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Exkurs
Meinungskauf: Pro-Sieben-Sat.1
Als ob die Desinformation der etwa zehn Millionen wahlberechtigten BILD-Leser
noch nicht reichte, wollte der Axel-Springer-Verlag auch noch die Fernsehgruppe
Pro-Sieben-Sat.1 kaufen. (Siehe „Deutschland braucht kein Springer TV“,
tagesschau.de, 5.8.05,
sowie Interview mit Günter Wallraff: „Bei Wahlen macht 'Bild' immer Politik für die Rechten“,
taz.de, 21.11.05, und zur sinkenden Auflage
von 3,83 Mio. verkauften Exemplaren in 2005:
http://www.bildblog.de/auflage.html, Stand:
28.11.05). Diese bisher anscheinend noch eher kampagnenfreien oder
entpolitisierenden Sender können schnell auf Linie gebracht werden. Mit
solchen Schluck-Aktionen kann die irreführende Wahlbeeinflussung in Deutschland
noch einen kräftigen Schritt weiter in Richtung Bush-Land der US-Republikaner
und Berlusconien der italienischen Rechten getrieben werden. Auch dort können
die Neoliberalismus-Kritiker gegen die kapitalistische Meinungsmache kaum etwas
ausrichten - ähnlich wie in Deutschland. Die kapitalistische Meinungsmacht von
Berlusconi reichte auch nach seiner knappen Abwahl, um ihm mit seinen
faschistischen und neoliberalen Koalitionspartnern wieder eine Umfrage-Mehrheit
bei den Italienern zu verschaffen - trotz seiner Selbst-Immunisierung gegen alle
möglichen Korruptions-Prozesse. (Sh. „Umfrage:
Bei Neuwahlen würde Berlusconi-Block siegen“, standard.at,
23.2.07). Auch wenn die
Korruption in Deutschland noch nicht dieses Ausmaß erreicht hat, so ist die
Wählertäuschung durchaus vergleichbar.
Meinungskauf mit Hilfe des Medienkapitals bedeutet letztlich auch Stimmenkauf.
Zugleich werden die willfährigen neoliberalen Politiker durch den
„Informationskapitalismus“ hochgejubelt, so dass mit ihrer Hilfe schließlich das
Medienimperium durch maßgeschneiderte Kartellgesetze und wohlgefällige
Medienwächter noch weiter vergrößert werden kann. (Zum Umfang des
Springer-Imperiums sh.
http://www.bildblog.de/familie.html.)
Der Erfolg solcher Manipulation zeigt sich auch in Italien, wo
Berlusconi all jene als „Coglioni“ (unanständiger
Ausdruck für „Vollidioten“ und Hoden) bezeichnete, „die so dumm wären, gegen
ihre eigenen Interessen zu stimmen“ . Dennoch hat sein Bündnis annähernd die
gleiche Stimmenzahl bekommen wie die Gegner der Umverteilung nach oben - trotz
deren ehrenhaften Abwehrkampfes bis ins Unternehmerlager hinein. (Sh.
„Basta Berlusconi?“, spiegel.de, 10.4.06.
Die Bezeichnung „Don Coglioni“ stammt ursprünglich vom Wall Street Journal,
vielleicht in Anspielung auf den Mafioso Don Corleone? Der letzte Pate von
Corleone, Bernardo Provenzano, wurde kurioserweise pünktlich zur
Stimmenauszählung gefasst, ohne dass sich ein Zusammenhang vermuten ließe:
sh. „Der
Pate von Corleone“, welt.de, 12.4.06).
Am Beispiel von
Berlusconi und dem Vatikan zeigt sich auch
wieder die Jahrtausende alte Verfilzung von staatlichen, großbürgerlichen und
klerikalen Profiteuren gegen das Volk. (Siehe dazu auch den Bericht von
Thomas Migge: „Vatikan
setzt wieder auf Berlusconi“, dradio.de,
8.2.2008, 9:36h bis 9:51h, nur als mp3). In Italien wird dieser Morast
besonders erkennbar an der Kriminalgeschichte der Päpste und ihrer
staatlichen Komplizen aus dem Großbürgertum. (Siehe Karlheinz Deschner:
Kriminalgeschichte des Christentums, Bd.
1-8, CD-ROM-Version, Berlin 2005).
Diese Geschichte setzt sich fort im Komplott von Kirche und Faschismus bei der
Machtergreifung Mussolinis, in der siebenmaligen Wiederwahl des kirchlich
gestützten „Paten“
Giulio Andreotti zum Ministerpräsidenten der
„Democrazia
Cristiana“, in seiner Ernennung zum „Senator auf Lebenszeit“ und in der
anschließenden Meinungsmanipulation durch den Medien-Monopolisten Silvio
Berlusconi, der durch Unterstützung dunkler Quellen aus dem Nichts zum
Multimilliardär wurde, der wegen seiner maßgeschneiderten Immunitätsgesetze
immer noch frei herumläuft, während sein enger Vertrauter, der Mafioso Dell'Utri
schon zu neun Jahren Haft verurteilt ist. (Siehe. „1994
Berlusconi, P2 und die Mafia“, unter us-politik.ch, Stand
9.2.2008, sowie
„Prozess in Turin - Mafia-Vorwürfe gegen Berlusconi
erregen Italien“, spiegel.de,
4.12.2009). Offenbar sind die unglaubliche
Machenschaften des Medien-Paten für den Vatikan zweitrangig im Vergleich zur
Verhinderung der Linken, der Homo-Ehe oder neuer Mittel der Empfängnisverhütung.
(Siehe den Bericht von Thomas Migge, a.a.O.). Massenproteste gegen Berlusconi
kommen jedenfalls eher durch Aufrufe im Internet zustande als durch die
Mitwirkung der weitgehend gleichgeschalteten Massenmedien. Diese rufen dann zu
Gegendemonstrationen auf (sh.
„Italien: Aufruf zur Solidaritätsdemo für Premier
Berlusconi“,
7.12.2009, diepresse.com).
ZZu den Wahlerfolgen von Berlusconi sagte der
Lügenforscher Wolfgang Reinhard, Verfasser des Buches „Unsere
Lügengesellschaft“, in einem Interview vom Mai 2006 mit
sciencegarden.de:
Berlusconi, das ist eher ein indirektes Lügenproblem. Meine persönliche These
ist, dass er einfach das Ideal eines Großteils, oder eben der Hälfte der
italienischen Bevölkerung, verkörpert. Berlusconi ist der Super-Furbo
[italienisch furbo = clever, listig, verschlagen; Anm. d. Red.], der Mensch von
ganz unten, der durch Schläue und einige lausige Tricks ganz nach oben kommt.
Noch dazu ist er ein Medienzar und kann sich geschickt vermarkten. Viele
Italiener bewundern das ganz offen.
