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Version 1-663, zuletzt ergänzt am 12. Juni 2011


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Vorbemerkung zu den Text-Ebenen und zur Kurzlektüre:
Die Fußnoten können von eiligen Lesern zunächst übersprungen werden. Sie enthalten hauptsächlich Recherche-Hinweise, aber auch längere Exkurse zu Unterthemen, die zur besseren Lesbarkeit mit Fettdruck von Passagen und Titeln gegliedert sind. Bei Bedarf kann man durch Überfliegen dieses Fettdrucks interessierende Passagen finden.
Die ab Februar 2005 eingefügten Exkurse im Haupttext wurden zur Gliederung der Argumentation und als Hinweis für eilige Leser kleiner gedruckt. Sie lassen sich als detaillierende Puzzel-Teile und zweite Text-Ebene auffassen, während die weiteren Ebenen bzw. Vernetzungen über interne und externe Links realisiert sind. Spätere Ergänzungen mit ihren Weblinks wurden  wegen der Direkteingabe ins Web-Programm vorläufig ohne Fußnotenziffern als Hypertext eingefügt.



 

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit" (Immanuel Kant - Quelle sh. unten).

"Wenn man den Pferden genug Hafer gibt, kommt am Ende auch etwas als Futter für die Spatzen heraus" (John Kenneth Galbraith).
 



1) Was sagen amerikanische Ökonomen zu

Steuersenkungen für „Bestverdiener" und Meinungsmacher?

Was bringt dagegen die Rossäpfel-Theorie?
 



Anlass für die folgenden Fragen und Antworten ist die bereits erfolgte und fortgeführte schwarz-rosagrünliche Umverteilung des Volkseinkommens nach oben, mit der die Einkommensteuer der Einkommensmillionäre wie Schrempp und Ackermann  für jede zusätzliche Million um ein Steuergeschenk von jährlich 110.000 Euro plus Solidaritätszuschlag gesenkt wurde, aber vor allem die Minister und sonstige neoliberale Meinungsmacher sich mit vereinten Kräften jährliche Steuergeschenke in fünfstelliger Höhe zuschanzen und dies als „Sachverstand" verkaufen konnten. Auch für Milliardäre ist bestens gesorgt, denn sie können allein schon durch die Steuervorteile für die „Arbeit" ihres Kapitals zusätzlich Hunderte von Millionen aus dem Volkseinkommen abschöpfen.

Fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und gleich nach der vereinten Kaltstellung von Oskar Lafontaine wurde die Demontage der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland eingeleitet - ausgerechnet unter der pinkgilbgrünen Schröderregierung und mit schwarzgelbem Druck - durch drastische Steuersenkungen für „Bestverdiener" auf Kosten von Rentnern, Studenten, Kleinverdienern, Kindern, Arbeitslosen, Schulen, Universitäten usw. (sh. unten). - „Das Buch der Natur ist in Zahlen geschrieben" (Galileo Galilei: Il Saggiatore), und die wichtigsten Zahlen für die Verteilungspolitik sind die Berechnungsgrundlagen zur Steuerfestsetzung für neoliberale Propagandisten, denn danach richtet sich ihre Propaganda.

Im Einleitungszitat hieß es noch „Meinungsmacher" und „Meinungsmache" nach dem Fachausdruck „opinion leader", aber schon der Einleitungstext dürfte gezeigt haben, dass es den neoliberalen Meinungs-Fabrizierern nicht um Information, sondern um Desinformation geht - zur Umverteilung nach oben in ihre eigenen Taschen.  Deshalb wurde für sie hier abwechselnd der treffendere Begriff „Propagandisten" eingesetzt. Es geht gerade nicht um "Meinung" im eigentlichen Sinne von „Meinungsfreiheit", sondern um Propaganda und Missbrauch des Medienkapitals, nicht um Demokratie, sondern um "Informationskapitalismus".

Den Opfern der Umverteilung nach oben ist auch nicht dadurch geholfen, dass der Eingangssteuersatz zugleich von 25,9 % auf 15% abgesenkt wurde (mit extrem steiler Progression auf 26,6% im Bereich bis 12.740 Euro - sh. BMF: Grafische Darstellungen, Blatt 3 ff., und § 32a EStG - Grundtabelle), denn falls sie mit ihrem Einkommen überhaupt im steuerpflichtigen Bereich liegen, werden ihre Mini-Ersparnisse sofort zu den "Bestverdiener" weitergereicht durch die übrigen Umverteilungsmaßnahmen.

Falls für den Normalverdiener doch noch etwas übrig bleibt, wird dies mehr als aufgezehrt durch die „heimliche Steuerprogression". Diese ergibt sich automatisch aus dem starren Steuertarif in Deutschland mit dem Ansteigen der nominalen Bruttolöhne im Laufe der Jahre. Um diesen Effekt noch rigoros zu verstärken, sind die Neoliberalen vom linearen Steuertarif übergegangen zum steilen Tarifanstieg im mittleren Einkommensbereich (Steuerbauch), so dass die Durchschnittsverdiener möglichst schnell zu steigenden Steuersätzen kommen (sh. „Heimliche Steuererhöhungen – Wie der Staat die Mittelschicht ausbeutet", Panorama vom 27.3.2008, daserste.de).  Die Best-"Verdiener" bleiben dagegen für jeden Zuwachs bei ihrer drastisch abgesenkten Progressionsstufe von 42 Prozent. Sie haben damit  wesentlich geringere Gesamt-Abgabensätze als die Normalverdiener mit ihren Steuern und vor allem Sozialabgaben. In einer Studie des IAW heißt es dazu:


Am wirksamsten kann diesem dauerhaften Kaufkraftentzug durch eine regelmäßige Anpassung des Steuertarifs begegnet werden. In anderen Ländern (z.B. Frankreich oder Kanada) sind entsprechende Automatismen bereits fester Bestandteil des Einkommensteuersystems. Auch für den bundesdeutschen Tarif wäre eine automatische Anpassung des Tarifs an die allgemeine Preisentwicklung technisch durchführbar. Dadurch ließe sich die Wirkung der kalten Progression wesentlich entschärfen und zugleich die verteilungspolitische Zielsetzung beibehalten.


(Sh. IAW Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung: "Deutliche Mehrbelastung der Steuerzahler durch kalte Progression", Tübingen, 28.1.2008, und hier weiter unten die DIW-Studien zur Messung der Einkommensspreizung und zur Definition der "Mittelschicht".)


Ein solcher tariflicher Kaufkraftausgleich ist jedoch von den Neoliberalen nicht gewollt, weil es sich gegen die Umverteilung nach oben in ihre Taschen richten würde. Diese längst offenkundige räuberische Konsum- und Konjunkturdrosselung durch Plünderung der Klein- und Normalverdiener zur Selbstbereicherung der bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher wurde von diesen bisher weitgehend totgeschwiegen. Diese Umverteilungs-Profiteure bleiben mit ihren Einkommensteilen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen völlig unbelastet von den Beiträgen für den Sozialstaat oder zahlen gar keine Sozialbeiträge, wenn sie mit ihrem gesamten Einkommen sozialversicherungsfrei sind. Auch Gregor Gysi sagte zu diesem Wählerbetrug schon vor Beginn der allgemeinen Diskussion um die DIW-Studie vom 5.3.2008 über die „Schrumpfende Mittelschicht …":


Der Mittelstand sei als nächstes dran, »wenn die Taschen der Armen leer sind und dort nichts mehr zu holen ist«, prognostizierte Gysi.
 

(Sh. "Gysi beruhigt Bäcker", jungewelt.de, 15.1.2008.)
 
Besonders übel wird den Einkommensschwachen mitgespielt, indem man ihnen z.B. per März 2008 eine offizielle Jahres-Inflationsrate von 3,1 Prozent vorgaukelt. Statt dessen ist die Inflationsrate für ihren Warenkorb nach unabhängigen Berechnungen mit 6 Prozent etwa doppelt so hoch. Sie erhalten jedoch nur eine Anpassung der Renten und Transferleistungen nahe dem Nullbereich (sh. "Bundesregierung beschließt Sonder-Rentenerhöhung – Merkels vergiftetes Wahlgeschenk"
, tz-online.de, 8.4.2008). Sogar BILD erkennt diesen Rentenklau und zitiert den renommierten Inflations-Experten Hans Wolfgang Brachinger (Uni Fribourg):
 

Von der zum 1. Juli geplanten Rentenerhöhung um 1,1 % werden die Ruheständler daher nichts haben. Brachinger: „Unterm Strich steht ein dickes Minus."
"Die 6 Prozent sind ein echter Kaufkraftverlust für das Rentner-Portemonnaie."
BILD: Bitter für die Senioren: Von vielen Preissenkungen (z. B. bei Computern, Handys, Fernsehern), die die allgemeine Inflationsrate drücken, profitieren sie dagegen kaum! Denn: Diese Waren kaufen sie fast nie.
 

(Sh. "NEUE STUDIE: So stark leiden Rentner unter der der hohen Inflation", bild.de, 5.4.2008). Aber die BILD-Schreiber beendet den Artikel mit Verlinkungen zu weiteren BILD-Schlagzeilen, die Generationenhetze betreiben ("Ich fühle mich als junger Mensch ausgebeutet", „Leben Rentner auf Kosten der Jüngeren?") und die jedenfalls ablenken von den Steuergeschenken für sie selbst, für die übrigen die neoliberalen Meinungsmacher und sonstige Abkassierer als eigentlicher Ursache des Betruges an den jungen und alten Umverteilungsopfern ("Höhere Rente drückt die Netto-Löhne").


