|
Datei zuletzt ergänzt am 24.3.2008.
Zurück zum
Abschnitt_1b.
Exkurse zum
Meinungskauf:
1) "Wir sind Papst!"
2) "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)"
3) "Du
bist Deutschland!"
4)
EU-Fernsehrichtlinie
1) Wir sind Papst!
Die BILD-Marketing-Strategen konnten ihren "Wir
sind Papst"-Anstecker mit "dezent" aufgedrucktem
BILD-Logo auf dem Weltjugendtag 2005 "eine halbe Million
Mal" loswerden:
Und als
Benedikt XVI. Prinzessin Alessandra Borghese (Freundin
von Gloria von Thurn und Taxis, ihre Vorfahren bauten
den Petersdom) zu einer kurzen Audienz an seinem Platz
empfing, staunte er nicht schlecht.
Auch sie trug den Papst-Button, erzählte dem Heiligen
Vater von der BILD-Aktion. Benedikt XVI. lachte
herzlich.
Im Internet werden die gratis verteilten Anstecker
schon zu Phantasiepreisen gehandelt - und verkauft!
(sh.
BILD.de, 23.8.05).
Der Ratzinger-Biograph Peter Seewald bekannte gegenüber
BILD:
Ich war tief gerührt von der BILD-Schlagzeile "Wir sind Papst!". Ein grandioses
Gefühl...
(sh. "War
der neue Papst jemals verliebt?",
bild.de, 21.4.05).
Zu besonderen Ehren hat es "Wir sind Papst" gebracht als
ein "Wort des Jahres 2005", gleich hinter
"Bundeskanzlerin" und noch vor "Tsunami", "Heuschrecken"
und "Gammelfleisch" (sh.
http://www.gfds.de/presse.html,
lt. deren Pressekonferenz vom 16.12.2005).
2) "Initiative
neue soziale Marktwirtschaft" (INSM)
Die "Stiftung Marktwirtschaft" "finanziert sich durch ihre Publikationen
sowie durch die Unterstützung zahlreicher Spender und
Mitglieder", wobei der Markt für ihre Publikationen eher
beschränkt sein dürfte und die großzügigen "Spender und
Mitglieder", die ihre "Unabhängigkeit" sichern,
nicht genannt werden. Sie erhält wichtige
Impulse durch das arbeitgeberfinanzierte Netzwerk
"Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), dessen
Lobbyisten für ihre öffentliche Gehirnwäsche zur
Umverteilung nach oben
"8,8 Mio. Euro jährlich ... von
den Arbeitgeberverbänden der Metall- und
Elektroindustrie" kassieren
- offenbar von den Verbänden auf ihrer
"Träger"-Liste;
sh. deren verlinkte Webseite und Götz Hamann: "Lautsprecher
des Kapitals", DIE ZEIT, 19/2005.
Durch "Spenden" weiterer Lobbyisten kommt man allerdings
auf das Vielfache dieses Jahrsetats zur Manipulation von
Politikern, Journalisten, Studenten, Lehrern, Schülern
und letztlich des gesamten Wahlvolkes (sh. z.B. Markus
Grill: "Die
Manipulation von oben", stern,
17.12.2003, und "PHOENIX
geht INSM auf den Leim",
nachdenkseiten.de,
2.12.2004, sowie weitere Artikel ebd.).
Die üppigen Schmiermittel rühren
auch aus der "Entlassungsproduktivität" (Unwort
des Jahres 2005, berlinonline.de, 25.1.06), von der z.B.
der "neue soziale Marktwirtschaftler", INSM-"Kurator" und
Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall bei
"Freisetzungen" zur "Produktivitätserhöhung" spricht (sh. bei Google
[entlassungsproduktivität kannegießer]). So lässt sich
durch die "Freisetzung" von künftigen Hartz-IV-Empfängern
das Volkseinkommen am besten umschichten mit den üppigen
Steuergeschenken für Bestverdiener und mit positivem
Denken:
"Du-bist-Deutschland" - oder bei
weiterem Rechtsruck durch wachsende Empörung
auch mit der Variante: "Denn
Du bist Deutschland" (sh. unten).
Eine Rücknahme der Steuersenkung für Bestverdiener zur
Senkung der Sozialbeiträge würde dagegen zugleich die
Wettbewerbsfähigkeit und die Nachfrage fördern.
Weiter
schreibt Götz Hamann:
Zudem haben die Macher der
Initiative eine Strategie gewählt, von der sie glauben,
dass sie ihre neun Millionen Euro wie hundert Millionen
Euro wirken lässt. Dafür "wenden wir uns an
Multiplikatoren, also Journalisten, Wissenschaftler,
Prominente, Lehrer und Priester. Wenn wir sie
überzeugen, kann daraus ein ›Triple Down‹-Effekt werden,
der nach und nach auch weite Teile der Bevölkerung
erreicht", sagt Dieter Rath [einer der
Geschäftsführer].
Gemeint ist
offenbar ein "Trickle-down-Effekt".
Die INSM versorgt für die jährlichen 8,8 Millionen Euro aus den Kassen
der Metall- und Elektroindustrieverbände also die
Öffentlichkeit auf breiter Front und auf vielen Ebenen
mit Propaganda für die Interessen ihrer Finanziers, also
für die Umverteilung nach oben - mit immer neuen
Schlagzeilen durch ihre bestbezahlten PR- und
Werbeagenturen (sh.