„Furbo“ heißt auch „Schlitzohr“,
obwohl der „Super-Furbo“ dieser Brandmarkung durch Ohraufschlitzen bisher stets
auch mit Hilfe von rechtzeitigen eigenen Gesetzesänderungen entgangen ist., so
auch wieder mit seinem angeblichen „Sicherheitspaket“ von 2008 (sh.
„GESETZGEBUNG AUF ITALIENISCH - Berlusconi macht es
sich recht“, spiegel.de, 19.6.2008). Es ist schwer zu sagen, ob er
nicht zuletzt dafür von vielen Italienern bewundert wird. Jedenfalls kann man sich auch
in Deutschland bei den Wahlen und Politumfragen nur wundern, welche Erfolge die
Wählertäuschung schon ohne die verschärfte Instrumentalisierung von
Pro-Sieben-Sat.1 erreicht hat.
Vielleicht spielen bei der verbreiteten italienischen Präferenz für die „Coglioni“
noch die Nachwirkungen altrömischer Wurzeln eine Rolle, wo der Eigentümer seinem
teuer aufgebauten Gladiator nach dessen Kampf-Niederlage gern das Leben gelassen hätte,
während das
Volk nach dem Todesstoß schrie. Auch der florentinische „Geist“ von Niccolò
Machiavellis opportunistischer Gefälligkeits-Schrift „Der
Fürst“ findet in Berlusconi und seiner Anhängerschaft eine üble
Fortsetzung - ganz abgesehen von der starken Parlamentsfraktion der Faschisten
mit ihrer brutalen Tradition gegenüber der viel zu schwachen italienischen Linken. Im
Senat duldet man zur Blockade vernünftiger Politik „Senatoren auf Lebenszeit“
vom Schlage des „Christdemokraten“
Giulio Andreotti mit Traumbezügen.
Aber bei all dem sollte man nicht herausragende Charaktere vergessen wie
Leoluca Orlando, die ermordeten
Staatsanwälte Giovanni Falcone, Paolo Borsellino und etliche weitere
Staatsanwälte, Richter, Journalisten, die die Mafia nicht einschüchtern konnte
und die sich nicht entmutigen ließen durch die Berlusconi-Regierung mit deren
Selbst-Amnestien, Verjährungs-Verkürzungen, Kronzeugen-Abwehr,
Personenschutz-Einschränkungen und sonstigen Winkelzügen oder durch die früheren
Machenschaften der „Christdemokraten“ mit Giulio Andreotti.
Außerdem gibt es Präferenzen für die Volksbetrüger und entsprechende
Fehlbesetzungen fast überall, wenn man sich z.B. im Jahre 2006 die bekannteren
Erfolge medialer Wahlmanipulation anschaut, sei es in den USA, Deutschland,
Russland, Großbritannien oder auch in Thailand, dessen abgesetzter
Regierungschef Thaksin („Berlusconi Asiens“) seine Milliarden bereits ins
Ausland geschafft hat. (Siehe „Thaksin hat vorgesorgt“,
n-tv.de, 25.9.06). - Im Hinblick auf die
besagten „kulturellen“ „Wurzeln“ sollten auch in Deutschland einmal bevorzugt
die negativen Seiten der Germanen-Kulte neu belebt werden. Nur der im Kampf
erschlagene Totschläger konnte in ihr Paradies (Walhall) der
Einherjer eingehen. Tugend war
gewissermaßen gleichbedeutend mit „Tapferkeit“ im Kampf - wie bei den alten
Griechen auf ihren Beutezügen. Die nackte Brutalität lebt heute weiter im
Raubtierkapitalismus. Aber der hat mehr mit der Geschichte der Menschwerdung zu
tun.
Hilfreich beim Übernahmepoker um ProSiebenSat.1 sollte wohl sein, dass der
Medienmogul und Verkäufer dieser Sendergruppe, Haim Saban aus Israel mit Sitz in den
USA, durch seinen Anwalt Christoph Wagner vertreten war in der entscheidenden deutschen
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).
Zwar war Wagner
„...seit dem 9. August von allen Sitzungen der KEK ausgeschlossen, die sich mit der
Übernahme von Pro- SiebenSat.1 durch die Axel Springer AG befassen.“ Wagner
bleibt allerdings weiterhin Ersatzmitglied der KEK.
(Sh.
„Interessenkonflikt bei der KEK: Saban-Berater
Mitglied der Expertenrunde“, DER SPIEGEL, 34/2005). Aber die guten
Kontakte dieses Milliardärs bzw. seines Mittelsmannes zu weiteren
Stimmberechtigten in der Kommission mussten deshalb nicht fruchtlos bleiben.
Weiter heißt es ebenda:
Der Anwalt Christoph Wagner hatte die Federführung für Saban und seine
Mitinvestoren in den Verkaufsverhandlungen und gehört seit 2002 der KEK an.
Gleichzeitig berät Wagners Kanzlei, Hogan & Hartson Raue in Berlin, auch Springer
- in kartellrechtlichen Fragen. Bei der Entscheidung, ob Springer wie geplant
die Pro- SiebenSat.1-Gruppe übernehmen kann, kommt der „staatsfernen,
standortunabhängigen“ (Eigendarstellung) KEK neben dem Bundeskartellamt die
Schlüsselrolle zu. Das Expertengremium prüft, ob Springer durch die Fusion eine
„vorherrschende Meinungsmacht“ erlangt - und könnte die Übernahme erheblich
erschweren.
Wagner gehört also der KEK
bereits seit 2002 an, während die Finanzgruppe von Saban ihre Anteile erst im
Jahre 2003 gekauft und später Wagner für die Unterstützung der Verkaufs
engagiert hat: Einkaufspreis geschätzt 850 Millionen Euro, Verkaufpreis 2,47
Milliarden Euro durch zwischenzeitlichen Kursanstieg - sh.
„TV-Deal bringt Saban-Gruppe rund 1,6 Milliarden Euro“,
SPIEGEL ONLINE, 5.8.05. Für diese „schnelle Mark“ waren schon einige Hebel zu
bewegen. Dagegen verengt die kartellrechtliche Betrachtung des Handels mit
politischer Manipulationsmacht den millionenfachen Meinungskauf und die
Aushöhlung der Demokratie auf den Stellenwert des Waschmittelvertriebs.
Ganz nebenbei werden auch hier - wie so oft - Spekulationsgewinne in
Milliardenhöhe durch eine weitere Abschöpfungs-„Investition“ der deutschen
Wirtschaft entzogen, was sich - gemessen an den Haushaltslöchern und der
mangelhaften Besteuerung solcher „Windfall-Profits“ - durchaus zu beachtlichen
Größen addiert. An dieser Stelle kann nicht untersucht werden, inwieweit „Sanierungs“-Erfolge
zu dem Kursanstieg ihren bescheidenen Beitrag geleistet haben und auf welche Art
gegebenenfalls saniert wurde.
