Menschen als
Niedriglöhner arbeiten. Zwei Drittel der Billiglöhner
hätten "eine abgeschlossene Berufsausbildung, zehn Prozent
sind Akademiker" (Formulierung wie nach seiner
Bemerkung, wiedergefunden in
ver.di: "Wirtschaftspolitik aktuell, Nr. 2, Januar 2007",
Stand
28.5.07). Mit solchen Passagen findet man über Google
den weiterführenden Gastkommentar von Michael Schlecht,
Chefvolkswirt bei ver.di: "Mindestlohn
statt Armutslohn", ftd.de,
14.1.07. In seinem Artikel nennt er auch die IAT als
Quelle dieser Zahlen, so dass man deren Bericht mit Google
finden kann beim "Institut Arbeit und Technik im
Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, Jahrbuch 2006".
Man kommt darin mit der Sucheingabe "akadem" sofort zu
folgender Passage aus der Untersuchung von Thorsten Kaline
und Claudia Weinkopf: "Einführung
eines gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland – Eine
Modellrechnung für 2004" (mit weiteren
Quellennachweisen, Stand
28.5.2007) zur Beseitigung von Lohndumping bei
Einführung von Mindestlöhnen. Die Studie macht zunächst eine
Abgrenzung der Niedriglöhner nach deren Stundenlohn von
weniger als 7,50 Euro und erläutert dann deren
Qualifikation:
Hinter dem bundesweiten Wert von 13,5 % Beschäftigten in Hauptjobs
(rund 4,1 Millionen), die von einem Mindestlohn von 7,50 €
profitieren würden, verbergen sich erhebliche Unterschiede
zwischen Ost- und Westdeutschland. In Westdeutschland hätten
"nur" 11 % der Beschäftigten (rund 2,8 Millionen) einen
Anspruch auf eine Lohnerhöhung, während der entsprechende
Anteil in Ostdeutschland mit 26,3 % (rund 1,3 Millionen
Mindestlohnbeziehende) weitaus höher liegt…
Mit
steigender Qualifikation sinken die Anteile der
Mindestlohn-Berechtigten. Gleichwohl verfügen aber knapp
drei Viertel derjenigen, die Anspruch auf den Mindestlohn
hätten, über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar
einen akademischen Abschluss. Es würden also keineswegs
überwiegend gering Qualifizierte profitieren.
In den "drei
Viertel" oder 75 Prozent, sind 11 Prozentpunkte Akademiker
enthalten. Nur ein Viertel der Mindestlöhner sind "ohne
Berufsausbildung" (ebd., Tabelle Seite 101). Dass hier für
das Jahr 2004 von vier und nicht von sieben Millionen
Arbeitnehmern die Rede ist, liegt offenbar hauptsächlich an
der Abgrenzung nach der Einkommenshöhe und erleichtert
finanzpolitisch den ersten Schritt bei der Problemlösung.
Diese Untersuchung mit Zahlen des
Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, 2004, beim DIW) lässt
sich – im Gegensatz zu etlichen neoliberalen "Studien" -
auch für eine ernsthafte Auseinandersetzung verwenden mit
den problematischen und selbst problematisierten
Schlussfolgerungen der Bofinger-Untersuchung, die von ver.di
bedauert werden. In ver.di’s "Wirtschaftspolitik aktuell,
Nr. 2, Januar 2007" (sh. oben) heißt es:
Geringqualifizierte können einen Job finden. Wenn sie mehr
Lohnverzicht üben. Sagen viele. Nun auch Professor Bofinger.
Sieben Millionen Menschen arbeiten bereits für Niedriglöhne.
Zwei Drittel haben eine abgeschlossene Berufsausbildung,
zehn Prozent sind Akademiker. Arbeitslosigkeit und Hartz IV
zwingt gut Qualifizierte, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen.
Damit haben gering Qualifizierte immer weniger Chancen auf
einen Arbeitsplatz, der für sie geeignet wäre. Lohnverzicht
hilft ihnen kaum.
Mit dem
Arbeitslosengeld II besteht bereits ein Kombilohnsystem.
Drei Millionen Menschen, die arbeiten, haben Anspruch auf
zusätzliche Leistungen des Arbeitslosengeldes II. Die Hälfte
macht davon Gebrauch.
Die SPD
favorisiert den Bofinger-Kombilohn. Für viele Working Poor
droht weniger Einkommen oder eine erheblich längere
Arbeitszeit für das gleiche Geld! Beschäftigte sollen durch
staatliche Zuschüsse zu Lohnverzicht bereit sein. Bis zu
einem Mindestlohn von 4,50 Euro. Die Lohnsubventionierung
soll als Lohnsenkung beim Unternehmer ankommen. Steuergelder
würden verschleudert.
Frank Bsirske
wandte sich bei Maybrit Illner auch gegen die
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben im Niedriglohn-Bereich,
weil dies aus den Steuern der Normalverdiener zugunsten der
Unternehmer finanziert würde.
Tatsächlich sollten aber nicht die Normalverdiener
zusätzlich belastet werden. Vielmehr sollte auch bei ihnen
eine nettolohnunabhängige Umfinanzierung von Sozialabgaben
über Steuern erfolgen. Dies erfordert die Rückkehr zu den
Spitzensteuersätzen vor den Steuergeschenken für
Bestverdiener ab dem Jahr 2000. Man darf wohl annehmen, dass
dafür auch Frank Bsirske gern zu seinem früheren
Spitzensteuersatz zurückkehrt.
Diese
Sekundärverteilung des Volkseinkommens wird um so wichtiger,
je mehr die Primärverteilung dem Raubtierkapitalismus zum
Opfer fällt. Susanne Neumann beschrieb, wie sich ihr
Billigjob mit diversen Unterbrechungen und Ortswechseln über
den ganzen Tag von morgens bis abends verteilt und dass man
von den 7,87 Euro Stundenlohn für diese ehrliche
Stress-Arbeit jedenfalls keine Familie ernähren könne. Sie
fragte zu Recht, wer denn ihre Arbeit bei der
Gebäudereinigung machen solle, wenn man sie nun nach langen
Jahren der Kindererziehung in ihrem erlernten Beruf oder
auch sonst weiter qualifizieren wolle, um ihr einen höheren
Lohn zu versprechen (bei einer Arbeitslosenquote von 10
Prozent). Daraufhin meinte Clement, dass man dann die
Arbeitsmarktgrenzen nach Osten öffnen solle. In der
Tat ließen sich damit für seine Zeitarbeitsbranche die
Gewinne drastisch erhöhen, aber nicht zugunsten von Frau
Neumann, sondern zu Lasten des Steuerzahlers.
Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns
schließt ergänzende Kombilohnmodelle zur
Existenzsicherung für Familien nicht aus.
Zuzustimmen ist dem BDU und Antonio Schnieder bei
ihrer Forderung (sh. weiter oben a.a.O.):
Zur Vermeidung von "nicht existenzsichernden Entgelten"
sollten hingegen ... gegenwärtige Kombilohnmodelle
intensiviert und reformiert werden. Minijobs sollten
möglichst zugunsten regulärer
Sozialversicherungsverhältnisse zurückgedrängt werden.
Das gilt jedenfalls dann, wenn Schnieder mit
"Kombilohnmodellen" ganz allgemein die staatliche
Förderungen meint, denn andernfalls könnten ausländische
Dumping-Löhner nach EU-Recht wegen des
Diskriminierungs-Verbots wohl auch noch bestimmte
Kombi-Zuschüsse fordern (sh. unten).
Michael Hüther,
Direktor des arbeitgebernahen
Instituts der deutschen
Wirtschaft (IW), sorgt sich gar um das "Lebensglück" der Hartz-IV-Empfänger und verordnet ihnen deshalb kräftige
Kürzungen:
Hüther
sprach sich gegen die Einführung von Mindest- und
Kombilöhne aus. Ein Mindestlohn in Höhe von
beispielsweise 7,50 Euro pro Stunde würde in Branchen,
in denen heute Löhne von unter vier Euro gezahlt würden,
Arbeitsplätze vernichten, argumentierte der IW-Direktor.
Damit werde auch "Lebensglück vernichtet"…
Dazu müssten zwei Zuschläge, die derzeit im
Hartz-IV-Gesetz noch existieren, gestrichen werden,
verlangte IW-Direktor Michael Hüther am Montag in
Berlin. Es handelt sich dabei um den Zuschuss, den
Personen, die vom Arbeitslosengeld (ALG) I ins ALG II
wechseln, ein Jahr lang erhalten, sowie um den
Kindergeldzuschlag.
(Sh. "Mindestlohn
'vernichtet Lebensglück'", netzeitung.de, 6.3.2006.)
Allerdings wird der Mindestlohn von 8 Euro * 160
Stunden = ca. 1300 Euro brutto monatlich nicht
reichen für eine Familie mit den "bestandserhaltenden"
zwei Kindern, wenn zunächst mehr als 20 %
Sozialabgaben abgezogen und zweimal 145 Euro Kindergeld
addiert werden. Man bleibt dann bei 1300 Euro
netto monatlich. Wenn die Ehefrau z.B. 600 Euro
netto hinzuverdient hat und statt dessen ab 1.1.07 für
ein Jahr das Elterngeld von 600 * 0,66 = 400 Euro
erhält, dann liegt der vierköpfige Haushalt mit den
insgesamt 1300 + 400 = 1700 Euro immer noch unter der
Armutsgrenze
und kaum über
den
Hartz-IV-Leistungen (sh. unten). Allein schon wegen der
Anreizfunktion bedarf also der Mindestlohn einer
Ergänzung durch staatliche Zuschüsse (z.B.
direkte Steuerfinanzierung der Arbeitnehmerbeiträge zur
Sozialversicherung) oder durch eine
negative Einkommensteuer (sh.
"Bonus für Arme",
zeit.de,
6.1.07), auch wenn Michael
Hüther und die übrigen bestbezahlten neoliberalen
Meinungsmacher dann für die geschröpften Produzenten
des Volkseinkommens auf ihre großzügigen rotgrünlichen
Steuergeschenke verzichten müssen. Lieber würden sie aus
diesem Eigeninteresse bei den den Hartz-IV-Opfern kürzen,
motivierende Zulagen streichen, aber dennoch die
Kürzungen unterhalb der Armutsgrenze als "Anreize"
bezeichnen.
Zur Definition der Armutsgrenze heißt es im Armuts- und
Reichtumsbericht 2005 auf Seite XV:
In Gesellschaften wie der
unseren liegt das durchschnittliche Wohlstandsniveau
wesentlich über dem physischen Existenzminimum. Hier ist
ein relativer Armutsbegriff sinnvoll. Armut wird als auf
einen mittleren Lebensstandard bezogene Benachteiligung
aufgefasst. Deshalb wird im Bericht die zwischen den
EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Definition einer
"Armutsrisikoquote" verwendet. Sie bezeichnet den Anteil
der Personen in Haushalten, deren "bedarfsgewichtetes
Nettoäquivalenzeinkommen" weniger als 60% des
Mittelwerts (Median) aller Personen beträgt. In
Deutschland beträgt die so errechnete Armutsrisikogrenze
938 Euro (Datenbasis EVS 2003).
(Sh. "Lebenslagen
in Deutschland - Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der
Bundesregierung 2005", Stand
April 2005, herunterzuladen bei
bmas.bund.de.)
Eine genauere Erklärung zum Unterschied zwischen dem
Nettoäquivalenzeinkommen und dem tatsächlich verfügbaren
Einkommen der Haushalte findet man in dem Presseexemplar
"ARMUT
UND LEBENSBEDINGUNGEN IN EUROPA -
Ergebnisse aus
LEBEN IN EUROPA für Deutschland 2005",
destatis.de, Wiesbaden 2006, Abschnitt "3.
Einkommensverteilung in Deutschland", S. 9-16. Zur
Definition der Armut heißt es dort auf Seite 17:
In der Sozialberichterstattung der Europäischen Union wird
in der Regel die relative Armut betrachtet. Relative Armut
bestimmt sich in Abhängigkeit von den Lebensverhältnissen in
einem bestimmten Land. Als arm gelten diejenigen Personen,
die über so geringe Ressourcen verfügen, dass sie den in
ihrer Gesellschaft als annehmbar geltenden Lebensstandard
nicht erreichen. Diese Ressourcen können materieller Natur
sein, wie zum Beispiel das Einkommen, aber auch mangelnde
soziale Einbindung oder mangelnde Bildungschancen gehören
dazu. Um relative Armut messen zu können, muss ein
bestimmtes Niveau definiert werden, unterhalb dessen man von
Armut spricht...
Die 938 Euro sind also 60% des
"Nettoäquivalenzeinkommens der Bevölkerung ... Median in
Euro/Monat", also des häufigsten statistischen Wertes
(Median) in 2003 von 1.564 Euro (sh. ebd., Seite 18, die
"Tabelle I.1: Entwicklung und Verteilung der Einkommen
nach verschiedenen Ebenen und Gebieten 1998 und 2003").
Sie entsprechen zugleich in diesem Fall etwa 54% des
arithmetischen Mittels von 1.740 Euro (ebd.). Man sieht
dort auch, dass der Median in den neuen Bundesländern
mit 1.109 Euro wesentlich niedriger lag als in den alten
Bundesländern mit 1.718 Euro, so dass die Armutsgrenze
in den alten Bundesländern - gemessen am Einkommen der
unmittelbaren Nachbarn im Jahre 2003 - eigentlich mit
0,6 * 1.718 Euro = 1.031 Euro netto anzusetzen wäre.
Die 938 Euro gelten für einen Ein-Personen-Haushalt. Den
bestbezahlten neoliberalen Meinungsmachern in den
Polit-Talkshows mag dies zu hoch erscheinen, obwohl
gerade sie mit den ständigen Forderungen nach Senkung
ihres Spitzensteuersatzes am gierigsten sind. Als
Hartz-IV-Empfänger bekommt der Alleinstehende jedoch nur
347 Euro zum Leben plus etwa 360 Euro Warmmiete (z.B. in
Berlin) = ca. 700 Euro (sh.
berliner-mieterverein.de).
Für
den obigen Vier-Personen-Haushalt ist die Armutsgrenze
nach der neuen OECD-Skala bei zwei Kindern unter 14
Jahren mit dem 2,1fachen Betrag des
Ein-Personen-Haushalts anzusetzen (sh. ebd., S. 6), also
mit 2,1 * 938 = 1.970 Euro. Dabei wird ein Partner mit
dem Gewicht 1 und der zweite Partner mit 0,5 angesetzt.
Für jedes Kind unter 14 Jahren wird das Gewicht 0,3
verwendet. Ein Zwei-Personen-Haushalt ohne Kinder mit
einem verfügbaren Einkommen von 2.000 Euro kann sich
in der Tat einen deutlich höheren Lebensstandard
erlauben als ein Ein-Personen-Haushalt mit 1000 Euro.
Zur Festlegung der Gewicht heißt es im obigen Text "ARMUT
UND LEBENSBEDINGUNGEN IN EUROPA auf
S. 12:
Die Größe dieser Gewichte kann letztlich nicht eindeutig
empirisch abgeleitet werden und ist daher immer auch eine
normative Entscheidung. Die Verwendung der Gewichte bringt
zudem eine Reihe von Vereinfachungen mit sich, die sich
nicht in jedem Einzelfall in der Realität bestätigen. Daher
kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass für bestimmte
Teilpopulationen ein verzerrtes Bild entsteht.
Der obige Haushalt liegt
also mit seinen 1.700 Euro klar unter der
EU/OECD-Armutsgrenze. Sein Hartz-IV-Anspruch bei
Arbeitslosigkeit beider Partner wäre mit etwas über
1.600 Euro kaum niedriger als
die 1.700 Euro (sh. die Berechnung unter
http://www.n-heydorn.de/arbeitslosengeld.html,
wo die angesetzte Warmmiete von 600 Euro für die
Vier-Personen-Wohnung etwa den o.a. Berliner Richtwerten
entspricht).
Die bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher drängen also auf Kürzung, um die
Steuergeschenke für ihre Mithilfe bei der Umverteilung
nach oben zu behalten und noch weiter zu vergrößern (sh.
Senkung des Spitzensteuersatzes von ehemals 56% auf 42%
und die angestrebte weitere Senkung auf 35% (FDP)
bzw. 36% oder gar 25% (CDU), hier unter
rossaepfel-theorie.de).
Sinnvoll wäre statt dessen im Idealfall die
Einkommenskürzung bei den Volksbetrügern auf
Hartz-IV-Niveau entsprechend ihrem negativen Beitrag
zum Allgemeinwohl und die Schaffung von Zulagen für die
geringbezahlten Produzenten des Volkseinkommens mit
einem Vollzeit-Einkommen unter den Hartz-IV-Leistungen, denn
wenn sie mit ihrer Arbeit nicht einmal das
Existenzminimum verdienen und sich ökonomisch ebenso rational verhalten wie
die Großprofiteure, dann werden sich viele - nach Art
der Couponabschneider - aufs Kassieren beschränken.
Mit dem "Entwurf des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom
19. Mai 2008" zum "3.
Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung –
Lebenslagen in Deutschland" wird die Armutsrisikoschwelle
nicht mehr mit 938 Euro, sondern mit 781 Euro angegeben.
Dabei ist vor allem folgende Fußnote 32 auf Seite 21 des
Berichtes zu berücksichtigen:
32 Im zweiten Armuts- und Reichtumsbericht betrug die
auf Basis EVS ermittelte Armutsrisikoschwelle 938 Euro. Die
hiernach mit 781 Euro um fasst 160 Euro niedrigere
Armutsrisikoschwelle ist in erster Linie darauf
zurückzuführen, dass bei der EVS der Mietwert des
selbstgenutzten Wohneigentums als Einkommenskomponente
berücksichtigt wird und bei EU-SILC nicht. Dies ist bei
EU-SILC erst für die Zukunft vorgesehen.
Abgesehen von den
Diskussionen zur tendenziellen Schönfärberei dieses
Berichtes sollte man also geraden diesen Unterschied in der
Berechnungsbasis beachten.
Im US-Kapitalismus ist die Umverteilung nach oben noch
stärker verankert.