ARD/WDR-Monitor, 13.10.05)
und Sprüchen nach dem
eigens kreierten, aber falsch verstandenen Motto
"Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft".
Dieses Motto wird in seinem falschen Verständnis von den
Neoliberalen der Rechten allenthalben begierig aufgesaugt und nachgeplappert.
Damit stehen solche teuren Kampagnen zur Schleich-Infiltration,
Indoktrination und Gleichschaltung sowie ihr
tausendfaches Echo in direktem Gegensatz zum hier belegten
Hauptmotiv:
"Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung
nach oben"
(sh. hier den Untertitel). Durch die gemeinsame
Propaganda mit den neoliberalen Medien wird manipulativ
eine Mentalität geschaffen, der von solchen Instituten
eine ausgefeilte scheindemokratische
Herrschaftsideologie verpasst wird nach Art der
mittelalterlichen Ideologieproduktion durch Kurie und
Klöster. Aber wie bei der
Zigarettenwerbung ist gegen ein Marketing mit solchem Kapitaleinsatz
und gegen die unisono singenden Meinungsmacher nicht
viel auszurichten durch kapitalschwache Einzelne oder kleinere Gruppen.
Deutschland gehört auch deshalb zu den letzten Bastionen
der Zigaretten-Lobby und anderer gesundheitschädlicher
Werbe-"Kommunikation", weil hier durch die
Werbeeinnahmen der kommerziellen Medien deren
Wählertäuschung im Sinne der Neoliberalen mitfinanziert
wird. Während jedoch in Deutschland durch Zigarettenkonsum
täglich 380 Todesfälle registriert werden (sh. z.B.
uni-jena.de),
ist der Schaden durch die neoliberale Infiltration
unermesslich.
Die "Initiative" beglückt auch die
neoliberale Presse mit teuren Anzeigen gegen ein
erwartetes Milliardendefizit in der
Pflegeversicherung, lässt aber die pinkgrünliche
Umverteilung des deutschen Volkseinkommens aus den jährlich ca. 60 Milliarden
(sh.
rossaepfel-theorie.de) zu
Gunsten ihrer Mitglieder und der übrigen Bestverdiener völlig unerwähnt.
Defizit und Umverteilungsbeute wachsen
mit dem Volkseinkommen, dieses auch mit der
Produktivität, die Pflegekosten auch mit der
Alterspyramide. Die eigentliche Stoßrichtung dürfte aber
auch diesmal klar sein: sh. "Stiftung Marktwirtschaft
arbeitet unter Hochdruck" und darin:
"Merz arbeitet an
Stiftungs-Steuerkonzept mit", spiegel.de,
25.6.05. Dass die neoliberalen "Vertreter von fünf
Parteien" mitwirken, dürfte die Richtung kaum verändern
(sh. zu den Parteienvertretern auch: "Stiftung
Marktwirtschaft bereitet sich auf neue Bundesregierung
vor",
LobbyControl, 10.6.05).
Das Prinzip ist also nicht die Respektierung des verfassungsmäßigen
Sozialstaatsgebots durch Wiederherstellung der
Spitzensteuersätze aus der "Wirtschaftswunder"-Zeit,
sondern die weitere Arbeitsplatzvernichtung durch verstärkte
Umverteilung nach oben zugunsten der Initiatoren.
Wie bei Hartz IV und der Agenda 2010
feiert auch hier die gezielte Sprachverdrehung fröhliche Urständ.
Die Begriffe "Stiftung" und "soziale Marktwirtschaft"
werden einfach umfunktioniert zu Grundbegriffen im
Dienste der persönlichen Bereicherung und zur neoliberalen
Gleichschaltung bis in die Sprache hinein. Wenn man heute
irgendwo in einem Titel "soziale Marktwirtschaft" liest,
muss man als erstes schon fast neoliberale
Falschmünzerei dahinter vermuten, bis man durch den
Inhalt vielleicht eines besseren belehrt wird. Typisch ist
auch der Name "chancenfueralle.de",
den die Initiative für ihr "Reformportal" wählte. Dort
präsentiert sie ihre
INSM-"Kuratoren": u.a. Martin
Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes
Gesamtmetall, also ein Hauptgeldgeber (sh.o.); Hans
Tietmeyer, neben Paul Kirchhof ein Mitverfasser beim
Impulstext der katholischen Bischöfe (aus
dem Tagebuch von Guido Westerwelle);
Oswald Metzger, gilbgrüner Neo-Realo; Hans-Dietrich
Winkhaus, Präsident des Instituts der deutschen
Wirtschaft (IW) und der oben vorgestellt Michael Hüther,
Direktor und Präsidiumsmitglied des IW. Sie und ihre so
genannten
INSM-"Botschafter" präsentieren sich in der
Öffentlichkeit als "unabhängige
Experten", um die Umverteilungsziele der bestens
finanzierten "Initiative" durchzusetzen.
Zu den
Kadern gehörte als
"Kurator" auch - wenig überraschend -
Ex-Wirtschaftsminister
Wolfgang Clement (SPD),
der aber aus der
neueren Kuratoren-Liste
(Stand 21.7.05) diskret verschwunden ist und sich nun
durch Diffamierung der Arbeitslosen auch einen guten
Abgang aus seiner maßgeblichen Mitverantwortung für die
Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben
verschaffen will (sh. "Kritik
an Kampagne gegen Missbrauch des Arbeitslosengeldes Zwei
wächst", dradio.de, 20.10.05). In
welchem Maße der bestbezahlte Clement auf der INSM-Linie liegt, zeigt
sich auch an seinen Lobreden auf Friedrich Merz (sh.