Edmund Stoiber sieht in diesem Riesenschritt zur Manipulations-
Demokratur
- wie ehemals Strauss, Kohl und Kirch - mit Recht die große Chance der
Neoliberalen. Stoiber begründet seine Unterstützung jedoch - wie fast
jeden neoliberalen Winkelzug - natürlich mit zusätzlichen „Arbeitsplätzen“
(ebd.), ohne die massenhafte Arbeitsplatzvernichtung gerade durch diesen
Neoliberalismus zu erwähnen.
Bei solchen Akteuren wäre es kaum verwunderlich, wenn die KEK auch ohne
Christoph Wagner schon jetzt entsprechend besetzt wäre. Zu deren
„Willensbildung“ hinter verschlossenen Türen sh. den Artikel „Widerstand gegen
Mega-Medienfusion“,
tagesschau.de, 9.8.05:
Die deutschen Medienwächter
wollen die geplante Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel
Springer AG intensiv überprüfen. Binnen der kommenden vier Monate werde die
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) entscheiden,
ob durch die Fusion das neue Unternehmen eine zu große Meinungsmacht erlangt,
sagte der KEK- Vorsitzende, Dieter Dörr...
Die KEK sieht es vor allem als mögliche Bedrohung an, dass Medienunternehmen
Meinungen bei Zuschauern und Lesern verstärken oder abschwächen könnten. Dies
sei vor allem bei Zeitungen möglich, sagte Dörr. Kritisch äußerte er sich zu
einem möglichen Veto der Direktoren-Konferenz der Landesmedienanstalten, mit
einer Dreiviertel-Mehrheit eine KEK-Entscheidung zu überstimmen. Die KEK habe
den gesetzlichen Auftrag, die Meinungsmacht zu prüfen. Es habe keinen Sinn, wenn
ein Gremium der Medienanstalten die Entscheidung eines anderen Gremiums wie der
KEK für ungültig erkläre. Er gehe davon aus, dass die Direktoren sich wie die
KEK an den Rundfunkstaatsvertrag halten werden, sagte Dörr.
Der Widerstand gegen noch mehr Meinungskauf war jedoch von
vornherein nicht ganz verloren:
Die seltsame Kommission spricht
ihr Urteil dieser Tage, keiner weiß aber, ob es etwas bewirkt. Man braucht sich
nur Dörrs eigene Aussagen vorzunehmen. Untauglich hat er die KEK genannt, „das
letzte Feigenblatt der Medienaufsicht“. Das war vor ein paar Jahren, als die KEK
gerade gegründet wurde. Später schien sich Dörrs Verdikt zu bestätigen: Ob Leo
Kirch sein Imperium festigte, ob Bertelsmann seine Macht bei der RTL-Familie
ausweitete, immer nickte die KEK alles ab. Anders als ihre Kollegen von der FCC
in den USA, von Ofcom in England oder der CSA in Frankreich hat die KEK zudem
als Gremium unabhängiger Experten kaum Befugnisse, falls sie Nein sagt.
Eventuell darf sie einen Entzug der Sendelizenz verlangen, aber auch das ist
nicht klar.
Dörr hat offensichtlich vor, seine Prognosen von einst zu konterkarieren,
seitdem er 2004 an die Spitze der KEK rückte.
(Sh. „Dieter Dörr: Ohne Furcht und Feigenblatt“,
ftd.de, 29.11.05.)
Kartellrechtlich ist die Fusion nicht genehmigungsfähig, da laut Vorwarnung
durch das Bundeskartellamt mit dem Zusammenschluss „eine marktbeherrschende
Stellung entsteht ... auf dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für
Straßenverkaufszeitungen und dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen. Schon
in einem Zwischenbescheid im November 2005 äußerte das Kartellamt schwere
Bedenken gegen den Zusammenschluss von Deutschlands größter
TV-Privatsenderfamilie mit Europas größtem Zeitungsverlag.“ (Sh. „Hürden waren
Springer zu hoch“,
Handelsblatt.com, 1.2.06.)
Für den Fall, dass das Kartellamt diesen Meinungskauf zugunsten der
Neokonservativen blockieren würde, schloss der gut in Abwehr-Stellung gebrachte
neue Wirtschaftminister Michael Glos (CSU) seine letztlich entscheidende
Ministererlaubnis gegen die Kartellwächter nicht aus. (Siehe Birgit Gärtner:
„Elefantenhochzeit vorläufig verschoben“,
Telepolis, 15.12.05; sh. ferner
„Übernahmepoker von Springer beschäftigt Politik“,
finanzen.de, 19.1.06). Auch sein
Parteifreund und bayerischer Wirtschaftsminister Erwin Huber hatte ihm bereits
eine Vorlage geliefert und die Ministererlaubnis gefordert, ebenso wie etliche
Landesmedienanstalten des gleichen Lagers und der wild entschlossene hessische
Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der nun den Stimmenzuwachs für seine Partei
vielleicht nicht mehr mit ihrem
Schwarzgeld bezahlen kann und hier nach
Alternativen sucht. Huber berief sich diesmal sogar - ganz gegen seine
Gewohnheit - auf die Gefahr von ausländischen „Heuschrecken“. (Siehe „Axel
Springer: Wir müssen aus dieser Falle raus“,
manager-magazin.de, 22.1.06).
Das „freundschaftliche Verhältnis“ von
Friede Springer zu Angela Merkel und ihre
politische Interessenübereinstimmung hätten noch eine zusätzliche Hilfe sein
können, auch wenn Frau Springer sich in den Redaktionsalltag nicht einmischen
muss und dafür ihre Leute hat, denn:
Mit Mathias Döpfner, einem Mann
ihres Vertrauens als Vorstandsvorsitzendem an der Spitze der AG, machte sie den
Verlag zukunftssicher. Friede Springer, der ein freundschaftliches Verhältnis
zur CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel nachgesagt wird, hält Distanz zu den
Redaktionen.
(Siehe „Friede Springer - Vom Kindermädchen zur
Mehrheitsaktionärin“,
stern.de, 5.8.05.) Hauptsache man wählt
linientreue Chefredakteure aus. Die stellen dann schon ebensolche Ressortleiter
ein usw.
Friede Springer bekannte einmal mit sympathischer Freimütigkeit zu ihrer
„Situation im Schatten des [30 Jahre älteren] Großverlegers“, den sie mit 23
Jahren kennengelernt hatte (sh. ebd.):
„Ich habe mich an seiner Seite
entwickelt. Ich gebe es zu: Ich bin sein Produkt.“
Aber zugleich erklärt dieses Bekenntnis auch die fatale
Kontinuität.