Es ist für die Schröder-SPD eher ein Eingeständnis der eigenen Umverteilungsinitiative als eine Entschuldigung, dass sie den Spitzensteuersatz (= „Differenzsteuersatz" für die Einkommensspitzen, hier zugleich tariflicher „Höchststeuersatz") „nur" von 53% auf 45% senken wollte und lediglich auf Druck der CDU eine weitere Absenkung auf 42% (bereitwillig) akzeptiert hat. Es rettet auch nicht ihren Ruf, dass die CDU schon damals den Spitzensteuersatz auf 35% senken wollte. Sh. „SPD-Länder: Steuerreform nachbessern", welt.de, 5.6.2000,  mit der Passage:
 

Die Union strebt einen Spitzensatz von 35 Prozent an. Auch einige SPD-regierte Länder fordern einen niedrigeren Satz. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement sprach sich für einen Satz von 43,5 Prozent aus.
 

(Hervorhebungen vom Verfasser, auch als Hinweis auf die Interessenlage von Clement - sh. unten). Beteiligt an der Forderung nach Absenkung auf 43,5% war unter anderem der Finanzminister Peer Steinbrück, der jetzt auch jeglichen Umkehrversuch des neuen SPD-Vorsitzenden Volker Beck in Richtung zu den früheren Spitzensteuersätzen energisch zurückweist, aber das Großkapital mit einer niedrigen Abgeltungssteuer für Kapitalerträge privilegieren will (sh. „Wirtschaftsweiser rät zu höheren Steuern", netzeitung.de, 19.4.06, und Bofingers Interview dazu, dlf.de, 19.4.06, sowie hier rossaepfel-exkurse.de~Rentenklau).

Die großen Steuersenkungen seit 1998 dienten allesamt der Umverteilung nach oben
, denn die Steuergeschenke für die Großprofiteure mussten ja von den ausgeplünderten Opfern dieser Politik aufgebracht werden (sh. auch weiter unten). Nachdem Peer Steinbrück mit den Neoliberalen diese steuerliche Umverteilung in die eigenen Taschen vollendet hatte, forderte die CSU im Frühjahr 2008 für ihren Wahlkampf weitere Steuersenkungen, ganz im Sinne der CDU-Visionen mit deren Spitzensteuersätzen von 36 oder gar 25 Prozent. Als Reaktion auf diesen populistischen Vorstoß erinnerte sich Steinbrück plötzlich wohl an die schlechten Umfragewerte seiner eigenen Partei. Auf einmal erkennt er mit Blick auf die Wähler, dass für die geschröpften Arbeitnehmer nicht die Steuern das Problem sind, sondern die Sozialabgaben, und dass ihnen mit der Steuerfinanzierung von Sozialabgaben viel mehr geholfen wäre als mit der Senkungen der Lohn- und Einkommensteuer. Er sagt aber nicht, dass ihre bisherigen Steuersenkungen sowieso gleich wieder durch andere staatliche Mehrbelastungen aufgezehrt wurden und dass viele Einkommensschwache weder von der Senkung der Steuern noch der Sozialabgaben profitieren. Das Ergebnis war also Steinbrücks ebenso simple wie viel zu späte Erkenntnis gegenüber der Rheinischen Post:
 

"Wer als Verheirateter 25.000 Euro verdient - das ist etwas weniger als der Durchschnittsverdienst in Deutschland - zahlt im Jahr rund 620 Euro Steuern, aber über 5100 Euro Sozialabgaben. Das macht sehr deutlich, wo das Problem liegt", sagte Steinbrück der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe).
 

(Sh. aus ad-hoc-news.de, vom 7.5.2008 und unter parmentier.de die erläuterte Lohnsteuerberechnung.) Diese Erkenntnis hätte Steinbrück von sich aus wahrscheinlich nicht einmal preisgegeben,  wenn nicht sein Parteivorsitzender Kurt Beck schon vorher ganz behutsam etwas Stimmung gemacht hätte gegen den Verrat an der Sozialdemokratie und den drohenden Niedergang seiner Partei.

Auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verfolgt plötzlich diese Linie als Reaktion auf die populistischen Steuersenkungs-Forderungen der CSU, die damit den drohenden Verlust ihrer absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl 2008 in Bayern verhindern will (zu ihrem Umfragetief sh. "Christsozialer Schwammkopf", taz.de, 17.5.2008):
 

«Grundsätzlich bin ich für eine stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme», wurde Heil von der «Saarbrücker Zeitung» zitiert. Eine Entlastung bei den Sozialabgaben helfe den Arbeitnehmern. Außerdem würden die Lohnzusatzkosten gesenkt. In der «Gesamtbetrachtung» von Steuern und Abgaben dürften die Leistungsträger bei den Arbeitnehmern dadurch aber nicht stärker belastet werden. Dieses Thema werde sich auch im Regierungsprogramm der Partei ab 2009 widerspiegeln, sagte Heil dem Blatt.
 

(Sh. "Heil für stärkere Steuerfinanzierung von Sozialkassen", pr-inside.com, 16.5.2008.)  Es grenzt schon an Zynismus, dass die Großprofiteure in der SPD ausgerechnet von der CSU (unter Druck der Linken) zur Steuerfinanzierung von Sozialabgaben gebracht werden, nachdem sie ihre eigenen jährlichen vierstelligen Steuergeschenke schon gesichert haben und auch weiterhin einsacken wollen. Glaubhaft wären sie gewesen, wenn sie darauf nach ihrem Regierungsantritt im Jahre 1998 verzichtet und statt dessen diese Steuerfinanzierung eingeleitet hätten.


Die fortgesetzte Trickserei der "Christlichen" zur Umverteilung nach oben zeigt sich auch in Verbindung mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.2.2008 – 2 BvL 1/06. Es hat darin gefordert, dass die existenznotwendigen Krankenversicherungsbeiträge in größerem Umfang als Vorsorgeaufwendungen abgesetzt werden können als bisher. Dies bedeutet Steuerausfälle von „bis zu sechs Milliarden Euro" (sh. "Union blockt Steinbrücks Reichen-Pläne ab", spiegel.de, 14.7.2008) und würde – ohne flankierende Maßnahmen – eher die Besserverdiener begünstigen, da sie auf ihre Beiträge einen wesentlich höheren Anteil als Steuererstattung zurückbekommen. Finanzminister Steinbrück will nun – in einem Rest von sozialdemokratischen Anwandlungen - die etwa sechs Milliarden durch höhere steuerliche Belastung der Besserverdiener gegenfinanzieren, stößt damit aber auf den entschiedenen Widerstand der „Christlichen". Nicht einmal diesen Ausgleich der Umverteilung nach oben wollen sie akzeptieren. CSU-Chef Erwin Huber trommelt schon einmal für seinen Bayern-Wahlkampf in übelstem Populismus gegen die SPD: „Dieser Partei geht es nicht um Steuersenkung, sondern nur um Steuererhöhung. Wer SPD wählt, wird höhere Steuern bekommen". Und CDU-Fraktionschef Ronald Pofalla behauptet gar: „das Verfassungsgericht habe der Politik aufgegeben, die Bürger zu entlasten, und sie nicht zu belasten. Das sei die 'klare Botschaft' der Richter aus Karlsruhe" (sh. "Union blockt Steinbrücks Reichen-Pläne ab", spiegel.de, 14.7.2008), als ob die bessere Absetzung von Vorsorgeaufwendungen nur der Umverteilung in ihre eigenen Taschen dienen sollte.

Zu dem obigen Steuerprivileg für das Großkapital drängen außer Steinbrück auch schon seit langem die „Wirtschaftsweisen" Rürup, Wiegard (beide SPD!) und andere, die eine Abgeltungssteuer von 25% - weit unter dem jetzigen Spitzensteuersatz von 42% - vorschlagen (sh. „Sachverständigenrat wagt neuen Steuer-Vorstoß", netzeitung.de, 31.10.05, und hier weiter unten ausführlich zum Sachverständigenrat). Die „Christlichen" und „Sozialdemokraten" haben dies zum 1.1.2009 umgesetzt (sh. Unternehmenssteuerreform.htm). Als ausgleichende Gerechtigkeit für das weitere Anwachsen ihrer vierstelligen jährlichen Steuergeschenke (sh. oben) fordern diese bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher – bis auf Peter Bofinger - eine Kürzung des Hartz-IV-Regelsatzes von monatlich 347 Euro um 30 Prozent (sh. „Wirtschaftsweise wollen Arbeitslosengeld kürzen – SPD empört", spiegel.de, 5.9.2006).

Die realen Bruttolöhne sind trotz aller Produktivitätsfortschritte immer noch auf dem Stand von 1991, und die Produktivitätsfortschritte wurden  ab der Jahrtausendwende zugunsten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen umverteilt. Der Höhepunkt war in 2007 kurz vor der Finanzmarktkrise erreicht. Die Schröpfung der Klein- und Normalverdiener  ist noch dramatischer, als sie nach dieser Grafik erscheint, denn innerhalb der Lohn- und Gehaltsempfänger hat ebenfalls eine drastische Umverteilung nach oben zu den sogenannten Best-"Verdienern" stattgefunden.

Die letzten Gesamtjahres-Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind hier für 2009 verfügbar. In dem Kalenderjahr sind die Unternehmens- und Vermögenseinkünfte zwar stark zurückgegangen. Sie haben ihren Vorsprung beim Anstieg gegenüber den Arbeitsentgelten aber immer noch mit einem Abstand von 20 Prozent gehalten. Damit allein ist schon eine zukünftige Vergrößerung des Vorsprungs gegeben als Rückkopplung durch die Rendite auf diesen Zuwachs und durch die drastischen Steuersenkungen für Best-"Verdiener" - zu Lasten der Löhnen und der Konsumnachfrage.

Inzwischen ist die Abschwächung des Kapital-Vorsprunges bei der Verteilung des Volkseinkommens in einigen Branchen schon wieder überkompensiert, denn mit der Börsen-Zockerei auf Kosten der wirtschaftlichen Stabilität wurde in der zweiten Jahreshälfte 2009 von den Hauptverursachern der Krise schon wieder mehr „verdient" als je zuvor.
 


