Datei zuletzt ergänzt am 24.3.2008.



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Exkurse zum Meinungskauf:
1) "Wir sind Papst!"
2) "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)"
3) "Du bist Deutschland!"
4) EU-Fernsehrichtlinie




1) Wir sind Papst!


Die BILD-Marketing-Strategen konnten ihren "Wir sind Papst"-Anstecker mit "dezent" aufgedrucktem BILD-Logo auf dem Weltjugendtag 2005 "eine halbe Million Mal" loswerden:
 

Und als Benedikt XVI. Prinzessin Alessandra Borghese (Freundin von Gloria von Thurn und Taxis, ihre Vorfahren bauten den Petersdom) zu einer kurzen Audienz an seinem Platz empfing, staunte er nicht schlecht.

Auch sie trug den Papst-Button, erzählte dem Heiligen Vater von der BILD-Aktion. Benedikt XVI. lachte herzlich.

Im Internet werden die gratis verteilten Anstecker schon zu Phantasiepreisen gehandelt - und verkauft!
 

(sh. BILD.de, 23.8.05).

Der Ratzinger-Biograph Peter Seewald bekannte gegenüber BILD:
 

Ich war tief gerührt von der BILD-Schlagzeile "Wir sind Papst!". Ein grandioses Gefühl...
 

(sh. "War der neue Papst jemals verliebt?", bild.de, 21.4.05).

Zu besonderen Ehren hat es "Wir sind Papst" gebracht als ein "Wort des Jahres 2005", gleich hinter "Bundeskanzlerin" und noch vor "Tsunami", "Heuschrecken" und "Gammelfleisch" (sh. http://www.gfds.de/presse.html, lt. deren Pressekonferenz vom 16.12.2005).




 2) "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" (INSM)



Die "Stiftung Marktwirtschaft" "finanziert sich  durch ihre Publikationen sowie durch die Unterstützung zahlreicher Spender und Mitglieder", wobei der Markt für ihre Publikationen eher beschränkt sein dürfte und die großzügigen "Spender und Mitglieder", die ihre "Unabhängigkeit" sichern, nicht genannt werden. Sie erhält wichtige Impulse durch das arbeitgeberfinanzierte Netzwerk "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), dessen Lobbyisten für ihre öffentliche Gehirnwäsche zur Umverteilung nach oben "8,8 Mio. Euro jährlich ... von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie" kassieren - offenbar von den Verbänden auf  ihrer "Träger"-Liste; sh. deren verlinkte Webseite und Götz Hamann: "Lautsprecher des Kapitals", DIE ZEIT, 19/2005. Durch "Spenden" weiterer Lobbyisten kommt man allerdings auf das Vielfache dieses Jahrsetats zur Manipulation von Politikern, Journalisten, Studenten, Lehrern, Schülern und letztlich des gesamten Wahlvolkes (sh. z.B. Markus Grill: "Die Manipulation von oben", stern, 17.12.2003, und "PHOENIX geht INSM auf den Leim", nachdenkseiten.de, 2.12.2004, sowie weitere Artikel ebd.).

Die üppigen Schmiermittel rühren auch aus der "Entlassungsproduktivität" (
Unwort des Jahres 2005, berlinonline.de, 25.1.06), von der z.B. der "neue soziale Marktwirtschaftler", INSM-"Kurator" und Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall bei  "Freisetzungen" zur "Produktivitätserhöhung" spricht (sh. bei Google [entlassungsproduktivität kannegießer]). So lässt sich durch die "Freisetzung" von künftigen Hartz-IV-Empfängern das Volkseinkommen am besten umschichten mit den üppigen Steuergeschenken für Bestverdiener und mit positivem Denken: "Du-bist-Deutschland"  - oder bei weiterem Rechtsruck durch wachsende Empörung auch mit der Variante: "Denn Du bist Deutschland" (sh. unten). Eine Rücknahme der Steuersenkung für Bestverdiener zur Senkung der Sozialbeiträge würde dagegen zugleich die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachfrage fördern.

Weiter schreibt Götz Hamann:
 

Zudem haben die Macher der Initiative eine Strategie gewählt, von der sie glauben, dass sie ihre neun Millionen Euro wie hundert Millionen Euro wirken lässt. Dafür "wenden wir uns an Multiplikatoren, also Journalisten, Wissenschaftler, Prominente, Lehrer und Priester. Wenn wir sie überzeugen, kann daraus ein ›Triple Down‹-Effekt werden, der nach und nach auch weite Teile der Bevölkerung erreicht", sagt Dieter Rath [einer der Geschäftsführer].
 

Gemeint ist offenbar ein "Trickle-down-Effekt".

