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Datei zuletzt ergänzt am 1.12.2010.


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Exkurs
Meinungskauf: Pro-Sieben-Sat.1



Als ob die Desinformation der etwa zehn Millionen wahlberechtigten BILD-Leser noch nicht reichte, wollte  der Axel-Springer-Verlag auch noch die Fernsehgruppe Pro-Sieben-Sat.1 kaufen.  (Siehe „Deutschland braucht kein Springer TV“, tagesschau.de, 5.8.05, sowie Interview mit Günter Wallraff: „Bei Wahlen macht 'Bild' immer Politik für die Rechten“, taz.de, 21.11.05, und zur sinkenden Auflage von 3,83 Mio. verkauften Exemplaren in 2005: http://www.bildblog.de/auflage.html, Stand: 28.11.05). Diese bisher anscheinend noch eher kampagnenfreien oder entpolitisierenden Sender können schnell auf Linie gebracht werden. Mit solchen Schluck-Aktionen kann die irreführende Wahlbeeinflussung in Deutschland noch einen kräftigen Schritt weiter in Richtung Bush-Land der US-Republikaner und Berlusconien der italienischen Rechten getrieben werden. Auch dort können die Neoliberalismus-Kritiker gegen die kapitalistische Meinungsmache kaum etwas ausrichten - ähnlich wie in Deutschland. Die kapitalistische Meinungsmacht von Berlusconi reichte auch nach seiner knappen Abwahl, um ihm mit seinen faschistischen und neoliberalen Koalitionspartnern  wieder eine Umfrage-Mehrheit bei den Italienern zu verschaffen - trotz seiner Selbst-Immunisierung gegen alle möglichen Korruptions-Prozesse. (Sh. „Umfrage: Bei Neuwahlen würde Berlusconi-Block siegen“, standard.at, 23.2.07). Auch wenn die Korruption in Deutschland noch nicht dieses Ausmaß erreicht hat, so ist die Wählertäuschung durchaus vergleichbar.

Meinungskauf mit Hilfe des Medienkapitals bedeutet letztlich auch Stimmenkauf. Zugleich werden die willfährigen neoliberalen Politiker durch den „Informationskapitalismus“ hochgejubelt, so dass mit ihrer Hilfe schließlich das Medienimperium durch maßgeschneiderte Kartellgesetze und wohlgefällige Medienwächter noch weiter vergrößert werden kann.
(Zum Umfang des Springer-Imperiums sh. http://www.bildblog.de/familie.html.)

Der Erfolg solcher Manipulation zeigt sich auch in Italien, wo Berlusconi  all jene als „Coglioni“ (unanständiger Ausdruck für „Vollidioten“ und Hoden) bezeichnete, „die so dumm wären, gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen“ . Dennoch hat sein Bündnis annähernd die gleiche Stimmenzahl bekommen wie die Gegner der Umverteilung nach oben - trotz deren ehrenhaften Abwehrkampfes bis ins Unternehmerlager hinein. (Sh. „Basta Berlusconi?“, spiegel.de, 10.4.06. Die Bezeichnung „Don Coglioni“ stammt ursprünglich vom Wall Street Journal, vielleicht in Anspielung auf den Mafioso Don Corleone? Der letzte Pate von Corleone, Bernardo Provenzano, wurde kurioserweise pünktlich zur Stimmenauszählung gefasst, ohne dass sich ein Zusammenhang vermuten ließe: sh. „Der Pate von Corleone“, welt.de, 12.4.06).

Am Beispiel von Berlusconi und dem Vatikan zeigt sich auch wieder die Jahrtausende alte Verfilzung von staatlichen, großbürgerlichen und klerikalen Profiteuren gegen das Volk. (Siehe dazu auch den Bericht von Thomas Migge: „Vatikan setzt wieder auf Berlusconi“, dradio.de, 8.2.2008, 9:36h bis 9:51h, nur als mp3). In Italien wird dieser Morast besonders erkennbar an der Kriminalgeschichte der Päpste und ihrer staatlichen Komplizen aus dem Großbürgertum. (Siehe Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 1-8, CD-ROM-Version, Berlin 2005).

Diese Geschichte setzt sich fort im Komplott von Kirche und Faschismus bei der Machtergreifung Mussolinis, in der siebenmaligen Wiederwahl des kirchlich gestützten „Paten“ Giulio Andreotti zum Ministerpräsidenten der „Democrazia Cristiana“, in seiner Ernennung zum „Senator auf Lebenszeit“ und in der anschließenden Meinungsmanipulation durch den Medien-Monopolisten Silvio Berlusconi, der durch Unterstützung  dunkler Quellen aus dem Nichts zum Multimilliardär wurde, der wegen seiner maßgeschneiderten Immunitätsgesetze immer noch frei herumläuft, während sein enger Vertrauter, der Mafioso Dell'Utri schon zu neun Jahren Haft verurteilt ist.  (Siehe. „1994 Berlusconi, P2 und die Mafia“, unter us-politik.ch, Stand 9.2.2008, sowie „Prozess in Turin - Mafia-Vorwürfe gegen Berlusconi erregen Italien“, spiegel.de, 4.12.2009).  Offenbar sind die  unglaubliche Machenschaften des Medien-Paten für den Vatikan zweitrangig im Vergleich zur Verhinderung der Linken, der Homo-Ehe oder neuer Mittel der Empfängnisverhütung. (Siehe den Bericht von Thomas Migge, a.a.O.). Massenproteste gegen Berlusconi kommen jedenfalls eher durch Aufrufe im Internet zustande als durch die Mitwirkung der weitgehend gleichgeschalteten Massenmedien. Diese rufen dann zu Gegendemonstrationen auf (sh. „Italien: Aufruf zur Solidaritätsdemo für Premier Berlusconi“, 7.12.2009, diepresse.com).

ZZu den Wahlerfolgen von Berlusconi sagte der Lügenforscher Wolfgang Reinhard, Verfasser des Buches „Unsere Lügengesellschaft“,  in einem Interview vom Mai 2006 mit sciencegarden.de:

Berlusconi, das ist eher ein indirektes Lügenproblem. Meine persönliche These ist, dass er einfach das Ideal eines Großteils, oder eben der Hälfte der italienischen Bevölkerung, verkörpert. Berlusconi ist der Super-Furbo [italienisch furbo = clever, listig, verschlagen; Anm. d. Red.], der Mensch von ganz unten, der durch Schläue und einige lausige Tricks ganz nach oben kommt. Noch dazu ist er ein Medienzar und kann sich geschickt vermarkten. Viele Italiener bewundern das ganz offen.