Offenbar hat Angela Merkel ebenfalls viel von
Helmut Kohl gelernt. So konnte Merkel auch als „Kohls
Mädchen“ erfahren, wie ihr Meister und der damalige
Springer-Großaktionär
Leo Kirch engste Beziehungen zum
gegenseitigen Vorteil pflegten und wie unter dem damaligen Bundeskanzler
Helmut Kohl in
seinem Wahlkreis Ludwigshafen zum 1.1.1984
überhaupt erst das Privatfernsehen geschaffen wurde - mit seinen leichten
pluralistischen Vorteilen und großen Problemen durch das demokratisch nicht
legitimierte manipulative Medienkapital. Die Gründung erfolgte durch
Kohl-Förderer Leo Kirch gut ein Jahr nach der Wahl von Kohl zum Bundeskanzler
(sh. Guido Meyer: „Die Revolution frisst ihre Kinder - 20 Jahre
Privatfernsehen“,
dlf.de, 4.8.02).
Schon im Frühjahr 2002 war wieder einmal eine solche Ministererlaubnis erteilt
worden gegen das Bundeskartellamt - durch Staatssekretär Alfred
Tacke in Vertretung des damaligen Wirtschaftsministers
Werner Müller zugunsten von E.ON und Ruhrgas, die
jetzt nach ihrem Zusammenschluss für die hohen Energiepreise sorgen. Werner Müller
erhielt in dem Konzern dann einen Vorstandsposten, bezog aber „bereits eine
Pension von E.ON, als sein Ministerium die umstrittene Sondererlaubnis zur
Übernahme der Ruhrgas durch E.ON erteilte“. (Siehe
udo-leuschner.de, Januar 2005)! Auch der
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wurde reichlich entlohnt für seine gute
Zusammenarbeit mit dem Strompreis-Großprofiteur RWE, obwohl Meyer „zumindest in
den letzten Jahren keine entsprechende Arbeitsleistung für das von RWE bezogene
Gehalt erbrachte und deshalb im Dezember 2004 von seinem Parteiamt zurücktreten
mußte“ (leuschner.de,
März 2005). Der vorgeschobene Alfred Tacke fand bei den Strompreis-Profiteuren
ebenfalls hohe Anerkennung und brachte sein Schäfchen ins Trockene mit dem
„Vorstandsvorsitz des Steinkohleverstromers Steag“. (Siehe „Politischer Wirbel um
den den Wechsel des Staatssekretärs Tacke zur Steag“,
leuschner.de, September 2004, und
„'Raffzahn' Agnes vs. 'Ekel' Alfred“,
taz.de, 8.9.04). Auch Wolfgang Clement fand
bei RWE (und bei der
INSM) höchste Anerkennung (sh.
rossaepfel-theorie.de).
All das erscheint der Sache nach fast noch harmlos im Vergleich zu den
Zahlungen, die Leo Kirch für die massive Unterstützung seines
CDU/CSU-freundlichen Privatfernsehens gezahlt hat an Helmut Kohl, Theo Waigel,
Wolfgang Bötsch, Jürgen Möllemann usw. und die nur durch den Kirch-Konkurs
publik geworden sind. (Siehe „Leo Kirch und die CDU/CSU-Amigos“,
gavagai.de, und ausführliches Material z.B.
bei spiegel.de). Über die Zahlungen an Kohl heißt es im Sendemanusript zur
Panorama-Sendung vom 31.7.03:
Genau festgelegt im
Geheimvertrag ist besonders die Vergütung. Kohls Honorar: 600.000 DM jährlich,
drei Jahre lang. So kassierte Helmut Kohl 1.800.000 DM plus Mehrwertsteuer, plus
alle Spesen. Seine Gegenleistung: eine sogenannte „Standard-Beratung“ von „bis
zu zwölf persönlichen Gesprächen” mit Leo Kirch. Auch kein Gespräch wäre also
eine Vertragserfüllung. Dazu noch auf Wunsch eine sogenannte „situative
Beratung”, ebenfalls ohne genaue Definition.
Die Qualität der Beratung ergibt sich aus einer Äußerung von Leo Kirch über Kohl
vor dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss:
„In geschäftlichen Dingen hat er nie etwas verstanden, er wollte es nicht
verstehen. Das war immer klar zwischen uns.“
(Siehe die Panorama-Video-Seite zur Sendung vom 31.7.2003 unter
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2003/erste7126.html mit
Verweis auf die vorhergehenden Sendungen sowie das Sendemanuskripts
Kirch-'Honorar'_fuer_Kohl&Co.panorama.31.07.2003.htm zur
Sendung vom 31.7.2003, hier aus einer Sekundär-Quelle, nachdem diese
Originalquelle schon "depubliziert" wurde.)
Immerhin wurde Kohl vom konservativen Präsidenten der EU-Kommission Manuel
Barroso im Jahre 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
„CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach in der «Saarbrücker Zeitung“ von
einer «ausgezeichneten» Idee des EU-Kommissionspräsidenten.“
(Sh. „Parteienstreit
über Nobelpreiskandidat Kohl“, netzeitung.de, 28.3.2007). Mit solchen
Gefälligkeiten konnte sich Barroso die „christliche“ Unterstützung für seine
Wiederwahl zum EU-Kommissions-Präsidenten sichern. Auch für Niedersachsens CDU-Ministerpräsidenten
Christian Wulff lief Kohls Strippenzieherei zugunsten von Kirchs
CDU-Fernsehen so geschmiert, dass er noch im April 2009 niveaugerecht durch das
CDU-Sprachrohr Bild am Sonntag verkünden ließ: „Ich fände es angemessen, wenn
Helmut Kohl dieses oder nächstes Jahr den Friedensnobelpreis bekäme.“ (Sh.
„Kohl soll Friedensnobelpreis bekommen“,
rp-online.de, 19.4.2009.) Für ihre großen Verdienste bei der Beseitigung des
Eisernen Vorhangs waren allerdings schon Michail Gorbatschow, Lech Wałęsa und
Willi Brandt mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt worden. Es bestand also keine
Veranlassung, diesen Preis unnötigerweise in Misskredit zu bringen.
Volker Beck von den Grünen gab sich gegenüber solchem Ansinnen recht milde
(siehe „Parteienstreit
über Nobelpreiskandidat Kohl“, netzeitung.de, 28.3.2007):
Beck fehlt zudem «der aktuelle Bezug», wie er sagte. «Mit seinem Ehrenwort im
Rahmen der Parteispendenaffäre hat Helmut Kohl jedenfalls innenpolitisch zuletzt
eher Unfrieden gestiftet.»
Petra Pau von der
Linkspartei bezog sich unter anderem auf Kohls verfassungswidriges Verschweigen
der
„diskreten“ CDU-Parteispender, das er mit
seinem angeblichen Ehrenwort begründete. Die Nennung solcher Millionen-Spender
sollte gerade offenlegen, von wem die Republik gekauft wird, z.B. durch
Senderechte für private finanzstarke CDU-Propagandisten. Die Zahlung von ca.
1,8 Millionen D-Mark im zeitlichen
Zusammenhang zugunsten von
Kohl persönlich war nur durch den Konkurs
von Leo Kirch ans Licht gekommen. Petra Pau brachte die Sache auf den Punkt
(ebd.):
«Ein Kanzler, der ein persönliches Ehrenwort über das Grundgesetz stellt, ist
nicht preiswürdig.»...