Die INSM versorgt für die jährlichen 8,8 Millionen Euro aus den Kassen der Metall- und Elektroindustrieverbände also die Öffentlichkeit auf breiter Front und auf vielen Ebenen mit Propaganda für die Interessen ihrer Finanziers, also für die Umverteilung nach oben  - mit immer neuen Schlagzeilen durch ihre bestbezahlten PR- und Werbeagenturen (sh. ARD/WDR-Monitor, 13.10.05) und Sprüchen nach dem eigens kreierten, aber falsch verstandenen Motto "Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft". Dieses Motto wird in seinem falschen Verständnis von den Neoliberalen der Rechten allenthalben begierig aufgesaugt und nachgeplappert. Damit stehen solche teuren Kampagnen zur Schleich-Infiltration, Indoktrination und Gleichschaltung sowie ihr tausendfaches Echo in direktem Gegensatz zum hier belegten Hauptmotiv: "Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben" (sh. hier den Untertitel). Durch die gemeinsame Propaganda mit den neoliberalen Medien wird manipulativ eine Mentalität geschaffen, der von solchen Instituten eine ausgefeilte scheindemokratische Herrschaftsideologie verpasst wird nach Art der mittelalterlichen Ideologieproduktion durch Kurie und Klöster. Aber wie bei der Zigarettenwerbung ist gegen ein Marketing mit solchem Kapitaleinsatz und gegen die unisono singenden Meinungsmacher nicht viel auszurichten durch kapitalschwache Einzelne oder kleinere Gruppen. Deutschland gehört auch deshalb zu den letzten Bastionen der Zigaretten-Lobby und anderer gesundheitschädlicher Werbe-"Kommunikation", weil hier durch die Werbeeinnahmen der kommerziellen Medien deren Wählertäuschung im Sinne der Neoliberalen mitfinanziert wird. Während jedoch in Deutschland durch Zigarettenkonsum täglich 380 Todesfälle registriert werden (sh. z.B. uni-jena.de), ist der Schaden durch die neoliberale Infiltration unermesslich.

Die "Initiative" beglückt auch die  neoliberale Presse mit  teuren Anzeigen gegen ein erwartetes Milliardendefizit in der Pflegeversicherung, lässt aber die pinkgrünliche Umverteilung des deutschen Volkseinkommens aus den jährlich ca. 60 Milliarden (sh. rossaepfel-theorie.de) zu Gunsten ihrer Mitglieder und der übrigen Bestverdiener völlig unerwähnt. Defizit und Umverteilungsbeute wachsen mit dem Volkseinkommen, dieses auch mit der Produktivität, die Pflegekosten auch mit der Alterspyramide. Die eigentliche Stoßrichtung dürfte aber auch diesmal klar sein: sh. "Stiftung Marktwirtschaft arbeitet unter Hochdruck" und darin: "Merz arbeitet an Stiftungs-Steuerkonzept mit", spiegel.de, 25.6.05. Dass die neoliberalen  "Vertreter von fünf Parteien" mitwirken, dürfte die Richtung kaum verändern (sh. zu den Parteienvertretern auch: "Stiftung Marktwirtschaft bereitet sich auf neue Bundesregierung vor", LobbyControl, 10.6.05). Das Prinzip ist also nicht die Respektierung des verfassungsmäßigen Sozialstaatsgebots durch Wiederherstellung der Spitzensteuersätze aus der "Wirtschaftswunder"-Zeit, sondern die weitere Arbeitsplatzvernichtung durch verstärkte Umverteilung nach oben zugunsten der Initiatoren.

Wie bei Hartz IV und der Agenda 2010 feiert auch hier die gezielte Sprachverdrehung fröhliche Urständ. Die Begriffe "Stiftung" und "soziale Marktwirtschaft" werden einfach umfunktioniert zu Grundbegriffen im Dienste der persönlichen Bereicherung und zur neoliberalen Gleichschaltung bis in die Sprache hinein. Wenn man heute irgendwo in einem Titel "soziale Marktwirtschaft" liest, muss man als erstes schon fast neoliberale Falschmünzerei dahinter vermuten, bis man durch den Inhalt vielleicht eines besseren belehrt wird. Typisch ist auch der Name  "chancenfueralle.de", den die Initiative für ihr "Reformportal" wählte. Dort präsentiert sie ihre INSM-"Kuratoren": u.a. Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, also ein Hauptgeldgeber (sh.o.); Hans Tietmeyer, neben Paul Kirchhof ein Mitverfasser beim Impulstext der katholischen Bischöfe (aus dem Tagebuch von Guido Westerwelle); Oswald Metzger, gilbgrüner Neo-Realo; Hans-Dietrich Winkhaus, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und der oben vorgestellt Michael Hüther, Direktor und Präsidiumsmitglied des IW. Sie und ihre so genannten INSM-"Botschafter" präsentieren sich in der Öffentlichkeit als "unabhängige Experten", um die Umverteilungsziele der bestens finanzierten "Initiative" durchzusetzen.