Quelle: Eigenes Diagramm nach Zahlen des Statistisches Bundesamtes: Inlandsproduktberechnung – Detaillierte Jahresergebnisse - Fachserie 18 Reihe 1.4 – 2010, 2.1.3 Volkseinkommen und verfügbares Einkommen der Volkswirtschaft, sowie Verbraucherpreisindex für Deutschland – Lange Reihen – 2010.

Im obigen Diagramm sind die nominalen Indexwerte des Volkseinkommens umgerechnet auf reale Werte nach dem Verbraucherpreisindex. Im übrigen orientiert sich das Diagramm bis Ende 2007 an dem Schaubild 6a der nominalen Werte auf Seite 8 des Statements von Bundesamt-Präsident Walter Radermacher auf seiner Pressekonferenz vom 15.1.2008 in Wiesbaden mit weiteren Erläuterungen.
 

Danach stieg die Lohnquote seit dem Jahr 2000 bis 2007 von 72,2 Prozent auf 64,6 Prozent des Volkseinkommens, also um 72,2 – 64,6 = 7,6 Prozentpunkte. Bezogen auf das Volkseinkommen des Jahres 2007 von 1.825 Milliarden Euro ist das ein Einkommensverlust für die Arbeitnehmerentgelte von 0,076 * 1.825 = ca. 140 Milliarden Euro jährlich (!), die vor allem zu Lasten der ohnehin viel zu schwachen Konsumquote gehen.

Das jährliche Gemeinschaftsprodukt
(= Nettosozialprodukt zu Faktorkosten = Volkseinkommen
) ist von 2000 bis 2007 um ca. 300 Milliarden Euro gewachsen. Davon erhielten aber die Arbeitnehmer - also seine eigentlichen Produzenten - für ihre Arbeit nur 80 Milliarden brutto, wovon ihnen etwa der Hälfte netto, also an Kaufkraftzuwachs  übrig bleibt (abzüglich Teurungsrate!, sh. "Bruttoinlandsprodukt 2007", S. 24, Tabelle 11: Arbeitnehmerentgelt, destatis.de). Der restliche Zuwachs von ca. 220 Milliarden Euro jährlich geht an die Unternehmens- und Vermögenseinkommen.
 

Das Diagramm zeigt nur die Brutto-Verteilung, also nur die Primäreinkommen.

Es zeigt nicht die Steuerentlastungen bei den hohen Gewinneinkünften und die vielfältigen Mehrbelastungen bei den Arbeitnehmern, wie sie angelegt sind durch die Senkung des Spitzensteuersatzes ab 2001 von 53 auf 42 Prozent zu Lasten der Normalverdiener und der Einkommensschwachen.
Das verfügbare Einkommen wird außerdem immer geringer, weil die gestiegenen Sozialabgaben immer weniger notwendige Leistungen abdecken und die Verbrauchssteuern immer weiter erhöht wurden. Die Normalverdiener werden darüber hinaus durch die kalte Progression geschröpft.

Aber indirekt kommt die drastische sekundäre Schwächung der Konsumnachfrage doch zum Ausdruck in der Schere zwischen den Primäreinkommen, die ja gerade auch wegen der Umverteilung nach oben durch die Steuergeschenke so weit auseinanderstreben.

Das wird sich in der Tendenz noch erheblich verschärfen durch die Einführung der Abgeltungssteuer ab 1.1.2009, mit der der Steuersatz für die großen Vermögenseinkommen weiter von 42 auf 25 Prozent (plus Solidaritätszuschlag) gesenkt wird.
Auffällig sind auch die sinkenden realen Arbeitnehmerentgelte und die drastisch steigenden Gewinneinkünfte seit dem Verrat an der Sozialdemokratie mit Beginn des neuen Jahrtausends.

Hinzu kommt die Umverteilung nach oben innerhalb der Arbeitnehmerentgelte durch Lohndumping und Selbstbedienung bei den Kapitalgesellschaften. Dazu heißt es im Global Wage Report 2008/09
der ILO: "Unter den Industrieländern wuchs die Lohnungleichheit am schnellsten in Deutschland, Polen und den USA."
 

Bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU im Oktober 2005 forderte die SPD noch - besorgt durch den Erfolg der Linkspartei - eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42% auf 45%, um die weitere Arbeitsplatzvernichtung durch die von der CDU verlangte Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte zu vermeiden (sh. „Streit um Spitzensteuersatz", taz.de, 29.10.05). Dabei ist lediglich die lächerliche Reichensteuer für Einkommensteile über jährlich 500.000 Euro (für Verheiratete) herausgekommen (sh. unten).

Die begleitende Gehirnwäsche (= "Kommunikation") durch die Neoliberalen bei ihren Gläubigen brachte allerdings schon erhebliche Erfolge (die Umfragen zur Akzeptanz der Mehrwertsteuererhöhung ergaben 58% bei CDU/CSU-Anhängern, 53% bei FDP-Anhängern, 40% insgesamt;  sh. „SPD drängt auf Anhebung des Spitzensteuersatzes", spiegel.de, 28.10.05, und ZDF-Politbarometer, 28.10.05). Jedenfalls hat sich die neoliberale SPD-Führung mit ihrem Kanzler der Bosse und ihrem gilbgrünen Partner durch ihre Steuergeschenke an sich selbst sowie an die übrigen Propagandisten und sonstigen „Bestverdiener" zwar höchstes Wohlwollen bei denen erworben (und bei sich selbst), aber ihren Anspruch auf das sozialdemokratische Erbe verspielt.

Rudolf Dreßler, der von der Schröder-Koalition bei der Entsorgung ihres sozialen Gewissens  auf einen Botschafterposten in Israel abgeschoben wurde, bemerkte mit Recht: „seine Partei habe in der Wahrnehmung von ehemaligen Wählern und Mitgliedern 'ihre Seele verkauft'" (sh. seinen Kommentar für das „Neue Deutschland", zitiert nach dem Artikel „Dreßler rät der SPD zum Bündnis mit Lafontaine", tagesspiegel.de, 1.10.2007). Ohne den Verkauf ihrer Seelen – soweit vorhanden - hätten die verantwortlichen Politiker aber nicht  ihre jährlichen fünfstelligen Steuergeschenke ergattert. Sie hätten ohne diese Umverteilung nach oben auch nicht die übrigen neoliberalen Volksbetrüger für sich als Wahlhelfer mobilisieren können - mit Rückendeckung durch das große Kapital.
 

Auch die pragmatisch erworbene Freundschaft des Mediendirigenten und "lupenreinen Demokraten" Wladimir Putin (Schröder über Putin: sh. russlandonline.ru, 22.11.04 und „Russische Medien - Hauptakteur: Wladimir Putin", stern.de, 9.3.04) kann dieser Genosse der Bosse nutzen, um selber Boss zu werden in einer Pipeline-Gesellschaft mit seinen Bossen und Putin als Haupt-Initiatoren (sh. hier: „Sage mir, wer deine Freunde sind..., in: Schroeders-Freunde.htm).

Dagegen sieht Oskar Lafontaine Schröders neue "Verantwortungsübernahme" in seinem STERN-Interview vom 17.1.06 eher gelassen:
 

man könne sich schon fragen, „ob ein ehemaliger Kanzler sich in die Verpflichtungen eines russischen Staatsunternehmens einspannen lassen kann". Aber eigentlich sei es ihm egal, „ob Schröder oder irgendein russischer Mafioso nun viel Geld von Gasprom kassiert".
 

Der Gasprom-Kanzler gab sich  in seinen Hochglanz-Memoiren vom Oktober 2006 für ein Honorar von angeblich einer Million Euro allerdings betont staatsmännisch konziliant gegenüber Oskar Lafontaine, so dass dieser in seiner Rezension dieser bestens vermarkteten Selbstdarstellung und Geschichtsklitterung sich offenbar auch zu übertriebener Nachsicht genötigt fühlte. Dennoch erlag Lafontaine diesem medienwirksamen Gesäusel trotz der Meute seiner Rufmord-Verfolger (sh. hier weiter unten und Linksbuendnis.htm) nicht völlig, sondern stellte in seiner Reaktion den entscheidenden Punkt klar, den Schröder durch seine Taktik geschickt überdeckt hatte:
 

Der Ex-Kanzler weigere sich bis heute zuzugeben, „dass der Verzicht auf alle meine Ämter das Ergebnis seines Wortbruchs war". Er fuhr fort: „Wir hatten uns in die Hand versprochen, das 1998 den Wählern vorgelegte Regierungsprogramm umzusetzen. Als Kanzler machte Schröder eine Politik, die das Gegenteil von dem war, was wir den Wählern versprochen hatten."
 

(Sh. „Oskar schluchzt mit Gerhard", stern.de, 25.10.06).

Dass Lafontaine einen solchen Verrat an der Sozialdemokratie und an ihren Wählern nicht mitmachen konnte, wird hier und in den Exkursen ausführlich erläutert. Die neoliberalen Meinungsmacher haben Schröder gerade wegen dieses Verrats zur Umverteilung in ihre eigenen Taschen hochgejubelt und Lafontaine diffamiert, weil er ihren Wählerbetrug nicht mitmachen wollte. Auch heute loben sie noch Schröder, der ihnen jährliche Steuergeschenke in vier- und fünfstelliger Höhe verschafft hat - zu Lasten der Klein- und Normalverdiener und auf Kosten Ärmsten. Inzwischen verfolgen sie selbst den geringsten Linksschwenk der SPD mit den übelsten Kampagnen, wie man an dem Wegmobben des späteren Parteivorsitzenden Kurt Beck sehen kann (sh. hier Beck-Rücktritt.htm).
 