Ungeachtet dessen hat der
Friedensnobelpreis nach Paus Ansicht ohnehin an Wert verloren. Die Würde des
Preises sei durch frühere Nominierungen wie etwa für US-Präsident George W. Bush
oder den britischen Premier Tony Blair «bis zur Unkenntlichkeit lädiert“.
Man sieht, wie die Weichen durch die etablierten Meinungsmacher und
kapitalstarke Spender gestellt werden können, um politische Gegner und
insbesondere das völlig konträre Linksbündnis bei der nächsten Bundestagswahl in
Schach zu halten. Auch zur Bundestagswahl vom 18.9.05 hatte die Bündelung des
Medienkapitals zum (Un-)„Wohle der Allgemeinheit“ (Art. 14 GG) bei
ProSiebenSat.1 schon erste Früchte getragen durch den Ausschluss der Linkspartei
von der großen Wahlsendung mit Stefan Raab (!) bei ProSiebenSat.1. Hier ist
nicht nur die KEK gefragt, sondern auch das Verfassungsrecht!
(Siehe zur
Einladung die Presseerklärungen der
Linkspartei vom 16.9.05 und zur
Ausladung die Erklärung vom 17.9.05.) Als
Begründung für die Ausladung sagte Sendersprecher Christoph Körfer: „Ein
Vertreter der Linkspartei habe telefonisch erklärt, die frühere PDS werde mit
ihren Studiogästen 'unüberhörbar und unübersehbar' präsent sein“.
(Siehe „RAABS WAHL-SHOW - ProSieben lädt
Linkspartei aus“, spiegel.de,
17.9.2005). Die Annahme der Einladung mit diesen Worten kann man übrigens schon
in der Presseerklärung der Linkspartei zu der Einladung nachlesen.
Wenn man diese Worte als Vorwand für eine
Ausladung nimmt, handelt es sich offensichtlich nach bewährter Art eher um den
Missbrauch von großem Medienkapital zur Umverteilung nach oben,
selbst wenn es bei vielen Wählern nicht gerade imagefördernd ist, sich überhaupt
in den Sendern von ProSiebenSat.1 zu zeigen - und das auch noch zusammen mit
Burdas „Bambi“-Preisträger Stefan Raab. Tatsächlich wollte die Linkspartei mit
einer „jungen Spitzenpolitikerin“ vertreten sein für die Diskussion vor
Jugendlichen. (Sh.
RAABS WAHL-SHOW - ProSieben lädt
Linkspartei aus, spiegel.de,
17.9.2005).
Aber das schien den Veranstaltern des lustigen Raab-Kaspertheaters wohl unter
ihrer „Würde“. Dagegen bevorzugte man im großen Talkzirkus von ARD und ZDF Petra
Pau oder die junge Dresdner Spitzenkandidatin Katja Kipping gegenüber Oskar
Lafontaine als Gegnerinnen der prominenten Umverteiler - zum Teil, weil
Lafontaine den Rotkarierten zu Recht Verrat an der Sozialdemokratie vorwirft,
vor allem aber, weil man gegen ihn mit den neoliberalen Sprüchen kaum bestehen
kann.
Eine Bestätigung für das angeblich hohe Anspruchsniveau von Stefan Raab findet man in dem
ausgezeichneten Bericht von Philipp Wittrock:
„RAABS
WAHL-SHOW - Die Wok-WM war spannender“, spiegel.de, 18.9.05. Daraus
folgende Zitate:
„Wir wollten Spitzenpolitiker haben“, klärte Raab zu Beginn der Sendung auf.
Doch die Linkspartei habe Katja Kipping schicken wollen. „Katja Kipping? Wo
macht die denn gerade Realschulabschluss?“ habe man sich da gefragt, sagte Raab.
Wenn Raab
den Realschlussabschluss hat, dann könnte er doch eigentlich nicht so einen
Extrem-Schwachsinn produzieren. (Siehe dagegen zu
Katja Kipping ihre Webseite und den
Talkzirkus von
Sabine-Christiansen am 24.7.2005, wo sich Kipping bestens gegen Kurt Biedenkopf, Wolfgang Thierse, Dieter Althaus usw.
geschlagen hat.) Weiter heißt es in dem obigen Spiegel-Bericht:
Kipping kandidiert in jenem Dresdner Wahlkreis, wo die Wähler wegen des Todes
einer NPD-Kandidatin erst am 2. Oktober ihre Stimme abgeben dürfen. TV Total
wollte Kipping nicht, die Linkspartei wollte keinen der Spitzenkandidaten, Oskar
Lafontaine oder Gregor Gysi, schicken.
Offenbar waren die
Geldgeber hinter Raab doch nicht so dumm, wie es nach dem Niveau der Sendung
scheint, denn der Dresdner Wahlkreis könnte ausschlaggebend sein für ihre
Umverteilung nach oben. Der Spiegel berichtet auch, wie Raab die Antwort
der Linkspartei für sich zurechtgebogen hat:
Letztlich saß kein Vertreter auf der Bühne, und auch die 50 als Studiogäste
geladenen Anhänger wurden kurzerhand wieder ausgeladen. Ein Sprecher der Partei
habe angekündigt, diese wollten die Sendung lautstark stören, erklärte Raab.
Auch Raab hat offenbar eine
gewisse Schläue, denn aus „'unüberhörbar und unübersehbar' präsent sein“ wird
hier schon „lautstark stören“.
Für Vertreter der Linkspartei wollten die Kapitalgeber von Pro7Sat1 ohnehin
keine Beifallsbekundungen von deren Anhängern. Solche Bekundungen sollten den
Gläubigen von Raab und Springer sowie den Claqueuren der neoliberalen
Umverteiler vorbehalten bleiben. Dementsprechend heißt es in dem
Spiegel-Bericht:
Die Fanblocks in den Farben der anderen Parteien grölten und jubelten dafür nach
jedem Halbsatz, was die Stimmbänder nach dem Blitz-Wahlkampf noch hergaben,
reckten Plakate oder und buhten die Konkurrenz aus.
Die CDU hatte ihre Truppen für den Manipulationsstaat
schon mobilisiert. In dem Artikel
„
CDU: Kritik an Springer 'heuchlerisch'“, netzeitung.de, 8.8.05,
heißt es jedoch auch:
Der amtierende
ARD-Vorsitzende Plog hatte vor einer Zusammenballung publizistischer Macht
gewarnt. «Diese ist anders als von Springer- Vorstandschef Mathias Döpfner
dargestellt, bei Springer nach der Fusion größer als die der Bertelsmann AG“,
sagte Plog. «Der Kanzler hat nicht zu unrecht darauf hingewiesen, dass man
Politik schwer machen kann gegen 'Bild', 'BamS' und Glotze. Genau diese
Konstellation ist jetzt hergestellt», sagte Plog.