„Furbo“ heißt auch „Schlitzohr“, obwohl der „Super-Furbo“ dieser Brandmarkung durch Ohraufschlitzen bisher stets auch mit Hilfe von rechtzeitigen eigenen  Gesetzesänderungen entgangen ist., so auch wieder mit seinem angeblichen „Sicherheitspaket“ von 2008 (sh. „GESETZGEBUNG AUF ITALIENISCH - Berlusconi macht es sich recht“, spiegel.de, 19.6.2008).  Es ist schwer zu sagen, ob er nicht zuletzt dafür von vielen Italienern bewundert wird. Jedenfalls kann man sich auch in Deutschland bei den Wahlen und Politumfragen nur wundern, welche Erfolge die Wählertäuschung schon ohne die verschärfte Instrumentalisierung von Pro-Sieben-Sat.1  erreicht hat.

Vielleicht spielen bei der verbreiteten italienischen Präferenz für die „Coglioni“ noch die Nachwirkungen altrömischer Wurzeln eine Rolle, wo der Eigentümer seinem teuer aufgebauten Gladiator nach dessen Kampf-Niederlage gern das Leben gelassen hätte, während das Volk nach dem Todesstoß schrie. Auch  der florentinische „Geist“ von Niccolò Machiavellis opportunistischer Gefälligkeits-Schrift „Der Fürst“ findet in Berlusconi und seiner Anhängerschaft eine üble Fortsetzung - ganz abgesehen von der starken Parlamentsfraktion der Faschisten mit ihrer brutalen Tradition gegenüber der viel zu schwachen italienischen Linken. Im Senat duldet man zur Blockade vernünftiger Politik „Senatoren auf Lebenszeit“ vom Schlage des „Christdemokraten“ Giulio Andreotti mit Traumbezügen. 

Aber bei all dem sollte man nicht herausragende Charaktere vergessen wie Leoluca Orlando, die ermordeten Staatsanwälte Giovanni Falcone, Paolo Borsellino und etliche weitere Staatsanwälte, Richter, Journalisten, die die Mafia nicht einschüchtern konnte und die sich nicht entmutigen ließen durch die Berlusconi-Regierung mit deren  Selbst-Amnestien, Verjährungs-Verkürzungen, Kronzeugen-Abwehr, Personenschutz-Einschränkungen und sonstigen Winkelzügen oder durch die früheren Machenschaften der „Christdemokraten“ mit Giulio Andreotti.

Außerdem gibt es Präferenzen für die Volksbetrüger und entsprechende Fehlbesetzungen fast überall, wenn man sich z.B. im Jahre 2006 die bekannteren Erfolge medialer Wahlmanipulation anschaut, sei es in den USA, Deutschland,  Russland, Großbritannien oder auch in Thailand, dessen abgesetzter Regierungschef Thaksin („Berlusconi Asiens“) seine Milliarden bereits ins Ausland geschafft hat. (Siehe „Thaksin hat vorgesorgt“, n-tv.de, 25.9.06). - Im Hinblick auf die besagten „kulturellen“ „Wurzeln“ sollten auch in Deutschland einmal bevorzugt die negativen Seiten der Germanen-Kulte neu belebt werden. Nur der im Kampf erschlagene Totschläger konnte in ihr Paradies (Walhall) der Einherjer eingehen. Tugend war gewissermaßen gleichbedeutend mit „Tapferkeit“ im Kampf - wie bei den alten Griechen auf ihren Beutezügen. Die nackte Brutalität lebt heute weiter im Raubtierkapitalismus. Aber der hat  mehr mit der Geschichte der Menschwerdung zu tun.

Hilfreich beim Übernahmepoker um ProSiebenSat.1 sollte wohl sein, dass der Medienmogul und Verkäufer dieser Sendergruppe, Haim Saban aus Israel mit Sitz in den USA, durch seinen Anwalt Christoph Wagner vertreten war in der entscheidenden deutschen Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).
Zwar war Wagner  

„...seit dem 9. August von allen Sitzungen der KEK ausgeschlossen, die sich mit der Übernahme von Pro- SiebenSat.1 durch die Axel Springer AG befassen.“ Wagner bleibt allerdings weiterhin Ersatzmitglied der KEK.

(Sh. „Interessenkonflikt bei der KEK: Saban-Berater Mitglied der Expertenrunde“, DER SPIEGEL, 34/2005). Aber die guten Kontakte dieses Milliardärs bzw. seines Mittelsmannes zu weiteren Stimmberechtigten in der Kommission mussten deshalb nicht fruchtlos bleiben. Weiter heißt es ebenda:

Der Anwalt Christoph Wagner hatte die Federführung für Saban und seine Mitinvestoren in den Verkaufsverhandlungen und gehört seit 2002 der KEK an. Gleichzeitig berät Wagners Kanzlei, Hogan & Hartson Raue in Berlin, auch Springer - in kartellrechtlichen Fragen. Bei der Entscheidung, ob Springer wie geplant die Pro- SiebenSat.1-Gruppe übernehmen kann, kommt der „staatsfernen, standortunabhängigen“ (Eigendarstellung) KEK neben dem Bundeskartellamt die Schlüsselrolle zu. Das Expertengremium prüft, ob Springer durch die Fusion eine „vorherrschende Meinungsmacht“ erlangt - und könnte die Übernahme erheblich erschweren.

Wagner gehört also der KEK bereits seit 2002 an, während die Finanzgruppe von Saban ihre Anteile erst  im Jahre 2003 gekauft und später Wagner für die Unterstützung der Verkaufs engagiert hat: Einkaufspreis geschätzt 850 Millionen Euro, Verkaufpreis 2,47 Milliarden Euro durch zwischenzeitlichen Kursanstieg - sh. „TV-Deal bringt Saban-Gruppe rund 1,6 Milliarden Euro“, SPIEGEL ONLINE, 5.8.05. Für diese „schnelle Mark“ waren schon  einige Hebel zu bewegen. Dagegen verengt die kartellrechtliche Betrachtung des Handels mit politischer Manipulationsmacht den millionenfachen Meinungskauf und die Aushöhlung der Demokratie auf den Stellenwert des Waschmittelvertriebs.

Ganz nebenbei werden auch hier - wie so oft -  Spekulationsgewinne in Milliardenhöhe durch eine weitere Abschöpfungs-„Investition“ der deutschen Wirtschaft entzogen, was sich - gemessen an den Haushaltslöchern und der mangelhaften Besteuerung solcher „Windfall-Profits“ - durchaus zu beachtlichen Größen addiert. An dieser Stelle kann nicht untersucht werden, inwieweit „Sanierungs“-Erfolge zu dem Kursanstieg ihren bescheidenen Beitrag geleistet haben und auf welche Art gegebenenfalls saniert wurde.