Zu den Kadern gehörte als "Kurator" auch - wenig überraschend - Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der aber aus der neueren Kuratoren-Liste (Stand 21.7.05) diskret verschwunden ist und sich nun durch Diffamierung der Arbeitslosen auch einen guten Abgang aus seiner maßgeblichen Mitverantwortung für die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben verschaffen will (sh. "Kritik an Kampagne gegen Missbrauch des Arbeitslosengeldes Zwei wächst", dradio.de, 20.10.05). In welchem Maße der bestbezahlte Clement auf der INSM-Linie liegt, zeigt sich auch an seinen Lobreden auf Friedrich Merz (sh. Florian Güßgen: "Bad Honnef - Clement von der Leine", stern.de, 22.10.06). DIE WELT titelte dazu mit Datum vom 25.10.06: "Politiker - Clement ätzt gegen Bundesregierung" und schrieb weiter:
 

Der Ex-Wirtschaftsminister ist nach Bad Honnef gereist, um den neuen "Aalkönig" Friedrich Merz zu ehren. Dabei beschimpfte und verspottete er die Koalition in Berlin in bizarrer Weise.
...Bei aller Kritik über die Regierung besann sich Clement schließlich auch auf seine eigentliche Aufgabe, die Ehrung des neuen "Aalkönigs". Er sieht in Merz nicht nur einen würdigen Nachfolger als König. "Ich will nicht verheimlichen", wird Clement zitiert, "dass ich Friedrich Merz eigentlich als meinen Nachfolger im Amt des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gesehen habe. Das meine ich ernst.


Der üppige Einsatz des Medienkapitals in solchen "Denkfabriken" zum Meinungskauf bedeutet letztlich auch Stimmenkauf gegen die Interessen der Gekauften (sh. hier z.B. Demokratie-Kauf.htm). Auch bestens finanzierte "Wirtschaftsforschungsinstitute" gehören zu diesen "Think Tanks" des "Informationskapitalismus", die kritisches Denken platt walzen und durch neoliberale Ideologie ersetzen. Die neoliberalen Denkfabriken sind nicht nur Lobbyisten, sondern bestens bezahlte Söldner-Trupps der Umverteilungs-Profiteure.


Lt. ARD-Monitor-Bericht des WDR (Sonia Mikich) vom 13.10.05 beginnt man mit der Indoktrination schon in den Schulen, indem man sie großzügig mit Propaganda-Material für den Unterricht und mit Desinformationsveranstaltungen versorgt, so dass die Ideologie schon bei den Jüngsten eingepflanzt wird (sh. "Die Macht über die Köpfe...", mit Video und PDF). Inzwischen ist man schon bis in die RTL-Journalistenschule in Köln vorgedrungen (ebd.). In Sabine Christiansens neoliberaler Propaganda-Show (sh. Walter van Rossum "Meine Sonntage mit 'Sabine Christiansen' - Wie das Palaver uns regiert", Eichborn 2004) werden INSM-"Botschafter" als Sachverständige platziert, die dort weitgehend qualifizierte Diagnosen mit völlig ungeeigneten neoliberalen Rezepten verknüpfen. In der ARD-TV-Jugendserie Marienhof wurde von der INSM z.B. für 58.670 Euro Schleich-Propaganda versteckt (sh. auch "Politische Werbung im 'Marienhof' kritisiert", netzeitung.de, 20.9.2005). Über den systematisch "verzerrten Pluralismus" der Neoliberalen in Propaganda-Sendungen nach Art des Christiansen-Zirkus sh. die Studie zur "Einladepolitik von Sabine Christiansen", netzpolitik.org/LobbyControl, 7.9.06.


Das Erfolgsrezept der INSM liegt im "Kunstrasen"-Prinzip. Dazu schreibt die Wikipedia:
 

kunstrasen (englisch astroturfing) als Verb bezeichnet in der Sprache der Öffentlichkeitsarbeit die Kampagnentätigkeit einer PR-Firma, die sich als „Graswurzelbewegung“, als „Bürgeraktivität von unten“ ausgibt. Das Verb ist ein Wortspiel auf „künstliche“ Graswurzelbewegungen.
 

Man präsentiert sich also arglos als "Initiative" für "neue" "soziale" Marktwirtschaft und die gelinkten Wikipedia-Nutzer, Forenteilnehmer, Mediennutzer und Schulbuchleser glauben an die Botschaft mit Medienautorität, tragen sie sogar kostenlos weiter, weil sie nicht als Propaganda zur Umverteilung nach oben erkannt wird. PR-mäßig sollen die Kampagnen eher als Bewegungen von unten (Bottom-up) erscheinen, während sie in Wirklichkeit von den  Lobbyisten der Bestverdiener (Top-down) gesteuert werden. Die enormen Geldmittel solcher neoliberalen Denkfabriken (sh. z.B. die Liste unter "Denkfabrik") stammen zum allergrößten Teil von den Bestverdienern, und ihre Zusammenarbeit mit den bestbezahlten neoliberalen Meinungsmachern zur Umverteilung nach oben ist so weit entwickelt, dass dem mit gesundem ökonomischen Verständnis kaum ein Einfluss auf die Wahlergebnisse entgegenzusetzen ist. Die Demokratie schlägt also schon hier in Plutokratie um.

Den neoliberalen Politikern liefert man zur Unterstützung ihrer Inkompetenz fertige Konzepte nach dem Motto: Senkung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung der Umsatzsteuer usw. Die INSM-Preisverleihungen an INSM-nahe  Politiker und Experten werden von Angela Merkel auch noch als Zeichen für besondere Leistungen hochgejubelt und nicht als Infiltrationsbeweis angesehen.  Die Redaktionen von Fernsehanstalten werden angesichts ihrer Finanzknappheit durch die hohen Kosten für Klamauksendungen großzügig mit fertigen Konzepten für ihre Sendungen versorgt, und viele hochdotierte TV-Macher dürften die Kernaussagen solcher Gratis-Propaganda dankbar aufnehmen, weil man ihnen mit dem Ziel der Steuersenkung für Bestverdiener aus der Seele spricht.