Für die Absicherung des Neoliberalismus, also der
Umverteilung nach oben, durch die „Glotze“ ist allein schon durch die
neoliberalen Talkshow-Propagandisten bestens gesorgt. Die meisten übrigen
Meinungsmacher agitieren ebenfalls für ihr Eigeninteresse, so auch bei Springer
(siehe z.B. das eingangs zitierte Interview des
BILD-erfahrenen hochverdienten Journalisten und Publizisten
Günter Wallraff: „Bei Wahlen macht 'Bild'
immer Politik für die Rechten“,
taz.de, 21.11.05), und zwar nicht nur bei
BILD, das der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit Springer/Wallraff als eine
„Fehlentwicklung im deutschen Journalismus“ (sh. ebd. und
BVerfGE 66, 116 - Springer/Wallraff)
bezeichnet hat, sondern auch in den übrigen Springer-Blättern. Einen Beleg für
Wallraffs Aussage lieferte die Springerpresse wieder einmal bei der
Bundestagswahl vom 18.9.2005 mit ihren Kampagnen gegen Lafontaine und die
Linkspartei. (sh.
Linksbuendnis.htm). Die übrigen neoliberalen
Medienmacher standen ihr aber kaum nach.
Am Ende hat die KEK unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden Dieter Dörr jedoch
gegen erhebliche innere und äußere Widerstände erstaunliches Rückgrat bewiesen.
Nach ihrem Übernahmeverbot vom 10.1.06 hat am 23.1.06 auch das Bundeskartellamt
die Übernahme untersagt. Erwartungsgemäß hätte Wirtschaftsminister Glos und
zumindest seine CSU wohl gern das Kartellamt kaltgestellt (sh. oben) - zur
Ausweitung des medialen Übergewichts für die CDU/CSU. Das ablehnende KEK-Votum
hätte die „Christlichen“ durch eine Dreiviertel-Mehrheit der fünfzehn
Landesmedienanstalten kippen können, da deren Entscheidungsträger letztlich von
den Parteienmehrheiten in den Bundesländern bestimmt werden. Nachdem inzwischen
auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit CDU-Mehrheit regiert
wird, ließe sich eine Mehrheit zur weiteren Verstärkung des CDU/CSU-Einflusses
im Fernsehen wahrscheinlich organisieren.
Dementsprechend beschloss am 31.1.06 die Direktoren-Konferenz der
Landesmedienanstalten, „Auflagen für Springer zu prüfen, um die
Übernahme doch noch zu genehmigen und das KEK-Veto zu kippen“. (
Siehe „Chronik:
Monatelanger Poker“, tagesspiegel.de, 2.2.06). Das Unheil,
verpackt in schöne Worte, war schon abzusehen. Der Deutsche
Journalistenverband konnte jedoch eher aufatmen nach dem eher unfreiwilligen Verzicht
Springers auf weitere Medienkapital-Konzentration, denn diese ist auch stets mit
wirtschaftlichem Druck auf die journalistische Meinungs- und Pressefreiheit
verbunden:
Die Konferenz der
Direktoren der Ländereinrichtungen (KDML) hatten heute mit ihren Beratungen über
den Fall begonnen, um gegebenenfalls das Veto der Medienaufsicht KEK gegen die
Fusion zu kippen. Die KDLM sei dabei bereits auf dem Weg zu einer „ganz guten
Lösung“ gewesen, erklärte eine Sprecherin der Konferenz der Nachrichtenagentur
ddp. Die Medienanstalten hätten gehofft, „mit neuen Lösungsmöglichkeiten
weiterhelfen zu können“.
Der Deutsche Journalisten-Verband hat den Entschluss des Verlags dagegen
begrüßt. Der Vorsitzende des Verbandes, Michael Konken, sprach von einer „guten
Entscheidung für den Fortbestand der Medienvielfalt in Deutschland“.
(Sh. „Stoiber
springt Döpfner zur Seite“, spiegel.de, 1.2.06.) Stoiber und seine
„Christen“-Freunde stört es natürlich auch nicht, dass Springer offenbar einen
Rekord an
Presserats-Rügen hält und den überfälligen
Abdruck dieser Rügen nach dem „Ehrenkodex“ entweder ganz unterlässt oder endlos
aufschiebt und dann auf ein belangloses Minimum schrumpfen lässt. (Siehe z.B. die
Rüge zu der unglaublichen
Kekilli-Diffamierung mit der unsäglichen
Rügen-Veröffentlichung). Anscheinend spielt
der „Ehrenkodex“ für die neoliberalen Meinungsmacher kaum eine Rolle. Das alles
steht unter dem alten Springer-Motto „Seid nett zueinander“, das zwar den alten
Nazis, aber nicht Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg geholfen hat. (Siehe Karl Pawek:
„Fluch
der Harmonie“, 2003, und „Achtundsechzig - Mythos oder Zäsur?“,
cornelsen-teachweb.de).
Die studentische Forderung
„Enteignet Springer!“ konnte die
Mordanschläge auf Dutschke und Ohnesorg nicht verhindern (sh.
„Volksfeind Nummer eins“, dradio.de,
11.4.2008).
Die Studenten sahen ihre Gewalt-Demonstrationen auch als Notwehr gegen die
Manipulation durch das Medienkapital zur Umverteilung nach oben. Die Hetze gegen
die Gegner dieser Umverteilung geht weiter, aber nicht nur in der
Springer-Presse (sh. z.B. hier
Linksbuendnis.htm).
Die Pervertierung
und Manipulation der freien Meinungsbildung durch den massiven Einsatz von
privatem Medienkapital zeigt sich hier wie in Italien, den USA, Großbritannien
und vielen anderen kapitalistischen Ländern sowie besonders auch in
Entwicklungs- und Schwellenländern, wo mit Hilfe solcher privaten Medienmacht im
Namen der Freiheit für die Umverteilung nach oben geputscht wird. (Sh. das
Muster-Beispiel von
Venezuela und den Aufsatz von Theo Wentzke:
„Venezuela: Die Vergehen des Hugo Chávez“, gespeichert unter
uni-kassel.de, 2/2002, und
Jean Ziegler:
„Präsident der Armen“,
3.5.2006.)
Am Beispiel von Hugo Chavez kann man ganz gut studieren, wie die Manipulation durch
das dominierende Medienkapital in Venezuela und den
USA von den deutschen Neoliberalen und ihren Nachbetern kritiklos übernommen
wird. (Siehe dazu die Berichte in den deutschen Massenmedien mit dem sachkundigen
Artikel von Harald Neuber:
„Konflikt zwischen RCTV und Regierung Venezuelas“,
amerika21.de,
25.1.2010, und den dort zitierten Bericht
von Teresa Viloria Gazzotti:
„Mythen und Tatsachen über den Fall RCTV“,
amerika21.de,
1.6.2007).