Edmund Stoiber sieht in diesem Riesenschritt zur Manipulations- Demokratur  - wie ehemals Strauss, Kohl und Kirch - mit Recht die große Chance der Neoliberalen. Stoiber begründet seine Unterstützung jedoch - wie fast jeden neoliberalen Winkelzug - natürlich mit zusätzlichen „Arbeitsplätzen“ (ebd.), ohne die massenhafte Arbeitsplatzvernichtung gerade durch diesen Neoliberalismus zu erwähnen.

Bei solchen Akteuren wäre es kaum verwunderlich, wenn die  KEK auch ohne Christoph Wagner schon jetzt entsprechend besetzt wäre. Zu deren „Willensbildung“ hinter verschlossenen Türen sh. den Artikel „Widerstand gegen Mega-Medienfusion“, tagesschau.de, 9.8.05:

Die deutschen Medienwächter wollen die geplante Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG intensiv überprüfen. Binnen der kommenden vier Monate werde die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) entscheiden, ob durch die Fusion das neue Unternehmen eine zu große Meinungsmacht erlangt, sagte der KEK- Vorsitzende, Dieter Dörr...

Die KEK sieht es vor allem als mögliche Bedrohung an, dass Medienunternehmen Meinungen bei Zuschauern und Lesern verstärken oder abschwächen könnten. Dies sei vor allem bei Zeitungen möglich, sagte Dörr. Kritisch äußerte er sich zu einem möglichen Veto der Direktoren-Konferenz der Landesmedienanstalten, mit einer Dreiviertel-Mehrheit eine KEK-Entscheidung zu überstimmen. Die KEK habe den gesetzlichen Auftrag, die Meinungsmacht zu prüfen. Es habe keinen Sinn, wenn ein Gremium der Medienanstalten die Entscheidung eines anderen Gremiums wie der KEK für ungültig erkläre. Er gehe davon aus, dass die Direktoren sich wie die KEK an den Rundfunkstaatsvertrag halten werden, sagte Dörr.

Der Widerstand gegen noch mehr Meinungskauf war jedoch von vornherein nicht ganz verloren:

Die seltsame Kommission spricht ihr Urteil dieser Tage, keiner weiß aber, ob es etwas bewirkt. Man braucht sich nur Dörrs eigene Aussagen vorzunehmen. Untauglich hat er die KEK genannt, „das letzte Feigenblatt der Medienaufsicht“. Das war vor ein paar Jahren, als die KEK gerade gegründet wurde. Später schien sich Dörrs Verdikt zu bestätigen: Ob Leo Kirch sein Imperium festigte, ob Bertelsmann seine Macht bei der RTL-Familie ausweitete, immer nickte die KEK alles ab. Anders als ihre Kollegen von der FCC in den USA, von Ofcom in England oder der CSA in Frankreich hat die KEK zudem als Gremium unabhängiger Experten kaum Befugnisse, falls sie Nein sagt. Eventuell darf sie einen Entzug der Sendelizenz verlangen, aber auch das ist nicht klar.

Dörr hat offensichtlich vor, seine Prognosen von einst zu konterkarieren, seitdem er 2004 an die Spitze der KEK rückte.

(Sh. „Dieter Dörr: Ohne Furcht und Feigenblatt“, ftd.de, 29.11.05.)

Kartellrechtlich ist die Fusion nicht genehmigungsfähig, da laut Vorwarnung durch das Bundeskartellamt mit dem Zusammenschluss „eine marktbeherrschende Stellung entsteht ... auf dem Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen und dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen. Schon in einem Zwischenbescheid im November 2005 äußerte das Kartellamt schwere Bedenken gegen den Zusammenschluss von Deutschlands größter TV-Privatsenderfamilie mit Europas größtem Zeitungsverlag.“ (Sh. „Hürden waren Springer zu hoch“, Handelsblatt.com, 1.2.06.)

Für den Fall, dass das Kartellamt diesen Meinungskauf zugunsten der Neokonservativen blockieren würde, schloss der gut in Abwehr-Stellung gebrachte neue Wirtschaftminister Michael Glos (CSU) seine letztlich entscheidende Ministererlaubnis gegen die Kartellwächter nicht aus. (Siehe Birgit Gärtner: „Elefantenhochzeit vorläufig verschoben“, Telepolis, 15.12.05; sh. ferner „Übernahmepoker von Springer beschäftigt Politik“, finanzen.de, 19.1.06). Auch sein Parteifreund und bayerischer Wirtschaftsminister Erwin Huber hatte ihm bereits eine Vorlage geliefert und die Ministererlaubnis gefordert, ebenso wie etliche Landesmedienanstalten des gleichen Lagers und der wild entschlossene hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der nun den Stimmenzuwachs für seine Partei vielleicht nicht mehr mit ihrem Schwarzgeld bezahlen kann und hier nach Alternativen sucht. Huber berief sich diesmal sogar - ganz gegen seine Gewohnheit - auf die Gefahr von ausländischen „Heuschrecken“. (Siehe „Axel Springer: Wir müssen aus dieser Falle raus“, manager-magazin.de, 22.1.06).

Das „freundschaftliche Verhältnis“ von Friede Springer zu Angela Merkel und ihre politische Interessenübereinstimmung hätten noch eine zusätzliche Hilfe sein können, auch wenn Frau Springer sich in den Redaktionsalltag nicht einmischen muss und dafür ihre Leute hat, denn:

Mit Mathias Döpfner, einem Mann ihres Vertrauens als Vorstandsvorsitzendem an der Spitze der AG, machte sie den Verlag zukunftssicher. Friede Springer, der ein freundschaftliches Verhältnis zur CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel nachgesagt wird, hält Distanz zu den Redaktionen.

(Siehe „Friede Springer - Vom Kindermädchen zur Mehrheitsaktionärin“, stern.de, 5.8.05.) Hauptsache man wählt linientreue Chefredakteure aus. Die stellen dann schon ebensolche Ressortleiter ein usw.

Friede Springer bekannte einmal mit sympathischer Freimütigkeit zu ihrer „Situation im Schatten des [30 Jahre älteren] Großverlegers“, den sie mit 23 Jahren kennengelernt hatte (sh. ebd.):

„Ich habe mich an seiner Seite entwickelt. Ich gebe es zu: Ich bin sein Produkt.“

Aber zugleich erklärt dieses Bekenntnis auch die fatale Kontinuität.

