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Stand 6. April 2007.
Zuletzt ergänzt am 2. April 2008.
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Meinungskauf
Demokratie und Plutokratie
Der Dateiname
Demokratie-Kauf.htm bezieht sich auf den Meinungskauf in
einer Demokratie und damit auch auf den Stimmenkauf.
Typisch für den manipulativen Meinungskauf ist die
Konzentration großen Medienkapitals zur Meinungsmache
wie zum Beispiel in Italien, in den USA, Großbritannien,
in vielen Entwicklungsländern und in Deutschland, hier
besonders mit dem geplanten, aber gescheiterten Kauf von
ProSiebenSat1
durch den Axel-Springer-Konzern. (Zum Thema Manipulation
in Italien reicht zunächst der Name
Silvio Berlusconi.
Sh. auch hier
Pro7Sat1.htm.
Zu den USA, Großbritannien und Deutschland sh. z.B. hier
unter
Linksbuendnis.htm#Rupert_Murdoch
und zu Deutschland außerdem überall auf den Seiten zur
Rossäpfel-Theorie.)
Die
Konditionierung durch den manipulationsstärksten
US-Sender Fox-TV von Rupert Murdoch und dessen
Meinungskauf wurden bereits eingehend untersucht und
durch Umfragen gemessen anhand der Akzeptanz von Irak-Lügen bei dessen
Massenpublikum im Vergleich zu Nutzern anderer
Informationsquellen (sh.
Steven
Kull et al.: "Misperceptions,
The Media and the Iraq War", Menlo Park, California,
2.10.2003).
Es geht aber auch um
die verdeckte und kaum messbare Meinungsmache mit den
Millionenbeträgen starker Söldner-Trupps wie bei den
Denkfabriken (sh. hier das Beispiel
INSM) und um die
teilweise erpresserische Beeinflussung von Medien mit
Hilfe großer Werbeetats.
In den modernen "Demokratien" hat solche Meinungsmache
mit Hilfe des großen Privatkapitals ein derartiges
Ausmaß angenommen, dass es durchaus wahlentscheidend
sein dürfte. Mit Hilfe dieses "Informationskapitalismus" werden laufend
Kampagnen finanziert zur weiteren steuerlichen
Umverteilung nach oben in die Taschen der
Kapitalbesitzer (sh.
rossaepfel-theorie.de).
Nur wenige von ihnen kritisieren diese
Selbstbereicherung auf Kosten des Volkseinkommens. Zu
diesen Umverteilungskampagnen kommen die hergesuchtesten
Diffamierungskampagnen gegen Politiker, die sich der
Umverteilung nach oben widersetzen. Zugleich wird den
Normal- und Kleinverdienern des Exportweltmeisters
Deutschland Lohnzurückhaltung gepredigt, ihre
Konsumzurückhaltung ("Angstsparen") kritisiert und ihnen
die Notwendigkeit privater Vorsorge wegen der
beschlossenen Rentenkürzungen eingehämmert.
Beispielhaft für die Meinungsfabrikation in den USA ist
nicht nur die landesweite Wählertäuschung durch Sender
wie Fox TV von Rupert Murdoch, sondern auch die
Manipulations-Industrie der privaten polit-ökonomischen
"Forschungsinstitute" und PR-Unternehmen mit
hochbezahlten
"Spin-Doctoren",
die die Medienmacher mit vorgefertigten
Desinformations-Berichten versorgen. Dazu heißt es in
einem DLF-Feature zur dieser Milliarden-Branche:
Die
amerikanischen Medien machen sich eine Menge Vorwürfe.
Vor allem im Vorfeld des Irak-Krieges, so die fast
einhellige Selbsterkenntnis, haben sie versagt. Sich mit
Halbwahrheiten und Lügen abfüttern lassen und kaum
nachzufragen gewagt. Weil das als unpatriotisch geholten
hätte. Eine Recherche des Center for Public Integrity
offenbarte, dass Präsident Bush und seine sieben
Spitzenkräfte zwischen September 2001 und September 2003
zu Massenvernichtungswaffen und al-Qaida- Verbindungen
im Irak 935 Falschaussagen gemacht hatten. Eigentlich
genug Zündstoff für eine funktionierende kritische
Öffentlichkeit…
Hohe Politik
hier - und in jedem anderen Land, wo Pressekonferenzen
abgehalten werden - besteht heute vor allem aus
fabrizierten Nachrichten.