Der erfahrene Medienkenner und Mitverfasser der Nachdenkseiten Albrecht Müller beschreibt in etlichen Beiträgen die gezielten Diffamierungs- Kampagnen gegen Lafontaine (zu finden mit [„Lafontaine“ site:nachdenkseiten.de]). Müller musste als jahrelanger Mitarbeiter von Willy Brandt erleben, wie auch dieser von den Schein-Sozialdemokraten im Bundestag und ihren Mit-Intriganten in den Medien „fertig gemacht“ wurde (sh. „Hinweis: Prantl (SZ) interviewt Lafontaine“, nachdenkseiten.de, 16.6.2005). Er beschreibt solche Intrigen aus seiner Erfahrung als professionelle PR-Kampagnen. Diese spielen sicher auch eine große Rolle, wenn man z.B. an die INSM denkt. Aber sowohl bei Brandt als auch bei Lafontaine dürfte der Hauptgrund - auch hierfür - in der Gier und Charakterlosigkeit jener liegen, die die Umverteilung des Volkseinkommens nach oben in ihre eigenen Taschen betreiben – zu Lasten der Ärmsten - und denen Brandt und Lafontaine dabei im Wege waren.
 

Lafontaines Fehler war nicht erst sein zu langes Stillhalten und seine plötzliche empörte Aufgabe gegen diese eskalierenden Komplizenschaft von Anti-Sozialen und SPD-Bonzen für die Macht um jeden Preis. Es war vielmehr seine Unterstützung der Kandidatur von Schröder im Vertrauen auf gegebene Zusicherungen und Wahlversprechungen:

 

Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann den, dass ich zugelassen habe, dass Schröder Kanzler wurde. Mit diesem Makel werde ich leben müssen.

 

(Sh. das Interview mit Lafontaine: "Die neoliberale Macht bröckelt", Der Tagesspiegel, 19.5.2008, unter die-linke.de.) Als Lafontaine diesen Fehler einsehen musste, war es schon zu spät.

 

Heiner Geißler, der vom Saulus zum Paulus wurde,  ist einer der wenigen Etablierten, die sich dieser Volksverdummung nicht angeschlossen haben. Er ergreift nun in einem stern-Interview auch endlich etwas klarer Partei für Lafontaine, als er es in einem früheren Interview getan hat, allerdings damals nur stark eingeschränkt und beiläufig im Zusammenhang mit seiner Attac-Mitgliedschaft  (sh. "Globalisierungskritiker Geißler: Soll ich etwa wegen ein paar Trotzkisten nicht mitmachen?", sueddeutsche.de, 23.7.2007). Geißler:


Aber was Oskar Lafontaine betrifft: Er wird schlecht behandelt, auch von der Presse. Lafontaine ist der klügste Mann gewesen, den die SPD in den vergangenen drei Jahrzehnten gehabt hat. Dann hat man ihn wegen Gerhard Schröder laufen lassen. Aber seine finanzpolitischen Vorschläge sind heute Allgemeingut.
 

(Sh. „Lafontaine war der klügste SPD-Mann", stern.de, 25.2.2008.) In einem späteren Interview mit der Süddeutschen Zeitung wird Geißler noch deutlicher:
 

Geißler: ...Die Linke ist ja teilweise Fleisch vom Fleische der SPD ...

sueddeutsche.de: ... personifiziert in Parteichef Lafontaine. Den nannten Sie im letzten sueddeutsche.de-Interview einen der „besten Köpfe".

Geißler: Den die SPD zur Zeit hätte, ja.

sueddeutsche.de: Wie kommen Sie zu einem solchen Lob?

Geißler: Die SPD hat Gerhard Schröder eingetauscht gegen Lafontaine. Dieser hätte zum Beispiel niemals seine Regierungspolitik mit einem Begriff begründet, der nicht einmal Friedrich Merz oder Guido Westerwelle eingefallen wäre: „Der Rundum-sorglos-Staat". Mit dieser Vokabel hat Schröder den Sozialstaat, den die SPD mitaufgebaut hatte, denunziert. Seine Stelle sollte ein aktivierender Sozialstaat einnehmen - herauskam die Agenda 2010, die Millionen Menschen enteignet und arm gemacht hat.

sueddeutsche.de: Tatsache ist doch, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist - das ist nicht gerade unsozial.

Geißler: Wir haben heute entgegen allen Propagandaäußerungen der Wirtschaft, der Regierung und mancher Zeitungen keinen großen Fortschritt. Die Zahl der sozialversicherten Vollzeitarbeitnehmer hat sich seit 2004 nicht vermehrt, sie bleibt bei 27 Millionen. Dafür gibt es inzwischen immer mehr befristete Arbeitsverhältnisse und sieben Millionen geringfügige Verdiener: mit Ein-Euro-Jobs, 400-Euro-Jobs, als Leiharbeiter und so weiter - lauter Jobs, von denen die Leute großteils nicht mehr leben können. Dafür hat Schröders Agenda 2010 gesorgt und nicht Oskar Lafontaine.

 

(Sh. „Interview mit Heiner Geißler - 'Kapitalismus ist so falsch wie Kommunismus'", sueddeutsche.de, 14.7.2008. ) Bei der Zahl von 27 Millionen handelt es sich um die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Diese Zahl ist allerdings im Schlepptau der Weltkonjunktur und durch Umwandlung von regulärer Arbeit in immer mehr Verarmungs-Jobs (sh. unten) von 26,6 Millionen in 9/2005 auf 27,4 Millionen in 9/2007 gestiegen. Ungefähr gleich geblieben ist dagegen die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitnehmer mit 22,6 Millionen in 9/2007, 22,2 Millionen in 9/2005 und 22,6 Millionen in 9/2004, aber vor Schröders „Modernisierung":  24,2 Millionen in 9/1999 (sh. Bundesagentur für Arbeit über www.pub.arbeitsamt.de - Zeitreihen - „Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Geschlecht und ausgewählten Personengruppen – Tabelle 3", erreicht am 26.7.2008 mit dem Auswahl-Punkt „Beschäftigte - Zeitreihen ab 1999 [Zeitreihen nach Ländern, Staatsangehörigkeit, Vollzeit, Teilzeit, Geschlecht, Altersgruppen, Auszubildenden]" ). Gestiegen ist also die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjobs, was z.B. auch mit den Billig- und Abruf-Jobs durch längere Ladenöffnungszeiten zu tun hat. Wie der Rückgang der Arbeitslosigkeit vom Juni 2007 bis Juni 2008 – trotz boomender Weltkonjunktur - fast ausschließlich durch prekäre Jobs begründet ist, zeigt auch die Grafik 04922 bei jjahnke.net. Hinzu kommt natürlich die Zahlenkosmetik zur Wählertäuschung (sh. ebd.).
 

Während hier von etwa 22 Millionen „sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitnehmer" die Rede war, sieht die entscheidende schwarz-pink-grünliche Bilanz offenbar noch schlechter aus bei der Entwicklung der zuletzt etwa 27 Millionen „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten" . Dazu meldet der DLF vom 11.11.2008:

 

DGB-Studie: Weniger sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutschland

Trotz der Konjunkturbelebung der vergangenen Jahre gibt es in Deutschland offenbar immer weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Von 1995 bis 2007 sei deren Zahl um 4,5 Prozent auf 26,9 Millionen zurückgegangen, berichtet die Chemnitzer "Freie Presse" unter Berufung auf eine Erhebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. In Ostdeutschland fielen danach fast 26 Prozent aller Vollzeitstellen weg, im Westen lag das Minus bei knapp sechs Prozent. Im selben Zeitraum sei die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten zwar um 38 Prozent gestiegen, dies habe den Rückgang bei den Vollzeitstellen aber nicht ausgleichen können.

 


Als immer-noch-CDU-Mann bleibt Geißler doch sehr zurückhaltend mit seiner obigen Kritik an den "Un-Christlichen" und „Un-Sozialen". In Wirklichkeit wurde Lafontaine ja nicht nur „schlecht behandelt, auch von der Presse", sondern ist das Opfer übelster, lebensgefährlicher  Hetzkampagnen. Auch hat man Lafontaine nicht nur „laufen lassen", sondern er wurde mit Hilfe der neoliberalen Meinungsmacher in Parteien, Medien, Verbänden usw. regelrecht weggemobbt (sh. unter anderem hier und in Linksbuendnis.htm
, und das weitere Beispiel unter Beck-Rücktritt.htm).

 
Im Gegensatz zu Schröders vorsichtigen Umgang mit Lafontaine wandte sich der Kanzler der Bosse schon härter gegen
seine Genossen und die Gewerkschaften. „In seinen in den kommenden Tagen erscheinenden Erinnerungen wirft er «relevanten Teilen der SPD-Linken» vor, mit ihrer Strategie dazu beigetragen zu haben, dass eine neue Linkspartei entstehen konnte." Die Gewerkschaften bezeichneten dies als „dummes Zeug", und SPD-Fraktionsvorstandsmitglied Dieter Rossmann beteuerte sogar „Wir sind mit ihm durchs Feuer gegangen" (sh. "SPD-Linke verteidigt sich gegen Schröder-Kritik", netzeitung.de, 23.10.2006). Genau deshalb musste aber „eine neue Linkspartei entstehen".


Zum Putin-Schröder-Gasprom-Clan (und zu den "neuen Reichen" auf Kosten des russischen Volkseinkommens) sagt Jürgen Roth, Autor des Buches Der Deutschland-Clan
:
 

Ich habe Geldwäsche-Verdachtsanzeigen hier vom deutschen Zoll, aus denen hervorgeht, wie Millionen verschoben werden, wo nicht weiter ermittelt wird, weil eben Putin im Hintergrund steht. Dem Bundesnachrichtendienst sind die Erkenntnisse bekannt, dem Bundeskriminalamt sind diese Erkenntnisse bekannt, Europol sind diese Erkenntnisse bekannt, also dürften sie Herrn Schröder auch bekannt gewesen sein.
 