Nach der Niederlage der Bush-Partei bei den
Zwischenwahlen vom 7. November 2006 soll in den USA der
Mindestlohn (= "Minimum
wage") der "Working
Poor" zwar angehoben werden um 2,15 $ auf 7,25
$ (= ca. 5,65 €!) - gegen die bisherige zehnjährige
Blockade von
Bush's sogenannter "Grand Old Party" (GOP =
Republikaner) (sh. "Vereinigte Staaten - Heilige
Versprechen",
faz.net, 4.1.07
und "USA
- Wahlen brachten Mindestlohn-Erhöhung",
mindestlohn.de, Stand
10.4.07).
Aber auch dieser Mindestlohn wäre ein Hohn auf die
Produzenten des Volkseinkommens bei dessen Abzockerei
durch die großen Profiteure und Volksbetrüger. Möglich wurde dieser Brosamen-Plan erst durch
das Irak-Debakel der Raubtier-Kapitalisten und
durch Mindestlohn-Wahlversprechen der Demokraten, aber
nicht durch etwaige Gewissensregungen der neoliberalen
Meinungsmacher und bestbezahlten Söldner der
kapital-gesteuerten Massenmedien. Dazu heißt es in einem
Kommentar von Mel Seesholtz im onlinejournal.com:
Die GOP war immer gegen eine Anhebung des Mindestlohns.
Sie dient lieber dem Big Business und den den großen
Profiten der Bosse zu Lasten der Arbeitnehmer, die in
Wirklichkeit die Produkte schaffen und die
Dienstleistungen erbringen. Und selbstverständlich gibt
es all diese Wahlkampfgelder der Unternehmen…
(Sh. "A pathetic ploy, another 'signing statement' an
that ‘goddamned piece of paper'",
onlinejournal.de, 12. Jan. 2007, Übersetzung vom
Verfasser).
Das "goddamned piece of paper" bezieht sich auf Bush's
Beurteilung der US-Verfassung im Hinblick auf das
Postgeheimnis usw. beim Kampf gegen den (weitgehend selbst
verschuldeten) Terrorismus (ebd.). Aber es geht auch um
seine Beurteilung des verfassungsmäßigen Menschenrechts
auf das persönliche "Streben nach Glück" ("pursuit
of happiness"), das für die "working poor" und
Produzenten des Volkseinkommens auch mit den 7,25 $
weiterhin illusorisch bleibt.
Auch in Deutschland dürften allein schon die ökonomischen
Vorteile eines Mindestlohns seine Nachteile weit
überwiegen:
Etwa zwei Drittel der deutschen Erwerbstätigen arbeiten
im Dienstleistungsgewerbe, also vor allem für den
Binnenmarkt. Weniger als ein Drittel arbeiten im
produzierenden Gewerbe
(sh. die Arbeitsmarktstatistik "Erwerbstätigkeit"
bei destatis.de, aktualisiert 6.6.06), also ebenfalls
zum großen Teil für den Binnenmarkt,
aber hier werden die britischen 7,71 Euro ohnehin kaum
unterboten.
Auch in den anderen westlichen Industrieländern
resultiert die Massenkaufkraft vor allem aus den Löhnen
und Gehältern im Dienstleistungsgewerbe. Bei solchen
Zahlen wundert es nicht,
dass durch den Mindestlohn von 7,71 Euro in
Großbritannien sehr viel mehr Arbeitsplätze entstehen
als dadurch verloren gehen.
Außerdem sind gesetzliche Mindestlöhne
ohnehin erforderlich, um sie nach EU-Recht verbindlich
vorschreiben zu können bei der Öffnung des
Dienstleistungsmarktes für deutsche und
ausländische
Dumping-Dienstleister in Polen, Tschechien usw.
(sh. hier
EU-Lohndumping.htm).
Kombi-Lohn-Zuschüsse müssten nach EU-Wettbewerbsrecht
wahrscheinlich auch für die entsandten Arbeitnehmern der ausgelagerten
Entsendefirmen im Ausland gezahlt werden.
Im Hinblick auf die völlig unzureichenden
tarifvertraglichen Mindestlöhne in Deutschland (sh.
oben) ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns
also unvermeidbar.
Sie dient auch zur Schaffung zusätzlicher Nachfrage und
Arbeitsplätze.
Schließlich gibt es im Gegensatz zu allen Sonntagsreden
der Neoliberalen von Schwarz über Gelb und Gilbgrün bis
Rotkariert auch noch eine Europäische Sozialcharta. Auch
daran hat Claus Schäfer vom Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung dankenswerterweise erinnert:
WSI-Experte Schäfer verwies darauf, dass
die europäische Sozialcharta verlange, es dürfe keinen
Lohn unterhalb von 60 Prozent des
Durchschnittseinkommens geben. Die Niedriglohnschwelle
nach einer OECD-Definition liegt bei zwei Drittel des
durchschnittlichen Lohns und beträgt in Westdeutschland
9,58 Euro, in Ostdeutschland 6,97 Euro.
(Sh. "EU-Studie:
Kein Jobverlust durch Mindestlöhne",
netzeitung.de, 14.3.2006.)
Darüber hinaus ließen sich weitere Arbeitsplätze
schaffen auf einem staatlich kontrollierten zweiten
Arbeitsmarkt, z.B. durch Steuerfinanzierung der
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bei
Geringverdienern, wenn man
die
Wettbewerbsverzerrung durch bloße Mitnahme staatlicher
Subventionen -
Lohnspirale nach unten, "Drehtüreffekt" -
weitgehend vermeiden kann (sh. "Angst
vor dem Drehtüreffekt", zeit.de, Nr.
37/2004, 2.9.04). Jedenfalls wäre eine niedrigere
Entlohnung mit ausgleichendem staatlichen Zuschuss für
den Staat günstiger und für die meisten Betroffenen
befriedigender als die kontrollierte Leistung und
Entgegennahme von Arbeitslosenunterstützung.
Im Grunde handelt es sich um die gleichen
Probleme, die bei der Bezuschussung der sogenannten
"Ein-Euro-Jobs" auftreten. Ein Versuch mit
der negativen Einkommensteuer (= Bonus-Modell) nach den
Vorschlägen von Peter Bofinger oder ähnlichen Kombilohn-Modellen lohnt sich, erfordert aber
ein Lohndumping-Stopp durch einen ordentlichen
Mindestlohn von weit mehr als 4,50 Eur, auch zur
Absicherung gegen Mitnahmeeffekte, sowie eine strenge
Wettbewerbskontrolle und ständige Verbesserung der
Instrumente. Dies dient auch dazu, dass eine
Anreizwirkung für die begünstigten Arbeitnehmer und
Arbeitgeber entsteht (sh. aber hier
Hartz-IV.htm). Es ist durchaus
ein Vorteil, wenn Unternehmen und Arbeitnehmer
wegen ihrer Abneigung gegen aufwendige Kontrollen
auf Mitnahmeeffekte verzichten.
"Die Christdemokraten lehnen einen gesetzlichen
Mindestlohn ab" (sh. "SPD
will diesen Kombilohn, Union jenen",
taz.de,
9.1.2007) und möchte sich auf Kombilöhne für
bestimmte Gruppen beschränken. Die SPD will offenbar
nicht auf ordentlichen Mindestlöhnen bestehen und
sich jedenfalls mit dem Bofinger-Modell der negativen
Einkommensteuer begnügen (ebd.). Zur Unterscheidung von
"Kombilohn" und "negativer Einkommensteuer" schreibt die
Wirtschaftswoche:
Die Idee der negativen Einkommensteuer wurde
ausgerechnet von einem erzliberalen Vordenker populär
gemacht, dem Wirtschaftsnobelpreisträger Milton
Friedman. Er schlug in den Sechzigerjahren vor, jedem
Bürger, der ohne Einkommen ist, ein Mindesteinkommen zu
garantieren, das bei Arbeitsaufnahme nur langsam
abgeschmolzen wird. Übersteigt das Arbeitseinkommen
einen bestimmten Betrag, verwandelt sich diese negative
Einkommensteuer, die der Bürger vom Staat erhält, in
ganz normale Steuerzahlungen des Bürgers an den Staat.
Die negative Einkommensteuer ist also letztlich nichts
anderes als ein spezieller Kombilohn, dem deutschen
Arbeitslosengeld II gar nicht so unähnlich. Friedman
schwebte allerdings vor, dass von zusätzlich verdientem
Geld deutlich weniger auf den Transfer angerechnet würde
als beim Arbeitslosengeld II, um einen starken
Arbeitsanreiz zu schaffen. Außerdem sollte die negative
Einkommensteuer à la Friedman im Unterschied zum
deutschen System sämtliche anderen Sozialleistungen
ersetzen – und ganz nebenbei Bürokratie einsparen, weil
sie komplett über die Finanzämter abgewickelt würde.
(Sh.
"Starker
Anreiz durch Mindesteinkommen",
Wirtschaftswoche
3/2007).
Auch bei den Ein-Euro-Jobs ist von den
privaten und öffentlichen Arbeitgebern zunächst die
Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns zu fordern zur
Sicherung der Zuschuss-Kontrollen und zum Schutz
gegen den Drehtüreffekt
sowie gegen das Lohndumping im Inland durch ausländische
Dienstleister (sh. auch das Interview von DGB-Chef Michael Sommer mit der
Frankfurter Rundschau am 21.12.05 zum Thema "Große
Demonstration zur Dienstleistungsrichtlinie am 14.
Februar 2006 in Straßburg", über
berlin-brandenburg.dgb.de).
Zur Erstattung der Differenz können sie sich dann mit
den Kontrollinstanzen auseinandersetzen. - In dem
Interview deutet Michael Sommer an, warum die
Gewerkschaften skeptisch sind gegenübergesetzlichen Mindestlöhnen,
die nach den Wünschen der Arbeitgeber festgesetzt
würden. Deren gewinnstarke und dominierende
Verbandsmitglieder können hier auf ihre ansonsten einflussschwachen Mitglieder verweisen, die sich eine
Mitgliedschaft in den Tarifverbänden bei
tarifvertraglich vereinbarten Mindestlöhnen gar nicht leisten
können. Andererseits will man durch niedrige gesetzliche
Mindestlöhne nicht die erreichten höheren Tariflöhne der
gewinnstarken Branchen gefährden. Michael Sommer damals
(ebd.):
Frage: Die Gewerkschaften haben sich lange Zeit schwer
getan mit der Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen.
Sind die Bedenken ausgeräumt?
Sommer: Uns geht es darum, die Tarifautonomie nicht zu
beschneiden. Aber auch die Tarifautonomie hilft gegen
Lohndumping nur bedingt. Sie setzt nämlich eine gewisse
Stärke voraus. Dort wo keine flächendeckenden
Branchentarifverträge möglich sind, muss ein gesetzlicher,
branchenbezogener Mindestlohn aushelfen.
Frage: Also wird sich der DGB jetzt auch geschlossen für
gesetzliche Mindestlöhne einsetzen?
Sommer: Meine Position ist eindeutig: Ich bin für
gesetzliche Mindestlöhne in den Branchen, in denen die
Tarifverträge nicht voll greifen. Wo sie die Arbeitnehmer
schützen, steht die Tarifautonomie immer im Vordergrund
Die Schwarzarbeit als Alternative bei typischen
Handwerksleistungen hat mit dem Thema Mindestlohn wenig
zu tun, weil die meisten Handwerkslöhne ohnehin
über den 8 Euro liegen. Solche
Schwarzarbeit ließe sich
am besten durch Steuerfinanzierung von
Sozialversicherungsabgaben und durch Absenkung der
Mehrwertsteuer für konsumnahe Dienstleistungen
eindämmen. Ein erster Schritt wäre die Einführung eines
Mindestlohns und eines Freibetrages bei den
Sozialversicherungen, wie man ihn bei der
Einkommensteuer auch hat
(sh.
"Ein Freibetrag bei den
Sozialabgaben könnte mehr Beschäftigung schaffen -
Modellrechnungen zeigen, dass vor allem im
Niedriglohnbereich zusätzliche Arbeitsplätze entstehen
würden - Fiskal- und Tarifpolitik müssten allerdings
mitspielen", doku.iab.de,
1.9.2003).
Eine solche Lösung ließe sich EU-rechtlich
wahrscheinlich auch ohne Diskriminierung und
Finanzierung von Sklavenarbeitern aus Nachbarstaaten in
Deutschland ausgestalten. Das wird aber von den bestbezahlten Söldnern
des Medienkapitals und den Proporz-Cliquen nicht zur Sprache gebracht, weil sie bei
dieser Lösung - wegen der höheren Kosten - auf ihre
laufenden Steuergeschenke verzichten
müssten.
Daher fällt ihnen auch als ihre favorisierte
Lösung zunächst die weitere Kürzung der niedrigen Hartz-IV-Sätze ein, bevor sie an Zuschussmodelle denken.
Für den Staat wäre die Steuerfinanzierung der
Sozialabgaben im Niedriglohnbereich jedenfalls billiger
als die Finanzierung von Arbeitslosigkeit, und für die
Arbeitssuchenden im Niedriglohnbereich wäre die
vollständige oder teilweise Entlastung ihrer
Arbeitskosten von den mehr als 40% Kosten des
Sozialstaates eine echte Integrationschance. Es könnte
auch für ordentliche Arbeitnehmer in vielen Fällen das
provozierende Sozial-Striptease vermeiden.
Die Steuerfinanzierung der Sozialversicherungsbeiträgen
im Niedriglohnbereich sollte gleichzeitig mit dem
Mindestlohn eingeführt werden. Aber die Lücke zwischen
den geforderten 8 Euro und den derzeitigen Bruttolöhnen
um die 4 Euro lässt sich damit nicht schließen. Die
Lösung der Übergangsprobleme könnte in einem Vorschlag des
Linksbündnisses liegen. Danach würden in solchen Fällen
zunächst nur ausreichende steuerfinanzierte
Lohnzuschüsse an die Arbeitgeber bezahlt (sh. "Linkspartei
für Mindestlohn von acht Euro brutto je Stunde",
welt.de, 13.1.06). Der Nachteil einer solchen Lösung könnte
sein, dass auch Niederlassungen von Unternehmen aus
Niedriglohnländern gegründet würden, um diese Zuschüsse
abzuschöpfen unter Hinweis auf das EU-Verbot von
Wettbewerbsverzerrungen. Dieses Argument dürfte bei
bestimmten Lösungen über die deutsche Sozialversicherung
vorläufig kaum greifen. -
Auch ein "bedingungsloses
Grundeinkommen" oder
"Bürgergeld" dient nach den Konzepten seiner
neoliberalen Propagandisten
Götz Werner und
Dieter Althaus eher dem Lohndumping und der Umverteilung
nach oben in ihre eigenen Taschen (sh. zur Kritik daran
das Interview mit Katja Kipping: "Wir
müssen mit alten Ideologien brechen",
JUNGE WELT
18.12.2006,
und zur Kritik an Kipping das
DISPUT-Streitgespräch zwischen ihr und
Harald Werner:
"Grundeinkommen,
Grundsicherung ...?",
sozialisten.de,
April 2006).
Das Linksbündnis sollte seine Wahlchancen nicht durch den Vorwurf der "Sozialromantik" verspielen:
Angela Nahles, SPD-Präsidiumsmitglied, sagte in einem
SPIEGEL-Interview (DER SPIEGEL 19/2007, S. 24-25) auf
die Frage nach Oskar Lafontaine:
Die Linkspartei verspricht
ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro für
jeden. Damit haben wir nichts gemein.
Dieser Vorwurf ist bewusst falsch, denn die
diversen Quellen zeigen allein schon bei
den Überlegungen zur Höhe ein anderes Bild. Zwar sagte
Katja Kipping (MdB, Linksfraktion) in einem
Streitgespräch bei der taz
mit Andrea Nahles am
10.3.2007 ("Und wer leert die Mülltonnen"?):
Am Anfang sollte jeder 800 bis 1.000 Euro pro Monat
bekommen, plus Krankenversicherung und regionalisiertes
Wohngeld. Und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne
Arbeitszwang.
Aber Katja Kipping sprach
dabei nicht für das
Linksbündnis, sondern für ihre
"Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der
Linkspartei.PDS" (sh.
BAG GRUNDEINKOMMEN:
"Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen",
29.11.2006). Das
Wohngeld gibt es nur, soweit die 800 bis 1000 Euro nach
den Wohngeldvorschriften nicht für die Miete reichen.
Die Krankenversicherung ist für Hartz-IV-Empfänger
ohnehin frei. Aber die Bedingungslosigkeit des
Grundeinkommens bei arbeitsfähigen Personen vor dem
Rentenalter fordert nicht Lafontaine und
auch nicht das Linksbündnis insgesamt. Voraussetzung für
nur bedingte Unterstützungszahlungen sind allerdings
nachweisbare und zumutbaren Arbeitsplätze. Das Leeren
von Mülltonnen ist nach der Arbeitsplatzvernichtung
durch die neoliberalen Parteien vielfach ein begehrter
Job, besonders wenn er nicht der Zerrüttung durch
Lohndumping und Zeitverträge anheim gefallen ist. Vor
allem die Arbeitsplatzvernichter sollten sich dafür
nicht zu schade sein. Von engagierten
Realisten wie Oskar Lafontaine hört man ganz andere Töne
als von Katja Kipping und Andrea Nahles.
So schreibt unter
abgeordnetenwatch.de
der Forums-Teilnehmer Bernd Klumpp am
27.3.2007 an Oskar Lafontaine:
Sehr geehrter Herr Lafontaine,
einer der erfolgreichsten Unternehmer Baden-Württembergs,
Herr Prof. Werner (DM Märkte), möchte das bedingungslose
Grundeinkommen für alle einführen. Er sieht darin die
Chance, echte Bürger-Freiheit, Gerechtigkeit,
Selbstständigkeit und Partizipation zu schaffen. Heute wird
in der BILD das Konzept von Herrn Althaus, MP Thüringen
(CDU), vorgestellt. Wie stehen Sie zu der Idee des
bedingungslosen Grundeinkommens?
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Klumpp
Oskar Lafontaine lässt am 2.4.2007 antworten:
Sehr geehrter Herr Klumpp,
im Namen von Oskar Lafontaine danke ich Ihnen für Ihr
Schreiben vom 5. März 2007.