Offenbar hat Angela Merkel ebenfalls viel von Helmut Kohl gelernt. So konnte Merkel auch als „Kohls Mädchen erfahren, wie ihr Meister und der damalige Springer-Großaktionär Leo Kirch engste Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil pflegten und wie unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl in seinem Wahlkreis Ludwigshafen zum 1.1.1984 überhaupt erst das Privatfernsehen geschaffen wurde - mit seinen leichten pluralistischen Vorteilen und großen Problemen durch das demokratisch nicht legitimierte manipulative Medienkapital. Die Gründung erfolgte durch Kohl-Förderer  Leo Kirch  gut ein Jahr nach der Wahl von Kohl zum Bundeskanzler (sh. Guido Meyer: „Die Revolution frisst ihre Kinder - 20 Jahre Privatfernsehen“, dlf.de, 4.8.02).

Schon im Frühjahr 2002 war wieder einmal eine solche Ministererlaubnis erteilt worden gegen das Bundeskartellamt - durch Staatssekretär  Alfred Tacke in Vertretung des damaligen Wirtschaftsministers Werner Müller zugunsten von E.ON und Ruhrgas, die jetzt nach ihrem Zusammenschluss für die hohen Energiepreise sorgen. Werner Müller erhielt in dem Konzern dann einen Vorstandsposten, bezog aber „bereits eine Pension von E.ON, als sein Ministerium die umstrittene Sondererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas durch E.ON erteilte“. (Siehe udo-leuschner.de, Januar 2005)!  Auch der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer  wurde reichlich entlohnt für seine gute Zusammenarbeit mit dem Strompreis-Großprofiteur RWE, obwohl Meyer „zumindest in den letzten Jahren keine entsprechende Arbeitsleistung für das von RWE bezogene Gehalt erbrachte und deshalb im Dezember 2004 von seinem Parteiamt zurücktreten mußte“ (leuschner.de, März 2005). Der vorgeschobene Alfred Tacke fand bei den Strompreis-Profiteuren ebenfalls hohe Anerkennung und brachte sein Schäfchen ins Trockene mit dem „Vorstandsvorsitz des Steinkohleverstromers Steag“. (Siehe „Politischer Wirbel um den den Wechsel des Staatssekretärs Tacke zur Steag“, leuschner.de, September 2004, und „'Raffzahn' Agnes vs. 'Ekel' Alfred“, taz.de, 8.9.04). Auch Wolfgang Clement fand bei RWE (und bei der INSM) höchste Anerkennung (sh. rossaepfel-theorie.de).

All das erscheint der Sache nach fast noch harmlos im Vergleich zu den Zahlungen, die Leo Kirch für die massive Unterstützung seines CDU/CSU-freundlichen Privatfernsehens gezahlt hat an Helmut Kohl, Theo Waigel, Wolfgang Bötsch, Jürgen Möllemann usw. und die nur durch den Kirch-Konkurs publik geworden sind. (Siehe „Leo Kirch und die CDU/CSU-Amigos“, gavagai.de, und ausführliches Material z.B. bei spiegel.de). Über die Zahlungen an Kohl heißt es im Sendemanusript zur Panorama-Sendung vom 31.7.03:

Genau festgelegt im Geheimvertrag ist besonders die Vergütung. Kohls Honorar: 600.000 DM jährlich, drei Jahre lang. So kassierte Helmut Kohl 1.800.000 DM plus Mehrwertsteuer, plus alle Spesen. Seine Gegenleistung: eine sogenannte „Standard-Beratung“ von „bis zu zwölf persönlichen Gesprächen” mit Leo Kirch. Auch kein Gespräch wäre also eine Vertragserfüllung. Dazu noch auf Wunsch eine sogenannte „situative Beratung”, ebenfalls ohne genaue Definition.

Die Qualität der Beratung ergibt sich aus einer Äußerung von Leo Kirch über Kohl vor dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss:

„In geschäftlichen Dingen hat er nie etwas verstanden, er wollte es nicht verstehen. Das war immer klar zwischen uns.“

(Siehe die Panorama-Video-Seite zur Sendung vom 31.7.2003 unter http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2003/erste7126.html mit Verweis auf die vorhergehenden Sendungen sowie das Sendemanuskripts  Kirch-'Honorar'_fuer_Kohl&Co.panorama.31.07.2003.htm  zur Sendung vom 31.7.2003, hier aus einer Sekundär-Quelle, nachdem diese Originalquelle schon "depubliziert" wurde.)

Immerhin wurde Kohl vom konservativen Präsidenten der EU-Kommission Manuel Barroso im Jahre 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. „CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach in der «Saarbrücker Zeitung“ von einer «ausgezeichneten» Idee des EU-Kommissionspräsidenten.(Sh. „Parteienstreit über Nobelpreiskandidat Kohl“, netzeitung.de, 28.3.2007). Mit solchen Gefälligkeiten konnte sich Barroso die „christliche“ Unterstützung für seine Wiederwahl zum EU-Kommissions-Präsidenten sichern.  Auch für Niedersachsens CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff lief Kohls Strippenzieherei zugunsten von Kirchs CDU-Fernsehen so geschmiert, dass er noch im April 2009 niveaugerecht durch das CDU-Sprachrohr Bild am Sonntag verkünden ließ: „Ich fände es angemessen, wenn Helmut Kohl dieses oder nächstes Jahr den Friedensnobelpreis bekäme.“ (Sh. „Kohl soll Friedensnobelpreis bekommen“, rp-online.de, 19.4.2009.) Für ihre großen Verdienste bei der Beseitigung des Eisernen Vorhangs waren allerdings schon Michail Gorbatschow, Lech Wałęsa und Willi Brandt mit  dem Friedensnobelpreis gewürdigt worden. Es bestand also keine Veranlassung, diesen Preis unnötigerweise in Misskredit zu bringen.

Volker Beck von den Grünen gab sich gegenüber solchem Ansinnen recht milde (siehe „Parteienstreit über Nobelpreiskandidat Kohl“, netzeitung.de, 28.3.2007):

Beck fehlt zudem «der aktuelle Bezug», wie er sagte. «Mit seinem Ehrenwort im Rahmen der Parteispendenaffäre hat Helmut Kohl jedenfalls innenpolitisch zuletzt eher Unfrieden gestiftet.»

Petra Pau von der Linkspartei bezog sich unter anderem auf Kohls verfassungswidriges Verschweigen der „diskreten“ CDU-Parteispender, das er mit seinem angeblichen Ehrenwort begründete. Die Nennung solcher Millionen-Spender sollte gerade offenlegen, von wem die Republik gekauft wird, z.B. durch Senderechte für private finanzstarke CDU-Propagandisten. Die Zahlung von ca. 1,8 Millionen D-Mark im zeitlichen Zusammenhang zugunsten von Kohl persönlich war nur durch den Konkurs von Leo Kirch ans Licht gekommen. Petra Pau brachte die Sache auf den Punkt (ebd.):

«Ein Kanzler, der ein persönliches Ehrenwort über das Grundgesetz stellt, ist nicht preiswürdig.»...
Ungeachtet dessen hat der Friedensnobelpreis nach Paus Ansicht ohnehin an Wert verloren. Die Würde des Preises sei durch frühere Nominierungen wie etwa für US-Präsident George W. Bush oder den britischen Premier Tony Blair «bis zur Unkenntlichkeit lädiert“.