(Sh.
"Spin – Oder: Die Industrialisierung der
Meinungsproduktion", dradio.de,
28.10.2008.)
Beim
Irak-Krieg wurde der Betrug durch die Medien und sein
Verbreitungsmechanismus offenkundig. Dagegen läuft
dieser Betrug an den Umverteilungsopfern durch die
profitierenden Meinungsmacher seit
Menschengedenken immer weiter, wenn nicht die Aufklärung
auch einmal diesen Bereich erfasst.
Allerdings sind die zwischengeschalteten Meinungsmacher in den
Redaktionen und Talkshows nicht nur Opfer der
Manipulation, sondern haben als Bestverdiener auch
ein Eigeninteresse an dieser Umverteilung nach
oben in ihre eigenen Taschen. Dass durch diese
drastische Konsumschwächung der
Bevölkerungsgruppen mit der höchsten Konsumquote viele Arbeitsplätze
vernichtet werden, betrifft die bestbezahlten
Meinungsmacher nicht unmittelbar.
Die Kapitalbesitzer und Best-"Verdiener" stärken durch
ihre wahlentscheidende Einwirkung zunehmend ihren
Einfluss auf
die Gesetzgebung zu ihrem Vorteil, so
dass ein schleichender Übergang von der Demokratie zur
Plutokratie und Oligarchie erfolgt.
Dabei ist "Plutokratie" nicht im Sinne von
wissensbeflissenen und verharmlosenden Schulbuchdefinitionen
zu verstehen, sondern von tatsächlicher
Herrschaft des Geldes und durch das Geld bis in die
"freie" manipulierte Meinung und dadurch gekaufte
Stimmabgabe hinein. Der Reichtum
(griech. ploũtos) ist dabei nur die oberste Stufe, auf
die sich die Zwischenstufen der Meinungsmache wie auf ein quasi
übernatürliches "summum
bonum" oder "Goldenes Kalb" beziehen.
Diese Aushöhlung der Demokratie kann man auch als
"Klassenkampf von oben" bezeichnen. Dafür ist das "Victory"-Zeichen von Josef Ackermann noch ein
vergleichsweise harmloses Indiz (sh. Hans-Martin
Lohmann: "Klassenkampf von oben",
DIE ZEIT 30.6.2005 Nr. 27, zu dem Buch von
Hans-Peter Bartels: Victory-Kapitalismus).
Wesentlich gefährlicher für die Demokratie ist der
massive Neoliberalismus (= Agitation für Umverteilung
nach oben) der meisten Meinungsmacher.
Das Eigeninteresse der neoliberalen Meinungsmacher
erklärt auch, warum diese Agitation nicht nur in den
Medien des großen Privatkapitals oder in den
anzeigenabhängigen Medien des kleinen Privatkapitals
erfolgt, sondern durchaus auch in den
Proporz-gesteuerten öffentlich-rechtlichen Medien.
So berichtete schon die erste "Tagesthemen"-Moderatorin
Barbara Dickmann
am 1.4.2008 bei Sandra Maischberger über ihren Einstieg
im Jahre 1979 als links eingestufte Journalistin und
über die unerträglichen Querschüssen gegen sie aus
Programmdirektion, Chefredaktion und von den
CDU-Fernsehsendern. Ihre Text-Entwürfe wurden von ihren
damaligen Chefs zunächst gar nicht gelesen, sondern
gleich als völlig mangelhaft abgetan.
Die Ungleichverteilung des Volkseinkommens zugunsten
solcher irreführenden Meinungsmacher ist extrem (sh.