(Sh. "Titel Thesen Temperamente" vom 7.5.06 (WDR) zum Erscheinen des Buches)

Auch Wolfgang Clement, Schröders Bundesgenosse bei der Senkung des Spitzensteuersatzes für „Bestverdiener" und bei der übrigen Umverteilung nach oben, findet die Anerkennung der Energiepreis-Treiber mit ihren zweistelligen Gewinnzuwächsen und hat seine ausgesetzte Tätigkeit als Aufsichtsrat beim Strompreis-Lobbyisten und -Profiteur RWE Power als „neutrales Mitglied"  wieder aufgenommen, die er als Wirtschaftminister mit Zuständigkeit für Energiepreiskartelle ruhen lassen musste - sh. unten und "Auch Clement sahnt ab", berlinonline.de, 24.2.06 (sh. auch Philipp Fahr: Machtakteure, Bielefeld, 27.9.06). Im Januar 2008 warnte Clement in einem Artikel für Springers Welt am Sonntag indirekt vor einer Wahl der SPD in Hessen, weil deren Spitzenkandidatin Ypsilanti sich gegen seinen zweifelhaften Atom- und Kohle-Lobbyismus stellte.  Dazu titelte und schrieb DER SPIEGEL vom 19.1.2008:


Clement fällt Hessen-SPD in den Rücken
...
Der von der SPD für den Fall eines Wahlsieges designierte hessische Wirtschafts- und Umweltminister Hermann Scheer forderte Clement zum Parteiaustritt auf. "Die SPD braucht keine Ratschläge von einem ehemaligen Minister, der sich als Lobbyist an einen Stromkonzern verkauft hat", sagte Scheer...
"Wolfgang Clement missbraucht seine frühere Führungsrolle in der SPD, indem er sie nun als bezahlter Lobbyist in klingende Münze umsetzt", schimpfte Scheer...


Es ist ein trauriger Beleg für den Zustand der SPD, dass sie Clement nicht schon viel früher identifiziert hat als Vorkämpfer für die Umverteilung nach oben mit seiner  Forderung nach immer weiter gehenden  Steuersenkung für sich und die übrigen Best-"Verdiener" (sh. oben), mit der Arbeitsplatzvernichtung durch Konsumdrosselung und seinen Ablenkungs-Diffamierungen gegen die Hartz-IV-Opfer dieser Politik (sh. Abschnitt_1b.htm
). Statt dessen erwacht ihr sozialdemokratisches Gewissen erst, wenn ihre Wahlchancen in Frage gestellt werden.


Clement war schon früher bei  RWE in bester Gesellschaft mit den RWE-Nutznießern Laurenz Meyer
(CDU), Jürgen Möllemann (FDP) usw. (sh. rossaepfel-exkurse.de). Da die ausgeplünderten Privatkunden bei den Lobbyisten kaum Gehör finden, bleibt noch die Hoffnung auf die ebenfalls geschröpften großen industriellen Stromabnehmer (sh. z.B.  "CDU-Minister: Enteignet Eon", taz.de, 5.10.06, und "Gutachten: Stromkonzerne halten Preise künstlich hoch", welt.de, 18.1.07, sowie insbesondere den Film von Steffen Judzikowski und Hans Koberstein:  „Das Kartell - Im Würgegriff der Energiekonzerne", FRONTAL21-Dokumentation vom 14.8.2007, mit Manuskript). Andererseits sollte es der RWE mindestens den Anfang 2006 vergebenen  Aufsichtsratsposten für Clement wert sein, dass er als Wirtschaftsminister Ende 2004 (zusammen mit seinem Schröder-Tross) dieser Branche Milliardengeschenke zugeschanzt hat durch die kostenlose Zuteilung von Verschmutzungszertifikaten bis 2012, ohne die nochmalige Hereinholung dieser Milliarden durch ihre Umlage auf die Strompreise zu verbieten. Den Aktionären bringt das zusätzlich mehr als 30 Milliarden Euro auf Kosten der gebeutelten Energieverbraucher.
 

Das ist möglich, weil die Unternehmen die Kosten für den Ankauf der Papiere, die sie für den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) brauchen, voll auf die Strompreise umlegen, obwohl sie 90 Prozent dieser Zertifikate gratis erhalten. Eon werde so in den nächsten Jahren 11 Milliarden Euro einstreichen. Auch RWE (9 Mrd.), Vattenfall (6,6 Mrd.), EnBW (6 Mrd.) und Evonik (2,3 Mrd.) könnten mit Zusatzeinnahmen in Milliardenhöhe rechnen.


(Sh. "Öko-Institut – Versorger kassieren Milliarden durch CO2-Papiere"
, fr-online.de, 17.6.2008.)

Beim Verrat der Sozialdemokratie seit ihrer großen Wende im Jahre 1998 und ihrem folgerichtigen historischen Niedergang hat Clement eine entscheidende Rolle gespielt. Gerade das soll aber nicht der Grund sein für das angestrebte Parteiausschluss-Verfahren gegen ihn nach seinen parteischädigenden Äußerungen während der Hessen-Wahl 2008. Ganz im Gegenteil will er seine Propaganda für die Agenda 2010 und gegen ein soziales Bündnis mit der Linken fortsetzen (sh. hierzu auch die Analyse von Roland Koch). Die neoliberalen Mehrheit des „sozialdemokratischen" Establishments und ein Teil ihres Nachwuchses preist vielmehr immer wieder seine angeblichen „großen Verdienste" (bei der Umverteilung in ihre Taschen) – verständlicherweise, denn sonst müssten sie auch ihren „Kanzler der Bosse" und sich selbst ausschließen.
 

Der Klüngel der zentralen Planwirtschaft wird in der Marktwirtschaft auf ähnliche Weise praktiziert, aber jetzt mit wesentlich stärkerem Effekt für die steuerliche und primäre Umverteilung nach oben.
 

Die Ausplünderung der Verbraucher durch die Privatisierung der ehemaligen Staatsmonopolen richtet sich also direkt gegen die Marktwirtschaft. Dagegen wächst die Macht der staatlichen Energiekonzerne in Russland, so dass dort immer mehr private Schlüsselindustrien von ihnen mehr oder weniger preisgünstige „gekauft" und kontrolliert werden. Statt also die Profite aus den Energiemonopolen weiterhin an die Lobbyisten zu verschleudern, nutzt der russische Staat die hohen Einnahmen und seinen Einfluss, um sein Monopol noch auszudehnen auf alternative Energielieferanten von Europa in Libyen, Algerien, Nigeria, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan usw. Auf diese Weise werden Deutschland und Europa umzingelt, so dass man bei erpresserischen Energiepreisen der russischen Staatsmonopolisten immer weniger Ausweichmöglichkeiten hat. Dazu heißt es in der Financial Times Deutschland:
 

Europa braucht Gas-Alternativen

Rund 40 Prozent der EU-Gasimporte stammen von Gazprom. Aber das reicht den Russen nicht. „Gazprom will ganz gezielt den Europäern die Alternativen zu ihrem Gas nehmen", sagt Florian Haslauer, Energieexperte der Unternehmensberatung A.T. Kearney. „So kann Miller seine Visionen der künftigen Gaspreise realisieren." Kürzlich sprach der Konzernchef von 1000 Euro je 1000 Kubikmeter, sollte der Ölpreis weiter anziehen. Es wäre eine Vervierfachung gegenüber 2007.

 

(Sh. "AUFKAUF VON GASVORRÄTEN – Gazprom umzingelt Europa", ftd.de, 22.7.2008).

 

Die privaten Oligopolisten in Europa haben kein Interesse an Gegenmaßnahmen, denn sie profitieren sogar noch von weiteren Energiepreis-Explosionen. Selbst die CDU kann nun die Folgen der Privatisierung um jeden Preis mit ihren Lobbyisten nicht mehr leugnen. So sagt z.B. der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok (sh. ebd.):
 

Gazprom ist mit seiner Strategie der Einkreisung der Europäer fast am Ziel.

 
Während also in anderen Ländern die Schlüsselindustrien in Staatshand bleiben,  hat die neoliberale Schröder-Regierung zur Finanzierung ihrer Umverteilung nach oben im Jahre 2000 sogar die Bundesdruckerei verscherbelt - mit Zugriff auf alle Personalausweis-Daten - an eine gewisse Authentos Holding GmbH des Finanzinvestor Apax Partners & Co. Der Kaufpreis von ca. einer Milliarden Euro wurde beglichen mit Krediten der Schröder-Regierung von 225 Millionen Euro und der Hessischen Landesbank von 500 Millionen Euro, also alles zu Lasten des Steuerzahlers. Den Rest sammelte die Apax bei privaten Kapitalanlegern ein, die mit angeblich hohen Heuschrecken-Profiten geködert wurden. Schon im Jahre 2002 war die Bundesdruckerei auf diese Weise ausgesaugt durch die üblichen strangulierenden Schuldzinsen zu Lasten des Heuschrecken-Opfers für die Kredite, mit denen es selbst aufgekauft wird. Dann wurde das ehemalige Staats-Juwel  mit der „Authentos-Gruppe" für die symbolische Summe von einem Euro weiterverkauft, wiederum mit allen Personalausweis-Daten der Bundesbürger. Der deutsche Steuerzahler und die übrigen Gläubiger konnten ihre Hunderte von Millionen Restforderungen gegen die Authentos von Apax abschreiben. (Sh. die weichgespülten Titel  "Bundesdruckerei begrüßt neuen (alten) Eigentümer", golem.de, 10.9.2008 "Bund kauft Bundesdruckerei zurück", stern.de, 9.9.2008, aber auch  "Minister, Murks, Moneten", focus.de, 7.7.2008, und  Wikipedia: "Bundesdruckerei" mit weiteren Quellenangaben, besucht 10.9.2008.)