Man sieht, wie die Weichen durch die etablierten Meinungsmacher und kapitalstarke Spender gestellt werden können, um politische Gegner und insbesondere das völlig konträre Linksbündnis bei der nächsten Bundestagswahl in Schach zu halten. Auch zur Bundestagswahl vom 18.9.05 hatte die Bündelung des Medienkapitals zum (Un-)„Wohle der Allgemeinheit“ (Art. 14 GG) bei ProSiebenSat.1 schon erste Früchte getragen durch den Ausschluss der Linkspartei von der großen Wahlsendung mit  Stefan Raab (!) bei ProSiebenSat.1. Hier ist nicht nur die KEK gefragt, sondern auch das Verfassungsrecht!

(Siehe zur Einladung  die Presseerklärungen der Linkspartei vom 16.9.05 und zur Ausladung die Erklärung vom 17.9.05.) Als Begründung für die Ausladung sagte Sendersprecher Christoph Körfer: „Ein Vertreter der Linkspartei habe telefonisch erklärt, die frühere PDS werde mit ihren Studiogästen 'unüberhörbar und unübersehbar' präsent sein“. (Siehe „RAABS WAHL-SHOW - ProSieben lädt Linkspartei aus“, spiegel.de, 17.9.2005). Die Annahme der Einladung mit diesen Worten kann man übrigens schon in der Presseerklärung der Linkspartei zu der Einladung nachlesen.

Wenn man diese Worte als Vorwand für eine Ausladung nimmt, handelt es sich  offensichtlich nach bewährter Art eher um den Missbrauch von großem Medienkapital zur Umverteilung nach oben, selbst wenn es bei vielen Wählern nicht gerade imagefördernd ist, sich überhaupt in den Sendern von ProSiebenSat.1 zu zeigen - und das auch noch zusammen mit Burdas „Bambi“-Preisträger Stefan Raab. Tatsächlich wollte die Linkspartei mit einer „jungen Spitzenpolitikerin“ vertreten sein für die Diskussion vor Jugendlichen. (Sh.  RAABS WAHL-SHOW - ProSieben lädt Linkspartei aus, spiegel.de, 17.9.2005).

Aber das schien den Veranstaltern des lustigen Raab-Kaspertheaters wohl unter ihrer „Würde“. Dagegen bevorzugte man im großen Talkzirkus von ARD und ZDF Petra Pau oder die junge Dresdner Spitzenkandidatin Katja Kipping gegenüber Oskar Lafontaine als Gegnerinnen der prominenten Umverteiler - zum Teil, weil Lafontaine den Rotkarierten zu Recht Verrat an der Sozialdemokratie vorwirft, vor allem aber, weil man gegen ihn mit den neoliberalen Sprüchen kaum bestehen kann.

Eine Bestätigung für das angeblich hohe Anspruchsniveau von Stefan Raab findet man in dem ausgezeichneten Bericht von Philipp Wittrock: „RAABS WAHL-SHOW - Die Wok-WM war spannender“, spiegel.de, 18.9.05. Daraus folgende Zitate:

„Wir wollten Spitzenpolitiker haben“, klärte Raab zu Beginn der Sendung auf. Doch die Linkspartei habe Katja Kipping schicken wollen. „Katja Kipping? Wo macht die denn gerade Realschulabschluss?“ habe man sich da gefragt, sagte Raab.

Wenn Raab den Realschlussabschluss hat, dann könnte er doch eigentlich nicht so einen Extrem-Schwachsinn produzieren. (Siehe dagegen zu Katja Kipping ihre Webseite und den Talkzirkus  von Sabine-Christiansen am 24.7.2005, wo sich Kipping  bestens gegen Kurt Biedenkopf, Wolfgang Thierse, Dieter Althaus usw. geschlagen hat.) Weiter heißt es in dem obigen Spiegel-Bericht:

Kipping kandidiert in jenem Dresdner Wahlkreis, wo die Wähler wegen des Todes einer NPD-Kandidatin erst am 2. Oktober ihre Stimme abgeben dürfen. TV Total wollte Kipping nicht, die Linkspartei wollte keinen der Spitzenkandidaten, Oskar Lafontaine oder Gregor Gysi, schicken.

Offenbar waren die Geldgeber hinter Raab doch nicht so dumm, wie es nach dem Niveau der Sendung scheint, denn der Dresdner Wahlkreis könnte ausschlaggebend sein für ihre Umverteilung nach oben. Der Spiegel berichtet auch, wie Raab die Antwort der Linkspartei für sich zurechtgebogen hat:

Letztlich saß kein Vertreter auf der Bühne, und auch die 50 als Studiogäste geladenen Anhänger wurden kurzerhand wieder ausgeladen. Ein Sprecher der Partei habe angekündigt, diese wollten die Sendung lautstark stören, erklärte Raab.

Auch Raab hat offenbar eine gewisse Schläue, denn aus „'unüberhörbar und unübersehbar' präsent sein“ wird hier schon „lautstark stören“.

Für Vertreter der Linkspartei wollten die Kapitalgeber von Pro7Sat1 ohnehin keine Beifallsbekundungen von deren Anhängern. Solche Bekundungen sollten den Gläubigen von Raab und Springer sowie den Claqueuren der neoliberalen Umverteiler vorbehalten bleiben. Dementsprechend heißt es in dem Spiegel-Bericht:

Die Fanblocks in den Farben der anderen Parteien grölten und jubelten dafür nach jedem Halbsatz, was die Stimmbänder nach dem Blitz-Wahlkampf noch hergaben, reckten Plakate oder und buhten die Konkurrenz aus.

Die CDU hatte ihre Truppen für den Manipulationsstaat schon mobilisiert. In dem Artikel „ CDU: Kritik an Springer 'heuchlerisch'“, netzeitung.de, 8.8.05, heißt es jedoch auch:

Der amtierende ARD-Vorsitzende Plog hatte vor einer Zusammenballung publizistischer Macht gewarnt. «Diese ist anders als von Springer- Vorstandschef Mathias Döpfner dargestellt, bei Springer nach der Fusion größer als die der Bertelsmann AG“, sagte Plog. «Der Kanzler hat nicht zu unrecht darauf hingewiesen, dass man Politik schwer machen kann gegen 'Bild', 'BamS' und Glotze. Genau diese Konstellation ist jetzt hergestellt», sagte Plog.