Serge Halimi: "Journalismus in den USA -
Die Konten der Kommentatoren", Le Monde
Diplomatique/taz.de, 16.8.96). Dadurch entsteht eine
neue kapitalistische Klassenstruktur, die im Hinblick
auf die Verteilung des Volkseinkommens an die Strukturen
des Feudalismus oder Imperialismus erinnert, also an die
Begünstigung systemtreuer Repressions-Diener als Protektoren,
Militärs und Hohepriester. Der Ökonomie-Professor
Herbert Schui (WASG) formuliert dieses Problem bei einer
DGB-Veranstaltung aktualitätsbezogen:
Das Volkseinkommen
müsse umverteilt werden. Die Verteilung spiegele stets
die Verhältnisse wider, unter denen produziert wird. Für
Deutschland hieße das laut Schui: "Mächtige Unternehmer,
weniger mächtige Gewerkschaften und eine verrottete
Sozialdemokratie." Dabei strebe die "Großwirtschaft"
stets nach noch höheren Gewinnen, wovon der einzelne
Arbeitnehmer rein gar nichts habe.
Einen Weg aus diesem Dilemma sieht Schui darin, die
Autonomie der Unternehmer einzuschränken. Das Parlament
etwa könne höhere Unternehmens- und Vermögenssteuern
beschließen. "Aber auch die Gewerkschaften müssten ihre
Macht entfalten und für eine Umverteilung sorgen." Dies
alles würden die Konzerne um jeden Preis verhindern
wollen, indem sie die Politik infiltrierten, die Medien
kontrollierten und die Demokratie diskreditierten. Sein
Fazit: "Die Demokratie schränkt den Kapitalismus ein,
also muss er sich ihr entledigen." Gleichzeitig brauche
er aber den Staat, der dann nur in einer autoritären
Form, als "Obrigkeitsstaat", weiterbestehen könne.
(Sh. "Umverteilung
zur Rettung der Demokratie",
echo-online.de, 12.3.07. Das
ungezügelte Gewinnstreben der "Großwirtschaft" ist
untrennbares Merkmal des kapitalistischen
Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft kann nur
durch die Gemeinschaft (Sozietät) gegen die Herrschaft
des Kapitals über ihre individualisierten bzw.
atomisierten Mitglieder, Opfer und Profiteure,
durchgesetzt werden. Der Spielraum der Gewerkschaften
ist kleiner geworden. Die Mittel gegen die Umverteilung
nach oben könnten weitgehend marktkonform sein, also die
Vorteile der Marktwirtschaft nutzen Wichtigster erster
Schritt wäre daher eine Besteuerung nach dem Vorbild der
skandinavischen Erfolgsmodelle, völlig konträr zur
Umverteilungspolitik der deutschen Neoliberalen.
Der Begriff "Kapitalist"
hilft in diesem Zusammenhang kaum weiter, weil sich das
Eigeninteresse der mittleren Ebene eher noch stärker
auswirkt als das Kapitalinteresse und weil es auch
einige wenige "Kapitalisten" gibt, die sich gegen die
Umverteilung nach oben entschiedener äußern als die
meisten Opfer dieser Umverteilung und die kleinen
Profiteure (sh. die Beispiele Buffett, Soros, O'Neill,
Krämer, Bär und, mit überragendem politischen
Engagement, Friedrich Engels, unter
rossaepfel-theorie.de).
Selbst die Opfer dieser Umverteilung sind von der Kritik
nicht ausgenommen, denn gerade sie könnten durch ihre
Wahlentscheidungen die Demokratie rehabilitieren, wenn
sie sich selbst um Aufklärung bemühten. Sh. dazu
Immanuel Kant: "Was
ist Aufklärung?":
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Aber diese Kritik an den
Opfern gilt wegen der massiven Manipulation nur
eingeschränkt. Andererseits ist eine Demokratie äußerst
gefährdet, wenn die Opfer ihrer Aushöhlung selbst kein
Interesse zeigen:
Während 1960 noch 65 Prozent der US-Bürger an
Präsidentschaftswahlen teilnahmen, waren es bei den
letzen Wahlen weniger als 50 Prozent. Nicht, weil alle
anderen zufrieden sind, sondern weil die weniger reichen
Bevölkerungsschichten zunehmend resignieren. Denn von
den Personen mit einem Jahreseinkommen um 35000 Dollar
gehen nur noch rund 35 Prozent zur Wahl, von denen mit
einem Einkommen um 75000 Dollar aber rund 75 Prozent.