Das vorliegende Modell des Grundeinkommens klingt sehr
interessant und verlockend.
Verlässt man jedoch die isolierte Betrachtung und stellt das
Grundeinkommen in den volkswirtschaftlichen Zusammenhang,
ist es fraglich, wie die Idee von Götz Werner in dem
kapitalistischen System Deutschlands funktionieren kann.
Ganz abgesehen von dem Problem der Finanzierung, untergräbt
das Grundeinkommen den Zusammenhang zwischen Arbeit und
Verbrauch. Der Fokus läge weniger auf der Arbeit als auf dem
Konsum. Das derzeitige marktwirtschaftliche Anreizsystem
wäre beseitigt. Unternehmer, befreit von jeglicher
Steuerlast, gingen als große Gewinner aus dem System hervor.
Sinnvoller erscheint es, beispielsweise im Hinblick auf den
öffentlichen Beschäftigungssektor, Forderungen zu erheben,
die politisch und gesellschaftlich umsetzbar sind…
Oskar Lafontaine wünscht Ihnen alles Gute und lässt Sie
vielmals grüßen…
Die Dreistigkeit der Neoliberalen, selbst vom Schlage der
angeblichen SPD-"Linken" Nahles, zeigt sich darin, dass sie
ihre obige Falschaussage zum Grundeinkommen in dem Interview
ausgerechnet auf die Frage nach Lafontaine in Umlauf brachte
und ihm dabei auch noch eine "Verdummung der Leute" vorwarf.
In
bezug auf Lafontaine ist auch den alten SPD-Kadern keine
Diffamierung zu schäbig, weil er sie als
Pseudo-Sozialdemokraten an ihr verlorenes soziales Gewissen
erinnert (sh. hier zu den Diffamierungs-Kampagnen unter
anderem
Linksbuendnis.htm). Man
muss Andrea Nahles aber recht geben bei ihrer Beurteilung
der neoliberalen Propagandisten eines bedingungslosen
Grundeinkommens in ihrem obigen Streitgespräch mit Katja
Kipping (sh.
taz, 10.3.2007, und zur
Finanzierung hier:
Götz Werner):
Wenn Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus oder
dieser Drogerieunternehmer Götz Werner für das
Grundeinkommen plädieren, fordern sie in Wirklichkeit eine
Exklusionsprämie. Die wollen einen neuen
Niedriglohnarbeitsmarkt schaffen. Das Grundeinkommen wäre
dann so eine Art Kombilohn, auf den die Unternehmen aus der
eigenen Tasche nicht mehr viel draufpacken müssten.
Die Linkspartei
schreibt als Vordenkerin bei den Mindestlöhnen in ihrem Beschlussantrag vom 18.1.06 an den
Bundestag (BT-Drs.
16/398):
Der Deutsche Bundestag
fordert deshalb die Bundesregierung auf:
● schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
sicherstellt, dass alle Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, einen
rechtlichen Anspruch auf einen Lohn von mindestens 8
Euro/ Stunde (brutto) haben,
● in den Gesetzentwurf eine zeitlich befristete
Übergangsregelung für kleine und mittlere Unternehmen
bei der Einführung des Mindestlohnes zu integrieren.
Diese Regelung soll denjenigen Unternehmen eine Hilfestellung bieten, die nachweislich nicht kurzfristig in
der Lage sind, ihren Beschäftigten den Mindestlohn zu
zahlen.
Es ist sicher richtig, diese Übergangsregelung zunächst
einmal zeitlich zu befristen. Aber man sollte nicht
vergessen, dass schon jetzt viele Arbeitplätze nur
angeboten werden, weil die Tariflöhne dafür unter 8 Euro
je Stunde (brutto) liegen.
Den Betrag von 8 Euro brutto begründete Gregor Gysi
in der
Bundestagsdebatte vom 17.2.06
durch dessen Ableitung aus dem Nettowert des
Pfändungsfreibetrages für eine alleinstehende Person:
Wir können uns nach dem richten, was der Gesetzgeber als
pfändungsfreies Einkommen festgelegt hat. Wenn Sie
jemandem ein Darlehen gewähren, dieser es nicht
zurückzahlt und Sie nach drei Jahren endlich Ihren
Vollstreckungstitel haben, dann bekommen Sie, wenn diese
Einzelperson nur 985 Euro netto hat, gar nichts davon.
Erst wenn die Person mehr als 985 Euro hat, können Sie
pfänden. Das ist doch ein Maßstab! Damit hat der
Gesetzgeber - die Mehrheit im Bundestag - gesagt: An
diesen Betrag lassen wir auch einen Gläubiger nicht
heran. Genau dieser Betrag muss der Mindestlohn in
Deutschland werden: Wer arbeitet, muss mindestens den
pfändungsfreien Betrag verdienen.
(Sh. auch die Pfändungstabelle 2005 unter
akademie.de und
das EDV-Programm zur Umrechnung von Brutto- in Nettolohn
unter
parmentier.de,
wonach bei der Rechnung von Gysi für den Alleinstehenden
ein monatlicher Bruttolohn von knapp 1400 Euro zugrunde
gelegt ist.)
Auch andere Mitglieder der Linkspartei hatten
einen Mindestlohn von 1400 Euro im Monat gefordert. Das
veranlasste FOCUS zu der typischen Irreführung (sh.
focus.msn.de, 10.8.05):
MINDESTLOHN ZU HOCH
Lafontaine wird Realist
...Lafontaine sagte der "Stuttgarter Zeitung", er halte
einen Mindestlohn von 1200 bis 1250 Euro im Monat für
ausreichend. Zuvor hatte Verdi-Chef Frank Bsirske
bereits die Höhe von 1400 Euro gerügt. Ein Betrag in
dieser Größenordnung sei politisch kaum durchsetzbar.
Tatsächlich war Lafontaine von Anfang an "Realist"
- im
Gegensatz zu den neoliberalen Meinungsmachern, die nur
Realisten für ihr eigenes Portemonnaie sind. Er mochte
offenbar von Anfang nicht ausschließen, dass die Bilanz
von Arbeitsplatzverlusten in Deutschland durch die 1400
Euro und nachhaltigem Arbeitsplatzzuwachs durch die
damit gestiegene Konsumnachfrage noch negativ sein
könnte (sh. dazu auch
"Linkspartei uneins über Mindestlohn",
taz.de, 11.8.05):
BERLIN afp
In der Linkspartei ist ein Streit über das
Programm für die Bundestagswahl entbrannt. Wahlkampfchef
Bodo Ramelow zeigte sich offen für die Forderung von
Spitzenkandidat Oskar Lafontaine, die im Entwurf
vorgesehene Summe für einen Mindestlohn von 1.400 Euro
zu senken. Lafontaine forderte, es müsse auf "die
Finanzierbarkeit aller Maßnahmen" geachtet werden. Er
sprach sich zudem gegen einen EU-Beitritt der Türkei
aus. Demgegenüber erklärte die PDS-Bundestagsabgeordnete
Petra Pau, die Forderung nach einem Mindestlohn von
1.400 Euro sei "sachlich richtig". Ramelow sagte
gestern, er akzeptiere das Argument, ein auf 1.250 Euro
abgesenkter Betrag sei "tragfähiger". Er verwies darauf,
dass das Wahlprogramm bislang als Entwurf bestehe und
erst auf dem Parteitag beschlossen werden solle.
Die Erfahrungen in den Nachbarländern sprechen
jedoch klar gegen die damaligen Befürchtungen von Oskar
Lafontaine, die hier mit Argumenten
wie im Bofinger-Gutachten (sh. oben) ursprünglich auch
geteilt wurden. Gegen das Argument der Arbeitsplatzvernichtung schreibt
die Linkspartei in ihrem Beschlussantrag:
Die Argumentation,
Mindestlöhne würden Arbeitsplätze vernichten, ist
hingegen nicht sachgerecht. Das beste Beispiel ist die
Baubranche. So erklärte Michael Knipper vom Hauptverband
der Deutschen Bauindustrie: "Die Mindestlöhne sind ohne
Alternativen, ohne sie hätten mindestens noch mal 250
000 Bauarbeiter ihren Job verloren." (Frankfurter
Rundschau vom 12. April 2005). Diese positiven
Erfahrungen aus Deutschland werden von Untersuchungen
aus den USA und mehreren europäischen Ländern gestützt.
So weist etwa die OECD darauf hin, dass zwischen der
Existenz von Mindestlöhnen und der Beschäftigungshöhe in
traditionellen Niedriglohnbranchen kein eindeutiger
Zusammenhang besteht. Das Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut hebt die positive
Entwicklung in Großbritannien hervor, wo der Erhöhung
des gesetzlichen Mindestlohns zwischen 1999 und 2004 auf
4,85 britische Pfund (etwa 7,10 Euro) ein Rückgang der
Arbeitslosenquote von 6,2 auf 4,7 Prozent gegenüber
stand.
Das Argument von Michael Knipper ist wahrscheinlich
richtig, denn am Bau war die Tendenz zur Einstellung von
Billiglöhnern aus dem Ausland besonders bedrohlich, und
erst mit dem
Entsendegesetz vom
26.2.1996 konnte die Vernichtung der Arbeitsplätze von
deutschen Bauarbeitern eingedämmt werden durch die
Allgemeinverbindlicherklärung von Tariflöhnen und
tariflichen Mindestlöhnen, also
nicht nur durch (meist wesentlich geringere) gesetzliche Mindestlöhne
(sh. z.B. den "Tarifvertrag
Mindestlohn", soka-bau.de, und "Tarifverträge
Baugewerbe", www.rechtsrat.ws). Die Richtigkeit
des Arguments hat viel damit zu tun, dass Großbauten in
Deutschland nicht zu Billiglöhnen im Ausland hergestellt
und dann nach Deutschland exportiert werden können!
Ähnliches gilt für die Gebäudereinigung in Deutschland,
für das Friseurhandwerk, für die Verkäufer usw.
Auch kann "zwischen der
Existenz von Mindestlöhnen und der Beschäftigungshöhe in
traditionellen Niedriglohnbranchen kein eindeutiger
Zusammenhang" bestehen, weil die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen von Land zu Land unterschiedlich sind,
z.B. durch Steuerfinanzierung des Sozialsystems,
deutlich höhere Steuerquoten wie in Großbritannien und
in anderen Ländern mit viel niedrigerer
Arbeitslosenquote sowie durch EU-finanzierte
Dumpingsteuern in Irland und den neuen
Steuerfluchtkandidaten.
Es ist auch richtig, dass der Einführung des
gesetzlichen Mindestlohns in Großbritannien dort ein
Rückgang der Arbeitslosenquote "gegenüber stand". Aber
die Einführung des Mindestlohns war gewiss nicht die
Ursache für diesen Rückgang. Der Rückgang hat sicher
auch damit zu tun, dass mit der viel höheren Steuerquote
in Großbritannien auch ein Teil des Sozialsystems über
Steuern finanziert werden kann. Dagegen gehen in
Deutschland durch den Verzicht auf diese Möglichkeit
immer mehr Arbeitsplätze verloren, weil die regulären
Dienstleistungen durch die einseitige Belastungen der
unteren und mittleren Einkommen mit den Kosten des
Sozialstaates für die Normalverdiener viel zu teuer
werden.
Die anschließende
Bundestagsdebatte vom 17.2.06
über Mindestlöhne zeigt, dass die Linkspartei mit ihrer
Mindestlohnforderung zwar einerseits im Recht ist.
Andererseits kann sie aber gegen die Tatsachen-Verdrehungen der
Neoliberalen nur bestehen, wenn sie das Konzept ihrer
"Hilfestellung" zugunsten von bedürftigen kleinen
und mittlere Unternehmen weiterentwickelt.
Diese "Hilfestellung"
kommt auch zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und
zur Eindämmung der Schwarzarbeit im Niedriglohnbereich für
Dienstleistungen
in Betracht. Außerdem würde dabei auch eine Absenkung
der Mehrwertsteuer für konsumnahe Dienstleistungen
helfen. Andererseits dürften in diesem Bereich durch
Mindestlöhne kaum Arbeitsplätze ins Ausland verlagert
werden, wenn man die Mindestlöhne auch für ausländische
Arbeitskräfte durchsetzt und wenn man das Steuer-
und Sozialdumping nach dem Herkunftslandprinzip der EU-"Dienstleistungs-Richtlinie"
verhindert (= "Bolkestein-Hammer",
"Frankenstein-Richtlinie", benannt nach dem neoliberalen
Autor und EU-Kommissar Frits Bolkestein; sh. Joachim
Bischoff und Björn Radke: "Gegen Sozialdumping und
ruinösen Wettbewerb - Zu den Protesten gegen die
Dienstleistungsrichtlinie",
w-asg.de, 27.12.05.
Zur halbherzigen Abschwächung der Richtlinie sh. hier
auch
EU-Lohndumping.htm).
Zur teilweisen
Verhinderungsmöglichkeit des Lohndumpings durch
Entsendung ausländischer Arbeitnehmer nach Deutschland
muss man Günter Verheugen allerdings recht geben. In
dieser Richtung sind lediglich die deutschen
Neoliberalen und Lohndrücker davon zu überzeugen, dass
das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
vom 26.2.1996 über
das Baugewerbe hinaus zu erweitern ist.
Die Mindestlohn-Regelungen für das
Gebäudereiniger-Handwerk sind interessant, weil sie
schon am 1.4.2004 für allgemeinverbindlich erklärt
wurden mit Mindestlöhnen für Westdeutschland von 7,87
Euro ab 1.1.2005 (bzw. 7,68 Euro davor), ohne dass
dieses Dumping-anfällige Gewerbe dadurch inzwischen
ernsthaft gelitten hätte.
Die geplante Einführung dieser Mindestlöhne hat die SPD
im Koalitionsvertrag von 2005 gegen den Widerstand der
CDU/CSU-Lobbyisten
durchgesetzt.
Schon am 23.8.06 titelte die Süddeutsche Zeitung:
Regierung führt Mindestlohn für Gebäudereiniger ein
Ausländische Reinigungsfirmen müssen künftig die
in Deutschland üblichen Löhne zahlen. Die FDP hält den
Kabinettsbeschluss für "maximalen Unsinn" und fürchtet
kubanische Verhältnisse.
Sie schrieb
dann weiter:
Zur Verhütung von Lohndumping und unfairem Wettbewerb
hat die Bundesregierung das am Bau geltende
Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf das
Gebäudereiniger-Handwerk ausgedehnt.
Damit kann die Branche ihren aktuellen Tarif-Mindestlohn
von 6,36 Euro in Ostdeutschland und 7,87 Euro im Westen
auch Arbeitern von ausländischen Firmen vorschreiben.
Der IG-Bau-Vorsitzender Klaus Wiesehügel sagte dazu:
In einer Branche, wo die schwarzen Schafe statt des
Tariflohns einfach mal 4 oder 5 Euro pro Stunde zahlen,
müssen Unternehmer bei Verstoß gegen den Mindestlohn nun
mit Geldstrafen nicht unter 25000 Euro rechnen.
(Sh.
Pressemitteilung
vom
23.8.06 der IG Bauen-Agrar-Umwelt.)
Es geht hier nur um die Einbeziehung der bereits
allgemeinverbindlichen Mindestlöhne in das
Entsendegesetz.
Tatsächlich galten die Mindestlöhne von 6,36 und 7,87
Euro für die untersten Entgeltgruppen der
Gebäudereiniger schon seit dem 1.1.2005 (sh. "Lohntarifvertrag
für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung"
vom
4.10.03, gültig ab 1.4.04. Davor galten
zuletzt Stundensätze
von 6,18 bzw. 7,68 Euro, sh. ebd.). Der
entsprechende Rahmentarifvertrag für die Gebäudereiniger vom 4.10.2003
war schon am 1.4.2004 für allgemeinverbindlich ("av")
erklärt worden (sh. Bundesministerium für Arbeit und
Soziales: "Verzeichnis
der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge-
Stand 1. Januar 2007", Seite 25 ).
Die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge für
Gebäudereiniger geht jedoch noch wesentlich weiter
zurück. Dazu schrieb der BUNDESINNUNGSVERBAND DES
GEBÄUDEREINIGER-HANDWERKS
unter der Überschrift "Gebäudereiniger-Handwerk
unterstützt gesetzlichen Mindestlohn" am
29.8.06:
Das Gebäudereiniger-Handwerk ist dankbar, dass es in das
Entsendegesetz aufgenommen werden soll. Damit besteht die
Möglichkeit, dass in unserem Tarifbereich Dumpinglöhne
sowohl für inländische als auch ausländische
Wettbewerbssituationen verhindert werden können und eine
gewisse Fairness auch in Zukunft möglich sein wird.
Das Gebäudereiniger-Handwerk verfügt seit über 30 Jahren
über allgemeinverbindliche Tarifverträge. Seit über 30
Jahren hat das Gebäudereiniger-Handwerk eine äußerst
positive Beschäftigungsentwicklung genommen. Bereits damit
dürfte widerlegt sein, dass allgemeinverbindliche
Tarifverträge/Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten.
Tatsächlich gab es aber auch im
Gebäudereinigerhandwerk in den letzten Jahren einen
Rückgang der sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung (sh.
pub.arbeitsamt.de
>
"Beschäftigte - nach Wirtschaftsgruppen - Jahresheft -
30.06. (Excel - ZIP - Archiv )" > Excel-Reiter "WZ2003"
> Excel-Reiter "Datenblatt" mit WZ 747) - jeweils für
die einzelnen Jahre).
Bei der vorstehenden positiven Beurteilung durch
den Bundesinnungsverband ist zu vermuten, dass die
abgebauten Stellen - wie in anderen Wirtschaftszweigen
auch - durch mehr sozialversicherungsfreie
400-Euro-Jobs mit
geringerer Abgabenbelastung für den Arbeitgeber ersetzt
wurden. Eine entsprechend detaillierte Statistik
für die Gebäudereiniger unter Einbeziehung der nicht
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wäre von
der Bundesagentur nur kostenpflichtig zu erstellen.
Für die branchenübergreifende Zunahme solcher
Minijobs zu Lasten der sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung gibt es aber genug Statistiken.