3) "Du bist Deutschland!"



Bei der großzügigen Unterstützung mit Propaganda-Kapital für die gefälligen Meinungsmacher
 wundert es nicht, dass diese sich scharenweise der Gute-Laune- und  dem Anti-Linkspartei-Meinungskauf "Du bist Deutschland!" anschlossen (sh. "'Du bist Deutschland' - gut gelaunt und sinnlos", ARD/WDR-Monitor,  13.10.05), für die der Bertelsmann-Vorstandschef Gunther Thielen mit seinen Leuten auf Anhieb ein anfängliches Propaganda-Potenzial von 30 Millionen Euro zusammentelefoniert hat - vor allem in Form von Anzeigenplätzen und Werbeminuten, die von den Medienkonzernen kostenlos zur Verfügung gestellt werden; sh. den Bericht "Schluß mit Jammern - eine Kampagne für Deutschland" aus Springers HAMBURGER ABENDBLATT vom 29.9.2005 auf der Webseite du-bist-deutschland.de. Damit behauptet Liz Mohn mit ihren Bertelsmännern auf dem Gebiet der Meinungsmache ihren Spitzenplatz (sh. bei Google z.B. mit [bertelsmann site:nachdenkseiten.de] neben Friede Springer und Sabine Christiansen (ARD/DasErste - sh. auch von dem ansonsten linientreuen Frank Schirrmacher: "Männerdämmerung", faz.net, 21.7.03, mit der an sich harmlosen, aber doch bezeichnenden Begrüßung der Medienkapital-Besitzerin: "Guten Tag, Chefin"!). Gegen solche Kapital- und Meinungsmacht kann Sonia Mikich mit ihrem ARD/WDR-Monitor nicht allzu viel ausrichten.

Thielen wollte Schluss machen mit dem Selbstmitleid, auch bei den Zahlemännern der Steuersenkung für Bestverdiener, bei den Opfern der Umverteilung nach oben und vor allem wohl mit der Kritik dieser Zustände durch das unbequeme Linksbündnis. Solche Kritik des Linksbündnisses an der Wählertäuschung und dem Abzocken des deutschen Volkseinkommens wird schon durch die Überschrift ganz nebenbei als unpatriotisch gebrandmarkt. Patriotisch sind offenbar nur die kapitalstarken Bertelsmann-Mohn-Extremforderungen zur Umverteilung nach oben (sh. unter anderem den Hinweis auf der Forderungskatalog der Bertelsmann-Stiftung in der Zeitschrift CAPITAL gleich nach dem ersten Regierungsantritt von Bosse-Kanzler Gerhard Schröder).

Das Bertelsmann-Vorbild für die Umverteilung des Volkseinkommens nach oben ist offenbar die asozialen Kahlschlagspolitik von Ronald Reagan und George W. Bush in den USA, denn die rangieren in Bertelsmanns Standort-Ranking deutlich vor den erfolgreichen Sozialstaaten Dänemark und Schweden. Vor den USA steht bei Bertelsmann nur noch der Subventions- und Steuerdumping-Tiger Irland. Dagegen rangiert Deutschland durch die Konsumdrosselung der Agenda 2010 mit Hilfe der Bertelsmann-"Stiftung" in der Tat hinter den skandinavischen Ländern (sh. Harald Schumann: "Macht ohne Mandat", tagesspiegel.de, 25.9.2006, und "Standort-Check Deutschland 2007", Stand Herbst 2006). Die Bedeutung des "Standort-Checks" liegt darin, dass er auch von den neoliberalen Meinungsmachern massenhaft unkritisch nachgeplappert wird als Argument für die Umverteilung in ihre eigenen Taschen (sh. z.B. "ERFOLGREICHSTE INDUSTRIENATIONEN - Deutschland ganz unten", spiegel.de, 20.4.2006). Man hört zwar von der SPD manchmal die Mahnung, den Standort nicht kaputtzureden, aber auch diese Partei betreibt weiterhin die Standort-Schädigung durch Umverteilung nach oben (sh. hier rossaepfel-theorie.de).