Von der Privatisierung der großen Energiekonzerne mit anschließender Gewinn- und Preisexplosion haben nicht nur deren Aktionäre, sondern auch etliche Politiker profitiert (sh. Wilhelm Rühl: „Privatisierung fördert und legalisiert Korruption
", meinepolitik.de, 6.10.1995). Mit solchen „Erfolgen" für die Aktionäre auf Kosten der Stromkunden können sich auch die Energie-Bosse für ihren Ruhestand oder Vorruhestand Rentenzahlungen gewähren lassen von geschätzten 400.000 (Utz Claassen, Jahrgang 1963, EnBW) bis mehr als 800.000 Euro (Bernotat, Jahrgang 1948, EON) jährlich, für die die Strom-Endverbraucher viele hundert Jahre arbeiten müsste (sh. „Millionen-Deal", spiegel.de, 15.8.2007) „Goldener Lebensabend", tagesspiegel.de, 25.8.07, und „Hart aber fair", 19.9.07).

Bestbezahlter deutscher Manager des Geschäftsjahres 2006 war allerdings Harry Roels, Chef der Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke, RWE, mit 13,6 Millionen Euro Jahreseinkommen, angeblich noch knapp vor dem international alimentierten Josef Ackermann, Chef der Deutsche Bank, mit 13,2 Millionen Euro (sh. „Die maßlosen Manager, STERN 42/2007, S. 28-36). Dieser Vorreiterrolle des Strom- und Gas-Klüngels ist allerdings nicht verwunderlich. Der Erfolg bei der Umverteilung nach oben zugunsten seiner Großaktionäre wird großzügig belohnt, auch durch den enormen Wertzuwachs der persönlichen Aktienoptionen. Hier dient das Beispiel als weitere Illustration zur neoliberalen Falschmünzerei der "Leistung" nach dem Spruch: "Leistung muss sich wieder lohnen". Der Spruch ist vor allem zu beachten, wenn er sich auf die „Leistung" der „Working Poor" bezieht, die für ihren ordentlichen Beitrag zum Volkseinkommen  mit Stundenlöhnen unter sieben Euro abgespeist werden, während andere für ihren Wählerbetrug, durch ihr Kapital oder in dessen Diensten den Rahm abschöpfen - mit zunehmender Gier - zu Lasten der eigentlichen Leistungserbringer.
 

Der Trick ist die Monopolisierung von Stromproduktion und –vertrieb durch Aufkauf oder Teilübernahme der kleinen Stromversorger und durch Abschottung der Grenzen gegen Importe zu den Wettbewerbs-Preisen von Nachbarländern. Die Abschottung geschieht durch viel zu kleine Auslegung der "Kuppelstellen" an den deutschen Grenzen, damit die Durchleitung auf Sparflamme gehalten und der "Erstabsatz" von den Oligopolisten bestimmt werden kann über ihre gewünschten Angebotsmengen an der deutschen Strombörse. Diese Ausplünderungs-Strategie wurde einmal wieder deutlich beim Versuch von Eon, die Stadtwerke Eschwege durch Anteilskauf auf ihre Linie zu bringen. Dazu heißt es in der Financial Times Deutschland vom 11.11.2008 unter der Überschrift "BGH-Urteil kann Eon nicht schrecken":

 

Die Urteilsbegründung zeigt, wo die Wurzeln allen Übels liegen. Da stellt der Bundesgerichtshof fest, dass „für den Erstabsatz von in Deutschland erzeugtem oder nach Deutschland importiertem Strom [...] noch kein freier Wettbewerb herrscht, sondern - zumindest - zwischen den beiden Marktführern Eon und RWE ein marktbeherrschendes Oligopol besteht." Auch die übrigen stromerzeugenden Unternehmen, darunter Vattenfall und EnBW, seien nicht in der Lage, einen hinreichenden Wettbewerbsdruck gegen die Marktführer aufzubauen. Und das mehr als zehn Jahre nach der Liberalisierung. 

 

Die Strom- und Gas-Lobbyisten haben also ganze Arbeit geleistet mit ihren teilweise ferngesteuerten marktradikalen „Liberalisierungs"-Propheten in den politischen Parteien. Sie benutzen die angeblich "freie" Marktwirtschaft auch hier lediglich zur Ausplünderung der Verbraucher wie sie auch in der Finanzwirtschaft missbraucht wird von den Zockern zur Ausplünderung der haftenden Steuerzahler.

 


Durch die kartellmäßige Preistreiberei ist die Eigenkapitalrendite von RWE in 2006 auf 26 Prozent gestiegen – gegenüber ca. 15 Prozent in 2005. Deren Steuerquote ist jedoch von ca. 39 Prozent in 2005 auf 22 Prozent in 2006 gesunken (sh. aktien.onvista.de unter „Rentabilität", 18.10.2007). Zum 1.1.2008 will man die Preise ungeniert weiter erhöhen:
 

Die von E.ON und RWE angekündigte Strompreiserhöhung um bis zu 10 Prozent ist nach Meinung der stellvertretenden Vorsitzenden und energiepolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Susann Biedefeld, völlig überzogen und nicht gerechtfertigt: „Das ist eine Zumutung und eine offene Kriegserklärung an die Verbraucher… ."
 

(aus „europaticker: Scharfe Kritik an Strompreiserhöhung", 16.10.2007). Viele andere Anbieter sehen, dass man mit solcher Dreistigkeit durchkommt, und ziehen nach (sh. „300 Stromanbieter planen kräftige Preiserhöhung: Sigmar Gabriel tobt", europolitan.de, 18.10.2007.) Für das ersten Halbjahr 2007 hatte RWE bereits einen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro gemeldet bei einer Steigerung des betrieblichen Ergebnisses um 18 Prozent auf von 4,4 Milliarden Euro, insbesondere durch Preissteigerungen (sh. Harry Roels/Rolf Pohlig: Halbjahresbilanzpressekonferenz, 09.08.2007).

Diese „privatwirtschaftliche" Selbstbedienung mit Hilfe der neoliberalen Koalition geht zu Lasten der RWE-Kunden, von denen viele nicht mehr wissen, wie sie die Strom- und Gasrechnungen der Preis-Oligopolisten bezahlen sollen. Sie können sich vor allem bei jenen Politikern bedanken, die diese Oligopole durch ihren Filz stark gemacht haben, die sie weiterhin gegen den Wettbewerb abschirmen, indem sie ihre Zerschlagung verhindern. Wenn sie sich zur totalen „Befreiung" der Marktkräfte gegen die Schwachen auch gern ihre (mittlerweile pervertierte) Freiburger Schule des „Ordoliberalismus" zitieren, so erinnern sie sich bei ihrem Lobbyismus ungern an deren Kronzeugen Walter Eucken mit seinem Diktum: "Es sind also nicht die sogenannten Mißbräuche wirtschaftlicher Macht zu bekämpfen, sondern wirtschaftliche Macht selbst" (aus seiner Schrift Wirtschaftsmacht und Wirtschaftsordnung, Sammelband 2001).


 

Die Privatisierung der Energieversorgungsnetze zur Ausplünderung der Verbraucher ist eine typische Errungenschaft der deutschen Neoliberalen mit ihren gekauften Partei-Lobbyisten. In anderen Wirtschaftsbereichen wie Telekommunikation, Bahn und Post gibt es dagegen für die Verbraucher noch ein Bündel von Alternativen gegen Monopolpreise. Bei der Bahn geht das auf Kosten der Umwelt und letztlich des Steuerzahlers durch ausufernden LKW-Verkehr. Bei anderen ehemals staatlichen Dienstleistungen wie dem flächendeckenden Postdienst versuchen Private wie die PIN-Group der Axel Springer AG und anderer neoliberaler Meinungsmacher dagegen, ihre Gewinne durch Dumping-Löhne zu steigern. (sh. hier Mindestlohn.htm). Auch sie profitieren damit letztlich auf Kosten des Steuerzahlers zu Lasten von zunehmender Sozialhilfe für Lohnempfänger und spätere Rentner. Noch dramatischer sind die Folgen der Privatisierung zugunsten der Umverteilungsprofiteure bei Schulen, Kindergärten, Universitäten, Krankenhäusern, Ordnungsdiensten usw.

 

Die profitierenden bestbezahlten neoliberalen Meinungsmacher zeigen jedoch mit dem Finger auf die Kritiker der Privatisierungs-Wut, so z.B. durch Eigennutz-Unterstellung in einem STERN-Interview mit Lafontaine:

 

STERN: Gleichzeitig wollen sie den Anteil der Staatsbediensteten auf 25 Prozent unter den Beschäftigten hochfahren. Wem nützt das eigentlich - außer dem Wahlkämpfer Lafontaine?

Lafontaine: Das ist das Modell Dänemark und Schweden, wo wir eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit haben. Das setzt natürlich voraus, dass wir eine Steuer- und Abgabenquote wie in diesen Ländern hätten. Das will ich jetzt gar nicht fordern, weil es dazu führen würde, dass einige in Ohnmacht fielen. Denn das hieße Mehreinnahmen von weit über 300 Milliarden Euro pro Jahr.
 

STERN: Etwas unklar ist die Haltung Ihrer Partei zu bereits privatisierten ehemaligen Staatsbetrieben. Was genau wollen Sie wieder in die öffentliche Hand überführen: die Post, die Energieunternehmen, die Telekom, die Bahn?

Lafontaine: Das muss natürlich sukzessive erfolgen. Zunächst einmal wollen wir bei der Energieversorgung die Netze verstaatlichen, wie es europäische Nachbarn tun. Zweitens wollen wir eine Rückgabe der Energieerzeugung in die Hände von Städten und Gemeinden. Das wäre ein erster wichtiger Schritt.

 

(Sh. "Interview Lafontaine: 'Ich habe keinen Butler'", stern.de, 14.8.2008.)