Gegen dieses vorprogrammierte
Renten-Prekariat zu Mindestlöhnen wäre die
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben ebenfalls ein
mögliches Gegenmittel.
In dem zitierten Artikel aus der
Süddeutschen Zeitung war nicht die Erklärung der
Allgemeinverbindlichkeit gemeint, sondern die Ausdehnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetz(es)
vom 26.2.1996 "auf das Gebäudereiniger-Handwerk" zur
Vermeidung von Lohndumping durch ausländische
Entsendefirmen. Diese überfällige Erweiterung des
Entsendegesetzes erfolgte allerdings erst am 9.3.2007
(sh. "Müntefering kündigt
Initiativen für weitere Branchen an -
Bundestag beschließt Mindestlohn für Gebäudereiniger"
tagesschau.de,
9.3.07). Künftig müssen also auch
ausländische Gebäudereinigerfirmen den in der Branche
vereinbarten Mindestlohn von 7,87 Euro je Stunde in
Westdeutschland und 6,36 Euro in Ostdeutschland zahlen.
Die Heftigkeit der Ablehnung von Mindestlöhnen durch
eine Partei hängt anscheinend zusammen mit der Quelle
der Finanzmittel für sie und ihre Mitglieder. So
trommelte z.B. der FDP- "Wirtschaftsexperte Rainer
Brüderle" (sueddeutsche.de,
23.8.06, unter der
Zwischenüberschrift "Deutschland
wird Kuba", ergänzt durch
TELEPOLIS,
22.9.06) zu den Mindestlöhnen:
Jeder Mindestlohn ist maximaler Unsinn. Liegen
festgelegte Löhne über dem Marktpreis, vernichten sie
Arbeitsplätze, liegen sie darunter, sind sie
wirkungslos. Dieser Grundeinsicht in das
wirtschaftspolitische Einmaleins verweigern sich die
schwarz-roten Sozialdemokraten weiter stur. Auf Kuba
verabschiedet sich der Sozialismus langsam, in
Deutschland hält er Schritt für Schritt. Deutschland
brauche mehr Markt, nicht Marx.
Zur Finanzierung der FDP siehe z.B. "Eine
Hand wäscht die andere – Die FDP macht vor, wie
öffentliche Armut und privater Reichtum sich ergänzen
können" in: Udo Leuschners großer "Geschichte
der FDP", Heidelberg, August 2005. Typischerweise
findet man in solcher FDP-Propaganda neben der knappen
substanzlosen Argumentation auch die üppigen
neoliberalen Worthülsen und Totschlagargumente. Wenn
solche Leute sich gegen Marx wenden, dann gebührt dem
großen und wichtigen deutschen Denker in Zeiten
kapitalistischer Wählertäuschung offenbar wieder mehr
Aufmerksamkeit. Aber das ökonomische "Denken" in
Deutschland findet jetzt eher in den
Propaganda-Denkfabriken der Neoliberalen statt mit
Unterstützung der hochgejubelten Voodoo-Ökonomen (sh.
hier
rossaepfel-theorie.de).
Mit kaum weniger lobbyistischer "Sorge" um die
Arbeitnehmer äußerte sich der CDU-Generalsekretär Ronald
Pofalla ganz im Sinne seiner weitaus meisten
Parteifreunde, obwohl sie sich wegen ihrer eigenen
widerwilligen Zustimmung beim Gebäudereiniger-Handwerk
(sh. oben) doch etwas zurückhalten:
Die Forderung der Gewerkschaften nach einem gesetzlichen
Mindestlohn ist der erneute Versuch, für ein gewaltiges
Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramm in Deutschland zu
werben. Ich fordere Herrn Bsirske und seine Mitstreiter,
auch die in den Reihen der SPD, auf: Beenden Sie diesen
Spuk um den Mindestlohn. Was wir in Deutschland
brauchen, sind mehr Freiräume in den Betrieben,
niedrigere Lohnzusatzkosten und ein wirksames
Kombilohnmodell.
(Sh.
CDU-Archiv, Stand 30.8.06.) Die "Freiräume in den
Betrieben" zum Lohndumping würden sich allerdings
erheblich vergrößern, wenn die gezahlten Löhne mit Hilfe
von staatlichen Kombi-Zulagen noch weit unter die
Mindestlöhne der Alt-EU-Länder gedrückt werden könnten.
Dagegen wäre den scheinheiligen Forderung der CDU nach
Senkung der "Lohnzusatzkosten" zuzustimmen, wenn ihre
Meinungsmacher dafür auf die Steuergeschenke für sich
und ihre großzügigen
Lobbyisten
verzichten würden.
Nachdem die neoliberalen Trojaner
in dieser Richtlinie nicht zu verbergen waren, räumte
der wesentlich mitverantwortliche ehemalige
Erweiterungskommissar und jetzige Industriekommissar
Günter Verheugen ein, "dass an einigen Stellen der
Text des Entwurfs mindestens missverständlich, wenn
nicht zweideutig formuliert ist und deshalb war die
Demonstration berechtigt". Aber nun könne sich jeder auf
ihn und die übrigen bestbestallten Eurokraten verlassen.
Weitere Fragen seien nicht erforderlich. Die HörerInnen
würden ohnehin nicht die "juristischen Feinheiten des so
genannten Herkunftslandsprinzips" verstehen (sh. sein
Interview mit dem
Deutschlandradio Kultur vom
2.4.05). Er überlässt die Beantwortung
solcher Fragen also den Demonstranten, die sich nicht
schon wieder von den Neoliberalen verschaukeln lassen
wollen. Im wesentlichen verweist er immer wieder auf die
Zulässigkeit von Mindestlöhnen, sagt aber fast nichts zu
den übrigen Dumpinginstrumenten nach dem
Herkunftslandsprinzip und bringt von sich aus nur die
harmlosesten Beispiele, die jede Kritik überflüssig
erscheinen lassen sollen.
Ganz abgesehen von den mehr als 40 Prozent Sozialabgaben
für Inländer, dürften allein schon die Mindestlöhne
allmählich dazu führen, dass durch den Zustrom
ausländischer "Dienstleister" oder Pro-forma-Dienstleister mit ihren Mindestlohn-Arbeitern
noch viel mehr Deutsche arbeitslos würden und dass auch
die Löhne vergleichbarer deutscher Facharbeiter auf
dieses Niveau gedrückt werden. Die Scheinselbständigen
werden ein übriges tun (sh. hier "EU-Lohndumping.htm").
Schon jetzt liegen die unteren
tariflichen Bruttolöhne in vielen ostdeutschen Bereichen
mit etwa 5 Euro brutto pro Stunde oder weniger (sh.
oben die Beispiele für Friseure, Floristinnen usw.) auf
einem Niveau, das selbst als Entgelt für die
kontraproduktiven Leistungen der neoliberalen
Meinungsmacher und Lohndumping-Befürworter nicht
ausreichen würde und von dem ihre deutschen
Gehalts-Finanzierer und Produzenten unseres
Volkseinkommens nicht einmal ihre Miete und
Grundversorgung bezahlen können.
Diese
Niedrigstlöhne gelten - wie gesagt - auch und gerade in Branchen, die
keineswegs mit Billigleistungen aus Osteuropa oder Asien
konkurrieren müssen.
Oft werden nicht einmal diese Niedriglöhne gezahlt, weil
viele Unternehmen sich die Mitgliedschaft in den
Tarifverbänden gar nicht leisten können oder wollen.
Oskar Lafontaine bezeichnete die Dienstleistungsrichtlinie als
"Kopfgeburt des Neoliberalismus" (Rede am 14.1.06 in
Berlin: "Was ist die Linke?", jungewelt.de,
19.01.06 und
20.01.06).
Die Meinungsmacher in den neoliberalen Parteien werden
die Notwendigkeit der Steuerfinanzierung von
Sozialversicherungsbeiträgen wohl nie begreifen wollen,
weil sie dann auf ihre selbst durchgepaukten
Steuergeschenke für "Bestverdiener" verzichten müssten, aber
Lafontaine ist schon immer für das skandinavische Modell
der weitgehenden Steuerfinanzierung eingetreten, wie es
besonders in Dänemark mit Konsequenz und großem Erfolg
praktiziert wird. Auch das Linksbündnis wird diesen
Gedanken mit Sicherheit fortführen, zumal es schon
jetzt in der gesetzlichen Krankenversicherung eine
Ausweitung der Bemessungsgrundlage und eine allmähliche
Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze anstrebt
(sh.oben).
Im Hinblick darauf kann auch Ralf Krämer
hier nicht voll zugestimmt werden bei seiner
Argumentation für die 1400 Euro, die auf den ersten
Blick plausibel erscheint (sh. "Weiter
Streit um Mindestlohn", 12.8.05,
sozialismus.info):
WASG-Mitinitiator und
Linkspartei-Kandidat Ralf Krämer sagte, die kurzfristige
Durchsetzbarkeit könne beim Aufstellen der Forderung
nicht ausschlaggebend sein. »Das Entscheidende ist die
soziale und ökonomische Berechtigung, und die ist bei
1400 Euro voll und ganz gegeben«, argumentierte
Krämer...
Aber wenn es die Mehrheit der Delegierten
so will, könnte man die 1400 Euro bei entsprechender
Bezuschussung trotzdem im Wahlprogramm lassen.
Man kann sich natürlich auch auf den Standpunkt
stellen, dass überhaupt nur Betriebe marktfähig sind,
die solche Mindestlöhne bezahlen können. Aber selbst
dann ließe sich der Strukturwandel nur durch allmählich
abnehmende Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen
in den kritischen Bereichen abmildern. Parallel dazu
müsste der Übergang zu einer echten Bürgerversicherung
mit weitgehender Steuerfinanzierung der
Sozialversicherungsbeiträge nach dem erfolgreichen
skandinavischem Vorbild erfolgen.
Die Mindestlohn-Debatte ist in Deutschland erst spät
entbrannt, nachdem Franz Müntefering das Thema
aufgegriffen hatte. Dazu schreibt die Wikipedia (Stand
30.1.07):
In Deutschland wird seit Mitte 2004 verstärkt über den
Mindestlohn diskutiert, angeregt u.a. durch den
damaligen SPD-Vorsitzenden
Franz Müntefering. Der
Koalitionsvertrag der
großen Koalition aus
CDU/CSU und
SPD sieht die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vor,
die im Rahmen der Prüfung eines Kombilohnmodells auch
den Mindestlohn debattieren soll.
Als Beleg für diesen Anstoß zitiert man einen Bericht
vom
29.8.04 aus dem SPD-Archiv
("Müntefering:
Debatte über Mindestlohn in Ruhe führen"),
wonach Müntefering sagte "auch er selbst habe noch keine
feste Meinung, ob ein Mindestlohn nach dem Vorbild
anderer Länder in Deutschland sinnvoll sei, da es Vor-
und Nachteile gebe."
Die Wikipedia erwähnt jedoch nicht, dass Franz
Müntefering erst den Anstoß zu dieser Debatte erhalten
musste durch die damals neu entstehende Wahlalternative
Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG), "die
sich im Verlauf des Jahres
2004 vorrangig aus regierungskritischen
SPD-Mitgliedern und
Gewerkschaftern ... gebildet hatte und sich am
22. Januar
2005 als Partei konstituierte"
(sh. Wikipedia zur
WASG - Stand
30.1.07). Die PDS und spätere Linkspartei hat bereits in
Ihrem Parteiprogramm vom
25./26.10.2003 (sh. pds.vm)
den Mindestlohn gefordert in ihren Strategie-Thesen auf
die europäische Sozialcharta verwiesen (sh. "Thesen
zur Strategie der PDS",
22.6.04). In den Thesen heißt es:
Gesetzlichen Mindestlohn einführen, Arbeitszeit
verkürzen und Überstunden abbauen
Nach der europäischen Sozialcharta dürfen in den
Mitgliedsstaaten keine Löhne geduldet werden, die
weniger als 68 Prozent des nationalen
Durchschnittseinkommens betragen: allerdings verdienen
in der Bundesrepublik etwas 2,5 Mio. Vollbeschäftigte
weniger.
Durch das Auftreten des Linksbündnisses musste die SPD
sich zur vorgezogenen Bundestagswahl 2005 und danach in
der großen neoliberalen Koalition immer öfter wieder
einen sozialdemokratischen Anschein geben, trotz ihrer
alten Schröder-Restmannschaft, um nicht zu viele Stimmen
an das Linksbündnis zu verlieren (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Das zunehmende Ausmaß der staatlich verteidigten
Lohndrückerei wird durch folgende Meldung der
Tagesschau vom 29.3.07
deutlich:
Staatliche Hilfe zum Lohn
Immer mehr Vollzeitbeschäftigte bekommen
Zuschüsse
Immer mehr Vollzeitbeschäftigte verdienen so wenig, dass
sie auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind. Nach
Angaben der Bundesagentur für Arbeit hat sich ihre Zahl
von Januar 2005 bis August 2006 auf 573.000 verdoppelt.
Die Betroffenen erhielten zusätzlich zum Lohn das
Arbeitslosengeld II, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich
Alt. 13.000 von ihnen seien im Öffentlichen Dienst
beschäftigt. "Wir würden uns freuen, wenn zumindest der
Öffentliche Dienst seine Mitarbeiter besser bezahlen
würde", so Alt.
Bei dieser fortschreitenden Lohndrückerei durch
"Aufstockung" aus Steuermitteln beginnen sogar die
neoliberalen Medien mit einer kritischen Beurteilung.
Siehe dazu die Artikel "TREND
BEI BESCHÄFTIGTEN - Arbeitslosengeld trotz Vollzeitjob"
, welt.de,
29.3.07, und "Arbeitsmarkt
- Hartz IV im Öffentlichen Dienst", mit
Grafik, faz.net,
29.3.2007. Solche "Aufstocker" gibt es
keineswegs nur in den verständlichen Fällen der
Alleinverdienern von größeren Familien. Das kann man
sich bei einem Dumpinglohn von vier Euro mal 160
Monatsstunden mit mehr als 20% Sozialabzügen leicht
ausrechnen.
Die Neoliberalen wollen
gegen diese weiteren Folgen ihrer Umverteilung nach oben
und zur Umgehung von Mindestlöhnen bestenfalls eine
Definition von "sittenwidrigen" Löhnen auf unterstem Niveau
akzeptieren.
CSU-Sozialexperte Max Straubinger mahne an, dass
es bereits Gesetze gegen sittenwidrige Löhne gebe. Diese
müssten verstärkt zur Anwendung kommen.
Tarifstundenlöhne um die drei Euro seien zwar "zu
niedrig", fielen aber nicht unter die Definition
der "Sittenwidrigkeit". Demnach seien Löhne
erst sittenwidrig, wenn sie mehr als dreißig Prozent
unterhalb der Tariflöhne liegen würden.
(Sh. "Mindestlöhne:
CSU bremst Müntefering",
Handelsblatt, 21.2.2007.
Vgl. auch "Pokern mit dem Mindestlohn",
zeit.de,
24.4.2007).
Ein Mindestlohn von drei Euro nach dieser Definition der "christlichen" "Sozialexperten"
wäre für sie selbst noch zu hoch, würde aber ansonsten das Problem noch verschärft. Die
einzige sinnvolle Lösung könnte darin liegen, dass sie
ihre sittenwidrige Politik auch auf diesem Gebiet aufgeben.
Unterstützung erhalten sie dabei natürlich auch von ausgesuchten
Ökonomen wie dem "Wirtschaftsweisen" Wolfgang Franz, "der auf Empfehlung der Arbeitgeber im Rat sitzt" (sh.
hier
rossaepfel-theorie.de mit der Passage "auf dem
Arbeitgeber-Ticket bei den Wirtschaftsweisen"
zeit.de,
6.6.2005,
und "Wirtschaftsweiser
will Niedriglöhne weiter senken: Drei
Euro sind noch zuviel", tagesschau.de,
15.4.2007).
Die
sogenannten Sozialdemokraten in der Bundesregierung mit
ihrer Agenda-2010- und Hartz-IV-Politik sind sich wohl
bewusst, dass sie die Forderung nach einem gesetzlichen
Mindestlohn von der WASG übernommen haben, um ihren
dramatischen Mitgliederschwund einzudämmen und ihren
sozialdemokratischen Anspruch nicht ganz zu verwirken,
insbesondere auch bei den Gewerkschaften. Sie haben am 26.
März 2007 sogar eine Unterschriftenaktion zugunsten des
Mindestlohns gestartet. Dazu hieß es bei de.yahoo.news.com
vom 10.4.2007:
SPD
weitet Unterschriftenaktion für Mindestlohn aus
Essen (ddp). Die SPD will ihre am 26. März gestartete
Unterschriftenkampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn
ausweiten. «Um den 1. Mai herum geht die Kampagne richtig
los», sagte ein Parteisprecher der «Westdeutschen
Allgemeinen Zeitung» (Mittwochausgabe). «Die Union muss sich
beim Thema Mindestlohn deutlich bewegen», sagte der
SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner der Zeitung. Die
Union lehnt gesetzliche Mindestlöhne strikt ab.
Zu den
Zielgruppen der Unterschriftenaktion erläutert der
Wiesbadener Kurier
vom
30.3.2007:
SPD
kämpft um Gewerkschaftsmitglieder
Angst vor Abwanderung ins Lager der Linkspartei /
Katz-und-Maus-Spiel um den Mindestlohn
…An
der SPD-Unterschriftenaktion für Mindestlöhne wird das
Konkurrenzverhältnis besonders deutlich: Die
Sozialdemokraten präsentierten stolz unter den 42
Erstunterzeichnern 14 Gewerkschaftsbosse und Vorsitzende
großer Konzernbetriebsräte oder der Katholischen
Arbeitnehmer-Bewegung. Die Gewerkschaften und die
Sozialdemokraten sichtbar nebeneinander im Kampf um ein
Ziel. Zwischen Arbeiterpartei und Gewerkschaften passt kein
Blatt Papier - so die aus Sicht des Willy-Brandt-Hauses
erwünschte Aussage der Aktion.