Zitiert aus Karl Müller:
"Warum der ’Klassenkampf von oben’ so gefährlich ist",
zeit-fragen.ch, 16.6.2003. Noam Chomsky schreibt
dazu:
"… die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten
Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich
gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können…"
Quelle: Media Control von Noam
Chomsky (2003), dt. Erstausgabe, zitiert nach
http://de.wikipedia.org/wiki/Noam_Chomsky.
In ihrem Buch
Manufacturing Consent: the Political Economy of the
Mass Media haben Noam Chomsky
und Edward S. Herman ihr
Propaganda-Modell dargestellt, mit dem gerade der
Meinungskauf durch die Anzeigenkunden einen besonderen
Stellenwert hat. Dazu heißt es in dem verlinkten Wikipedia-Artikel:
Insbesondere den
Rüstungskonzernen liegt es nahe, durch die
"Realitätskontrolle" über die Massenmedien das
Gefahrenbewusstsein der Bevölkerung und somit der
Politik zu steuern.
Gerade in den USA gibt es kaum noch Massenmedien, die
nicht irgendwelchen Grosskonzernen gehören - und recht
oft bilden Grosskonzerne in einer Sparte
(Nachrichtensender, Tageszeitungen, Radio) ein
Oligopol. Das
amerikanische Netzwerk Clear Channel Communications etwa
besitzt 1'200 Radio- und 30 TV-Stationen.
In der EU soll die
wirtschaftliche Basis des Privatfunks durch die
Fernsehrichtlinie weiter gestärkt werden, so dass auch
hier ein verstärkter Meinungskauf durch manipulative
Interessengruppen zu erwarten ist. Gerade im
Bereich des Privatfernsehens spielt die "Pflege der
politischen Landschaft" eine besondere Rolle, wie die
vielen hunderttausend Euro "Berater"-Honorare von Leo
Kirch an Helmut Kohl und andere CDU-"Größen" zeigen (sh.
hier
Kohl-Verteilung.htm
und
Pro7Sat1.htm).
Zum Demokratie-Kauf gehört auch der Kauf
von hochbezahlten EU-Bürokraten für die Durchsetzung von
Lobby-Interessen. Der Korruptionsverdacht erfordert
nicht einmal Bestechung, sondern es reicht schon das
Zuschanzen von noch höher bezahlten Posten oder
sonstigen "Gefälligkeiten" wie z.B. bei der Berufung von
Martin Bangemann
(FDP) als Vorstandsmitglied der spanischen Telefónica,
für die er unmittelbar vorher als EU-Kommissar zuständig
war. Ein Mittel dagegen wären erheblich verschärfte
Transparenz-Regeln, etwa nach den Standards der USA oder
noch besser der skandinavischen Staaten. Solche
Transparenz wird aber abgewehrt durch die
Hauptprofiteure und ihren neoliberaler Anhang (sh.
"ALTER-EU kritisiert das
Transparenzregister der EU-Kommission",
nachdenkseiten.de,
19.2.2008).
Als weiteren
Informationsfilter beschreiben Chomsky und Herman das
Meute-Phänomen "Flak":
Die Autoren von "Manufacturing Consent:
the Political Economy of the Mass Media" benutzen den
Begriff "Flak"
für relativ direkte und zielgerichtete Aktionen gegen
Organisationen oder Personen, die gerade daran sind, die
herrschenden Ansichten zu kritisieren.