Florian Güßgen: "Bad Honnef -
Clement von der Leine",
stern.de,
22.10.06). DIE WELT titelte dazu mit Datum vom
25.10.06: "Politiker
-
Clement ätzt gegen Bundesregierung"
und schrieb weiter:
Der
Ex-Wirtschaftsminister ist nach Bad Honnef gereist, um
den neuen "Aalkönig" Friedrich Merz zu ehren. Dabei
beschimpfte und verspottete er die Koalition in Berlin
in bizarrer Weise.
...Bei aller Kritik über die Regierung besann sich Clement
schließlich auch auf seine eigentliche Aufgabe, die
Ehrung des neuen "Aalkönigs". Er sieht in Merz nicht nur
einen würdigen Nachfolger als König. "Ich will nicht
verheimlichen", wird Clement zitiert, "dass ich
Friedrich Merz eigentlich als meinen Nachfolger im Amt
des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gesehen
habe. Das meine ich ernst.
Der üppige Einsatz des Medienkapitals
in solchen "Denkfabriken" zum Meinungskauf bedeutet letztlich auch Stimmenkauf
gegen die Interessen der Gekauften (sh. hier z.B.
Demokratie-Kauf.htm). Auch bestens
finanzierte "Wirtschaftsforschungsinstitute" gehören zu
diesen "Think Tanks" des
"Informationskapitalismus", die kritisches Denken platt
walzen und durch neoliberale Ideologie ersetzen. Die
neoliberalen Denkfabriken sind nicht nur Lobbyisten,
sondern bestens bezahlte Söldner-Trupps der
Umverteilungs-Profiteure.
Lt. ARD-Monitor-Bericht
des WDR (Sonia Mikich) vom 13.10.05 beginnt man mit der Indoktrination schon in den Schulen, indem man
sie großzügig mit Propaganda-Material für den Unterricht
und mit Desinformationsveranstaltungen versorgt, so dass
die Ideologie schon bei den Jüngsten eingepflanzt
wird (sh. "Die
Macht über die Köpfe...", mit Video und
PDF). Inzwischen ist man schon bis in die
RTL-Journalistenschule in Köln vorgedrungen (ebd.). In Sabine Christiansens neoliberaler
Propaganda-Show (sh. Walter van Rossum "Meine
Sonntage mit 'Sabine Christiansen' - Wie
das Palaver uns regiert", Eichborn 2004) werden
INSM-"Botschafter" als Sachverständige platziert, die
dort weitgehend qualifizierte Diagnosen mit völlig
ungeeigneten neoliberalen Rezepten
verknüpfen. In der ARD-TV-Jugendserie Marienhof wurde
von der INSM z.B. für 58.670 Euro Schleich-Propaganda
versteckt (sh. auch "Politische
Werbung im 'Marienhof' kritisiert",
netzeitung.de, 20.9.2005).
Über den systematisch "verzerrten Pluralismus" der
Neoliberalen in Propaganda-Sendungen nach Art des
Christiansen-Zirkus sh. die Studie zur "Einladepolitik
von Sabine Christiansen", netzpolitik.org/LobbyControl,
7.9.06.
Das Erfolgsrezept der INSM liegt im
"Kunstrasen"-Prinzip.
Dazu schreibt die Wikipedia:
kunstrasen (englisch astroturfing) als
Verb bezeichnet in der Sprache der
Öffentlichkeitsarbeit die Kampagnentätigkeit einer
PR-Firma, die sich als „Graswurzelbewegung“,
als „Bürgeraktivität von unten“ ausgibt. Das Verb ist
ein Wortspiel auf „künstliche“ Graswurzelbewegungen.
Man präsentiert sich
also arglos als "Initiative" für "neue" "soziale"
Marktwirtschaft und die gelinkten Wikipedia-Nutzer,
Forenteilnehmer, Mediennutzer und Schulbuchleser glauben
an die Botschaft mit Medienautorität, tragen sie sogar
kostenlos weiter, weil sie nicht als Propaganda zur
Umverteilung nach oben erkannt wird. PR-mäßig sollen die
Kampagnen eher als Bewegungen von unten (Bottom-up)
erscheinen, während sie in Wirklichkeit von den
Lobbyisten der Bestverdiener (Top-down) gesteuert
werden. Die enormen Geldmittel solcher neoliberalen
Denkfabriken (sh. z.B. die Liste unter "Denkfabrik")
stammen zum allergrößten Teil von den Bestverdienern,
und ihre Zusammenarbeit mit den bestbezahlten
neoliberalen Meinungsmachern zur Umverteilung nach oben
ist so weit entwickelt, dass dem mit gesundem
ökonomischen Verständnis kaum ein Einfluss auf die
Wahlergebnisse entgegenzusetzen ist. Die
Demokratie schlägt also schon hier in
Plutokratie um.
Den neoliberalen Politikern liefert man zur
Unterstützung ihrer Inkompetenz fertige Konzepte nach
dem
Motto: Senkung des Spitzensteuersatzes,
Erhöhung der Umsatzsteuer
usw. Die INSM-Preisverleihungen an INSM-nahe
Politiker und Experten werden von Angela Merkel auch
noch als Zeichen für besondere Leistungen hochgejubelt
und nicht als Infiltrationsbeweis angesehen. Die Redaktionen von Fernsehanstalten werden
angesichts ihrer Finanzknappheit durch die hohen Kosten
für
Klamauksendungen großzügig mit fertigen Konzepten für
ihre Sendungen versorgt, und viele hochdotierte
TV-Macher dürften die Kernaussagen solcher
Gratis-Propaganda dankbar aufnehmen, weil man ihnen mit
dem Ziel der Steuersenkung für Bestverdiener aus der
Seele spricht.