Zu den
Erstunterzeichnern dieses SPD-Forderungspapiers gehörten
auch Oskar Lafontaine, Gregor Gysi. und andere Mitglieder
des Linksbündnisses. Die Bundestagsfraktion des
Linksbündnisses hat am 28. April 2007 sogar die Forderungen
der SPD wortwörtlich als Antrag ins Parlament eingebracht.
Aber die SPD hat in der Sitzung ihren eigenen Forderungen
nicht zugestimmt. Dazu berichtet der
Tagesspiegel vom
27.4.2007:
Sozialdemokraten schmettern
eigenen Mindestlohn-Antrag ab
Die SPD, die mit der Forderung nach Mindestlöhnen beim
Wähler punkten will, hat einen entsprechenden Antrag im
Bundestag ins Leere laufen lassen - weil er von der
Linkspartei stammt. Dabei hatte die die Formulierungen
wortwörtlich aus SPD-Papieren übernommen.
Die
Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben einen Antrag
der Linksfraktion zur Einführung von Mindestlöhnen
abgeschmettert. Sie verwiesen das Papier ohne Abstimmung in
der Sache in die Ausschüsse des Parlaments. Der Antrag lief
damit praktisch ins Leere - und die SPD zog sich aus der
Verlegenheit, aus Koalitionsräson gegen ihre eigenen Antrag
stimmen zu müssen. Den Antragstext hatte die Linksfraktion
fast wortgleich aus einem Kampagnen-Aufruf der SPD für
Mindestlöhne übernommen.
Exkurs
Leiharbeit: "Mehr Beschäftigung bei weniger Lohn"
(zugunsten der Gewinneinkommen)
Unter der Überschrift "Arbeitskraft
auf Abruf" schreibt DIE ZEIT vom
26.4.2007:
Keine andere Branche boomt in Deutschland so wie die
Zeitarbeit. Rund die Hälfte aller neuen Stellen, die im
vergangenen Jahr geschaffen wurden, entstanden dort. Gut
zwei Drittel davon gingen an Menschen, die vorher keine
Arbeitsstelle hatten...
Es ist unstrittig, dass mancher Arbeitgeber durch
Leiharbeiter bestehende Jobs in seiner Firma ersetzt. Das
gelte für ein Viertel aller Unternehmen, die Kunden der
Zeitarbeitsfirmen sind, hat eine erste Studie ergeben. Sie
sei noch ungenau, warnt Elke Jahn, die beim Nürnberger
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die
Arbeitsgruppe Leiharbeit leitet, aber ein Anhaltspunkt...
Zwar unterliegen Zeitarbeitsfirmen den Regeln des
gesetzlichen Kündigungsschutzes und können ihre Leute nicht
einfach entlassen, wenn es gerade keinen Auftrag gibt. Doch
drei Viertel ihrer Mitarbeiter sind nicht länger als sechs
Monate angestellt – und während dieser Probezeit jederzeit
kündbar. Und seit den rot-grünen Arbeitsmarktreformen dürfen
sie ihre Mitarbeiter auch mehrfach hintereinander neu
einstellen.
Die Kündigung ist häufig
abhängig vom Verzicht auf Betriebsräte, gewerkschaftliches
Engagement und auf Wahrnehmung von sonstigen
Arbeitnehmerrechten. Zu einer typischen Zeitarbeiterin, die
von dem hochsubventionierten Infineon-Werk Dresden in die
Leiharbeit "ausgelagert" wurde, heißt es dort:
Seit dem Wechsel in die Zeitarbeit bekommt sie für
dieselbe Arbeit 1400 statt 2200 Euro brutto, ein Viertel der
Urlaubstage wurde gestrichen, und verschiedene
Zusatzleistungen fielen weg.
Die neoliberalen Koalitionäre
klopfen sich gern selbst auf die Schulter, weil trotz ihrer
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben doch
zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
entstanden sind, auch wenn Deutschland bei diesen
Auswirkungen der Weltkonjunktur noch Wachstums-Schlusslicht
unter den großen Industrieländern bleibt. Ebenso wie Italien
hat es in 2006 und voraussichtlich auch in 2007 eine
Wachstumsrate von etwa zwei Prozent, während das weltweite
Wachstum bei etwa fünf Prozent liegt (sh. hier die
IWF-Studie vom April 2007). Die
Arbeitslosenquote in Deutschland beträgt mehr als das
Doppelte der Quote in Dänemark (sh.
wko.at) mit dessen
Spitzensteuersatz von 59 Prozent, seiner viel höheren
Staatsquote und seiner weitgehenden Steuerfinanzierung der
Sozialabgaben (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Auch die neoliberalen SPD-Oberen von der
Schröder-Fraktion wollen nichts davon begreifen (sh. z.B.
"Struck fordert mehr Stolz auf Agenda 2010": "Erfolge am
Arbeitsmarkt widerlegen Kritiker", Handelsblatt Nr. 085 vom
3.5.2007, Seite 3.) Die meisten sozialversicherungspflichtigen
Vollzeit-Arbeitsplätze entstehen hierzulande im Bereich der prekären Leiharbeit:
O-Töne:
Zeitarbeiter bei BMW
"Also ich kriege
so raus zwischen 700 und 800 Euro, das schwankt immer mal
ein bisschen und die Festangestellten die kriegen dann schon
raus 1.100, 1.200. Das ist schon ein ganz dickes Ding. Was
da fehlt und für die gleiche Arbeit und ja."
"Ich bin als Helfer eingestellt gewesen und hab gefragt,
warum bin ich hier als Helfer eingestellt. Ich hab meinen
Facharbeiter in der Fachrichtung."
"Wenn ich den Sprit abziehe, die 200 Euro im Monat, dann
komme ich auf das Hartz IV, was ich dann kriegen würde.
Damit könnt ich mich zu Hause noch mal in Ruhe rum legen."
"Es ist sinnlos. Aber ich bin
nicht der Typ der heeme sitzt. Die drei Monate, in denen ich
arbeitslos war, bin ich durchgedreht."
"Und man geht auf Arbeit, um zu hoffen, dass sie einen
einstellen."
"Man will och auch mal weiter kommen im Leben."
(Sh. den Bericht "Arm
trotz Arbeit – Leiharbeiter", mdr.de, exakt vom
10.4.2007.) Zu BMW in Leipzig siehe auch die
Video-Einblendung bei "Hart aber fair -
Die Boom-Verlierer: Hallo Aufschwung -
ich spür dich nicht" vom 2.5.2007 mit der
begleitenden Schönrederei durch drei Neoliberale
einschließlich
Norbert Röttgen (CDU plus verhinderter
BDI-Präsident) gegen den weiter links
stehenden Klaus Wowereit und ver.di-Chef Frank Bsirske.
Auch bei einer Einstellung als ausgeliehener Facharbeiter
müsste der obige BMW-Arbeiter auf den größten Teil dessen
verzichten, was BMW für seinen Arbeitseinsatz zahlt. Dazu
heißt es im Handelsblatt über eine Studie des
Leiharbeitsspezialisten Edgar Schröder für die
Wirtschaftswoche:
In seinem Modell rechnet Schröder mit einer
Verleihfirma, die einem Maschinenschlosser den Tariflohn von
8,62 Euro pro Stunde bezahlt und dafür 20,25 Euro vom
Einsatzbetrieb erhält. Von den 11,63 Euro Differenz bleibt
der Verleihfirma überraschend wenig: Rund 53 Prozent davon
gehen für Arbeitgeberabgaben und -beiträge zur
Sozialversicherung sowie freiwillige und tarifliche
Leistungen drauf. Diese müsste der Einsatzbetrieb mindestens
in gleicher Höhe bezahlen, wenn er den Maschinenschlosser
selber anstellen würde. Weitere rund 42 Prozent des
Differenzbetrages fressen die Ausgaben der Verleihfirma für
das eigene Verwaltungspersonal sowie für Miete und sonstige
Sachkosten. Auch hiervon müsste der Einsatzbetrieb
schätzungsweise die Hälfte aufbringen, wenn er die Leute auf
die eigene Kappe nähme - sei es für höhere Löhne und ein
paar Tage mehr Urlaub oder für die Personalsuche. Nach Abzug
dieser Kosten bleibt der Leiharbeitsfirma von den 11,63 Euro
Differenz ein Gewinn von etwa einem Euro (vor Abzug von
Finanzierungskosten und Steuern). Gemessen an den
Gesamteinnahmen für den Maschinenschlosser von 20,25 Euro
sind das gerade fünf Prozent.
(Sh. Reinhold Boehmer:
"Moderne
Nomaden", Handelsblatt,
5.4.2007.) Die größte Belastung für den Arbeitsmarkt
sind erwartungsgemäß die Sozialversicherungsbeiträge, die in
Ländern mit geringer Arbeitslosenquote und hoher oder
mittlerer Steuerquote wie Dänemark und Großbritannien
weitgehend über Steuern finanziert werden. Dieser
Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt lag im Jahre 2005
in Dänemark bei 48,6 Prozent, in Großbritannien immerhin
noch bei 30,2 Prozent, in Deutschland aber nur bei 20,8
Prozent (sh. Bundesfinanzministerium: Monatbericht März
2007, S. 127, Tabelle "15
Steuerquoten im internationalen
Vergleich"). Um die einseitige Belastung der
Lohnarbeit mit diesen Kosten des Sozialstaates abzumildern,
müssten aber die neoliberalen Meinungsmacher auf ihre
Steuergeschenke verzichten.
Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer kritisiert die
Verlagerung des Arbeitsmarktes in den prekären Bereich:
Die meisten neuen
Arbeitsplätze, die entstehen, entstehen im Bereich von
Leiharbeit. Und das besorgt uns schon, weil das eine Tendenz
ist, dass die so genannten Stammbelegschaften abgebaut
werden und Randbelegschaften entstehen zu niedrigen Löhnen,
teilweise schlechteren Bedingungen.
(Sh. sein
DLF-Interview vom
29.4.07.)
Tatsächlich ist der "Bestand an
überlassenen Leiharbeitnehmern" von Juni 2004 bis Juni 2006
um 200.000 auf 600.000 gestiegen. Im Juni 1996 lag die
Gesamtzahl noch bei 200.000 (sh. "Arbeitsmarkt
in Zahlen - Beschäftigungsstatistik", "Arbeitnehmerüberlassung
1. Halbjahr 2006", Seite 1 und Tabelle 5, zu erreichen
über
http://statistik.arbeitsagentur.de/ > Detaillierte
Übersichten >
"Detaillierte Übersichten" unter SGB II und SGB III (ab
Januar 2005) > Linke Seite: "Beschäftigung" >
"Arbeitnehmerüberlassung – Zeitreihen" > "Anzeigen").
Aber der Rückgang der registrierten Arbeitslosenzahl in
Deutschland von 5 Millionen im Januar 2006 auf 4 Millionen
im Dezember 2006 ist das Produkt aus
Mehrwertsteuer-Endspurt, boomender Weltkonjunktur und
Zunahme der Leiharbeit (sh. Bundesagentur für Arbeit:
"Arbeitsmarkt in Zahlen - Aktuelle Daten", Reiter: "Inhalt",
Tabelle 3.2.13: "Arbeitslose - Zeitreihe" - Stand Mai 2007).
Der Anteil der Weltkonjunktur dürfte wesentlich stärker sein
als der kurze Impuls mit anschließender Dauer-Dämpfung durch
die Mehrwertsteuererhöhung, denn auch im April 2007, also
einige Monate nach dem Endspurt, lag die
Arbeitslosenzahl wieder bei 4 Millionen (sh. ebd.). Dazu
kann es nicht nur durch Kosmetik gekommen sein, denn
frisiert war sie vorher auch.
Die Abnahme der Arbeitslosenzahl um 1 Million innerhalb
eines Jahres bis Anfang 2007 relativiert sich jedoch, wenn
man die Zunahme der "Sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten" um 650.000 von Anfang 2006 bis Anfang 2007
dagegen hält (sh.
ebd. die Tabelle 2.2.1 und Bundesagentur
für Arbeit: "Arbeitsmarkt
in Zahlen - Beschäftigungsstatistik ...
Beschäftigung nach Ländern in wirtschaftlicher Gliederung-
Februar 2007", Stand
3.5.2007, Seite 1, zu erreichen über
http://statistik.arbeitsagentur.de/
> "Beschäftigung" als erstes
"Thema"). Aber auch diese 650.000 entfallen nur zum Teil auf
zusätzliche Vollzeitstellen, denn in einem Pressetext der
Bundesagentur heißt es dazu: "Dabei entfallen
deutlich mehr als die Hälfte des Anstiegs auf
Vollzeitstellen" (sh.
"Original-Pressemitteilung
vom 2.5.2007 10:25 von Agentur für Arbeit:
Die Entwicklung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes im April
2007", und "Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in
Deutschland - April 2007", S. 2, erreicht über
arbeitsagentur.de >
Presse > "Aktueller
Arbeitsmarktbericht", Stand
3.5.2007).
Betrachtet man im Juli 2008 den letzten verfügbaren
Drei-Jahres-Zeitraum von September 2004 bis September
2007, so ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen
Vollzeitstellen mit 22,6 Millionen sogar gleich geblieben
(sh.
Bundesagentur für Arbeit: "Sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte nach ausgewählten Merkmalen – Tabelle 7",
erreicht am
26.7.2008 mit dem Auswahl-Punkt
"Beschäftigte - Zeitreihen ab 1999 [Zeitreihen nach
Ländern, Staatsangehörigkeit, Vollzeit, Teilzeit,
Geschlecht, Altersgruppen, Auszubildenden]" über
www.pub.arbeitsamt.de).
Gelegentlich hörte man
Anfang Mai 2007 – aus welchen Quellen auch immer -, dass von
den 650.000 zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen
Arbeitsplätzen etwa 60 Prozent auf Vollzeitstellen
entfallen. Auch die taz schrieb am
3.5.2007 unter der Überschrift "Mehr
Beschäftigung bei weniger Lohn":
So stieg die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Im Februar waren
es 26,47 Millionen - und damit 650.000 mehr als noch vor
einem Jahr. Etwa 60 Prozent dieser neuen
Normal-Arbeitsplätze sind Vollzeitstellen.
Das Ergebnis von etwa
400.000 zusätzlichen Vollzeitstellen mag richtig sein, die
Überschrift ist jedenfalls zutreffend. Genauere Werte zum
Anteil der Vollzeitstellen an den
sozialversicherungspflichtigen Stellen sind aber lt.
Auskunft der Bundesagentur für Arbeit erst mit etwa sechs
Monaten Verzögerung verfügbar. Wählt man jedoch auf deren
Seite "Detaillierte
Informationen – Beschäftigung" das Feld
"Beschäftigte –Quartalszahlen" > "September 2006" aus, dann
erhält man mit dem Kartei-Reiter "svb-merkm" die
Information, dass im September 2006 gegenüber September 2005
insgesamt 691.337 zusätzliche "Sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte in Deutschland" tätig waren. In dieser
Mehrwertsteuer-Endspurt-Phase waren davon sogar 83 Prozent
Vollzeitbeschäftigte und nur 17 Prozent
Teilzeitbeschäftigte. Die zusätzlichen 138.275 Arbeitnehmer
aus der dortigen Tabelle "Geringfügig entlohnte Beschäftigte
in Deutschland" ("geb-merkm") sind in diesen Zahlen nicht
enthalten, weil für die Minijobber nur
Arbeitgeber-Pauschalen, aber keine vollen
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Sie sind also
nicht "voll sozialversicherungspflichtig".
Was von den vorstehenden 650.000 zusätzlichen
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen noch an
Vollzeitstellen übrig bleibt, entfällt wiederum zu größten
Teil auf die prekäre Leiharbeit, denn in dem obigen
Bericht "Arbeitsmarkt
in Zahlen..." heißt es auf Seite 1:
Am auffälligsten ist
der Aufbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
bei unternehmensnahen Dienstleistungen (+275.000 oder +8,5
Prozent), der vor allem auf der Entwicklung in der
Arbeitnehmerüberlassungsbranche beruht.
Zu dieser Art der Umverteilung
nach oben durch Prekarisierung erklärte die Arbeitsgemeinschaft für
Arbeitnehmerfragen (AfA) am
30.4.2007 mit einem
Aufruf durch ihren Vorsitzenden:
Ottmar Schreiner:
Zeitarbeit muss begrenzt werden
Die Ausbreitung
der Zeitarbeit hat seit den Rechtsänderungen im Zuge der
Hartz-Gesetzgebung rasant zugenommen. Zunehmend werden
reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch Zeitarbeit
ersetzt. Das Ergebnis ist ausgeprägtes Lohndumping und die
Umgehung von Tarifverträgen, die ein Eingreifen der Politik
erfordern.
Seit 2004 hat
sich die Zahl der Zeitarbeiter mehr als verdoppelt. Heute
gibt es in diesem Bereich mehr als 600 000 Beschäftigte.
Dabei wurde über das eigentliche Ziel, Zeitarbeit als
zusätzliches Instrument für die Integration in den ersten
Arbeitsmarkt zu nutzen, deutlich hinaus geschossen. Wenn
etwa Großbetriebe wie BMW in Leipzig ein Drittel der
Belegschaft aus Leiharbeit rekrutiert, dann geht es sicher
nicht mehr um die Abdeckung von Auftragsspitzen. Im
Verlagsbereich werden Leiharbeitsgesellschaften
ausgegründet, um etwa Zeitungsredakteure dauerhaft zu
deutlich schlechteren Konditionen zu beschäftigen...
Die BMW-Chefs mögen mit Recht darauf verweisen, dass
ohne diesen hohen Anteil an Dumping-Löhnen ihr Werk
nicht in Leipzig gebaut worden wäre. Schließlich sitzen
ihnen die Kapitalgeber im Nacken und sie selbst
profitieren auch vom "Shareholder-Value". Aber die
neoliberale schwarz-rötliche Koalition hat jedenfalls
keinen Grund, sich für solche "Erfolge" zu loben und
zugleich ihre Arbeitsplatzvernichtung durch
Umverteilung nach oben unter dem Deckmantel der
boomenden Weltkonjunktur immer weiter voranzutreiben.