Zur Pressefreiheit in Deutschland wirkt es noch eher zurückhaltend, wenn Oskar
Lafontaine den Publizisten Paul Sethe zitiert:
Pressefreiheit ernst zu nehmen
heißt vor allem, deren Voraussetzungen immer wieder zu prüfen. Paul Sethe, einer
der fünf Gründungsherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, hat zu
seiner Zeit festgestellt: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen
Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Wer behauptet, das sei heute anders und die
deutsche Presse sei „frei“ von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Interessen, hat den Blick für die Verhältnisse verloren.
(Sh. Oskar Lafontaine:
„Mit Hugo Chávez für die Freiheit“, welt.de,
7.7.2007.) Immerhin bringt DIE WELT von
Zeit zu Zeit auch einen Alibi-Beitrag von links, wenn es der Auflage dient. Aber
die Verfolgung der „wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen“
erscheint noch eher harmlos im Vergleich zur tatsächlichen Manipulation durch
das Medienkapital. Die neoliberale Meinungsmache mit diesem Kapital wirkt bis
hin zur Besetzung von Schlüsselpositionen in Politik und öffentlich-rechtlichen
Medien. (Sh. auch
„ProSiebenSat1 - Widerstand gegen Bild, BamS und
Glotze“, manager-magazin.de,
8.8.2005). Sie wendet sich damit direkt
gegen die Legitimation der kapitalistischen Pressefreiheit. Der Gebrauch des
Eigentums „soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Art. 14
Grundgesetz) und nicht der Manipulation. Die
Beseitigung solcher Missbräuche ist ein Verfassungsauftrag.
Der Coup der KDLM-Direktoren erledigte sich schon einen Tag nach ihrer
wohlgesetzten Sabotage-Ankündigung dadurch, dass Springer selbst sein
Übernahmeangebot für die Gruppe ProSiebenSat.1 zurückzog. Grund dafür
ist wahrscheinlich, dass im Falle einer Erlaubnis gegen die Entscheidung von KEK
und Kartellamt langwierige Klagen von den Verlagen Holtzbrinck und M. DuMont
Schauberg zu erwarten waren. (siehe Dietmunt Roether: „Traum
geplatzt“, epd.de, 1.2.06) und dass Springer sich eine endlose
Hängepartie mit solchen Summen und ungewissem Ausgang nicht leisten konnte bei
einem Vertragswert von 2,4 Milliarden Euro plus diverse Kosten.
(Siehe ebd. und „Springer
bläst Fusion mit ProSiebenSat.1 ab“, tagesschau.de, 1.2.06).
Plötzlich erscheinen nun als einzige Alternativen zu Springer auch nicht mehr
nur Schreckbilder wie Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch, sondern auch der
französische Privatsender TF1 und sogar die skandinavische Sendergruppe SBS (sh.
epd.de, a.a.O), die wahrscheinlich weniger
Interesse an Gehirnwäsche in Deutschland haben als manche deutsche Alternative.
Interessant ist vor allem die Reaktion der „Christlichen“ darauf, dass die
Manipulationsmacht für ihre Selbstbedienung
(Mehrwertsteuererhöhung, Senkung des Spitzensteuersatzes, Sozialkürzungen)
nun nicht noch weiter gestärkt wurde. Edmund Stoiber „schimpft“ über
die „bürokratischen Hürden“, die dem entgegenstehen, und besinnt sich auf den
bewährten Vorwand der „Standortpolitik“, womit vielleicht Deutschland als
CDU-CSU-Standort gemeint ist.
Auch CSU-Generalsekretär und Vorsitzende der CSU-Medienkommission Markus Söder
zeigte sich „empört“: „Ausländische Konzerne können ungehemmt agieren, während
deutsche Unternehmen durch das Kartellrecht massiv behindert werden“. (
Siehe „Springer
bläst Fusion mit ProSiebenSat.1 ab“, tagesschau.de, 1.2.06,
und „Kritik
am Kartellamt - Stoiber springt Döpfner zur Seite“, spiegel.de,
1.2.06.) Er sagt aber nicht, dass es hier um Konzentration von Meinungsmacht im
Interesse seiner Partei ging, und lässt durch solche Taschenspielertricks - wie
üblich - den Kernpunkt verschwinden. Auch der hessische Ministerpräsident Roland
Koch (CDU) hat sich „vehement für Springers Fusionsvorhaben“ eingesetzt. (Siehe
Lutz Feierabend: „Die
Grenzen einer magischen Anziehung“, ksta.de, 2.2.06). Weiter heißt es
in diesem Artikel:
Blickt man auf die vergangenen
Monate zurück, bleiben aber Auffälligkeiten. Was treibt eigentlich die
Direktoren der Landesmedienanstalten, ihre eigens zur Konzentrationskontrolle
gegründete unabhängige Kommission (KEK) so wenig ernst zu nehmen? Die Kommission
lehnte den Zusammenschluss ab, die Medienhüter gaben sich aber „frohen Mutes“,
trotzdem Möglichkeiten für eine Genehmigung zu finden - offenkundig unter dem
Einfluss der Politik....
Besonders auffällig ist aber, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung
sich mehr oder minder zum Anwalt der Springer-Pläne machte, obwohl es viele
Stimmen im Land gab, die sich mit guten Gründen gegen den Zusammenschluss
ausgesprochen hatten. Zumal NRW davon kaum hätte profitieren können. Im
Gegenteil: Das Land ist Standort vieler Medienunternehmen, die vom
Zusammenschluss von Pro Sieben Sat.1 und Springer negativ betroffen gewesen
wären.
Offenbar gelten aber die Regeln für Fusionen nicht mehr, wenn die beteiligten
Firmen nur groß genug sind. Einfache Feindbilder - „kommt Springer nicht zum
Zuge, dann fällt ein deutscher Sender in fremde Hände“ - reichen aus, um
einseitige politische Einflussnahme zu begründen. Dabei gehört Pro Sieben Sat.1
schon heute ausländischen Unternehmen.
Den Neoliberalen ist also jedes noch so windige Argument
willkommen, wenn es denn nur bei ihrer Wählertäuschung hilft.
Gegen Berlusconi und Murdoch konnte sich die Abneigung der Rechten kaum richten:
Beide hätten sich voraussichtlich mit großem Halali an der Hatz auf die linken
Gegner der Umverteilung nach oben beteiligt.
Die Murdoch-Presse hat das mit
ihren Angriffen auf Lafontaine schon früher bewiesen (sh. hier
Linksbuendnis.htm mit Suchwort „Murdoch“),
und über Berlusconi braucht man wohl ohnehin nichts weiter zu sagen.
An den Arbeitsplätzen kann es auch nicht gelegen haben, denn bei der deutschen
Sendergruppe ProSiebenSat.1 werden auch dann deutsche Journalisten und andere
Arbeitnehmer aus Deutschland gebraucht, wenn die Sender in ausländischer Hand
sind. Markus Söder und seine „Christen“-Freunde sollten sich gegen ihre
Gewohnheit eher einmal darüber empören, dass „Finanzinvestoren“ oder
„Heuschrecken“ und ihre Kahlfraßopfer die überdimensionierten Schuldzinsen für
ihre Ex-und-hop-Aktionen steuerlich absetzen können (sh. hier
Unternehmenssteuerreform.htm). Im Falle von
ProSiebenSat1 geht es jedoch kaum um Kahlfraß und Arbeitsplatzverlagerung. Also
hatte man wohl eher etwas gegen die Übernahme durch andere ausländische
Eigentümer, die sich nicht in den Deutschen Mainstream-Chor zugunsten der
Neoliberalen einreihen würden.