3) "Du
bist Deutschland!"
Bei der großzügigen Unterstützung mit Propaganda-Kapital
für die gefälligen Meinungsmacher
wundert es nicht,
dass diese sich scharenweise der Gute-Laune- und
dem Anti-Linkspartei-Meinungskauf "Du bist
Deutschland!"
anschlossen (sh. "'Du
bist Deutschland' - gut gelaunt und sinnlos",
ARD/WDR-Monitor, 13.10.05), für die der Bertelsmann-Vorstandschef
Gunther Thielen mit seinen Leuten auf Anhieb ein
anfängliches Propaganda-Potenzial von 30 Millionen Euro
zusammentelefoniert hat - vor allem in Form von
Anzeigenplätzen und Werbeminuten, die von den
Medienkonzernen kostenlos zur Verfügung gestellt werden;
sh. den Bericht "Schluß mit Jammern -
eine Kampagne für Deutschland"
aus Springers HAMBURGER ABENDBLATT vom 29.9.2005 auf der
Webseite
du-bist-deutschland.de.
Damit behauptet
Liz Mohn mit ihren
Bertelsmännern auf dem Gebiet der
Meinungsmache ihren Spitzenplatz (sh. bei Google z.B.
mit [bertelsmann site:nachdenkseiten.de] neben
Friede Springer
und
Sabine Christiansen
(ARD/DasErste - sh. auch von dem ansonsten linientreuen Frank
Schirrmacher: "Männerdämmerung", faz.net, 21.7.03, mit
der an sich harmlosen, aber doch bezeichnenden Begrüßung
der Medienkapital-Besitzerin: "Guten Tag, Chefin"!).
Gegen solche Kapital- und Meinungsmacht kann Sonia
Mikich mit ihrem ARD/WDR-Monitor nicht allzu viel
ausrichten.
Thielen wollte
Schluss machen mit dem Selbstmitleid, auch bei den
Zahlemännern der Steuersenkung für Bestverdiener, bei
den Opfern der Umverteilung nach oben und vor allem wohl
mit der Kritik dieser Zustände durch das unbequeme
Linksbündnis. Solche Kritik des
Linksbündnisses an der Wählertäuschung und dem Abzocken
des deutschen Volkseinkommens wird schon durch die
Überschrift ganz nebenbei als unpatriotisch gebrandmarkt.
Patriotisch sind offenbar nur die kapitalstarken
Bertelsmann-Mohn-Extremforderungen zur Umverteilung nach
oben
(sh. unter anderem den Hinweis auf der Forderungskatalog
der
Bertelsmann-Stiftung
in der Zeitschrift CAPITAL gleich nach dem ersten
Regierungsantritt von Bosse-Kanzler Gerhard Schröder).
Das Bertelsmann-Vorbild für die Umverteilung des
Volkseinkommens nach oben ist offenbar die asozialen
Kahlschlagspolitik von Ronald Reagan und George W. Bush
in den USA,
denn die rangieren in Bertelsmanns Standort-Ranking
deutlich vor den erfolgreichen Sozialstaaten Dänemark
und Schweden. Vor den USA steht bei Bertelsmann nur noch der
Subventions- und Steuerdumping-Tiger Irland. Dagegen
rangiert Deutschland durch die Konsumdrosselung der
Agenda 2010 mit Hilfe der Bertelsmann-"Stiftung" in der
Tat hinter den skandinavischen Ländern
(sh. Harald Schumann:
"Macht ohne Mandat",
tagesspiegel.de,
25.9.2006, und "Standort-Check
Deutschland 2007",
Stand
Herbst 2006).
Die Bedeutung des "Standort-Checks" liegt darin, dass er
auch von den neoliberalen Meinungsmachern massenhaft
unkritisch
nachgeplappert wird als Argument für die Umverteilung in
ihre eigenen Taschen
(sh. z.B.
"ERFOLGREICHSTE
INDUSTRIENATIONEN - Deutschland ganz unten",
spiegel.de,
20.4.2006). Man hört zwar von der SPD manchmal die
Mahnung, den Standort nicht kaputtzureden, aber auch
diese Partei betreibt weiterhin die Standort-Schädigung
durch Umverteilung nach oben (sh. hier
rossaepfel-theorie.de).
Als Galionsfiguren für "Du bist Deutschland"s
Bertelsmann ließen sich teils naiv, teils auch
mit bestem Einverständnis etliche "Bestverdiener"
einspannen - wie Sandra Maischberger, Ulrich Wickert,
Anne Will, Reinhold Beckmann, Oliver Kahn usw. (sh. "Nach
'Wir sind Papst" folgt 'Du bist Deutschland'",
nachdenkseiten.de, 26.9.05, und "30
Millionen Euro gute Laune",
Telepolis, 27.9.05, sowie einige Leserbriefe "Da
gibt es nichts schönzulächeln",
taz.de, 26.9.05).