Aber auch die
verbleibenden sozialversicherungspflichtigen
Vollzeitstellen außerhalb der Leiharbeit sind zum großen
Teil nur Zeitverträge. Dazu Ottmar Schreiner:
"Der Aufschwung am
Arbeitsmarkt besteht fast ausschließlich aus befristeten
Jobs und zusätzlicher Leiharbeit. Wir brauchen aber mehr
Arbeit, die sozial abgesichert, auf Dauer angelegt und
ordentlich bezahlt ist", sagte Schreiner. Auch müsse die
Partei dringend neu definieren, wie sie Menschen vor der
Armutsspirale schützen wolle. Das alte
Sicherheitsversprechen, daß im Falle von
Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter niemand ins
Bodenlose falle, sei in den vergangenen Jahren brüchig
geworden.
(Sh. "Neue
SPD-Spitze", faz.net, 21.5.07.) Diese "neue
SPD-Spitze" - mit ihren tonangebenden Schröder-Fans und
Lafontaine-Gegnern im Rücken - wird ohne weiteren
Einbruch ihrer Umfragewerte kaum "neu definieren, wie
sie Menschen vor der Armutsspirale schützen" will. Ihre
Politik ist seit der pinkgrünlichen Schröder-Regierung
auf Umverteilung nach oben gerichtet und hat der Druck
der Neoschwarzen in diese Richtung seitdem bereitwillig
nachgegeben.
Nachtrag vom
11.3.2008:
Die vorgetäuschten "Erfolge" am Arbeitsmarkt
bestehen vor allem im Austausch von ordentlichen
Arbeitsplätzen gegen unsichere Sklavenarbeit, in
steuerfinanzierter Sozialhilfe-Aufstockung mit
Striptease-Zwang ("Kombilohn") zugunsten von
Lohndrückern bei Vollzeit-Jobs ("working poor") und
in sonstigen prekären Beschäftigungen. Die Analyse der
Beschäftigungszunahme ließe sich damit bis zur
Unkenntlichkeit der eigentlichen Problematik fortsetzen,
denn das eigentliche Problem liegt in der trickreichen
Ablenkung von der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.
Vor allem ist die Abnahme der Arbeitslosenquote von den
maximalen 10,7% in 2005 auf die etwa 8% zum Ende 2007
kein Argument für das weitere "Kurshalten" mit der
"Agenda 2010" bei dieser Umverteilung oder gar für noch
weiter gehende Senkungen des Spitzensteuersatzes auf die
anvisierten 36% oder 35% von CDU und FDP, denn auch in
anderen Staaten der Alt-EU ist die Arbeitslosenquote
durch die Weltkonjunktur gesunken. So ist z.B. die
Quote in Dänemark von 2005 bis Ende 2007 bei einem
Spitzensteuersatz von 59% von 4,8% auf etwa 3%
zurückgegangen (sh. "Arbeitslosenquoten",
wko.at, Stand 25.1.2008). Das ist nicht einmal die
Hälfte der deutschen Quote, die angeblich der
Umverteilung zu verdanken ist, also der "Agenda 2010",
den Steuergeschenken für "Bestverdiener" usw.
Und tatsächlich hat die hohe Quote in Deutschland sehr viel
zu tun mit der Konsumdrosselung durch diesen Volksbetrug
(sh. hier
rossaepfel-theorie.de).
Die weitere
Entwicklung der Gesetzgebung unter der großen Koalition zur
Umverteilung nach oben lässt sich mit wenig Phantasie
tendenziell vorhersagen. Die SPD will sich gegen die übrigen
neoliberalen Parteien und gegen DIE LINKE verzweifelt
profilieren als Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen mit
ihrer Forderung nach Mindestlöhnen, z.B. bei den
Post-Dienstleistungen und für möglichst viele Branchen nach
dem Vorbild der meisten erfolgreicheren EU-Staaten.
Trotzdem hat sich
die SPD von der CDU in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 2007
eine neue Blockade der Mindestlöhne abhandeln lassen, unter
anderem dadurch, dass die Aufnahme in das Entsendegesetz
nicht aufgrund gesetzlicher Mindestlöhne erfolgt, sondern
eine
Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) gemäß § 5
Tarifvertragsgesetz erfordert. Voraussetzung für die AVE
von Tariflöhnen war und ist aber, dass
"...die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom
Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages
fallenden Arbeitnehmer beschäftigen..."
(Sh. § 5
Tarifvertragsgesetz
und Ver.di
Bundesverwaltung, Berlin, den
21. Juni 2007: "Erste
Bewertung der Übereinkunft des Koalitionsausschusses zu
Entsendegesetz und Mindestlohn".) Dies mochte die
CDU/CSU gerade noch zugestehen, wohl wissend, dass es den
schwach organisierten Dumpinglöhnern im
Dienstleistungsgewerbe kaum helfen würde. Insbesondere in
den neuen Bundesländern haben sich viele Unternehmer aus der
Not ihrer CDU-verheißenen "blühenden Landschaften" von der
Tarifbindung verabschiedet, so dass die verbleibenden
tarifgebundenen Unternehmen kaum mehr als 50 Prozent der
"Arbeitnehmer" in diesem Tarifbereich beschäftigen,
unabhängig von deren Organisationsgrad. Außerdem bekam die CDU
so von der SPD ein Feigenblatt geliefert, mit dem sie die
Verantwortung teilweise abwälzen kann durch den Hinweis,
dass die SPD diesem Verfahren ja auch zugestimmt habe.
Dazu schreibt die
taz/dpa vom
15.8.07 unter der Überschrift: "MINDESTLOHN:
Geeinigt auf Nichteinigung":
Immer
weniger Arbeitnehmer können sich auf Tarifverträge berufen,
weil viele Firmen aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten
sind und deshalb nicht an die Tarifpolitik gebunden sind.
Zudem sind weniger Arbeitnehmer gewerkschaftlich
organisiert. Also: Auch das Entsendegesetz ist keine Lösung.
Das ist zwar
richtig, aber die
EU-Entsenderichtlinie
bietet durchaus eine "Lösung" durch die Zulassung von
gesetzlichen Mindestlöhnen (sh. hier
EU-Lohndumping.htm), wie sie auch in den meisten
anderen EU-Staaten bereits eingeführt wurden.
EU-Staaten wie Großbritannien und die Niederlande erreichen
mit Mindestlöhnen bei der relativ hohen Konsumquote von
Mindestlohnempfängern wesentlich bessere Ergebnisse für
Arbeitsmarkt und Wachstum als Deutschland (sh. oben und
rossaepfel-theorie.de). Das gleiche gilt für
Länder wie Dänemark und Österreich, in denen anstelle der
Mindestlöhne entsprechend hohe oder höhere unterste
Tariflöhne durchgesetzt werden konnten durch den hohen
Organisationsgrad ihrer Arbeitnehmer.
Ein weiterer Triumph der CDU und FDP ergibt
sich aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom
3.4.2008, wonach nun nicht einmal bei der Vergabe
staatlicher Aufträge eine Tariftreue für Wanderarbeiter aus
osteuropäischen EU-Ländern verlangt werden darf. Nach dem
Niedersächsischen Vergabegesetz war für den Bruch der
Tariftreue eine Vertragsstrafe vereinbart. Ein Unternehmen
hatte für eine Landes-Baumaßnahme – wie üblich –
Subunternehmen eingeschaltet und zwar mit polnischen
Wanderarbeitern, die nicht einmal die Hälfte der örtlichen
Tariflöhne erhielten. Der EuGH entschied, dass solche
Vertragsstrafen jedenfalls dann unzulässig seien, wenn der
Staat die Tariflöhne nicht für allgemeinverbindlich erklärt
habe (sh. das EuGH-Urteil C-346/06 vom 3.4.2008 unter
http://curia.europa.eu). In dem Urteil heißt es:
In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs
hat das Land Niedersachsen allerdings bestätigt, dass der
Baugewerbe-Tarifvertrag kein für allgemein verbindlich
erklärter Tarifvertrag im Sinne des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist.
Damit sind aber die
Dumping-Forderungen von CDU und FDP auch auf diesem Gebiet
durchgesetzt durch die trickreiche Gesetzgebung ihrer
Lobbyisten in Berlin und Brüssel sowie die Ausnutzung dieser
Blockade-Gesetze durch die
Arbeitgebervertreter in den paritätisch besetzten
Tarifausschüssen (sh. auch "Experten
fordern erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung",
boeckler.de,
6.10.2003, "Gesetzliche
Stützen für das Tarifsystem", boeckler.de,
2006, und "Verordnung zur Durchführung des
Tarifvertragsgesetzes -
TVGDV"). Dementsprechend freuten sich unter anderem
das "FDP-geführte niedersächsische Wirtschaftsministerium"
und der "brandenburgische CDU-Fraktionsvorsitzende" über
die "Sicherung von Arbeitsplätzen" durch Lohndumping (sh.
"EU-Richter stoppen Tarifzwang", welt.de,
4.4.2008), als ob man die öffentlichen Gebäude
oder örtlich gebundene Dienstleistungen andernfalls aus Niedriglohn-Ländern importieren könnte.
Als
Kompromiss gegen die Mindestlohn-Blockade durch die CDU hofft die SPD auf deren Unterstützung bei der
Reaktivierung eines "Gesetzes über
Mindestarbeitsbedingungen" von 1952, das noch nie angewendet
wurde und möglicherweise gegen die aktuellen EU-Verträge
verstößt (sh. ebd. und das Interview vom 13.9.07, 7:19 h, als
"Audio on Demand", mit Arbeitsminister Müntefering, worin er
die faulen Kompromisse natürlich überspielt und seine
Politik als Erfolg verkauft.)
Der kleinste gemeinsame Nenner der rötlich-schwarzen
Koalition war eine Einigung auf Mindestlöhne für
Briefzusteller. Bei ihnen ging man davon aus, dass sie Bedingung für die AVE
erfüllen, wonach 50 Prozent
der betroffenen Arbeitnehmer tarifvertraglich organisiert sein müssen.
Die ausgebeuteten Zusteller der Lohndrücker-Paketdienste
wurden auf Druck der CDU von dieser Reglung ohnehin
ausgenommen.
Aber selbst bei den Briefzustellern wird der
Mindestlohn blockiert durch die CDU-Ministerpräsidenten
Christian Wulff und Roland Koch, die diese Mindestlöhne im
Bundesrat zu Fall bringen wollen (sh. "Union
'torpediert' Post-Mindestlohn",
netzeitung.de,
26.9.2007). Die beiden vertreten -
im Gegensatz zur erzwungenen Moderation in der großen
Koalition – den christlich verbrämten
Neokonservatismus der "neuen" CDU nach US-Vorbild,
wie er auch in einer Koalition mit der FDP zum vollen
Durchbruch kommen könnte. Zur Zusteller-Entlohnung sagen die
Neoliberalen frei heraus, dass die Wettbewerber der Post
durch Mindestlöhne aus dem Markt gedrängt würden. Dabei
unterschlagen sie aber den eigentlichen Grund hierfür, dass
nämlich diese Wettbewerber durch ihre Dumping-Löhne nur die
Lohnspirale nach unten auf das Niveau der "Working Poor" antreiben.
Die neoliberalen Meinungsmacher wollen
– wie ihre Vorgänger in früheren Jahrhunderten - im Grunde
nur ihren weit überhöhten Anteil am Volkseinkommen weiter
erhöhen. Man erreicht dies schon, indem man den Anteil der
Einkommensschwachen verringert. Die Neoliberalen wollen es
aber vor allem erreichen durch Senkung ihres
Spitzensteuersatzes und damit durch einen immer größeren Abstand
zwischen ihrem Verdummungs-Profit und dem Einkommen für
ehrliche Arbeit. Bei der Senkung des Spitzensteuersatzes für
die Einkommensmillionäre und sich selbst unterschlagen sie
penetrant, dass diese Umverteilung nach oben stets zu
Mehrbelastungen der Einkommensschwachen führt und damit zur
Drosselung des Konsums, zur Vernichtung von Arbeitsplätzen,
aber auch zur Schwächung der Arbeitsmarktinitiativen durch
den finanzschwachen Staat (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Der ehrenamtliche Postgewerkschafter Wolfgang Host gibt
für das Lohndumping ein Beispiel im Interview mit Carl H. Ewald (sh. "Wenn
der Postmann zweimal klingelt…", Neue
Rheinische Zeitung,
14.11.2007):
Es sieht zum Beispiel bei der PIN-AG so aus, dass die
Vollzeitbeschäftigten dort einen Arbeitsvertrag mit einem
garantierten Bruttogehalt von 1.020 Euro bei einer
40-Stunden-Woche bekommen. Wohlgemerkt: wir sprechen hier
vom Bruttogehalt.
Und dann haben sie noch die Möglichkeit, durch ein
"Prämiensystem" 410 Euro Brutto zusätzlich zu verdienen,
davon werden 250 Euro als "Anwesenheitsprämie" bezahlt. Das
muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn
diese Kolleginnen und Kollegen der PIN-AG nur einen Tag ohne
Krankmeldung fehlen, werden ihnen 125 Euro von der
"Anwesenheitsprämie" abgezogen. Und sollten sie denn
offiziell krankgeschrieben sein, wird ihnen für jeden Tag,
an dem sie krank sind, trotzdem ein Betrag von 11,50 Euro
abgezogen.
Bei einem maximalen Bruttogehalt von
1.020 + 410 = 1.430 Euro beträgt das Nettogehalt etwa 1000
Euro, wenn nicht noch weitere Abzüge anfallen. Das
entspricht einem Netto-Stundenlohn von etwa 6 Euro, aber
nur, wenn die "Prämien" voll gezahlt werden.
Die Konsumquote von solchen prekär
Beschäftigten ist wesentlich höher als bei den neoliberalen
Meinungsmachern, aber die Einkommensschwachen können mit
solchen Löhnen weder ihre arbeitsplatzschaffende
Konsumnachfrage entfalten noch die viel beschworene
Familienplanung ernsthaft in Betracht ziehen, geschweige
denn ihre Rente sichern. Vor allem gilt nicht das
neoliberale Standardargument des Arbeitsplatzverlustes ins
Ausland, weder bei den Briefzustellern noch bei den übrigen
Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor, denn sie werden fast
alle im ortsgebundenen Dienstleistungsgewerbe ausgebeutet.
Wenn wirklich die Niedrig- und Dumping-Löhne
ausschlaggebend wären, dann müssten die Arbeitslosenquote in
Ostdeutschland nicht viel höher, sondern deutlich niedriger
sein als in Westdeutschland.
Der Kampf gegen den Post-Mindestlohn
ist also ein Paradebeispiel für die Heuchelei bei der
Arbeitsplatzvernichtung durch die angeblichen
Arbeitsplatzbeschaffer. Im Grunde handelt es sich hier wie
auch sonst im Dienstleistungsgewerbe nicht um
internationalen Lohndruck, sondern nur um eine weitere
Variante der Umverteilung nach oben über den Ersatz von
existenzsichernden Arbeitsplätze durch staatlich
bezuschusste Lohnsklaverei.
Zu dieser neuen neoliberalen und "christliche"
Lohnsklaverei fühlen sich inzwischen immer mehr Unternehmer
gedrängt durch die Methoden skrupelloser Konkurrenten. Diese
nutzen das Lohndumping sogar als "Geschäftsidee" zur
massenhaften Verdrängung von ordentlich zahlenden Betrieben
und regulär Beschäftigten durch
ihre Ausbeutungsopfer. Dazu heißt es bei Panorama vom
3.1.2008 unter dem Titel: "Lohnsklaverei in Deutschland":
Kampfpreise, supergünstig. Immer mehr, immer billiger. Der
Textil-Discounter KiK. Diese beiden Mitarbeiterinnen zahlen
den Preis für die Schnäppchen-Schlacht. Sie arbeiten seit
Jahren zu Dumpinglöhnen – jetzt klagen sie gegen ihren
Arbeitgeber.
Martina K., KiK-Aushilfe:
"Wer 5,20 Euro bekommt, ist eigentlich schon einer der
besseren Verdiener da bei KiK. Es gibt also auch
Kolleginnen, die verdienen nur 4,50 Euro oder 4,20 Euro."
Würden sie nach Tarif bezahlt, bekämen sie über 12 Euro.
Doch kik ignoriert das – und macht zweistellige
Umsatzsteigerungen. Der Konzern wirbt ganz offensiv mit
Billigpreisen.
Die Neoliberalen bringen dazu ihr irreführendes
Standardargument, dass durch die Einführung von
Mindestlöhnen nur Arbeitsplätze vernichtet würden. Sie
verschweigen penetrant, dass durch Mindestlöhne
erfahrungsgemäß mehr Arbeitsplätze entstehen als verloren
gehen (sh. oben). In Wirklichkeit werden solche Mindestlöhne
nur für den binnenwirtschaftlichen Dienstleistungsbereich
gebraucht, und zwar nach dem Entsendegesetz für inländische
und ausländische Arbeitnehmer. Mit Billiglöhnern aus Asien
oder Osteuropa kann dann kaum reguläre Arbeit durch
Lohnsklaverei ersetzt werden. Für Arbeitnehmer in anderen
Wirtschaftsbereichen ist der vorgesehene Mindestlohn von
acht bis neun Euro kaum relevant, weil sie im allgemeinen
sowieso mehr erhalten.
Die neoliberalen Sklaventreiber vernichten durch ihre
Umverteilung nach oben vielmehr die regulären Arbeitsplätze
(sh. rossaepfel-theorie.de). Das Abgesahnte leiten sie als
Steuergeschenke in ihre eigenen Taschen. Um dies zu
kaschieren und die Arbeitslosenquote zu frisieren, setzen
sie auf Billiglohn. So können sie auch noch die
Normalverdiener im lokalen Dienstleistungsbereich
ausplündern. Dieses Spielchen sichern sie durch ihre
Begünstigung des "Geschäftsmodells", das der Ökonom Rudolf
Hickel wie folgt entlarvt:
"Deutschland erlebt etwas, was wir vor 10 Jahren nicht für
möglich gehalten haben, dass im Grunde genommen sich der
Wettbewerb immer mehr konzentriert auf Lohndumping. Man
versucht im Grunde genommen, durch schlecht bezahlte Arbeit
aber harte Arbeit, versucht man, sozusagen die anderen
wegzukonkurrieren."