Für die Absicherung des Neoliberalismus, also der Umverteilung nach oben,  durch die „Glotze“ ist allein schon durch die neoliberalen Talkshow-Propagandisten bestens gesorgt. Die meisten übrigen Meinungsmacher agitieren ebenfalls für ihr Eigeninteresse, so auch bei Springer (siehe z.B. das eingangs zitierte Interview des BILD-erfahrenen hochverdienten Journalisten und Publizisten Günter Wallraff: „Bei Wahlen macht 'Bild' immer Politik für die Rechten“, taz.de, 21.11.05), und zwar nicht nur bei BILD, das der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit Springer/Wallraff als eine „Fehlentwicklung im deutschen Journalismus“ (sh. ebd. und BVerfGE 66, 116 - Springer/Wallraff) bezeichnet hat, sondern auch in den übrigen Springer-Blättern. Einen Beleg für Wallraffs Aussage lieferte die Springerpresse wieder einmal bei der Bundestagswahl vom 18.9.2005 mit ihren Kampagnen gegen Lafontaine und die Linkspartei. (sh. Linksbuendnis.htm). Die übrigen neoliberalen Medienmacher standen ihr aber kaum nach.

Am Ende hat die KEK unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden Dieter Dörr jedoch gegen erhebliche innere und äußere Widerstände erstaunliches Rückgrat bewiesen. Nach ihrem Übernahmeverbot vom 10.1.06 hat am 23.1.06 auch das Bundeskartellamt die Übernahme untersagt. Erwartungsgemäß  hätte Wirtschaftsminister Glos und zumindest seine CSU wohl gern das Kartellamt kaltgestellt (sh. oben) - zur Ausweitung des medialen Übergewichts für die CDU/CSU. Das ablehnende KEK-Votum hätte die „Christlichen“ durch eine Dreiviertel-Mehrheit der fünfzehn Landesmedienanstalten kippen können, da deren Entscheidungsträger letztlich von den Parteienmehrheiten in den Bundesländern bestimmt werden. Nachdem inzwischen auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit CDU-Mehrheit regiert wird, ließe sich eine Mehrheit zur weiteren Verstärkung des CDU/CSU-Einflusses im Fernsehen wahrscheinlich organisieren.

Dementsprechend beschloss am 31.1.06 die Direktoren-Konferenz der Landesmedienanstalten, „Auflagen für Springer zu prüfen, um die Übernahme doch noch zu genehmigen und das KEK-Veto zu kippen“.  ( Siehe „Chronik: Monatelanger Poker“, tagesspiegel.de, 2.2.06). Das Unheil, verpackt in schöne Worte, war schon abzusehen.  Der Deutsche Journalistenverband konnte jedoch eher aufatmen nach dem eher unfreiwilligen Verzicht Springers auf  weitere Medienkapital-Konzentration, denn diese ist auch stets mit wirtschaftlichem Druck auf die journalistische Meinungs- und Pressefreiheit verbunden:

Die Konferenz der Direktoren der Ländereinrichtungen (KDML) hatten heute mit ihren Beratungen über den Fall begonnen, um gegebenenfalls das Veto der Medienaufsicht KEK gegen die Fusion zu kippen. Die KDLM sei dabei bereits auf dem Weg zu einer „ganz guten Lösung“ gewesen, erklärte eine Sprecherin der Konferenz der Nachrichtenagentur ddp. Die Medienanstalten hätten gehofft, „mit neuen Lösungsmöglichkeiten weiterhelfen zu können“.

Der Deutsche Journalisten-Verband hat den Entschluss des Verlags dagegen begrüßt. Der Vorsitzende des Verbandes, Michael Konken, sprach von einer „guten Entscheidung für den Fortbestand der Medienvielfalt in Deutschland“.

(Sh. „Stoiber springt Döpfner zur Seite“, spiegel.de, 1.2.06.) Stoiber und seine „Christen“-Freunde stört es natürlich auch nicht, dass Springer offenbar einen Rekord an Presserats-Rügen hält und den überfälligen Abdruck dieser Rügen nach dem „Ehrenkodex“ entweder ganz unterlässt oder endlos aufschiebt und dann auf ein belangloses Minimum schrumpfen lässt. (Siehe z.B. die Rüge zu der unglaublichen Kekilli-Diffamierung mit der unsäglichen Rügen-Veröffentlichung). Anscheinend spielt der „Ehrenkodex“ für die neoliberalen Meinungsmacher kaum eine Rolle. Das alles steht unter dem alten Springer-Motto „Seid nett zueinander“, das zwar den alten Nazis, aber nicht Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg geholfen hat. (Siehe Karl Pawek: „Fluch der Harmonie“, 2003, und „Achtundsechzig - Mythos oder Zäsur?“, cornelsen-teachweb.de).

Die studentische Forderung „Enteignet Springer!“ konnte die Mordanschläge auf Dutschke und Ohnesorg nicht verhindern (sh. „Volksfeind Nummer eins“, dradio.de, 11.4.2008).   Die Studenten sahen ihre Gewalt-Demonstrationen auch als Notwehr gegen die Manipulation durch das Medienkapital zur Umverteilung nach oben. Die Hetze gegen die Gegner dieser Umverteilung geht weiter, aber nicht nur in der Springer-Presse (sh. z.B. hier Linksbuendnis.htm).

Die Pervertierung und Manipulation der freien Meinungsbildung durch den massiven Einsatz von privatem Medienkapital zeigt sich hier wie in Italien, den USA, Großbritannien und vielen anderen kapitalistischen Ländern sowie besonders auch in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo mit Hilfe solcher privaten Medienmacht im Namen der Freiheit für die Umverteilung nach oben geputscht wird. (Sh. das Muster-Beispiel von Venezuela und den Aufsatz von Theo Wentzke: „Venezuela: Die Vergehen des Hugo Chávez“, gespeichert unter uni-kassel.de, 2/2002, und Jean Ziegler: „Präsident der Armen“, 3.5.2006.)  Am Beispiel von Hugo Chavez kann man ganz gut studieren, wie die Manipulation durch das dominierende Medienkapital  in Venezuela und den USA von den deutschen Neoliberalen und ihren Nachbetern kritiklos übernommen wird. (Siehe dazu die Berichte in den deutschen Massenmedien mit dem sachkundigen Artikel von Harald Neuber: „Konflikt zwischen RCTV und Regierung Venezuelas“, amerika21.de, 25.1.2010,  und den dort zitierten Bericht von Teresa Viloria Gazzotti: „Mythen und Tatsachen über den Fall RCTV“, amerika21.de, 1.6.2007).