Aber mittlerweile hat z.B. Marcel Reich-Ranicki Bedenken
geäußert, dass er vielleicht die Hintergründe nicht
durchschaut hat, und Sandra Maischberger hat sich
in ihrer
Diskussionsrunde vom 18.10.05
mit Heiner Geißler und anderen von ihrer Mitwirkung
ebenfalls leicht distanziert. Auch ansonsten kann man
ihr - wie Maybrit Illner - wohl keinen Neoliberalismus
nachsagen. Allerdings ist Maybrit Illner - im Gegensatz
zur Christiansen-Nachfolgerin Anne Will - offenbar nicht
auf dem Schmus hereingefallen (sh. die
Unterzeichnerliste unter
du-bist-deutschland.de,
Stand
14.2.07), auch wenn besonders in ihrer "Berlin-Mitte"-Sendung
die mehrheitlichen Proporz-Neoliberalen mit viel Erfolg
für ihre Vormacht tricksen. Dies geschieht aber - anders
als bei Christiansen - nicht im Einklang mit der
Moderatorin, sondern gegen sie. Vollends schockiert wären einige
Unterzeichner der Pseudo-Patriotismus-Kampagne gewesen, wenn sie das
Foto mit dem "patriotischen" Spruchband "Denn Du bist Deutschland"
gesehen hätten aus dem Buch "Ludwigshafen - Ein
Jahrhundert in Bildern", unter
spreeblick.com
(Stand 30.12.05 - mit Sicherungskopie hier unter
"Denn
Du bist Deutschland").
Zu einem Vortrag "Global vernetzt: internationale
Vorbilder und Netzwerke deutscher Neoliberaler von
Dieter Plehwe heißt es:
Die deutschen Neoliberalen waren von Anfang an in
internationalen Netz- werken aktiv. Einige der
Aktivisten (Rüstow, Röpke etc.) waren Mitglied in der
1947 u.a. von Friedrich August von Hayek und Milton
Friedman gegründeten Mont Pèlerin Gesellschaft.
MPS-Mitglieder waren mittlerweile an mehr als 100 Think
Tank Gründungen weltweit beteiligt. Think Tanks werden
üblicherweise als angelsächsischer Typus ideologischer
Wissens-, Beeinflussungs- und Hegemonieapparate
diskutiert. Aber bereits bei der systematischen
Verankerung der "sozialen Marktwirtschaft" war mit der
"Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft" ein bis
heute aktiver, zielgerichtet agierender Think Tank stark
beteiligt. Der Vortrag skizziert die neoliberalen
Netzwerke von Intellektuellen und Think Tanks und deren
eng miteinander verknüpften, aber organisatorisch
getrennten wissenschaftlich-akademischen und populären
Einflussstrategien dar.
Zitiert aus dem Programmheft zum Frankfurter Kongress "Gesteuerte
Demokratie?" der Bewegungsakademie e.V.,
Verden, Juni 2004. In dem Programmheft findet man noch
etliche interessante Erläuterungen zu den übrigen
Veranstaltungen und Netzwerkelementen. Das Kongressthema
verweist auf das Problem der Demokratieaushöhlung durch
Meinungs- und Stimmenkaufs zur Umverteilung nach oben,
das noch über die hier behandelte
"Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben"
hinausgeht.
Abgesehen von der genannten Monitor-Sendung gibt es
inszwischen auch noch einige andere kritische Medien,
die sich mit der erfolgreichen Indoktrinierung durch die
INSM beschäftigen. Dies hat immerhin die INSM aus ihrer
Deckung der angeblich braven Medienunterstützung gelockt
und sie zu offenen Kampfansagen gebracht (sh. Nicole
Otte: "Die
Medien einschüchtern - Druck auf die Berichterstattung",
Freitag 45, 11.11.05, und weitere Artikel dieser
Zeitung, zu finden mit [insm site:freitag.de]). Nach
fünf Jahren mehr oder weniger unbemerkter Gehirnwäsche,
Zuarbeit für die neoliberalen Politiker bis hin zu den
führenden INSM-Mitgliedern in der SPD (Gerhard Schröder,
Wolfgang Clement usw.), nach Indoktrination bis in die
Schulen hinein mit rasanter Ausbreitung des
Neoliberalismus lässt sich der Schaden jedoch kaum noch
gut machen.
4) EU-Fernsehrichtlinie
Die allmählichen Fortschritte in der Liberalisierung
der Manipulation durch den "Informationskapitalismus" zeigt auch die aktuelle Diskussion zur
geplanten TV-Richtlinie. Dazu schreibt der Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) in seiner Presseerklärung vom 28.2.06:
Mit großer Sorge sieht der Rat die Vorschläge der
EU-Kommission, die Fernsehen aufs Ganze nur noch als
Wirtschaftsgut und nicht mehr als Kulturgut verstehen.
Die EKD lehnt auch die Bemühungen um eine
Liberalisierung des Product Placements ab. Doch
unabhängig von den sich eröffnenden Möglichkeiten soll
eine klare Trennung von Werbung und Programm erhalten
und geschützt bleiben. Sonst stehe die Glaubwürdigkeit
des Informations- und Serviceangebots im Fernsehen auf
dem Spiel.
Auch die EKD hält sich mit ihrer „christdemokratischen“
Anhängerschaft milde zurück, benennt jedoch den
Kernpunkt:
Der Grundfehler ist also, dass das Fernsehen nur als
Wirtschaftsgut betrachtet wird, so dass die neoliberale
Marktwirtschaft noch weiter bis in die Seelen vordringt.
Dieser Fehler beruht aber kaum auf mangelndem
Verständnis der Richtlinien-"Liberalisierer", sondern
auf dem bewussten oder faktischen Interesse der
Kapitallobby an der Deformierung der Medieninhalte in
ihrem Sinne.