Die Neokonservativen und Neoliberalen haben ihre Sympathie für solche Sklavenarbeit und weitere
Schröpfung der Ärmsten nach altem feudalistischen Muster
schon in vielen Fällen
bewiesen, unter anderem bei ihren Querschüssen zur
Gesundheitsreform der großen neoliberalen Koalition (sh.
hier z.B.
Gesundheitsreform.htm,
wo auch Wulff, Koch und die übrigen CDU-Ministerpräsidenten eine teilweise
Steuerfinanzierung von Sozialabgaben blockiert haben; sh.
hier auch
EU-Lohndumping.htm und
ganz allgemein ihre Manipulationen zur Umverteilung nach
oben). Es
handelt sich also nicht nur um die Finanzierung ihrer
jährlichen fünfstelligen Steuergeschenke (sh. hier
rossaepfel-theorie.de) durch ihre
Mehrwertsteuererhöhung, Studiengebühren, Mehrbelastungen von
Einkommensschwachen auf allen Gebieten, Schröpfungen und
unbezahlte Versprechungen im Gesundheitswesen. Vielmehr
dient die Blockade der Mindestlöhne ebenfalls ihrer
Umverteilung nach oben.
Hierdurch kommt man auch immer mehr zurück zu den
goldenen Zeiten, in denen sich die Profiteure solcher
Umverteilung großzügig mit billigem Hauspersonal eindecken
konnten. Um außerdem diese Privatausgaben noch
vom Staat mitfinanzieren zu lassen, haben die
stellvertretenden CDU/CSU-Faktionschefs Michael Meister
(Steuern) und Ilse Falk (Arbeit) im Sinne ihrer Partei
vorgeschlagen, dass sie zwei Drittel und bis zu 12.000 Euro
der jährlichen Aufwendungen für Dienstleistungen in
Privathaushalten von der Steuer absetzen können (sh. "Absetzbarkeit
von Dienstleistungen – Union macht Putzfrauen billiger",
n-tv.de,
4.10.2007).
Begründet wird jede solche Umverteilung in die eigenen
Taschen mit der "ehrbaren" "Sorge" um die Arbeitsplätze -
ganz im Sinne einer perfide zurechtgeschusterten
"Angebotstheorie", wonach eine erhöhte Binnennachfrage durch
existenzsichernde Löhne im Dienstleistungsbereich weniger
Arbeitsplätze schafft als die Steuersenkung für
Bestverdiener und die Explosion der Unternehmensgewinne
(sh. hier
rossaepfel-theorie.de).
Die Neokonservativen und
"Liberalen" können sich jedenfalls die Hände reiben, dass
sie von den Verrätern der Sozialdemokratie bei Einführung
ihrer Lohnsklaverei mit unwürdiger Lohnaufstockung durch
staatliche Sozialhilfe so
tatkräftig unterstützt wurden, dass die Schröder-Regierung ihnen mit der
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben und
durch Hartz-IV ein hochwirksames Erpressungs-Potenzial zum
Lohndumping geliefert hat.
Auch BILD sorgt sich publikumswirksam um die Arbeitsplätze,
bestellte aber
eigens ein Gutachten zur Rechtfertigung der Lohndrückerei
vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (mit
eingeschränkter Forschungsqualität, sh.
nachdenkseiten.de,
9.5.2006,
Hinweise des Tages, Nr. 12
), das man von dessen Direktor und häufigem
BILD-Kronzeugen Hans Werner Sinn vorstellen ließ. Es ging
Springers BILD insbesondere um die Lohndrückerei bei den
Briefzustellern. Dabei unterschlug BILD seinen manipulierten
Lesern die Information, dass die Axel Springer AG Mitte 2007
mehr als 500 Millionen Euro in ihre Aktien-Mehrheit bei der
pin Group investiert hatte (sh. "Axel
Springer übernimmt Mehrheit bei PIN",
handelsblatt.com,
28.6.2007), um mit solchen Drücker-Löhnen eines der
größte Konkurrenz-Unternehmen zur Post aufzubauen - mit
Riesen-Profiten auf Kosten der Dumping-Opfer (sh. z.B. "Unbezahlte
Arbeitszeit" in "Mindestlohn - Tarife für
Briefträger und die Folgen", Plusminus, DasErste.de,
28.8.2007, mit effektiven Stundenlöhnen von etwa 4 Euro;
ferner zur Ausbeutung durch die pin: "Bericht aus
Brüssel, 13.11.2007, Der Mindestlohn - in Deutschland und
Europa",
WDR-Web-TV; sowie
"PIN
diszipliniert Beschäftigte: Betriebsratsmitglied soll
entlassen werden", verdi.de,
6.9.2007; und die hervorragende Dokumentation zur
Meinungsmanipulation: "Hungerlöhne
in der Postbranche - Welche Rolle spielt die Presse?",
Report Mainz, swr.de,
8.10.2007, 21.45 Uhr).
Die Einführung von allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen
würde allerdings diesen pin-(Alb)-Traum platzen lassen.
In dem Bericht wird ein völlig hilfloser pin-Zusteller und
BILD-Leser zitiert mit den Worten: »Meine Position oder
unsere Position wird nicht vertreten, sondern es wird immer
nur das Gegenteil geschrieben.« Weiter heißt es dort über
klägliche Hilfeversuche mit knappen Mitteln gegen die
geballte Manipulationsmacht:
Ähnlich geht es Verdi. Bereichsleiter Wolfgang Abel schaltet
jetzt für 20.000 Euro Anzeigen in Springer-Blättern, um mit
seinen Argumenten überhaupt noch durchzudringen.
Man muss also das Medienkapital noch mit dem Geld für teure
Anzeigen stärken, um überhaupt
dort eine Stimme zu erhalten. Wie im Falle der Kampagnen zur
Steuersenkung für die neoliberalen Meinungsmacher und
Großprofiteure mit dem BILD-Aufruf zum "Wut-Brief" oder
gegen Oskar Lafontaine als Gegner dieser Umverteilung nach
oben (sh. hier
Linksbuendnis,
Pro7Sat1.htm,
Wir-Papst-Du-Deutschland)
wurde nicht nur BILD für diese Ziele in Stellung gebracht,
sondern die kapitalisierte Meinungsmacht von weiteren
Springer-Blättern. Es fragt sich allerdings ob die
Manipulationsmacht in diesem
besonderen Fall längerfristig zur Verhinderung der
Mindestlöhne reicht, solange es nicht
auch noch das heiß begehrte Springer-Fernsehen gibt.
Um diesen
Mangel auszugleichen, ließ man eine eigene "Gewerkschaft"
(namens GNBZ) für
die Ausbeutungsopfer der pin gründen und diese gegen
existenzsichernde Mindestlöhne demonstrieren.
Dazu schreibt die taz:
Bei der Mitgliederwerbung
arbeitete die GNBZ nach Aussagen von Betriebsräten der
PIN-Gruppe Hand in Hand mit den Firmenchefs. "In Leipzig ist
der Zustellungsleiter durch die Depots gegangen, hat den
Leuten Beitrittsformulare hingelegt und gesagt:
Unterschreib, bis morgen hast du Zeit", sagte ein
Betriebsrat der taz. Von 300 Mitarbeitern der Niederlassung
wäre der größte Teil eingetreten. "Bei dem Wortlaut ist ja
klar, was bei einer Weigerung passiert wäre."
(Sh. "Post-Konkurrenz
trickst bei Mindestlohn - Verträge mit Scheingewerkschaft",
taz.de,
12.3.2008. Sh. auch
"Die Masche beim Mindestlohn",
fr-online.de,
17.2.2008).
Das Berliner Verwaltungsgericht konnte diese
Trick-"Gewerkschaft" von Springer und weiteren neoliberalen
Meinungsmachern allerdings noch nicht richtig einstufen.
Es entschied in erster Instanz zu deren Gunsten im Sinne
ihrer Arbeitgeberverbände Bundesverband der
Kurier-Express-Post-Dienste BdKEP und des privaten
Postdienstleisters TNT. Deshalb musste die Gewerkschaft
Verdi zunächst einmal Strafanzeige gegen die GNBZ stellen.
Die taz schreibt dazu (ebd.):
Das Berliner Verwaltungsgericht
hatte vergangene Woche den Post-Mindestlohn für unzulässig
erklärt und sich dabei auf einen von der GNBZ ausgehandelten
Tarifvertrag gestützt. Er dürfe nicht durch den jetzt
gültigen Mindestlohn-Tarifvertrag verdrängt werden, der
Briefträgern Löhne zwischen 8 Euro und 9,80 Euro garantiert.
Wenn nun die GNBZ keine Gewerkschaft ist, fiele die
Begründung des Verwaltungsgerichts in sich zusammen.
Diese Einstufung musste dem Gericht um so schwerer
fallen, als die "Gewerkschaft" schon "richtige"
Demonstrationen (gegen die Interessen der Arbeitnehmer)
inszeniert hatte:
Für die Pressearbeit engagiert PIN eigens eine PR-Agentur.
Die versorgt die Presse kostenlos mit Filmmaterial von der
Demo. Gedreht und versandt von Axel Springer. Dem Verlag
gehört die PIN AG mehrheitlich. So fügt sich eins zum
anderen. Natürlich berichtet Springers Kampfblatt "Bild" am
nächsten Tag ausführlich über die Demo. Eine perfekte
Inszenierung, und doch nur das erste Kapitel im Drehbuch.
(Sh. Report Mainz: "Bei
Briefzustellern Mindestlohn? Eine neue Gewerkschaft stellt
die Verhältnisse auf den Kopf", swr.de,
29.10.2007, Das
Erste.) Einer der Demonstrant Dumping-Löhner erklärte das
so:
»Die großen Chefs kamen halt zu uns in die
Firma, haben uns aufgeklärt über die Situation. Und dass wir
halt demonstrieren müssen, und sie sollen halt alle
mitkommen; Es wird alles bezahlt, der Arbeitstag wird voll
bezahlt, die Busse werden gestellt, Plakate, Trillerpfeifen.
Und da wurden am selben Tag noch Namenslisten ausgeteilt, wo
man unterschreiben musste. Eigentlich bin ich da gegen
meinen Willen hingefahren, also ich wurde dazu gezwungen,
kann man sagen.«
Ein anderer pin-Mitarbeiter sagte (ebd.):
»Mich kotzt das auch richtig an, was die mit
uns machen. Das ist wie eine Diktatur. Und mit der hohen
Arbeitslosigkeit versuchen die uns halt Druck zu machen.«
Und ein
Betriebsratsmitglied ergänzte zu der Kundgebungsrede (ebd.):
»Also die Rede, die dort oben gesprochen
wurde, ist vom Arbeitgeber geschrieben worden. Erst kurz vor
der Demonstration, wurde sie demjenigen, der oben gesprochen
hat, übergeben. Auch ohne Zustimmung des Betriebsrates, also
keiner vom Betriebsrat hat die je gesehen, diese Rede. Und
mehrere haben halt gesehen, wie er sie vom Arbeitgeber
überreicht bekommen hat. Und gesagt hat, hier lies mal vor,
mach das mal.«
Die CDU leistete ihren pin-Meinungsmachern
von Springer & Co. allerdings kräftige Schützenhilfe gegen
die Mindestlohn-Pläne und damit gegen ihren rötlichen
Koalitions-Partner wie auch gegen die leidtragenden
Dumping-Löhner. Sie bedankte sich auf diese Weise für ihre bisherige
Unterstützung durch das Medienkapital und zeigte, dass sich auch in Zukunft dessen gute Zusammenarbeit mit der CDU
(und FDP) gegen die SPD und vor allem gegen DIE LINKE lohnt.
Dass auch SPD-Politiker aktiv an dieser
Heuchelei beteiligt sind, erläutert Carl H. Ewald in einem
weiteren Artikel der NRHZ vom selben Tage: "Wie sich
Pressemonopolisten gegen das 'Postmonopol' wehren -
Tara Tara, die Pest ist da!",
nrhz.de, 14.11.2007:
Weil sich die privaten Postdienste von den
Gewerkschaftsverhandlungen um den tariflichen Mindestlohn
ausgeschlossen fühlten, hatten sie den "Arbeitgeberverband
Neue Brief- und Zustelldienste" gegründet: An seiner Spitze
steht
Florian Gerster, der schon bei der Bundesagentur für
Arbeit der Unternehmerseite kräftig Schützenhilfe geleistet
hatte und Gründungsmitglied der
Initiative "Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) ist.
Der SPD-Politiker wurde durch rigide Einsparungen bei der
Bundesagentur und seine Selbstbedienungsmentalität bekannt –
bei Übernahme seines Amts verdoppelte er sich das Gehalt,
baute die Chefetage luxuriös aus und leistete sich drei
Dienstwagen gleichzeitig – so viel zu den Privilegien eines
Mannes, der einst Millionen Arbeitslose "verwaltete".
Eine ganz ähnliche und ebenfalls "sozialdemokratische"
Karriere kann Bodo Hombach vorweisen, der als
Kanzleramtsminister nicht mehr tragbar gewesen war, nachdem
er in den Verdacht geraten war, sich vom Veba-Konzern eine
Luxusvilla bauen gelassen zu haben, und der daraufhin flugs
an die Spitze des zweitgrößten deutschen Medienkonsortiums,
der WAZ-Mediengruppe, gewechselt war. Auch Hombach hat
Interesse daran, dass die Zeitungsboten der WAZ, die
ebenfalls an der PIN-Group beteiligt ist, die Briefe
"möglichst kostengünstig" transportieren.
Es ist kein Wunder, dass auch solche
SPD-Politiker als Söldner des Medienkapitals und
Steigbügelhalter von CDU und FDP bestens mit diesen Parteien
zusammenarbeiten.
Am 29.11.07 kam schließlich
die kurz zuvor erwartete Meldung, dass SPD und CDU/CSU sich
auf gesetzlich abgesicherte Mindestlöhne für Briefträger
geeinigt hätten. Anscheinend war der öffentliche Druck gegen
die Unterstützung der Lohnsklaverei durch die "Christen"
übermächtig geworden, insbesondere auch im Hinblick auf die
Landtagswahlen Anfang 2008 in Niedersachsen und Hessen.
Zuvor hatte noch die Gewerkschaft Ver.di notgedrungen einer
Beschränkung dieses jetzt beschlossenen Mindestlohns von
9,80 € (West) und 9,00 € (Ost) auf die Brief-Zusteller
zugestimmt. Damit konnte die CDU/CSU ihr "Einknicken" durch
Anerkennung der Allgemeingültigkeit wegen 50prozentiger
Tarifbindung (sh. oben)
bemänteln.
Für die Briefsortierer sind € 8,40 und 8,00 € vereinbart (sh.
"Staffelung Post-Mindestlohn",
pr-inside.com,
30.11.2007).
Viele andere, wie z.B. die Paketzusteller,
bleiben also ungeschützt. Für die Vereinbarung der
Mindestlöhne zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften
soll laut Regierungskompromiss die 50-Prozent-Hürde als
erfüllt gelten, die die CDU gegen die SPD aufgebaut und durchgedrückt hat
(sh. oben). Allerdings zahlt die Post ihren Briefzustellern
vielfach deutlich höhere Löhne, die nicht nur für einen
Ein-Personen-Haushalt reichen. Mit den 9,80 € und 8,00 €
bleibt der PIN und den übrigen CDU-Günstlinge also noch genug
Spielraum für ihre Lohndrückerei. Dennoch warnen die
Post-Konkurrenten vor erheblichem Stellenabbau in ihren
Reihen, weil sie nicht so viele reguläre Arbeitsplätze bei
der Post durch ihr Lohndumping vernichten können (sh. "Ärger
über Mindestlohn bei Briefträgern:
Postkonkurrenten sind enttäuscht
von Union",
netzeitung.de, 30.11.2007). Um andererseits den Druck zugunsten ihrer
Lohndrücker-Kundschaft zu
erhöhen, greifen die "Christen" jetzt verstärkt das
Mehrwertsteuerprivileg der Post an, das sie jedoch (gegen
die gehätschelten Rosinenpicker) zur Sicherung ihres
aufwendigen flächendeckenden und universellen Zustelldienstes innehat:
Merkel sagte, nun müsse analog zu anderen Bereichen auch
über die Mehrwertsteuerbefreiung bei der Deutschen Post
diskutiert werden.
(Sh. "Postboten
bekommen Mindestlohn", dw-world.de,
29.11.2007, und
Post-Universaldienstleistungsverordnung
(PUDLV) vom
15.12.1999).
Außerdem baut die Merkel-Fraktion mit ihren
Lobbyisten jetzt eine massive Front
auf gegen Mindestlöhne für weitere Dumping-Opfer (ebd.).
Der
Staat soll weiterhin Komplize bleiben für die Lohndrücker:
Falls seine Hartz-IV-Opfer deren Drücker-Löhne nicht
akzeptieren, sollen sie durch Hartz-IV-Entzug dazu gezwungen
werden.
Am 13.12.2007 preschte Springers BILD vor mit einer Meldung,
die das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung ihres
Kronzeugen Hans-Werner Sinn in Umlauf gebracht hatte: "Mindestlohn
kostet bis zu 1,9 Mio. Jobs!", bild.de,
13.12.2007 (einschließlich Foto von Hans-Werner Sinn mit
gekräuselter Stirn und erhobenem Zeigefinger). Andere
Springer-Medien bliesen in das gleiche Horn. Auch die
übrigen neoliberalen Meinungsmacher folgten unkritisch. Das
ifo-Institut München wollte sich offenbar den Rücken
freihalten mit der folgenden Erläuterung und dem Hinweis,
dass die zugrunde liegende Presse-Mitteilung von der ifo-Geschäftsstelle in Dresden stammt:
Unter Verwendung eines moderaten Reaktionskoeffizienten, der
eher im unteren Bereich der in der Literatur
veröffentlichten Schätzwerte liegt (1 Prozent Lohnerhöhung
bedeuten 0,75 Prozent Jobverlust), hat das ifo Institut
errechnet, dass von den Beschäftigten in diesen
Niedriglohngruppen im Osten voraussichtlich 23,3 Prozent und
im Westen 25,1 Prozent arbeitslos werden. Bezogen auf die
Beschäftigtenzahl der genannten Betriebe entspricht dies
einem Jobverlust von 9,9 Prozent im Osten und 5,5 Prozent im
Westen.