Anders als die vorigen drei Filter sind "Flak" und der
Einsatz von "Anti"-Ideologien nicht ökonomischen
Ursprungs. Beim "Flak" kann es durchaus ein erboster
Minister sein, der mit einem Telefonanruf einen Redakteur
massregelt; oder eine Interessengruppe, die in Aktion
tritt, sobald ein Massenmedium den "Anstand" missachtet.
Aus ökonomischer Sicht kann
man jedoch im "Flak" sofort den "ökonomischen Ursprung"
erkennen, denn es geht vor allem um Angriffe gegen "Organisationen oder Personen", die sich der
Umverteilung nach oben entgegenstellen (z.B.
Linksbündnis, Lafontaine - sh. unten).
Zur "Empirischen Basis des Propagandamodells" heißt es
bei
Wikipedia:
Chomsky und Herman haben das Propagandamodell empirisch
getestet, in dem sie gepaarte Beispiele untersucht haben
- also Paare von Ereignissen, welche objektiv gesehen
identisch oder sehr ähnlich waren, mit Ausnahme der
Interessen der einheimischen Oberschicht. Wenn ein
"offizieller Feind" etwas tut - wie etwa einen Bischof
töten - untersucht die Presse den Fall eingehend und
beschert dem auch eine grosse Beachtung. Aber sobald die
einheimische Regierung oder eine befreundete Nation das
gleiche oder etwas Schlimmeres unternimmt, wird die
Bedeutung des Vorfalls heruntergespielt.
Ein typisches Beispiel für
"gepaarte Beispiele" sind z.B. die Kampagnen gegen
Lafontaine zum Thema "Fremdarbeiter", "Mallorca-Flug", "Ferien-Domizil",
"Palast der sozialen Gerechtigkeit"
usw. (sh. hier
Linksbuendnis.htm
und
Rossäpfel-Theorie), denn die
Nutzung von einkommensgemäßen Annehmlichkeiten durch die
neoliberalen Best-"Verdiener"
und ihre regelmäßige
Verwendung des Begriffs "Fremdarbeiter" in ihren Medien
werden völlig ausgeblendet. Sie können und wollen wohl
nicht begreifen, dass jemand nicht nur mit seinem
Portemonnaie denkt. Sie können sich nicht vorstellen,
dass jemand als Bestverdiener die Steuersenkungen für
Bestverdiener anprangert und die Umverteilung nach oben
entlarvt. Sie erwarten anscheinend, dass er sich dann
zumindest auf die Umverteilung seines Einkommens nach unten
beschränkt, damit ihr Parasitismus nicht in
beeinträchtigt wird.
Es wurde oben schon angedeutet, dass die Gefährdung der
Demokratie nicht nur von "Kapitalisten" ausgeht.
Gegenstand der Kritik sind hier vielmehr die
neoliberalen Meinungsmacher und die Finanziers ihrer
Meinungsmache. Keiner von ihnen allen kann sich aus
seiner persönlichen Verantwortung herausreden.
Die Rolle dieser Meinungsmacher wird besonders deutlich bei der Lektüre des
Artikels von Serge Halimi: "Die
Konten der Kommentatoren" (sh. oben). Es geht zwar um die USA, aber inzwischen sind
die Einkommen der deutschen Talkshow-Moderatoren und
sonstigen Meinungsmacher auch bei den darin genannten Zahlen
angekommen, so dass auch die meisten von ihnen sich auch
hierzulande nur
echt engagiert zeigen, wenn es um ihren Spitzensteuersatz
geht:
Die politische Debatte hatte sich in ein Potpourri von
launigen Sprüchen verwandelt, von Berufshumoristen
verfaßt und fernsehtauglich gemacht. So hämmerte George
Bush seinen Zuhörern bei jeder Ansprache ein: "Read
my lips: no new taxes!" ("Glauben Sie mir: es wird
keine neuen Steuern geben!") Einschließlich Applaus
stimmte damit die Rechnung an Sekunden. Und am Wahltag
stimmte auch die Rechnung bei den Stimmen…
Schuld ist also vor allem das Geld. Manche
amerikanischen Journalisten scheuen sich nicht, für
einen Redebeitrag von vierzig Minuten 5000 Dollar zu
verlangen (Jane Brody, Spezialistin für
Gesundheitsfragen bei der New York Times), oder
10000 Dollar (Ray Brady, Wirtschaftsjournalist bei CBS
News), oder 20000 Dollar (Dare Barry, Humorist beim
Miami Herald), ja sogar 30000 Dollar (Bryant Gumble,
Sprecher der Morgennachrichten bei NBC) und auch 50000
Dollar (Larry King, Talkshow-Star beim CNN)...