Man muss gar nicht unterstellen, dass die werbende
Industrie über die Fernsehrichtlinie mehr Einfluss gegen
eine soziale Marktwirtschaft zugunsten der Umverteilung
in ihre Kassen erreichen will.
Es reicht schon, dass diese Umverteilung nach oben
tatsächlich erreicht wird - durch den Wettbewerb der
Medien um das Kapital der Werbeetats und um das
Wohlwollen seiner Besitzer. Dies hat in Verbindung mit
dem Medienkapital schon heute entscheidenden Einfluss
auf die Desinformation, auf das Wählerverhalten und damit auch auf die Förderung
der Liberalisierung zum Neoliberalismus,
wie es die „christdemokratische“ EU-Kommissarin Viviane
Reding Anfang 2006 mit großem Wortschwall vorführt (sh.
Viviane Reding: „Warum
Europa die Richtlinie ‚Fernsehen ohne Grenzen’
modernisieren muss“).
Nach außen hin erscheint dagegen der Richtlinienentwurf
lediglich als eine Förderung von zunehmender
Zerhackung der Sendungen an den unpassendsten Stellen durch "rechtmäßige"
Vergewaltigung mit Reklameeinschüben nach
US-Vorbild . Siehe dazu z.B. das detaillierte Editorial
„Revision
der Revision“, epd.de 4.3.06, mit weiteren
Nachweisen, und die punktgenaue Überschrift
Medienhandbuch.de, 14.12.200:
«Schuss-Miniwerbespot-Tor»? Hoffentlich setzt sich
Viviane Reding mit der EU-Richtlinie zu Werbung und
Product Placement nicht durch,
oder in den Worten des TV-Richtlinienenvorschlags
KOM(2005) 646 endgültig,
vom
13.12.05, S. 12 und S. 21:
Die Regeln für die Einfügung von Werbung werden
vereinfacht und flexibler gefasst. Anstatt – wie bisher
– obligatorisch 20 Minuten zwischen zwei
Werbeunterbrechungen warten zu müssen, können die
Fernsehveranstalter nun selbst bestimmen, wann der
günstigste Moment für Werbeeinschübe in das laufende
Programm ist. Allerdings dürfen Fernsehfilme,
Kinospielfilme, Kinderprogramme und Nachrichtensendungen
für jeden Zeitraum von 35 Minuten nur einmal für Werbung
und unterbrochen werden.
Schleichwerbung wird von dieser Richtlinie wegen ihrer
nachteiligen Auswirkungen auf die Verbraucher verboten.
Das Verbot von Schleichwerbung gilt nicht für die
rechtmäßige Produktplatzierung
im Rahmen dieser Richtlinie.
(Hervorhebung vom Verfasser). Der "günstigte Moment" für
die Kassen der Fernsehveranstalter ist ein Moment
besonderer Zuschauer-Aufmerksamkeit, also der
ungünstigste für den Zuschauer: Eine
Kussszene kann durch eine Zahnpastareklame
unterbrochen werden, und eine dramatische Filmszene über die plötzliche
Verelendung als Folge der Arbeitsplatzvernichtung durch
Umverteilung nach oben könnte man durch eine
Lottoreklame banalisieren. Solche Werke wie den starken
Film Daens oder Polanskis Oliver Twist
sollte man auf gar keinen Fall im Privatfernsehen
anschauen, weil sie überhaupt keine Abflachung durch
Reklame vertragen. Gegen solches Banausentum hilft auch
nicht die vage Auffangbestimmung der Richtlinie gegen
die Verletzung „politische(r) Überzeugungen“ (Artikel
3g), denn wie sollte ein EuGH-Richter diesen Tatbestand
erkennen, wenn er bei seinem Gehalt nur Argumente
zugunsten der Steuersenkung für Bestverdiener akzeptiert
und die Mentalität typischer Bestverdiener und "Säulen
des Vaterlandes" in den beiden Filmen so treffend
dargestellt wird - einschließlich des damaligen Papstes
in
Daens
(Wir-Papst-Du-Deutschland!).
Es geht tatsächlich um die
industrielle Abstumpfung der Gefühle, um die allmähliche
Umwandlung der Empfindungen in Reklamefolien nach dem
Prinzip "alles Fake" - wie im Land der unbegrenzten
Möglichkeiten und zunehmend auch hier - ab dem
Kindesalter.
Diesen Richtlinienentwurf mit etlichen Ergänzungen
erreicht man über die Seite
http://europa.eu.int/comm/avpolicy/regul/regul_de.htm
(Stand 7.3.2006). Die vorherige
Richtlinie 89/552/EWG (Fassung
97/36/EG) vom 19.7.1997
enthält die geltenden Bestimmungen über die
Programmunterbrechungen ebenfalls in ihrem Artikel 11,
der darin noch aus 34 Zeilen besteht und in dem neuen
"liberalisierten" Richtlinienvorschlag auf 9 Zeilen
zusammengeschrumpft ist. Immerhin haben darin die
"christlichen" Demokraten noch ihre Formulierung
beibehalten, dass "religiöse Programme" nicht "durch
Werbung oder Teleshopping unterbrochen werden" dürfen.