Wendet man diese Prozentsätze auf die Gesamtheit aller
privat beschäftigten Arbeitnehmer im Osten (4,7 Mill.) und
im Westen (26,1 Mill.) an, so ergibt sich, dass
flächendeckende Mindestlöhne in der genannten Höhe im Osten
rund 470 Tsd. und im Westen rund 1,42 Millionen Jobs
vernichten werden. Insgesamt ist also mittelfristig mit
einem Abbau von etwa 1,9 Millionen Stellen in Deutschland zu
rechnen, wenn die für die Briefträger der Post festgelegten
Mindestlöhne in allen Branchen der Bundesrepublik
Deutschland realisiert werden.
(Sh.
"Pressemitteilung:
Zu den Beschäftigungseffekten einer Einführung von
Mindestlöhnen",
cesifo.de,
12.12.2007.)
Interessant daran ist die zustimmend erläuterte Begründung,
nämlich die "Verwendung eines moderaten
Reaktionskoeffizienten, der im unteren Bereich der in der
Literatur veröffentlichten Schätzwerte liegt (1 Prozent
Lohnerhöhung bedeuten 0,75 Prozent Jobverlust)". Wie bei den
Neoliberalen üblich, wird also vollkommen ausgeblendet, dass
höhere Löhne auch eine höhere (Konsum-)Nachfrage bedeuten
und dass daraus zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Mit
wissenschaftlicher Redlichkeit hat solche Einseitigkeit
nichts zu tun. Gerade
in den Jahren des deutschen Wirtschaftswunders und noch
darüber hinaus blieb die Arbeitslosenquote bei kräftig
steigenden Löhnen auf äußerst niedrigem Niveau. Dagegen
stagnierte die deutsche Arbeitslosenquote auf
westeuropäischen Spitzenniveau in den letzten 15 Jahren bei
fallenden Reallöhnen. Auch ist die Arbeitslosenquote zum
Beispiel in Dänemark und in anderen Nachbarnländern
mit deutlich höheren Löhnen (und Spitzensteuersätzen
und/oder Steuerquoten) seit vielen Jahren nur etwa halb so
hoch wie in Deutschland (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Es mag durchaus sein, dass mit Mindestlöhnen zunächst einmal
Arbeitsplätze verloren gehen. So geschieht es ja offenbar
auch bei Springers PIN-Gruppe, weil sie nun - nach der
Bundestagsmehrheit für den Post-Mindestlohn - nicht mehr mit
ihrer Lohndrückerei kaum noch die regulären
Post-Arbeitsplätze vernichten und durch eigene Lohnsklaverei
mit Hungerlöhnen (sh. oben) ersetzen kann (sh. auch "Bundestag
beschließt Post-Mindestlohn", netzeitung.de,
14.12.2007). Aber die anschließende Schaffung von neuen,
anständigen Jobs durch die erhöhte Nachfrage wird von den
bestbezahlten Hohenpriestern des Neoliberalismus penetrant
ignoriert und nicht einmal erwähnt, obwohl das ganze
verkappte Propaganda-Werk doch umfassend betitelt ist: "Zu
den Beschäftigungseffekten einer Einführung von
Mindestlöhnen".
Nachdem die SPD auf Druck von links den Post-Mindestlohn
gegen die "Christliche" Union durchgefochten hat, sieht sie
die Rettung vor ihrem fortschreitenden Niedergang jetzt in
Debatten über weitere existenzsichernde Mindestlöhne, denn
deren Blockade verschärft sich in der CDU/CSU immer mehr. Als
nächste Branche wurde von der SPD die Zeitarbeit genannt.
Aber gerade hier kann das Lohn-Dumping nicht durch
Mindestlöhne verhindert werden, sondern nur durch gleichen
Lohn für gleiche Arbeit. Es ist schon bemerkenswert, dass
auch hier wieder DIE LINKE an die sozialdemokratische
Grundwerte erinnern muss (sh. die folgende Presseerklärung
unter
presseportal.de,
18.12.2007):
Berlin (ots) - "Ein Mindestlohn für Zeit- und Leiharbeit ist
der falsche Weg, um Lohndumping zu bekämpfen", erklärt der
Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine, zu
entsprechenden Vorstößen des SPD-Vorsitzenden:
Wer gleichen Lohn für gleiche Arbeit will, muss seine
politische Kraft darauf konzentrieren, Lohndumping in den
Unternehmen durch ausufernde Zeitarbeit zu verhindern. Es
ist ein unhaltbarer Zustand, dass immer mehr Unternehmen
nach den regulären Tarifen Beschäftigte entlassen, um sie
dann als Leiharbeiter zum halben Lohn dieselbe Arbeit
verrichten zu lassen. Das ist eine direkte Profitmaximierung
auf den Knochen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Ein Mindestlohn für Zeitarbeit ändert nichts an diesem
Skandal. Der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss
auch und gerade für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
uneingeschränkt gelten. Wer wie der SPD-Vorsitzenden Beck
einen Mindestlohn für Leiharbeit fordert, zementiert den
Zustand moderner Sklaverei, den die Leiharbeit darstellt."
Die Neoliberalen versuchen aber in ihren Talkshows, solche
Forderungen als typisch weltfremde linke Spinnereien
abzutun. Dies begründen sie, teilweise etwas herablassend, mit der
rhetorischen Frage, wer denn, bitteschön, den gleichen Lohn für gleiche Arbeit
bezahlen soll, da doch die Leiharbeitsfirmen auch bezahlt
werden müssten. Andererseits fordern sie die zusätzliche
Flexibilität durch Leiharbeit. - Wenn es ihnen allerdings
nicht um das Lohndumping, sondern nur um die Flexibilität
ginge, dann müssten sie doch bereit sein, für diesen
zusätzlichen Vorteil auch den angemessenen Preis zu zahlen.
Der Preis kann aber nur darin bestehen, dass die Mehrkosten
für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit bezahlt werden, sei es
durch höhere Stundensätze für die Leiharbeitsunternehmen
oder durch ausreichende Vermittlungsgebühren.
Die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze über die Leiharbeit
ist ein – meist arglistig - vorgeschobenes oder ein
nachgeplappertes Argument, denn eine Flexibilisierung
des betrieblichen Arbeitskräftepotentials durch Leiharbeit
ist auch bei "gleichem Lohn für gleiche Arbeit" möglich. Nur
so wird verhindert, dass die Leiharbeit lediglich zum
Vorantreiben der Dumping-Spirale führt.
Man könnte meinen, dass es der SPD mehr um das Reizthema "Mindestlohn" geht, als um eine wirkliche Hilfe für die
Dumping-Opfer, denn der Ersatz von regulär Beschäftigten
durch ausgebeutete Leiharbeiter liegt auf der Hand und wird
selbst von Konzernen mit Rekordgewinnen vorangetrieben:
Selbst Konzerne mit Rekordgewinnen wie BMW und deren
Zulieferer setzen auf Leiharbeit und das sogar im ganz
normalen Regelbetrieb. Laut Gewerkschaft arbeitet bei BMW in
Leipzig in der Produktion jeder zweite als Leiharbeiter und
verdient aufs Jahr gerechnet durchschnittlich nur halb
soviel wie ein Stamm-Mitarbeiter
(Aus "Arm
trotz Arbeit – Leiharbeiter", exact vom
10.4.2007, mdr.de.)
Auch Peter Bofinger (sh.
oben) hat inzwischen seine Skepsis gegenüber einem
Mindestlohn von mehr als 4,50 Euro relativiert. Dazu heißt
es beim zdf am
27.12.2007 unter der Überschrift: "Wirtschaftsweiser:
Lohnzurückhaltung bremst Wachstum"
Allerdings plädiere er für eine
geringere Höhe als die von den Gewerkschaften geforderten
7,50 Euro pro Stunde. Auch diese Zahl werde zwar im Saldo
wohl keine Stellen kosten. Vor allem wegen der schwer
einzuschätzenden Lage in Ostdeutschland sei dies jedoch
nicht sicher. Als Vorbild für die Gestaltung eines
Mindestlohns nannte das Mitglied des Sachverständigenrats
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Großbritannien. Dort werde dessen Höhe jährlich von einer
unabhängigen Kommission festgelegt.
Bemerkenswert ist, dass auch
einmal ein "Wirtschaftsweiser" den "Saldo" öffentlich nicht
ausblendet, also den selbstverständlichen Zuwachs an (Konsum-)Nachfrage
und Arbeitsplätzen, der durch Mindestlöhne entsteht und der
von den neoliberalen "Experten" penetrant unterschlagen wird.
Bofinger überwindet auch bei seinen Bemerkungen zur
Exportwirtschaft mit starker Argumentation die übliche
Irreführung durch die neoliberalen Volksbetrüger (ebd):
Deutschland wäre "eindeutig
besser gefahren, wenn die Löhne in den vergangenen Jahren um
rund einen Prozentpunkt pro Jahr stärker gestiegen wären",
sagte der Würzburger Volkswirt Bofinger der "Frankfurter
Rundschau". Das Argument, dass höhere Personalkosten im
internationalen Wettbewerb eine Behinderung darstellten,
treffe nicht zu. "Lägen die Löhne heute fünf Prozent höher,
wäre das deutsche Exportprodukt gerade ein Prozent teurer."
Die deutsche Industrie werde derzeit schließlich auch mit
einer zehnprozentigen Aufwertung des Euro gut fertig.
Die normalen Arbeitnehmer der
Exportindustrie sind zwar auch Opfer der Umverteilung nach
oben. Man sollte aber noch hinzufügen, dass sie dennoch weit
mehr als die Mindestlöhne verdienen, so dass die Einführung
von existenzsichernden Mindestlöhnen sich so gut wir gar
nicht auf die Exportpreise auswirkt.
Inzwischen fordern selbst viele Arbeitgebervertreter anderer Branchen Mindestlöhne (ebd):
Kurz vor Inkrafttreten des
Post-Mindestlohns am 1. Januar haben Arbeitgeber-Vertreter
eine Ausweitung auf weitere Branchen gefordert. "Die
Zeitarbeit braucht jetzt rasch einen Branchenmindestlohn",
sagte der Präsident des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA),
Volker Enkerts, der "Frankfurter Rundschau". Auch der
Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Wach- und
Sicherheitsunternehmen, Harald Olschok, sprach sich
gegenüber der Zeitung für Mindestlöhne aus: "Wir wollen mit
Mindestlöhnen für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen."
Es geht ihnen wohl weniger
darum, dass ordentliche Arbeit auch anständig bezahlt wird,
aber sie haben Grund zu der Befürchtung, dass auch sie
selbst zu Dumpingopfern werden, weil mit der bevorstehenden
Öffnung des Dienstleistungsmarktes ihre Märkte durch
östliche Zeitarbeitsfirmen überschwemmt werden.
Auch zwei von drei Arbeitgeberverbänden der
Leiharbeitsbranche (BZA und IGZ) haben dies erkannt.
Lediglich der Niedriglohn-Arbeitgeberverband AMP ist
dagegen. Er hat in den "christlichen Gewerkschaften" einen
Lohndumping-Partner gefunden und will daher – wie die
"Christliche Union" - an der fortschreitenden Lohnsklaverei
festhalten (sh. "Politiker
warnen vor Mindestlohn in der Zeitarbeit",
netzeitung.de,
12.2.2008). Für diese unheilige Allianz sind
selbst die vorgeschlagenen Hungerlöhne von 7,31 Euro West
und 6,36 Euro Ost noch zu hoch und die Mindestlohn-Pläne des
neoliberalen SPD-Ministers Olaf Scholz viel zu links.
Dagegen haben die hochbezahlten Lobbyisten alle Geschütze in Stellung gebracht. Die
Financial Times Deutschland schreibt "die Zahl der
Widersacher wächst schnell" und titelt gar "Scholz’
gefährliches Spiel" (ftd.de,
13.2.2008), weil er sich
"politische Feinde" mache, wie z.B. den Industrie-Lobbyisten
und Vorsitzenden des "Mittelstandskreises" Michael Fuchs,
den verhinderten BDI-Präsidenten
Norbert Röttgen und den RWE-Nutznießer
Laurenz Meyer, alle CDU. Von solchen Leuten
war in der Tat nichts anderes zu erwarten.
Der Mindestlohn im Baugewerbe erscheint auf den ersten
Blick als Bollwerk gegen Lohndrückerei. Es gibt
jedoch zahlreiche Umgehungen und niedrigere Tariflöhne für
baunahe Leistungen, insbesondere in Ostdeutschland, wo
ansonsten die Tarifbindung sehr gering ist. Damit erscheint
gerade dort der Mindestlohn besonders wichtig. Es entsteht
aber ein Druck durch Lohndumping auf die Arbeitgeber, die
die Mindestlöhne bezahlen müssen, auch wenn die Mindestlöhne
dort unter zehn Euro liegen. Der große Abstand dieser
Niedriglöhne zu den übrigen Dumping-Löhnen führt dazu, dass
die kleinen Bauunternehmer im Zentralverband des Deutschen
Baugewerbes (ZDB) eine Verlängerung der Mindestlohn-Regelung
am liebsten ganz ablehnen würden, obwohl gerade sie nach der
bevorstehenden Freigabe der Dumping-Konkurrenz aus Polen und
Tschechien zusammenbrechen könnten. (Sh.
"Neuer Konflikt um Mindestlohn am
Bau", lr-online.de, Seite besucht
am
22.6.2008). In einer Pressemitteilung der IG
Bauen-Agrar-Umwelt vom 13.6.2008 heißt es:
Nach einer Untersuchung des HDB hat der Mindestlohn während
der Baukrise der letzten Jahre den Abbau von rund 250 000
Arbeitsplätzen im Bauhauptgewerbe verhindert.
(Sh.
pressrelations.de,
13.6.2008. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie HDB
vertritt insbesondere auch größere Bauunternehmen und setzt
sich für den Mindestlohn ein.)
Und unter http:/www.gebaeudereiniger-nordbayern.de/downloads/
(besucht
22.6.2008) findet sich folgende Erläuterung zum
Entsendegesetz:
Dieses Gesetz hat sich in der Baubranche seit 1996 bereits
bestens bewährt. Man geht davon aus, dass über 250.000
Arbeitsplätze damit gesichert worden sind. Denn danach
müssen auch ausländische Arbeitnehmer nach geltendem Tarif
bezahlt werden.
Nur mit einem allgemeingültigen und existenzsichernden
gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen lässt sich daher
der Dumping-Druck auf die bisherigen Mindestlohn-Branchen
mindern.
Der Mindestlohn allein kann das Problem der Dumping-Löhne
allerdings nicht lösen, da er - wie bei der PIN von Axel
Springer & Co. - leicht ausgetrickst werden kann. Auf starke
Gewerkschaften kann nicht verzichtet werden. Dies dürfen
natürlich keine Schein- und Betrugs-Gewerkschaften von
Gnaden der Arbeitgeber sein. Vertrauenswürdiger wirkt eine
erneute Initiative aus Nordrhein-Westfalen:
Als Gegenwehr gegen die Lohndrückerei sollten
demnach auch "moderate tarifvertragliche
Differenzierungsklauseln" eingeführt werden, damit die
Gewerkschaftsmitglieder durch ihren Mitgliedsbeitrag einen
persönlichen Vorteil haben und nicht die kompletten Beiträge
für Trittbrettfahrer mitbezahlen. Unabhängig von
parteipolitischer Orientierung ist anzuerkennen, dass
Karl-Josef Laumann, der Vorsitzenden des Arbeitnehmerflügels
in der CDU Nordrhein-Westfalen, diesen Missstand offen zur
Sprache bringt. Dazu heißt es bei rp-online.de vom 11.9.2008
unter der Überschrift
"CDU: Vergünstigungen für Gewerkschafter":
"Die NRW-CDU hat an die Arbeitnehmer und -geber appelliert,
sich den Gewerkschaften bzw. ihren Verbänden anzuschließen.
Dadurch soll die Tarifautonomie gestärkt werden. Zudem
spricht sich die Landespartei für "moderate
tarifvertragliche Differenzierungsklauseln" aus.
Gemeint sind Vergünstigungen, von denen nur die
gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer profitieren.
CDU-Fraktionschef Helmut Stahl spricht von einer "kleinen
Revolution". Der Arbeitsrechtler Ulrich Preis betonte, dabei
dürfe es aber nicht um Lohnanhebungen gehen, denn dann
würden die Arbeitnehmer unzulässigerweise gezwungen, einer
Gewerkschaft beizutreten. Als Größenordnung nannte er
Vergünstigungen im Wert von bis zu 600 Euro im Jahr. Nach
Angaben des CDU-Sozialexperten Peter Preuß gibt es
Vergünstigungen für Gewerkschaftsmitglieder bereits in
Firmentarifverträgen – "es wird nur nicht gern darüber
gesprochen". Stahl dagegen betonte: "Wir durchbrechen das
Tabu." Die FDP zeigte sich verwundert. Das Prinzip "gleicher
Lohn für gleiche Arbeit" dürfe nicht in Frage gestellt
werden, warnte Gerhard Papke. Dies habe bisher auch die CDU
so gesehen – "ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt". Erst
2007 habe NRW-Arbeitsminister Laumann (CDU)
Differenzierungsklauseln als unzulässig bezeichnet. Stahl
dagegen will das Thesenpapier zur Tarifautonomie in die
Bundespartei tragen: "Wir bleiben am Ball."
Wer seinen Augen oder Ohren nicht traut, kann dies auch noch
einmal in eingängiger Form nachlesen in dem Artikel:
"Tarifautonomie: Müssen Gewerkschafter mehr verdienen?
Ver.di und Co. laufen die Mitglieder weg. Die Politik
will deshalb den Eintritt in eine Gewerkschaft bezuschussen
– mit dem Geld der Arbeitgeber", focus.de,
11.9.2008, oder
gleich das
DLF-Interview mit Karl-Josef
Laumann vom
11.9.2008 um 6:51h, dort zum Herunterladen.
Zurück zum Abschnitt 1:
Was sagen amerikanische Ökonomen zu
Steuersenkungen für Bestverdiener und Meinungsmacher?
Was bringt dagegen die Rossäpfeltheorie?
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