Als Galionsfiguren für "Du bist Deutschland"s Bertelsmann ließen sich teils naiv, teils auch mit bestem Einverständnis etliche "Bestverdiener" einspannen - wie Sandra Maischberger, Ulrich Wickert, Anne Will, Reinhold Beckmann, Oliver Kahn usw. (sh. "Nach 'Wir sind Papst" folgt 'Du bist Deutschland'", nachdenkseiten.de, 26.9.05, und "30 Millionen Euro gute Laune", Telepolis, 27.9.05, sowie einige Leserbriefe "Da gibt es nichts schönzulächeln", taz.de, 26.9.05). Aber mittlerweile hat z.B. Marcel Reich-Ranicki Bedenken geäußert, dass er vielleicht die Hintergründe nicht durchschaut hat, und  Sandra Maischberger hat sich in ihrer Diskussionsrunde vom 18.10.05 mit Heiner Geißler und anderen von ihrer Mitwirkung ebenfalls leicht distanziert. Auch ansonsten kann man ihr - wie Maybrit Illner - wohl keinen Neoliberalismus nachsagen. Allerdings ist Maybrit Illner - im Gegensatz zur Christiansen-Nachfolgerin Anne Will - offenbar nicht auf dem Schmus hereingefallen (sh. die Unterzeichnerliste unter du-bist-deutschland.de, Stand 14.2.07), auch wenn besonders in ihrer "Berlin-Mitte"-Sendung die mehrheitlichen Proporz-Neoliberalen mit viel Erfolg für ihre Vormacht tricksen. Dies geschieht aber - anders als bei Christiansen - nicht im Einklang mit der Moderatorin, sondern gegen sie. Vollends schockiert wären einige Unterzeichner der Pseudo-Patriotismus-Kampagne gewesen, wenn sie das Foto mit dem "patriotischen" Spruchband "Denn Du bist Deutschland" gesehen hätten aus dem Buch "Ludwigshafen - Ein Jahrhundert in Bildern", unter spreeblick.com (Stand 30.12.05 - mit Sicherungskopie hier unter "Denn Du bist Deutschland").

Zu einem Vortrag "Global vernetzt: internationale Vorbilder und Netzwerke deutscher Neoliberaler von Dieter Plehwe heißt es:
 

Die deutschen Neoliberalen waren von Anfang an in internationalen Netz- werken aktiv. Einige der Aktivisten (Rüstow, Röpke etc.) waren Mitglied in der 1947 u.a. von Friedrich August von Hayek und Milton Friedman gegründeten Mont Pèlerin Gesellschaft. MPS-Mitglieder waren mittlerweile an mehr als 100 Think Tank Gründungen weltweit beteiligt. Think Tanks werden üblicherweise als angelsächsischer Typus ideologischer Wissens-, Beeinflussungs- und Hegemonieapparate diskutiert. Aber bereits bei der systematischen Verankerung der "sozialen Marktwirtschaft" war mit der "Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft" ein bis heute aktiver, zielgerichtet agierender Think Tank stark beteiligt. Der Vortrag skizziert die neoliberalen Netzwerke von Intellektuellen und Think Tanks und deren eng miteinander verknüpften, aber organisatorisch getrennten wissenschaftlich-akademischen und populären Einflussstrategien dar.
 

Zitiert aus dem Programmheft zum Frankfurter Kongress "Gesteuerte Demokratie?" der Bewegungsakademie e.V., Verden, Juni 2004. In dem Programmheft findet man noch etliche interessante Erläuterungen zu den übrigen Veranstaltungen und Netzwerkelementen. Das Kongressthema verweist auf das Problem der Demokratieaushöhlung durch Meinungs- und Stimmenkaufs zur Umverteilung nach oben, das noch über die hier behandelte "Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben" hinausgeht.

Abgesehen von der genannten Monitor-Sendung gibt es inszwischen auch noch einige andere kritische Medien, die sich mit der erfolgreichen Indoktrinierung durch die INSM beschäftigen. Dies hat immerhin die INSM aus ihrer Deckung der angeblich braven Medienunterstützung gelockt und sie zu offenen Kampfansagen gebracht (sh. Nicole Otte: "Die Medien einschüchtern - Druck auf die Berichterstattung", Freitag 45, 11.11.05, und weitere Artikel dieser Zeitung, zu finden mit [insm site:freitag.de]). Nach fünf Jahren mehr oder weniger unbemerkter Gehirnwäsche, Zuarbeit für die neoliberalen Politiker bis hin zu den führenden INSM-Mitgliedern in der SPD (Gerhard Schröder, Wolfgang Clement usw.), nach Indoktrination bis in die Schulen hinein mit rasanter Ausbreitung des Neoliberalismus lässt sich der Schaden jedoch kaum noch gut machen.




4) EU-Fernsehrichtlinie


Die allmählichen Fortschritte in der Liberalisierung der Manipulation durch den "Informationskapitalismus" zeigt auch die aktuelle Diskussion zur geplanten TV-Richtlinie. Dazu schreibt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in seiner Presseerklärung vom 28.2.06:
 

Mit großer Sorge sieht der Rat die Vorschläge der EU-Kommission, die Fernsehen aufs Ganze nur noch als Wirtschaftsgut und nicht mehr als Kulturgut verstehen. Die EKD lehnt auch die Bemühungen um eine Liberalisierung des Product Placements ab. Doch unabhängig von den sich eröffnenden Möglichkeiten soll eine klare Trennung von Werbung und Programm erhalten und geschützt bleiben. Sonst stehe die Glaubwürdigkeit des Informations- und Serviceangebots im Fernsehen auf dem Spiel.
 

Auch die EKD hält sich mit ihrer „christdemokratischen“ Anhängerschaft milde zurück, benennt jedoch den Kernpunkt: Der Grundfehler ist also, dass das Fernsehen nur als Wirtschaftsgut betrachtet wird, so dass die neoliberale Marktwirtschaft noch weiter bis in die Seelen vordringt. Dieser Fehler beruht aber kaum auf mangelndem Verständnis der Richtlinien-"Liberalisierer", sondern auf dem bewussten oder faktischen Interesse der Kapitallobby an der Deformierung der Medieninhalte in ihrem Sinne.