Insofern ist die im Dezember 2006 erfolgte Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG
durch die bekannten Finanzinvestoren KKR und Permira
(sh. „
Heuschrecke, bitte kommen“, zeit.de, 14.12.06) zunächst einmal das viel geringere
Übel im Vergleich zu einer weiteren neoliberalen Meinungs-Monopolisierung. Bei
dem Ex-und-hop-Prinzip solcher „Investoren“ ist aber ein Verkauf nach einigen
Jahren an Rupert Murdoch, Silvio Berlusconi oder auch an neu formierte
neoliberale Gruppen in Deutschland keineswegs unwahrscheinlicher geworden. Auch
hierbei könnte Springer wieder mitmischen. Vielleicht haben die Profiteure
solcher Meinungsmache dann auch mit etlichen Winkelzügen eine Neubesetzung bei
der Kartellbehörde und bei der KEK durchgesetzt. Wahrscheinlich wollen die
„Investoren“ außerdem durch Fusion mit anderen Sendern neue kartellrechtliche
Fakten schaffen. Dazu heißt es in der FAZ:
Permira und KKR sind auch
Mehrheitseigner der in Amsterdam ansässigen paneuropäischen Senderkette SBS
Broadcasting. Bei der angestrebten Verschmelzung von SBS und ProSiebenSat.1
„soll keine Zeit verloren werden“, sagte Permira-Partner Götz Mäuser in der
Telefonkonferenz weiterhin. Gleichwohl rechnet Thomas Krenz, ebenfalls Partner
von Permira, bei der Verschmelzung mit Klagen; das sei in Deutschland „nun mal
so üblich“.
(Sh. „Permira und KKR sagen RTL-Group den Kampf an“,
faz.net, 15.12.06).
Die Käufer werden mit dem Weiterverkauf ohnehin wohl einige Jahre warten müssen,
denn ein Abschöpfungs-Deal wird dadurch erschwert, dass der Vorbesitzer Haim
Saban schon den größten Teil abgesahnt hat. Im August 2003 hatte seine
„Finanzinvestoren“-Gruppe German Media Partners den Beherrschungs-Anteil von 50,5
Prozent für 525 Millionen Euro gekauft. (Sh. „Das große Geld übernimmt die
Regie“,
spiegel.de, 14.12.06.) Sie wird im Dezember
2006 durch den Weiterverkauf für 3,1 Milliarden Euro mehr als 2 Milliarden Euro
Reibach dafür abschöpfen. (Sh. „Permira und KKR sagen RTL-Group den Kampf an“,
faz.net, 15.12.06).
An den stimmrechtslosen Vorzugsaktien haben diese „Investoren“ naturgemäß kaum
Interesse, trotz der höheren Dividenden. Sie zahlen dafür nur den deutlich
geringeren „Pflichtpreis“ (sh. „
ProSiebenSat.1-Eigentümer sahnt ab“, boerse.ard.de, 15.12.06).
Dass die „freie Marktwirtschaft“ nach dem raubtierkapitalistischen „Leistungs“-Begriff
funktionieren muss, werden die neoliberalen Meinungsmacher ihren Gläubigen auch
in diesen Sendern und in ihrem öffentlich-rechtlichen Proporz-Funk schon
weismachen.
Für den weiteren Reibach ihrer Medien-Truppen sorgen dann die CDU und die
übrigen Neoliberalen im EU-Parlament, indem sie den TV-Sendern zusätzliche
Werbemillionen durch Erlaubnis der Schleichwerbung und durch noch weitere
Ausdehnung der Reklame in den Sendungen verschaffen. Dazu schreibt die
CDU-freundliche WELT am 14.12.06:
Fernsehen
Deutscher Vorstoß gescheitert:
EU erlaubt Schleichwerbung
Der CDU-Abgeordnete Karl Hoppenstedt versteht die Aufregung nicht: „Ein
Verbot wäre realitätsfern gewesen, denn trotz Verbotes wurde Produktplatzierung
in der Vergangenheit immer wieder praktiziert, wie uns entsprechende Studien
zeigen.“...
Einigen konnten sich die Parlamentarier auf die Senkung der Einfügevorgaben für
Werbung bei Fernsehfilmen, Kinofilmen, Kinderprogramme und Nachrichtensendungen
von 35 auf 30 Minuten. Auch das sieht Hoppenstedt als klaren Sieg. „Um die
europäische Fernsehindustrie, deren Werbeeinnahmen in den letzten Jahren stark
rückläufig sind, zu unterstützen, war eine Liberalisierung notwendig,“ sagt er.
Gemeint ist offenbar der CDU-Europa-Abgeordnete Karsten
Friedrich Hoppenstedt (sh. „Product Placement als 'Fitnessprogramm' für's TV“,
heise.de, 12.12.06).
Um ihren krassen Lobbyismus etwas zu kaschieren, präsentieren die Neoliberalen
noch eine leichte Scheinopposition ihrer Berichterstatterin und EU-Abgeordneten
Ruth Hieronymi (CDU). Auch die etwas ernsthaftere Kritik der EU-Abgeordneten
Lissy Gröner (SPD) diente wohl eher der Dekoration (sh. ebd.).
Es ist also laut Hoppenstedt „realitätsfern“, die eingeschleuste
Kommerz-Manipulation in Spielfilmen zu verbieten, weil sie nach US-Vorbild
sowieso schon „immer wieder praktiziert“ wird. Der europäische Film soll demnach
ebenfalls verwurstet werden. Die Kunst hat dem Kommerz zu dienen!
Völlig unnötigerweise erhalten die angeblich notleidenden Sender darüber hinaus
eine deftige Einnahmenerhöhung durch die Neoliberalen, damit sie sich bei ihren
Polit-Manipulationssendungen an ihre Wohltäter und deren Gegner erinnern. Auf
diese Weise sehen auch die neuen „Finanzinvestoren“ von Pro7Sat1 offenbar ihre
Chance, dass sie auf den Milliarden-Reibach von Haim Saban beim Weiterverkauf
noch einmal ein paar Milliarden draufsatteln können.
Dass CDU und FDP gewissermaßen als „Schutzengel“ ihrer Kommerzsender gegen die
Linke fungieren, haben sie schon bei den Deals von Helmut Kohl und anderen
Parteigrößen mit Leo Kirch bewiesen (sh. zu
Leo Kirchs üppigen Zahlungen hier weiter
oben und unter Kohl-Verteilung.htm).
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