 


Die stärkste Unterstützung für ihre kartellmäßige Preistreiberei erhalten die Energie-Konzerne offenbar durch den Lobbyisten-Filz der betroffenen CDU-Regierungen in den Ländern NRW, Baden-Württemberg und Niedersachsen
(sh. „Länder torpedieren Pläne für billigeren Strom", netzeitung.de, 21.9.2007). Die Gebietskonzerne RWE, EON, EnBW, Vattenfall kassieren von den Verbrauchern auch weiterhin Milliarden für ihre Luftverschmutzungsrechte, obwohl sie diese Rechte vom Staat gratis erhalten haben. Gegen diesen Missbrauch hatte die Industrie eine Klage gegen RWE angedroht. Um die Klärung der Rechtslage zu vermeiden, hat RWE in einem faulen Kompromiss mit dem Bundeskartellamt zwar nachträglichen Preisnachlässen für die Industrie zugestimmt. Die Endverbraucher gehen aber leer aus, weil die Rechtslage nicht geklärt ist. Es besteht sogar die Befürchtung, dass man durch den Filz und abgestimmtes Verhalten schließlich auch noch bei den Endverbraucher für diese Nachlässe an die Industrie mit Preiserhöhungen abkassiert (sh. „RWE-Kompromiss findet keine Freunde", netzeitung.de, 28.9.2007). Die neoliberale Politik betreibt ihre Umverteilung nach oben also nicht nur über die Steuergesetze, sondern mit allen Mitteln.


Mittlerweise übernahm sogar schon der Merkel-Vertraute Reinhard Göhner ungeniert die Spitzenpositionen in einem der stärksten Lobbyverbänden für diese Umverteilung (Arbeitgeberverband - BDA), ohne sein CDU-Mandat aufzugeben
. Merkels Vertrauter Norbert Röttgen
sollte die zweite der beiden wichtigsten Lobbyisten-Funktionen in der Industrie  übernehmen, aber gleichzeitig CDU-"Volksvertreter" bleiben (sh. „Merkel-Vertrauter in BDI-Spitze", zeit.de, 16.5.06). Nur unter stärkstem  Druck konnten die CDU-Strategen davon abgehalten werden, den Lobbyismus dieses Verbandes in ihrer Fraktion dermaßen offen zu legen (sh. „Der BDI auf der Flucht vor der CDU", taz.de, 21.7.06, und „Röttgen verzichtet auf BDI-Posten", netzeitung.de, 21.7.06. Zu Friedrich Merz, Helmut Kohl und anderen siehe hier weiter unten und Kohl-Verteilung.htm). Aber als verdeckter Lobbyist innerhalb der CDU-Fraktion kann er für die Umverteilung nach oben vielleicht noch mehr erreichen – ebenso wie seine „christliche" Fraktion der verdeckten Lobbyisten insgesamt. Außerdem lassen sich mit dem Mandat und möglichen Ministerposten jedenfalls schneller hohe Pensionsansprüche erwerben als in den meisten anderen Funktionen.


Im Jahr 2007 hat jedoch Porsche-Chef Wendelin Wiedeking die bisherigen Abkassierer weit abgehängt mit einem Einkommen von mehr als 54 Millionen Euro!
(Sh. „MASSLOSE MANAGERGEHÄLTER – Wirtschaft wehrt sich gegen Merkels Kritik", spiegel.de, 4.12.2007). Das ist das Jahreseinkommen von mehr als 1500 deutschen Vollzeit-Industriearbeitern! (Sh. Statistisches Bundesamt, Fachserie 16, Reihe 2.1, Tabelle 3, Produzierendes Gewerbe, 33.435 Euro brutto in 2005, Stand 11.12.2007).
 

Für das Geschäftsjahr bis 30.6.2008 kann Wiedeking sogar eine Steigerung seiner Jahresbezüge auf 100 Millionen Euro erwarten, vor allem durch Porsches Spekulationsgewinne mit VW-Aktien. Dazu schreibt der Spiegel vom 26.7.2008 unter der Überschrift "Porsche macht mehr Gewinn als Umsatz":

 

Mit dem Verkauf von Autos wird Porsche allerdings nur einen Profit von 1,2 Milliarden einfahren. Rund 5,9 Milliarden Euro Gewinn dagegen dürfte die Firma nach Schätzung des Credit-Suisse-Analysten Arndt Ellinghorst allein durch die Neubewertung ihres 31-prozentigen Aktienanteils an VW erzielen. Geschäfte mit Aktienoptionen würden weitere 3,5 Milliarden Euro einbringen. Dividenden und anteilige Gewinne des VW-Konzerns brächten den Stuttgartern zusätzlich mehr als 900 Millionen Euro ein.

 

Der VW-Kurs wurde durch Porsches Terminkäufe von VW-Aktien in der kurzen Zeit von September bis November 2008 um etliche hundert Prozent hochgetrieben, und zwar durch die Nachfrage der Terminverkäufer, die diese Aktien noch gar nicht hatten oder geliehene Aktien ersetzen mussten (Leerverkäufe) und nun ihre Lieferverpflichtungen für die Machtübernahme durch Porsche kaum erfüllen konnten. Solche Spekulationen auf fallende Kurse wurden in Großbritannien und den USA aufgrund der Finanzmarktkrise (vorübergehend!) verboten. (Sh. "Börsenaufsicht in USA und UK verbieten Kurswetten bei Finanzaktien", Vorarlberg Online, 19.9.2008.) Sie machen einen Sinn bei Währungskurs-Sicherungen für große Industrie-Exporte, sind aber für solche Aktienkäufe eine gemeingefährliche Zockerei, insbesondere dann, wenn die meisten Aktien eines Unternehmens gar nicht mehr für den Markt zur Verfügung stehen. Von den deutschen neoliberalen "Volksvertretern" sind solche "finanziellen Massenvernichtungswaffen" (Warren Buffett) aber sogar  bei Derivaten weiterhin zugelassen und aufgrund der Finanzmarktkrise lediglich für einige bestimmte Aktien ausgesetzt worden (sh. "BaFin untersagt Leerverkäufe in Deutschland", welt.de, 19.9.2008). - Durch einen plötzlichen Verkauf von VW-Aktien Ende Oktober 2008 beim Kurs von knapp 1000 Euro konnte Porsche einen riesigen Zusatzgewinn zugunsten seiner Schluck-Aktion gegen VW machen. Trotzdem konnten die kleinen VW-Kaperer den Kurs per 3.11.2008 beim Vierfachen seines Wertes zum Jahresanfang 2008 halten, der bei etwa 100 Euro lag (sh. z.B. die Kursentwicklung bei onvista.de). Bei diesen Preisen sieht man auch die Leichtfertigkeit (oder was sonst?) des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), der immer mehr die Möglichkeit vergibt, den 20-Prozent-Anteil des Landes Niedersachsen auf eine sichere Sperrminorität von 25 Prozent  zu erhöhen - zum Schutz von VW gegen Ausplünderung (sh. "Wulff: Sperrminorität bei VW ist jedem Aktienkäufer bekannt", dradio.de, 12.9.2008). Durch den überfälligen Zinsanstieg für Übernahmekredite wird allerdings der Größenwahn etwas gebremst (sh. „Zweimal Größenwahn – Wie sich die Fälle Schaeffler-Conti und Porsche-VW ähneln“, sueddeutsche.de, 22.4.2009.

Am Ende beliefen sich die Bezüge von Wiedeking für das Geschäftsjahr 2007/2008 auf 77,4 Millionen Euro (sh. "Wiedeking bestbezahlter Konzernchef Europas", spiegel.de, 28.5.2009). Während aber in dem Geschäftsjahr der Gewinn höher war als der Umsatz (!), verursachten genau diese Spekulationen im darauffolgenden Geschäftsjahr 2008/2009 einen Vorsteuerverlust von fünf Milliarden Euro (sh. "Porsche erwartet Milliardenverlust", zeit.de, 29.7.2009). Das führte jedoch nicht dazu, dass Wiedeking seine kurzfristige Spekulations-Prämie von mehr als 70 Millionen Euro zurückzahlen musste, sondern ganz im Gegenteil noch zu einer Abfindung von 50 Millionen Euro für sein überfälliges Ausscheiden. Für die verantwortlichen Porsche-Erben lagen die Spekulationsgewinne allerdings nicht im Bereich von Millionen, sondern von Milliarden. Es kann hier nicht untersucht werden, inwieweit sie auch an den daraus folgenden Milliarden-Verlusten beteiligt wurden. Jedenfalls zeigte Wolfgang Porsche durchaus Emotionen beim Ausscheiden von Wiedeking, die sicherlich auch mit seinem verlorenen Reibach zu tun haben.


 
Angela Merkel hatte immerhin noch auf das japanische Vorbild und den weltgrößten Autokonzern Toyota hingewiesen mit den Worten:  „Dort verdient der Chef nur ungefähr das Zwanzigfache eines Arbeiters".

In der Zeitschrift JAPANMARKT heißt es dazu unter der Überschrift „Toyota statt Ferrari":


Inklusive aller Boni kommen Japans Topmanager im Durchschnitt auf ein Gehalt von 36 Millionen Yen. Legt man einen Wechselkurs von 150 Yen pro Euro zugrunde, verdient Nippons Wirtschaftselite 240.000 Euro im Jahr…
"Keine Experimente", lautet heute immer noch die Devise, wenn in Japan Vorstandsposten neu zu besetzen sind. Toptalente aus fremden Firmen abzuwerben ist in Japan immer noch die große Ausnahme. In den meisten Fällen rücken langjährig bewährte Manager aus der zweiten Riege nach. Loyalität statt Qualifikation und Leistung ist nach wie vor Kriterium Nummer eins bei der Auswahl neuen Führungspersonals. Dies mag an den Zielen japanischen Managementstrebens liegen. Gesucht wird in der Regel der Vorsteher eines Verwaltungsapparats, der langfristige Interessen von Management, Mitarbeitern und Geschäftspartnern vereint, nicht ein zupackender, profitorientierter Unternehmertyp, der den Gewinn der Shareholder maximiert.