Man muss gar nicht unterstellen, dass die werbende Industrie über die Fernsehrichtlinie mehr Einfluss gegen eine soziale Marktwirtschaft zugunsten der Umverteilung in ihre Kassen erreichen will.
Es reicht schon, dass diese Umverteilung nach oben tatsächlich erreicht wird  - durch den Wettbewerb der Medien um das Kapital der Werbeetats und um das Wohlwollen seiner Besitzer. Dies hat in Verbindung mit dem Medienkapital schon heute entscheidenden Einfluss auf die Desinformation, auf das Wählerverhalten und damit auch auf die Förderung der Liberalisierung zum Neoliberalismus, wie es die „christdemokratische“ EU-Kommissarin Viviane Reding Anfang 2006 mit großem Wortschwall vorführt (sh. Viviane Reding: „Warum Europa die Richtlinie ‚Fernsehen ohne Grenzen’ modernisieren muss“).

Nach außen hin erscheint dagegen der Richtlinienentwurf lediglich als eine Förderung von  zunehmender Zerhackung der Sendungen an den unpassendsten Stellen durch "rechtmäßige" Vergewaltigung mit Reklameeinschüben nach US-Vorbild . Siehe dazu z.B. das detaillierte Editorial „Revision der Revision“, epd.de 4.3.06, mit weiteren Nachweisen, und die punktgenaue Überschrift Medienhandbuch.de, 14.12.200:
 

«Schuss-Miniwerbespot-Tor»? Hoffentlich setzt sich Viviane Reding mit der EU-Richtlinie zu Werbung und Product Placement nicht durch,
 

oder in den Worten des TV-Richtlinienenvorschlags KOM(2005) 646 endgültig, vom 13.12.05, S. 12 und S. 21:
 

Die Regeln für die Einfügung von Werbung werden vereinfacht und flexibler gefasst. Anstatt – wie bisher – obligatorisch 20 Minuten zwischen zwei Werbeunterbrechungen warten zu müssen, können die Fernsehveranstalter nun selbst bestimmen, wann der günstigste Moment für Werbeeinschübe in das laufende Programm ist. Allerdings dürfen Fernsehfilme, Kinospielfilme, Kinderprogramme und Nachrichtensendungen für jeden Zeitraum von 35 Minuten nur einmal für Werbung und unterbrochen werden.

Schleichwerbung wird von dieser Richtlinie wegen ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Verbraucher verboten.
Das Verbot von Schleichwerbung gilt nicht für die rechtmäßige Produktplatzierung
im Rahmen dieser Richtlinie.
 

(Hervorhebung vom Verfasser). Der "günstigte Moment" für die Kassen der Fernsehveranstalter ist ein Moment besonderer Zuschauer-Aufmerksamkeit, also der ungünstigste für den Zuschauer: Eine Kussszene kann durch eine Zahnpastareklame unterbrochen werden, und eine dramatische Filmszene über die plötzliche Verelendung als Folge der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben könnte man durch eine Lottoreklame banalisieren. Solche Werke wie den starken Film Daens oder Polanskis Oliver Twist sollte man auf gar keinen Fall im Privatfernsehen anschauen, weil sie überhaupt keine Abflachung durch Reklame vertragen. Gegen solches Banausentum hilft auch nicht die vage Auffangbestimmung der Richtlinie gegen die Verletzung „politische(r) Überzeugungen“ (Artikel 3g), denn wie sollte ein EuGH-Richter diesen Tatbestand erkennen, wenn er bei seinem Gehalt nur Argumente zugunsten der Steuersenkung für Bestverdiener akzeptiert und die Mentalität typischer Bestverdiener und "Säulen des Vaterlandes" in den beiden Filmen so treffend dargestellt wird - einschließlich des damaligen Papstes in Daens (Wir-Papst-Du-Deutschland!).

Es geht tatsächlich um die industrielle Abstumpfung der Gefühle, um die allmähliche Umwandlung der Empfindungen in Reklamefolien nach dem Prinzip "alles Fake" - wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und zunehmend auch hier - ab dem Kindesalter.

Diesen Richtlinienentwurf mit etlichen Ergänzungen erreicht man über die Seite http://europa.eu.int/comm/avpolicy/regul/regul_de.htm (Stand 7.3.2006). Die vorherige Richtlinie 89/552/EWG (Fassung 97/36/EG) vom 19.7.1997 enthält die geltenden Bestimmungen über die Programmunterbrechungen ebenfalls in ihrem Artikel 11, der darin noch aus 34 Zeilen besteht und in dem neuen "liberalisierten" Richtlinienvorschlag auf 9 Zeilen zusammengeschrumpft ist. Immerhin haben darin die "christlichen" Demokraten noch ihre Formulierung beibehalten, dass "religiöse Programme" nicht "durch Werbung oder Teleshopping unterbrochen werden" dürfen.