In den Vereinigten Staaten stößt sich niemand an
folgender Bemerkung von James Fallows: "Was die
ökonomischen Fragen betrifft (Steuern, Sozialhilfe,
Wirtschaftspolitik, Kampf gegen das Defizit, Haltung
gegenüber den Gewerkschaften), so ist die Meinung der
renommierten Journalisten im gleichen Maße konservativer
geworden, wie ihr Einkommen gestiegen ist…
In seinem Buch gibt Howard Kurtz verschiedene Beispiele
für die Voreingenommenheit von Journalisten, die gut im
Geschäft sind. Als Präsident Clinton einen der wenigen
fortschrittlichen Beschlüsse seiner Amtszeit faßte,
nämlich die Erhöhung der Einkommenssteuer um 1 Prozent
für Höchstverdiener, machten zahlreiche "große
Leitartikler" - die um so empörter waren, als dieses
Gesetz sie selbst schmerzlich traf - die öffentliche
Meinung sogleich glauben, die steuerliche Belastung sei
für alle größer geworden...
Ursprünglich war Cokie Roberts nur eine gute, eher linke
Radiojournalistin. Dann wurde sie ein Fernsehstar, den
man häufiger auf dem Bildschirm denn vor Ort finden
konnte. Mittlerweile verlangt sie schon mal 35000 Dollar
für einen Vortrag. Da Arbeitslosenorganisationen nur
selten über einen solchen Betrag verfügen, tritt sie
inzwischen recht häufig vor Industrie- und Finanzlobbies
auf. Ihre Einstellungen haben sich geändert: Sie sind
konservativer geworden. Insbesondere in Steuerfragen.
(Serge Halimi
bezieht sich in diesem Text auf die bemerkenswerten
Bücher von
James Fallows: Breaking the News: How the Media
Undermine American Democracy, New York (Pantheon Books)
1996 und Howard Kurtz: "Hot Air: All Talk, All the Time",
New York (Times Books) 1996.)
Den Missbrauch der
Demokratie kritisiert auch besonders engagiert der
Politologe Michael Brie in seinem Beitrag zum
Europäischen Sozialforum: "So
viel Demokratie war noch nie". Daraus einige
Auszüge:
Heute nun scheinen die
Herrschenden zur Erkenntnis gekommen sein, dass man auf
die sozialen Rechte doch verzichten kann. Sie sehen sich
so fest im Sattel, dass sie eine neue große Welle der
Enteignung eingeleitet haben: Sie nehmen uns die
sozialen Rechte, das öffentliche Eigentum, die Fähigkeit
zur Bildung demokratischer Gegenmächte, und sie haben
uns über ihre Kontrolle der Medien weitgehend die
demokratische Öffentlichkeit genommen...
Demokratie ist deshalb heute so billig zu haben, weil
sie zur Fassade geworden ist für eine neoliberale
Herrschaft. Was wir brauchen, ist eine andere Demokratie
als Teil einer anderen Welt: Gesucht wird eine
partizipative Demokratie, die auf sozialer und
wirtschaftlicher Demokratie basiert. Diese aber ist
nicht zu finden: Sie muss erst noch geschaffen werden!
Und in Momenten wie denen des Sozialforums können wir
spüren, dass sie möglich ist.
Man hat den Eindruck, dass
viele neoliberale Meinungsmacher die Demokratie
besonders deshalb schätzen, weil sie die Pressefreiheit
zur Wählertäuschung und zur Umverteilung des
Volkseinkommens nach oben in die eigenen Taschen missbrauchen können.