Unterschlagen wurde jedoch der Artikel 11 Abs. 3 und
seine Werbebeschränkung bei "Übertragung audiovisueller
Werke" auf Sendungen mit einer "programmierte[n]
Sendezeit [von] mehr als 45 Minuten". In der alten
Richtlinie heißt es:
(3) Die Übertragung
audiovisueller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme
(mit Ausnahme von Serien, Reihen, leichten
Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilmen) kann für
jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal unterbrochen
werden, sofern ihre programmierte Sendezeit mehr als 45
Minuten beträgt. Eine weitere Unterbrechung ist
zulässig, wenn die programmierte Sendedauer um
mindestens 20 Minuten über zwei oder mehrere volle
45-Minuten- Zeiträume hinausgeht.
Statt dessen
heißt es in der neuen Richtlinie nur:
(2) Die Übertragung von
Fernsehfilmen (mit Ausnahme von Serien, Reihen, leichten
Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilmen),
Kinospielfilmen, Kinderprogrammen und
Nachrichtensendungen darf für jeden Zeitraum von 35
Minuten einmal für Werbung und/oder Teleshopping
unterbrochen werden.
Beim genauerem
Hinschauen meint der juristische Laie, dass man bei der
"Übertragung audiovisueller Werke" "nur" die Zeit
zwischen den Werbeblöcken um 10 Minuten von 45 auf 35
Minuten verkürzt hätte. (Auch von den bisherigen 45
Minuten ist in der umfangreichen Begründung des neuen
Entwurfs nicht die Rede.)
Tatsächlich soll man aber
künftig bei solchen Sendungen zu jedem beliebigen
Zeitpunkt (im Abstand von 35 Minuten) die Werbung
einblenden können, egal wie lange die Sendung dauert.
Dies wird zwar in dem neuen Text und auch in der
beigefügten Begründung nicht klar ausgedrückt.
Die Absicht ist aber daran zu erkennen, dass man einfach
ein Wort ("vollen")
weggelassen hat: Bisher heißt es "für
jeden vollen Zeitraum von 45",
künftig soll es heißen "für
jeden Zeitraum von 35 Minuten". Vielleicht hat
irgendwann einmal ein Lobbyist in den
Beschlussgremien gesagt, dass der Text auch ohne das
Wort "vollen" klar verständlich sei und andere
Lobbyisten dort haben zugestimmt, so dass die
juristischen Laien am Tisch (sh. hier
Dienstleistungsrichtlinie)
dem Einbau des Trojaners nicht widersprechen mochten, um
sich bei den "Experten" auf dem Gebiet nicht
bloßzustellen. Die Rückfrage bei eigenen Juristen
war ihnen vielleicht zu mühselig oder kam ihnen gar
nicht erst in den Sinn. Vielleicht haben ihnen die
Lobbyisten sogar schon einmal die eine oder andere
Gefälligkeit in den Seilschaften erwiesen. Eine
Bestätigung für die Zulässigkeit der Erst-Unterbrechung
vor Ablauf der 35 Minuten konnte hier bisher nirgends
gefunden werden. Aber es wäre nicht verwunderlich, wenn
interessierte Kreise diese EuGH-Konsequenz bis zur
Verabschiedung der Richtlinie absichtlich im Dunkeln
halten. Wenn diese Lobbyisten nach der
Verabschiedung der Richtlinie ihren wahren Inhalt
aufdecken, werden die Abnicker auch nicht protestieren,
sondern sich wegducken, weil sie sonst zeigen würden,
dass sie ihre hohen Bezüge nicht wert sind.
Wenn das auffällige
Fortlassen des Wortes „vollen“ als Indiz für die Absicht
nicht ausreicht, so kann man leicht darauf verweisen,
dass in Artkel 11 des neuen Entwurfs nirgends von so
etwas wie einer programmierten Sendezeit die Rede ist,
während in Artikel 11 des alten Entwurfs dieser Begriff
viermal vorkommt:
„für jeden vollen Zeitraum von 45 Minuten einmal …,
sofern ihre programmierte Sendezeit mehr als 45 Minuten
beträgt“ (sh. hier oben Absatz 3) und
„die
eine programmierte Sendezeit von weniger als 30 Minuten
haben… Beträgt ihre programmierte Sendezeit mindestens
30 Minuten…“ (sh. hier unten, Absatz 5). All diese
Fortlassungen
zusammen genommen, lassen praktisch keine Zweifel mehr
zu an dem schriftlich fixierten „Willen“ des
„Richtliniengebers“, auch wenn die Fortlassungen
vielleicht zunächst weniger Aufmerksamkeit erregen
sollen als Hinzufügungen.
Die genannten "Liberalisierungen" sollen nicht nur für
"audiovisuelle Werke" gelten, sondern auch für
Sendungen, deren Kommerzialisierung durch Reklame
besonders bedenklich ist. Sie sind nach der alten
Richtlinie gegen Reklame geschützt, wenn sie weniger als
30 Minuten dauern. In der alten Richtlinie heißt es:
(5) ...Des weiteren dürfen Nachrichten, Magazine über
das aktuelle Zeitgeschehen, Dokumentarfilme, Sendungen
religiösen Inhalts und Kindersendungen, die eine
programmierte Sendezeit von weniger als 30 Minuten
haben, nicht durch Werbung oder Teleshopping
unterbrochen werden. Beträgt ihre programmierte
Sendezeit mindestens 30 Minuten, so gelten die
Bestimmungen der vorangegangenen Absätze.