Unterschlagen wurde jedoch der Artikel 11 Abs. 3 und seine Werbebeschränkung bei "Übertragung audiovisueller Werke" auf  Sendungen mit einer "programmierte[n] Sendezeit [von] mehr als 45 Minuten". In der alten Richtlinie heißt es:
 

(3) Die Übertragung audiovisueller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme (mit Ausnahme von Serien, Reihen, leichten Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilmen) kann für jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal unterbrochen werden, sofern ihre programmierte Sendezeit mehr als 45 Minuten beträgt. Eine weitere Unterbrechung ist zulässig, wenn die programmierte Sendedauer um mindestens 20 Minuten über zwei oder mehrere volle 45-Minuten- Zeiträume hinausgeht.
 

Statt dessen heißt es in der neuen Richtlinie nur:
 

(2) Die Übertragung von Fernsehfilmen (mit Ausnahme von Serien, Reihen, leichten Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilmen), Kinospielfilmen, Kinderprogrammen und Nachrichtensendungen darf für jeden Zeitraum von 35 Minuten einmal für Werbung und/oder Teleshopping unterbrochen werden.
 

Beim genauerem Hinschauen meint der juristische Laie, dass man bei der "Übertragung audiovisueller Werke" "nur" die Zeit zwischen den Werbeblöcken um 10 Minuten von 45 auf 35 Minuten verkürzt hätte. (Auch von den bisherigen 45 Minuten ist in der umfangreichen Begründung des neuen Entwurfs nicht die Rede.)

Tatsächlich soll man aber künftig bei solchen Sendungen zu jedem beliebigen Zeitpunkt (im Abstand von 35 Minuten) die Werbung einblenden können, egal wie lange die Sendung dauert. Dies wird zwar in dem neuen Text und auch in der beigefügten Begründung nicht klar ausgedrückt. Die Absicht ist aber daran zu erkennen, dass man einfach ein Wort ("vollen") weggelassen hat: Bisher heißt es "für jeden vollen Zeitraum von 45", künftig soll es heißen "für jeden Zeitraum von 35 Minuten". Vielleicht hat irgendwann einmal ein Lobbyist in den  Beschlussgremien gesagt, dass der Text auch ohne das Wort "vollen" klar verständlich sei und andere Lobbyisten dort haben zugestimmt, so dass die juristischen Laien am Tisch (sh. hier Dienstleistungsrichtlinie) dem Einbau des Trojaners nicht widersprechen mochten, um sich bei den "Experten" auf dem Gebiet nicht bloßzustellen. Die Rückfrage bei eigenen Juristen war ihnen vielleicht zu mühselig oder kam ihnen gar nicht erst in den Sinn. Vielleicht haben ihnen die Lobbyisten sogar schon einmal die eine oder andere Gefälligkeit in den Seilschaften erwiesen. Eine Bestätigung für die Zulässigkeit der Erst-Unterbrechung vor Ablauf der 35 Minuten konnte hier bisher nirgends gefunden werden. Aber es wäre nicht verwunderlich, wenn interessierte Kreise diese EuGH-Konsequenz bis zur Verabschiedung der Richtlinie absichtlich im Dunkeln halten. Wenn diese Lobbyisten nach der Verabschiedung der Richtlinie ihren wahren Inhalt aufdecken, werden die Abnicker auch nicht protestieren, sondern sich wegducken, weil sie sonst zeigen würden, dass sie ihre hohen Bezüge nicht wert sind.

Wenn das auffällige Fortlassen des Wortes „vollen“ als Indiz für die Absicht nicht ausreicht, so kann man leicht darauf verweisen, dass in Artkel 11 des neuen Entwurfs nirgends von so etwas wie einer programmierten Sendezeit die Rede ist, während in Artikel 11 des alten Entwurfs dieser Begriff viermal vorkommt: „für jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal …, sofern ihre programmierte Sendezeit mehr als 45 Minuten beträgt“ (sh. hier oben Absatz 3) und
die eine programmierte Sendezeit von weniger als 30 Minuten haben… Beträgt ihre programmierte Sendezeit mindestens 30 Minuten…“ (sh. hier unten, Absatz 5). All diese Fortlassungen zusammen genommen, lassen praktisch keine Zweifel mehr zu  an dem schriftlich fixierten „Willen“ des „Richtliniengebers“, auch wenn die Fortlassungen vielleicht zunächst weniger Aufmerksamkeit erregen sollen  als Hinzufügungen.

Die genannten "Liberalisierungen" sollen nicht nur für "audiovisuelle Werke" gelten, sondern auch für Sendungen, deren Kommerzialisierung durch Reklame besonders bedenklich ist. Sie sind nach der alten Richtlinie gegen Reklame geschützt, wenn sie weniger als 30 Minuten dauern. In der alten Richtlinie heißt es:
 

(5) ...Des weiteren dürfen Nachrichten, Magazine über das aktuelle Zeitgeschehen, Dokumentarfilme, Sendungen religiösen Inhalts und Kindersendungen, die eine programmierte Sendezeit von weniger als 30 Minuten haben, nicht durch Werbung oder Teleshopping unterbrochen werden. Beträgt ihre programmierte Sendezeit mindestens 30 Minuten, so gelten die Bestimmungen der vorangegangenen Absätze.
 