DIE ZEIT brachte
am 1.2.2006 ein Interview
von Helmut Schmidt und Theo Sommer mit dem Historiker
Fritz Stern, der vor den Nazis in die USA fliehen
musste. Stern sprach über die Plutokratie in den USA,
aber die deutschen Neoliberalen sind auf dem besten
Wege, die Demokratie auch hierzulande in eine
Plutokratie (sh. obige Definition) umzupressen:
Schmidt: Wieso können eigentlich einige
der gegenwärtig tonangebenden Amerikaner zugleich
Kapitalismus und Demokratie über die Welt verbreiten
wollen – in dem Glauben, beides im Namen und
entsprechend dem Willen des christlichen Gottes zu tun?
Stern: Da sprechen Sie eine meiner
größten Besorgnisse an. Wir leben in Amerika in einer
christlichen Plutokratie; einer Plutokratie, die sich
christlich nennt und christlich einfärbt; einer
Plutokratie, die von den Fundamentalisten unterstützt
und bejubelt wird. Die Regierung will die Demokratie
exportieren – verengt oder bedroht sie aber zu Hause.
Den wirklichen Freiheiten droht in Amerika Gefahr. Die
Regierung hat den 11. September systematisch ausgenutzt,
um ihre politische Macht zu verstärken...
Sommer: Sie haben gelegentlich davor
gewarnt, in einen kapitalistischen Triumphalismus zu
verfallen, und haben die menschlichen, die moralischen
und die materiellen Schäden beschworen, die durch
entfesselte Gier entstehen.
Stern: Entfesselte Habgier.
Sommer: Sie schreiben: »Die Balance
zwischen den Bedürfnissen des freien Marktes und den
Ansprüchen der sozialen Gerechtigkeit ist immer
umstritten, sie bedarf des sozialen Ausgleichs.« Um
diesen Ausgleich bemüht sich derzeit in Berlin die Große
Koalition. Wo liegt da die vernünftige Mitte? Welchem
Modell soll die Große Koalition folgen? Dem
amerikanischen, dem skandinavischen? Oder genügen
Reparaturarbeiten an dem alten Modell des so genannten
rheinischen Kapitalismus?
Stern: Als Antwort auf eine so schwierige Frage
kann ich nur schablonenhaft sagen: eher
rheinisch-skandinavisch als amerikanisch. Es gibt
verschiedene Arten des Kapitalismus, selbst in Amerika.
Der amerikanische Kapitalismus in den New-Deal-Zeiten
war ganz anders, als er jetzt ist. Das Ausmaß von
Korruption und Ungleichheit in Amerika heute erinnert an
die so genannten robber barons des 19.
Jahrhunderts, ist politisch aber sehr viel gefährlicher.
Habgier und die Korruption sind ungeheuer. Und jetzt
wird immer klarer, wie sehr die Demokratie dadurch
gefährdet wird. Umso mehr müssen wir uns stets um die
wirkliche Demokratie bemühen.
Interessant ist, wie solche
Verteilungsthemen in der deutschsprachigen Wikipedia
für die enorm anwachsende überwiegende jüngere
Leserschaft zurecht frisiert werden, um die
Jungwähler auf die neoliberale Linie zu trimmen.
Dabei wirken nicht nur professionelle neoliberale
Manipulateure mit, sondern vor allem die bereits
Getrimmten, bei denen das Medienkapital durch viele
Wechselwirkungen bereits seine Wirkung erreicht hat (sh.
hier z.B.