Nach der neuen Richtlinie, darf man also auch solche
kurzen Sendungen durch Werbung an beliebigen Stellen
unterbrechen. Man darf jedoch nach der neuen Richtlinie
bei Sendungen gemäß deren Absatz 2 (sh. oben) nur alle 35 Minuten Werbung
einblenden, während das nach der alten Richtlinie im
späteren Verlauf langer Sendungen (länger als zweimal 45
Minuten, sh. oben) noch alle 20 Minuten geschehen darf.
Aber das kleine Zugeständnis für diesen eher seltenen
Fall kann die Aufhebung des Werbeblock-Zwangs und die
Zulassung der beliebigen Einblendungen nicht
kompensieren.
Im Vergleich zu Ramschsendungen, Dokumentarfilmen usw. sollen
die schützenswerten Sendungen also auch an beliebiger
Stelle durch Werbung unterbrochen werden und danach lediglich noch durch
die Werbepausen von 35 Minuten ein wenig vor der
vorrangigen Werbeträgerfunktion und Banalisierung
bewahrt werden. Dabei ist es eine Zumutung, dass auch
Dokumentarsendungen an beliebiger Stelle beliebig oft
unterbrochen werden dürfen - ohne irgendeine Begrenzung
durch die Werbepausen von 35 Minuten oder die bisherigen
20 Minuten. Bei Ramschsendungen könnte dagegen man mit
etwas Optimismus vielleicht sagen, dass die beliebigen
Werbeunterbrechungen vielleicht zum Abgewöhnen dienen.
Siehe zur "Liberalisierung" auch den Artikel „Neue
Fernsehrichtlinie – EU-Kommission lockert Vorschriften
für Fernsehwerbung“, portamedia.net, 10.11.05, mit
dem Vorspann zur Zielsetzung:
EU-Kommissarin Viviane Reding will europäischen
Privatsendern flexiblere Werbemöglichkeiten verschaffen.
Ihr Entwurf für die neue Fernsehrichtlinie sieht kein
Blockwerbegebot mehr vor. Das erklärt Reding in einem
Interview mit dem Wochenmagazin werben & verkaufen.
Demnach könnten TV-Anbieter Filme auch durch einzelne
Werbespots unterbrechen und das weitaus häufiger als
heute.
Kennzeichnend für solche Vorstöße ist - wie bei der
Dienstleistungsrichtlinie und dem gescheiterten
EU-Verfassungsentwurf - auch hier, dass den notwendigen
Neuregelungen regelmäßig gefährliche neoliberale
Trojaner beigepackt werden. Es hat fast den Anschein,
dass solche Neuregelungen immer nur als Vehikel für die
Neoliberalisierung missbraucht werden.
Jedenfalls haben die Neoliberalen für die Abstimmung im
EU-Parlament eine Berichterstatterin aus ihren eigenen
Reihen bestimmt und mit der Zustimmung ihrer Mehrheit in
der ersten Lesung am 13.12.06 die wichtigste Hürde zur
weiteren Amerikanisierung des Fernsehens und der
Manipulation genommen (sh. hier
Pro7Sat1.htm).
Die Manipulateure sind jedoch nicht nur finanzielle Profiteure,
sondern zugleich auch mentale Opfer des Systems, das
Herbert Markuse in seiner Entstehung beschrieb:
„Indem die Menschen ihre eigene
Sprache sprechen, sprechen die Menschen auch die Sprache
ihrer Herren, Wohltäter und Werbetexter. Daher drücken
sie nicht nur sich selbst aus, ihre eigene
Erkenntnis, ihre Gefühle und Bestrebungen, sondern auch
etwas anderes als sich selbst.“
„Es war die totale Mobilisierung der materiellen und
geistigen Maschinerie, die ganze Arbeit leistete und
ihre mystifizierende Macht über die Gesellschaft
installierte. Sie diente dazu, die Individuen unfähig zu
machen, »hinter« der Maschinerie jene zu sehen, die sich
ihrer bedienten, von ihr profitierten und jene, die für
sie zahlten.“
Sh. Herbert
Markuse:
Der eindimensionale Mensch
(One-dimensional
Man: Studies in the Ideology of Advanced Industrial
Society,
Boston: Beacon, 1964), zitiert nach Sven Oliveira
Cavalcanti: "Herbert
Markuse zum 25. Todestag", sopos.org,
7/2004.
Die "mystifizierende
Macht" des Neoliberalismus
wird durch neoliberale Richtlinien
weiter gesteigert im Interesse des Kapitals und seiner
profitierenden Hohenpriester - zu Lasten des
Volkseinkommens und seiner Produzenten. Es handelt sich
hier nicht nur um Gleichschaltung durch soziale
Kontrolle nach Art der bisherigen historischen
Umverteilungssysteme, sondern um den allmählichen Ersatz
der bisher missbrauchten Götter durch das
verselbständigte
Goldene Kalb. Diese
Entwicklung wird besonders von den geistlichen Führern
in der islamischen Welt wahrgenommen, auch soweit sie
selbst von ihrer Umverteilung nach oben profitieren.
Herbert Markuse bezieht sich auf die breit angelegten
sozialphilosophischen Grundgedanken
von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer
in ihrer "Dialektik
der Aufklärung"
(Amsterdam, 1947), die sich aber nicht leicht
konkretisieren lassen in bezug auf die hier behandelten
Themen. Einen interessanten Ansatz dazu findet man auf
der Webseite von Udo Leuschner: "Menetekel USA -
Von Tocqueville zur 'Dialektik
der Aufklärung'" (besucht 8.3.2006).
Zurück zum
Abschnitt_1b.
|
|