Nach der neuen Richtlinie, darf man also auch solche kurzen Sendungen durch Werbung an beliebigen Stellen unterbrechen. Man darf jedoch nach der neuen Richtlinie bei Sendungen gemäß deren Absatz 2 (sh. oben) nur alle 35 Minuten Werbung einblenden, während das nach der alten Richtlinie im späteren Verlauf langer Sendungen (länger als zweimal 45 Minuten, sh. oben) noch alle 20 Minuten geschehen darf. Aber das kleine Zugeständnis für diesen eher seltenen Fall kann die Aufhebung des Werbeblock-Zwangs und die Zulassung der beliebigen Einblendungen nicht kompensieren.

Im Vergleich zu Ramschsendungen, Dokumentarfilmen usw. sollen die schützenswerten Sendungen also auch an beliebiger Stelle durch Werbung unterbrochen werden und danach lediglich noch durch die Werbepausen von 35 Minuten ein wenig vor der vorrangigen Werbeträgerfunktion und Banalisierung bewahrt werden. Dabei ist es eine Zumutung, dass auch Dokumentarsendungen an beliebiger Stelle beliebig oft unterbrochen werden dürfen - ohne irgendeine Begrenzung durch die Werbepausen von 35 Minuten oder die bisherigen 20 Minuten. Bei Ramschsendungen könnte dagegen man mit etwas Optimismus vielleicht sagen, dass die beliebigen Werbeunterbrechungen vielleicht zum Abgewöhnen dienen.

Siehe zur "Liberalisierung" auch den Artikel Neue Fernsehrichtlinie – EU-Kommission lockert Vorschriften für Fernsehwerbung“, portamedia.net, 10.11.05, mit dem Vorspann zur Zielsetzung:
 

EU-Kommissarin Viviane Reding will europäischen Privatsendern flexiblere Werbemöglichkeiten verschaffen. Ihr Entwurf für die neue Fernsehrichtlinie sieht kein Blockwerbegebot mehr vor. Das erklärt Reding in einem Interview mit dem Wochenmagazin werben & verkaufen. Demnach könnten TV-Anbieter Filme auch durch einzelne Werbespots unterbrechen und das weitaus häufiger als heute.
 

Kennzeichnend für solche Vorstöße ist - wie bei der Dienstleistungsrichtlinie und dem gescheiterten EU-Verfassungsentwurf - auch hier, dass den notwendigen Neuregelungen regelmäßig gefährliche neoliberale Trojaner beigepackt werden. Es hat fast den Anschein, dass solche Neuregelungen immer nur als Vehikel für die Neoliberalisierung missbraucht werden.

Jedenfalls haben die Neoliberalen für die Abstimmung im EU-Parlament eine Berichterstatterin aus ihren eigenen Reihen bestimmt und mit der Zustimmung ihrer Mehrheit in der ersten Lesung am 13.12.06 die wichtigste Hürde zur weiteren Amerikanisierung des Fernsehens und der Manipulation genommen (sh. hier Pro7Sat1.htm).


Die Manipulateure sind jedoch nicht nur finanzielle Profiteure, sondern zugleich auch mentale Opfer des Systems, das Herbert Markuse in seiner Entstehung beschrieb:
 

„Indem die Menschen ihre eigene Sprache sprechen, sprechen die Menschen auch die Sprache ihrer Herren, Wohltäter und Werbetexter. Daher drücken sie nicht nur sich selbst aus, ihre eigene Erkenntnis, ihre Gefühle und Bestrebungen, sondern auch etwas anderes als sich selbst.“
„Es war die totale Mobilisierung der materiellen und geistigen Maschinerie, die ganze Arbeit leistete und ihre mystifizierende Macht über die Gesellschaft installierte. Sie diente dazu, die Individuen unfähig zu machen, »hinter« der Maschinerie jene zu sehen, die sich ihrer bedienten, von ihr profitierten und jene, die für sie zahlten.“
 

Sh. Herbert Markuse: Der eindimensionale Mensch (One-dimensional Man: Studies in the Ideology of Advanced Industrial Society, Boston: Beacon, 1964), zitiert nach Sven Oliveira Cavalcanti: "Herbert Markuse zum 25. Todestag", sopos.org, 7/2004.

Die  "mystifizierende Macht" des Neoliberalismus  wird durch neoliberale Richtlinien  weiter gesteigert im Interesse des Kapitals und seiner profitierenden Hohenpriester - zu Lasten des Volkseinkommens und seiner Produzenten. Es handelt sich hier nicht nur um Gleichschaltung durch soziale Kontrolle nach Art der bisherigen historischen Umverteilungssysteme, sondern um den allmählichen Ersatz der bisher missbrauchten Götter durch das verselbständigte Goldene Kalb. Diese Entwicklung wird besonders von den geistlichen Führern in der islamischen Welt wahrgenommen, auch soweit sie selbst von ihrer Umverteilung nach oben profitieren.

Herbert Markuse bezieht sich auf die breit angelegten sozialphilosophischen Grundgedanken
von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in ihrer "Dialektik der Aufklärung"  (Amsterdam, 1947), die sich aber nicht leicht konkretisieren lassen in bezug auf die hier behandelten Themen. Einen interessanten Ansatz dazu findet man auf der Webseite von Udo Leuschner: "Menetekel USA - Von Tocqueville zur 'Dialektik der Aufklärung'" (besucht 8.3.2006).




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