Zur Pressefreiheit in Deutschland wirkt es noch eher zurückhaltend, wenn Oskar Lafontaine den Publizisten Paul Sethe zitiert:

Pressefreiheit ernst zu nehmen heißt vor allem, deren Voraussetzungen immer wieder zu prüfen. Paul Sethe, einer der fünf Gründungsherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, hat zu seiner Zeit festgestellt: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Wer behauptet, das sei heute anders und die deutsche Presse sei „frei“ von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen, hat den Blick für die Verhältnisse verloren.

(Sh. Oskar Lafontaine: „Mit Hugo Chávez für die Freiheit“, welt.de, 7.7.2007.)  Immerhin bringt DIE WELT von Zeit zu Zeit auch einen Alibi-Beitrag von links, wenn es der Auflage dient. Aber die Verfolgung der „wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen“ erscheint noch eher harmlos im Vergleich zur tatsächlichen Manipulation durch das Medienkapital. Die neoliberale Meinungsmache mit diesem Kapital wirkt bis hin zur Besetzung von Schlüsselpositionen in Politik und öffentlich-rechtlichen Medien. (Sh. auch „ProSiebenSat1 - Widerstand gegen Bild, BamS und Glotze“, manager-magazin.de, 8.8.2005).  Sie wendet sich damit direkt gegen die Legitimation der kapitalistischen Pressefreiheit. Der Gebrauch des Eigentums „soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Art. 14 Grundgesetz) und nicht der Manipulation. Die Beseitigung solcher Missbräuche ist ein Verfassungsauftrag.


Der Coup der KDLM-Direktoren erledigte sich schon einen Tag nach ihrer wohlgesetzten Sabotage-Ankündigung dadurch, dass Springer selbst sein Übernahmeangebot für die Gruppe ProSiebenSat.1 zurückzog. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass im Falle einer Erlaubnis gegen die Entscheidung von KEK und Kartellamt langwierige Klagen von den Verlagen Holtzbrinck und M. DuMont Schauberg zu erwarten waren. (siehe Dietmunt Roether: „Traum geplatzt“, epd.de, 1.2.06) und dass Springer sich eine endlose Hängepartie mit solchen Summen und ungewissem Ausgang nicht leisten konnte bei einem Vertragswert von 2,4 Milliarden Euro plus diverse Kosten. (Siehe ebd. und „Springer bläst Fusion mit ProSiebenSat.1 ab“, tagesschau.de, 1.2.06).

Plötzlich erscheinen nun als einzige Alternativen zu Springer auch nicht mehr nur Schreckbilder wie Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch, sondern auch der französische Privatsender TF1 und sogar die skandinavische Sendergruppe SBS (sh. epd.de, a.a.O), die wahrscheinlich weniger Interesse an Gehirnwäsche in Deutschland haben als manche deutsche Alternative.

Interessant ist vor allem die Reaktion der „Christlichen“ darauf, dass die Manipulationsmacht für ihre Selbstbedienung (Mehrwertsteuererhöhung, Senkung des Spitzensteuersatzes, Sozialkürzungen) nun nicht noch weiter gestärkt wurde. Edmund Stoiber „schimpft“ über die „bürokratischen Hürden“, die dem entgegenstehen, und besinnt sich auf den bewährten Vorwand der „Standortpolitik“, womit vielleicht Deutschland als CDU-CSU-Standort gemeint ist.

Auch CSU-Generalsekretär und Vorsitzende der CSU-Medienkommission Markus Söder zeigte sich „empört“: „Ausländische Konzerne können ungehemmt agieren, während deutsche Unternehmen durch das Kartellrecht massiv behindert werden“. ( Siehe „Springer bläst Fusion mit ProSiebenSat.1 ab“, tagesschau.de, 1.2.06, und „Kritik am Kartellamt - Stoiber springt Döpfner zur Seite“, spiegel.de, 1.2.06.) Er sagt aber nicht, dass es hier um Konzentration von Meinungsmacht im Interesse seiner Partei ging, und lässt durch solche Taschenspielertricks - wie üblich - den Kernpunkt verschwinden. Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat sich „vehement für Springers Fusionsvorhaben“ eingesetzt. (Siehe Lutz Feierabend: „Die Grenzen einer magischen Anziehung“, ksta.de, 2.2.06). Weiter heißt es in diesem Artikel:

Blickt man auf die vergangenen Monate zurück, bleiben aber Auffälligkeiten. Was treibt eigentlich die Direktoren der Landesmedienanstalten, ihre eigens zur Konzentrationskontrolle gegründete unabhängige Kommission (KEK) so wenig ernst zu nehmen? Die Kommission lehnte den Zusammenschluss ab, die Medienhüter gaben sich aber „frohen Mutes“, trotzdem Möglichkeiten für eine Genehmigung zu finden - offenkundig unter dem Einfluss der Politik....

Besonders auffällig ist aber, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung sich mehr oder minder zum Anwalt der Springer-Pläne machte, obwohl es viele Stimmen im Land gab, die sich mit guten Gründen gegen den Zusammenschluss ausgesprochen hatten. Zumal NRW davon kaum hätte profitieren können. Im Gegenteil: Das Land ist Standort vieler Medienunternehmen, die vom Zusammenschluss von Pro Sieben Sat.1 und Springer negativ betroffen gewesen wären.

Offenbar gelten aber die Regeln für Fusionen nicht mehr, wenn die beteiligten Firmen nur groß genug sind. Einfache Feindbilder - „kommt Springer nicht zum Zuge, dann fällt ein deutscher Sender in fremde Hände“ - reichen aus, um einseitige politische Einflussnahme zu begründen. Dabei gehört Pro Sieben Sat.1 schon heute ausländischen Unternehmen.

Den Neoliberalen ist also jedes noch so windige Argument willkommen, wenn es denn nur bei ihrer Wählertäuschung hilft.

Gegen Berlusconi und Murdoch konnte sich die Abneigung der Rechten kaum richten: Beide hätten sich voraussichtlich mit großem Halali an der Hatz auf die linken Gegner der Umverteilung nach oben beteiligt.
Die Murdoch-Presse hat das mit ihren Angriffen auf Lafontaine schon früher bewiesen (sh. hier Linksbuendnis.htm mit Suchwort „Murdoch“), und über Berlusconi braucht man wohl ohnehin nichts weiter zu sagen.

An den Arbeitsplätzen kann es auch nicht gelegen haben, denn bei der deutschen Sendergruppe ProSiebenSat.1 werden auch dann deutsche Journalisten und andere Arbeitnehmer aus Deutschland gebraucht, wenn die Sender in ausländischer Hand sind. Markus Söder und seine „Christen“-Freunde sollten sich gegen ihre Gewohnheit eher einmal darüber empören, dass „Finanzinvestoren“ oder „Heuschrecken“ und ihre Kahlfraßopfer die überdimensionierten Schuldzinsen für ihre Ex-und-hop-Aktionen steuerlich absetzen können (sh. hier Unternehmenssteuerreform.htm). Im Falle von ProSiebenSat1 geht es jedoch kaum um Kahlfraß und Arbeitsplatzverlagerung. Also hatte man wohl eher etwas gegen die Übernahme durch andere ausländische Eigentümer, die sich nicht in den Deutschen Mainstream-Chor zugunsten der Neoliberalen einreihen würden.