Wir-Papst-Du-Deutschland.htm):
Die englischsprachige Wikipedia begnügt sich nicht mit
der Weichspülerei des "Plutokratie"-Begriffes durch die
Beschränkung auf seine historische Bedeutung, sondern
behandelt die aktuelle Bedeutung mit gleicher
Ausführlichkeit (sh. hier die synoptische
Gegenüberstellung des englischsprachigen Textes mit
seiner Übersetzung unter
Plutokratie.htm,
Stand 7.4.06):
Die zweite Wortbedeutung von Plutokratie bezieht sich
abwertend auf den großen ungerechtfertigten Einfluss, den die
Wohlhabenden auf das politische Geschehen in der heutigen
Gesellschaft haben. Dieser Einfluss kann ausgeübt werden im aktiven
Sinne (durch finanzielle "Beiträge" bzw. manchmal auch
Bestechungsgelder) oder im passiven Sinne durch die Verweigerung von
finanziellen Beiträgen zur Regierungsarbeit (Steuerverweigerung,
Drohung mit Verlagerung gewinnbringender Unternehmen usw.). Er kann
auch ausgeübt werden durch Besitzer oder Käufer von
Medienunternehmen, die die öffentliche Wahrnehmung von politischen
Vorgängen formen können (z.B. die beschuldigten Nachrichtenprogramme
von Rupert Murdochs Mediengesellschaften in Australien,
Großbritannien und den Vereinigten Staaten oder die Bemühungen von
George Soros um die Unterstützung von linken politischen Gruppen)
und durch die Ölindustrie bei der Unterstützung von rechten
politischen Gruppen.
In jüngster Zeit gab es zahlreiche Fälle, in denen wohlhabende
Personen und Organisationen finanziellen Druck ausgeübt haben auf
Regierungen, um für sie günstige Gesetze zu erlassen (siehe:
Lobbyismus). Die meisten westlichen Parteien-Demokratien erlauben
die Einwerbung von Parteifinanzierungen durch Parteiorganisationen,
und es ist wohlbekannt, dass politische Parteien oft erhebliche
Spenden von verschiedenen Personen annehmen (entweder direkt oder
durch Spendensammelstellen). Nach außen hin soll dies keinen
Einfluss auf die Gesetzesentscheidung der gewählten Repräsentanten
haben; aber es wäre unwahrscheinlich, dass sich keine Politiker
durch solche "Beiträge" beeinflussen lassen. Mit etwas Zynismus
könnte man solche Spenden als "Bestechungsgelder" bezeichnen, obwohl
sie es rechtlich nicht sind. In den Vereinigten Staaten gibt es mit
der Reform der Wahlkampffinanzierung Bemühungen, diese Lage zu
verbessern. Aber die Reform der Wahlkampffinanzierung muss zuerst
die Gegnerschaft jener Offiziellen überwinden, die von dem System
profitieren, das zu allererst diese Dynamik bewirkt.
Dagegen zeigt die deutsche Wikipedia in
ihrem Artikel zur "Plutokratie"
den für sie typischen Einfluss der Neoliberalen in allen
Verteilungsfragen (Stand 25.7.06):
In heutiger
Zeit erkennen einige
Politikwissenschaftler auch im System der
USA plutokratische Züge. Begründet wird dies mit der
Struktur der
Rekrutierung politischer
Eliten, die häufig eng verknüpft sind mit
wirtschaftlichen Führungsschichten. Teilweise wird
diese Macht zudem durch einflussreiche
Massenmedien gestützt, wie im Fall der
konservativ-republikanischen
Weltanschauung etwa durch
Rupert Murdoch. Die Verwendung des Begriffes
Plutokratie in Bezug auf die
USA ist umstritten, da er im
Nationalsozialismus als Kampfbegriff gegen die
angelsächsischen Länder verwendet wurde.
Typisch ist auch der weit hergeholte
Bezug auf den Nationalsozialismus, der hierzulande als
Keule zur Umverteilung nach oben besonders beliebt ist,
um jede Kritik an den ehemaligen Steigbügelhaltern des
Nationalsozialismus und den übrigen Neoliberalen
zurückzuschlagen (sh. z.B. "Wie
versucht wird, die Wikipedia zurecht zu trimmen",
nachdenkseiten.de, 8.3.2006, und Rudolf Stumberger: "Der
Internet-Krieg der Editoren", Telepolis, 15.3.06,
hier z.B. mit dem Suchwort "Sozialismus" unter
rossaepfel-theorie.de).
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