Insofern ist die im Dezember 2006 erfolgte Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die bekannten Finanzinvestoren KKR und Permira (sh. „ Heuschrecke, bitte kommen“, zeit.de, 14.12.06) zunächst einmal das viel geringere Übel im Vergleich zu einer weiteren neoliberalen Meinungs-Monopolisierung. Bei dem Ex-und-hop-Prinzip solcher „Investoren“ ist aber ein Verkauf nach einigen Jahren an Rupert Murdoch, Silvio Berlusconi oder auch an neu formierte neoliberale Gruppen in Deutschland keineswegs unwahrscheinlicher geworden. Auch hierbei könnte Springer wieder mitmischen. Vielleicht haben die Profiteure solcher Meinungsmache dann auch mit etlichen Winkelzügen eine Neubesetzung bei der Kartellbehörde und bei der KEK durchgesetzt. Wahrscheinlich wollen die „Investoren“ außerdem durch Fusion mit anderen Sendern neue kartellrechtliche Fakten schaffen. Dazu heißt es in der FAZ:  

Permira und KKR sind auch Mehrheitseigner der in Amsterdam ansässigen paneuropäischen Senderkette SBS Broadcasting. Bei der angestrebten Verschmelzung von SBS und ProSiebenSat.1 „soll keine Zeit verloren werden“, sagte Permira-Partner Götz Mäuser in der Telefonkonferenz weiterhin. Gleichwohl rechnet Thomas Krenz, ebenfalls Partner von Permira, bei der Verschmelzung mit Klagen; das sei in Deutschland „nun mal so üblich“.

(Sh. „Permira und KKR sagen RTL-Group den Kampf an“, faz.net, 15.12.06).

Die Käufer werden mit dem Weiterverkauf ohnehin wohl einige Jahre warten müssen, denn ein Abschöpfungs-Deal wird dadurch erschwert, dass der Vorbesitzer Haim Saban schon den größten Teil abgesahnt hat. Im August 2003 hatte seine „Finanzinvestoren“-Gruppe German Media Partners den Beherrschungs-Anteil von 50,5 Prozent für 525 Millionen Euro gekauft. (Sh. „Das große Geld übernimmt die Regie“, spiegel.de, 14.12.06.) Sie wird im Dezember 2006 durch den Weiterverkauf für 3,1 Milliarden Euro mehr als 2 Milliarden Euro Reibach dafür abschöpfen. (Sh. „Permira und KKR sagen RTL-Group den Kampf an“, faz.net, 15.12.06).

An den stimmrechtslosen Vorzugsaktien haben diese „Investoren“ naturgemäß kaum Interesse, trotz der höheren Dividenden. Sie zahlen dafür nur den deutlich geringeren „Pflichtpreis“ (sh. „ ProSiebenSat.1-Eigentümer sahnt ab“, boerse.ard.de, 15.12.06).

Dass die „freie Marktwirtschaft“ nach dem raubtierkapitalistischen „Leistungs“-Begriff funktionieren muss, werden die neoliberalen Meinungsmacher ihren Gläubigen auch in diesen Sendern und in ihrem öffentlich-rechtlichen Proporz-Funk schon weismachen.

Für den weiteren Reibach ihrer Medien-Truppen sorgen dann die CDU und die übrigen Neoliberalen im EU-Parlament, indem sie den TV-Sendern zusätzliche Werbemillionen durch Erlaubnis der Schleichwerbung und durch noch weitere Ausdehnung der Reklame in den Sendungen verschaffen. Dazu schreibt die CDU-freundliche WELT am 14.12.06:

Fernsehen
Deutscher Vorstoß gescheitert:
EU erlaubt Schleichwerbung

Der CDU-Abgeordnete Karl Hoppenstedt versteht die Aufregung nicht: „Ein Verbot wäre realitätsfern gewesen, denn trotz Verbotes wurde Produktplatzierung in der Vergangenheit immer wieder praktiziert, wie uns entsprechende Studien zeigen.“...

Einigen konnten sich die Parlamentarier auf die Senkung der Einfügevorgaben für Werbung bei Fernsehfilmen, Kinofilmen, Kinderprogramme und Nachrichtensendungen von 35 auf 30 Minuten. Auch das sieht Hoppenstedt als klaren Sieg. „Um die europäische Fernsehindustrie, deren Werbeeinnahmen in den letzten Jahren stark rückläufig sind, zu unterstützen, war eine Liberalisierung notwendig,“ sagt er.

Gemeint ist offenbar der CDU-Europa-Abgeordnete Karsten Friedrich Hoppenstedt (sh. „Product Placement als 'Fitnessprogramm' für's TV“, heise.de, 12.12.06).

Um ihren krassen Lobbyismus etwas zu kaschieren, präsentieren die Neoliberalen noch eine leichte Scheinopposition ihrer Berichterstatterin und EU-Abgeordneten Ruth Hieronymi (CDU).  Auch die etwas ernsthaftere Kritik der EU-Abgeordneten Lissy Gröner (SPD) diente wohl eher der Dekoration (sh. ebd.).

Es ist also laut Hoppenstedt „realitätsfern“, die eingeschleuste Kommerz-Manipulation in Spielfilmen zu verbieten, weil sie nach US-Vorbild sowieso schon „immer wieder praktiziert“ wird. Der europäische Film soll demnach ebenfalls verwurstet werden. Die Kunst hat dem Kommerz zu dienen!

Völlig unnötigerweise erhalten die angeblich notleidenden Sender darüber hinaus eine deftige Einnahmenerhöhung durch die Neoliberalen, damit sie sich bei ihren Polit-Manipulationssendungen an ihre Wohltäter und deren Gegner erinnern. Auf diese Weise sehen auch die neuen „Finanzinvestoren“ von Pro7Sat1 offenbar ihre Chance, dass sie auf den Milliarden-Reibach von Haim Saban beim Weiterverkauf noch einmal ein paar Milliarden draufsatteln können.

Dass CDU und FDP gewissermaßen als „Schutzengel“ ihrer Kommerzsender gegen die Linke fungieren, haben sie schon bei den Deals von Helmut Kohl und anderen Parteigrößen mit Leo Kirch bewiesen (sh. zu Leo Kirchs üppigen Zahlungen hier weiter oben und unter Kohl-Verteilung.htm).






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