(Sh. JAPANMARKT, Januar 2008, S. 28, deren Quelle: Sanro Research Institute.) Hier steht offenbar konfuzianischer Gemeinsinn gegen unseren Winner-Loser-Raubtierkapitalismus der US-Republikaner - mit noch viel höheren Bezügen für Auto-Manager, die noch weiter hinter Toyota zurückfallen. Mit seinem Vorrang der Unternehmensinteressen und Beschäftigten vor den Interessen des Kapitals und der Abzocker gehört Toyota zu den erfolgreichsten Großkonzernen und hat den höchsten Börsenwert aller Autohersteller weltweit (sh. Wikipedia: Toyota). Gemessen daran dürften die Schrempps und sonstigen deutschen DAX-Manager nicht im entferntesten das Zwanzigfache bekommen. Aber bei allen Lippenbekenntnissen der Neoliberalen und Profiteure ist irgendeine Verteilungsmoral von den Lobbyisten der Umverteilung nach oben in Deutschland  kaum zu erwarten (sh. „MASSLOSE MANAGERGEHÄLTER", a.a.O.).

Diese Umverteilung wird von den Neoliberalen gern begründet mit dem Slogan "Leistung muss sich wieder lohnen". Demnach müsste Wiedeking so viel leisten wie 1500 Industriearbeiter! Oder der „Leistungs"-Begriff wäre menschenunwürdig pervertiert und lediglich noch kapitalistisch aufzufassen. An diese Auffassung hat man sich im Ellenbogen-Kapitalismus bei Unternehmer-Gewinnen bereits gewöhnt. Immerhin soll Wiedeking  „nur" 0,9 Prozent des Porschegewinns erhalten (sh. „Eiszeit zwischen Kanzlerin und Bossen", spiegel.de, 10.12.2007), aus dem sich die Piëchs und Porsches auch durch Aktienverkauf bedienen könnten!  Die 0,9 Prozent passen rechnerisch zu seinen 54 Millionen Euro und dem offiziellen Vorsteuergewinn von 5,857 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2006/2007 (31. Juli) für das überwiegende Familienunternehmen Porsche  (sh. „Millionensegen für Piëch und Porsche", manager-magazin.de, 12.11.2007, und „Luxusautos - Porsche macht fast sechs Milliarden Euro plus", welt.de, 12.11.2007).


Durch derartige weltweite Umverteilung des Volkseinkommens nach oben sichert der Snob-Effekt zwar den Herstellern von Luxusautos ohnehin steigende Gewinne. Aber "der hohe Betrag hängt ganz wesentlich mit dem Einstieg von Porsche bei VW zusammen"  (sh. "Porsche verteidigt hohe Bezahlung Wiedekings", swr.de 9.12.2007 ). Der riesige Gewinnzuwachs bei Porsche von 2,11 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf fast sechs Milliarden in 2007 erklärt sich zum großen Teil durch "Optionsgeschäfte mit VW-Aktien .., die allein 3,593 Milliarden Euro in die Kassen spülten" und von denen Wiedeking durch seine Gewinnbeteiligung profitiert (sh. "Freie Bahn für Wiedeking
", manager-magazin.de, 13.11.2007, und swr.de 9.12.2007). Aber auch in den Vorjahren brachte die Zusammenarbeit mit VW für Porsche Traumrenditen. (Sh. „Porsche und VW: Viel Phantasie in den Kursen", faz.net, 16.11.2006, mit der Passage „Die Umsatzrendite von Porsche beläuft sich auf stolze 19,2 Prozent, die von Volkswagen nur auf 1,2 Prozent".) Möglicherweise kann die Porsche-Piëch-Familie wegen des 31prozentigen Porsche-Anteils an VW viele Komponenten und Dienstleistungen für ihre Produkte dort so billig einkaufen, dass ein guter Teil des eigentlichen VW-Gewinns bei Porsche ankommt.  Zum Beispiel lässt Porsche seine Forschung und Entwicklung anscheinend im wesentlichen über VW-interne Aufträge erledigen und spart auch damit erhebliche Kosten. Solche Zusatzgewinne können die Piëchs und Porsches gut gebrauchen, um über Porsche noch mehr VW-Anteile zu erwerben und damit ihre Interessen gegen VW noch weiter durchzusetzen (sh. auch "Car Wars", jungle-world.com, 1.11.2007).  Bereits für die zweiten Jahreshälfte 2008 ist die schrittweise Anteilsaufstockung auf über 50 Prozent geplant (sh. "Porsche will am 2. September VW kontrollieren", faz.net, 10.7.2008).

Mit dem Zugriff auf solches leicht verdiente Geld könnte Wiedeking auch seine Position als Deutschlands bestbezahlter Manager weiter ausbauen. Zu den leicht erworbenen 31 Prozent VW-Anteilen von Porsche aus VW-Gewinnen schreibt die WELT ONLINE: „Für die Anteile an VW musste Porsche nicht einen Euro Schulden aufnehmen. Im Gegenteil: Gekauft haben sie die bislang 31 Prozent für etwa 5,8 Mrd. Euro – über Dividenden, Gewinn-Zuschreibungen und Profite aus Optionsgeschäften flossen mehr als 6,3 Mrd. Euro in die Porsche-Kassen zurück." (Sh. "Grabenkämpfe könnten VW schwer schaden", welt.de, 12.9.2008.) Weiter heißt es dort zum Kampf von Wiedeking mit Wolfgang Porsche gegen VW und zur Demonstration von 30.000 VW-Beschäftigten aus Sorge um ihre „feindliche Übernahme" und mögliche Ausplünderung: "Ein Drittel aller Porsche-Sportwagen wird bereits heute von VW gebaut. Und auch bei teuren Neuentwicklungen wie bei neuen Antrieben geht es kaum ohne die Wolfsburger."  Die Disziplinierung der 360.000 VW-Arbeitnehmer mit Hilfe des bestens geköderten 12.000 Porsche-Arbeitnehmer haben Wiedeking und die Porsches auch schon eingeleitet: "Die Arbeitnehmervertreter beider Unternehmen streiten vor allem um die Mitbestimmung in der Porsche Holding. In deren Betriebsrat sollen – sobald Porsche die Mehrheit an VW erworben hat – die 12000 Beschäftigten von Porsche genauso soviel Einfluss haben wie die 360.000 Beschäftigten von VW. Das halten die Wolfsburger für einen Skandal. Die gegenseitigen Vorwürfe reichen von 'feindlicher Übernahme' bis zu mangelndem Demokratieverständnis." (Sh. ebenda.) Selbst Ferdinand Piëch gehen diese Attacken von Wiedeking und Porsche mittlerweile wohl zu weit. (Sh. ebd.)
 

Schon kurz darauf, am 16.9.2008, konnte DIE WELT vermelden:

 

Volkswagen ist jetzt eine Tochterfirma von Porsche

Mit der Erhöhung des Aktienanteils auf 35,14 Prozent hat der Autobauer Porsche nun die faktische Mehrheit in der Hauptversammlung bei Volkswagen. Nach dem Wertpapierübernahmegesetz ist VW nach Porsche-Angaben damit ein Tochterunternehmen des Stuttgarter Sportwagenherstellers.

Die Porsche Automobil Holding SE hat ihren Anteil am Volkswagen-Konzern von 30,25 auf 35,14 Prozent angehoben. „Das Ziel bleibt weiterhin, unseren Anteil an Volkswagen auf über 50 Prozent zu erhöhen. Der heutige Schritt ist ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg“, sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.

 

Die Arbeitnehmer von Europas größtem Autobauer musste also mit ansehen, wie sie mit ihren eigenen Gewinnen geschluckt wurden durch einen viel kleineren Autohersteller, der aber dank der Aktienmehrheit seiner Eigentümer über ihre Geschicke bestimmen kann.  Nun kann sie nur noch die Sperrminorität des Landes Niedersachsen ein wenig davor schützen, dass auch sie zum reinen Spielball von Kapitalinteressen werden. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte diesmal Recht mit der Bemerkung, „VW produziere in vier Tagen so viele Autos wie Porsche in einem Jahr" ! (Sh. de.reuters.com, 19.9.2008.)


Der rechtspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Klaus-Heiner Lehne, sagte am 24.9.2008 (gegen 7 Uhr) im Deutschlandfunk, Porsche sei keine Heuschrecke. In der Tat ist wohl hier nicht nach dem Aussaugen oder Schlucken das kurzfristige Wieder-Ausscheiden geplant. Es gibt auch volkswirtschaftlich sinnvolle Unternehmens-Übernahmen, aber es gibt auch andere Formen der Beute-Verwertung.
 

Die nächstliegende Maßnahme gegen die Umverteilung nach oben in die Taschen der Großprofiteure wäre die Rückkehr zum Höchststeuersatz der Wirtschaftswunderjahre von 56 Prozent mit geeigneten Zuschlägen  für Verteilungs-Exzesse. Damit läge man in etwa bei den Spitzensteuersätzen der erfolgreichen skandinavischen Länder und noch unter dem dänischen Spitzensteuersatz von 59 Prozent (sh. unten).  Aber die Heuchler von CDU und FDP wollen die Spitzensteuersätze für sich und ihre Absahner noch weiter senken auf 36 und 35 Prozent (sh. unten, und dort auch die Kritik von IG-Bau-Chef Wiesehügel). Und die Lobbyisten der Umverteilung nach oben wie INSM, BDI, BDA, DIHK mit den neoliberalen Medien rühren dazu mit großem Kapitaleinsatz ihre Propaganda-Trommeln.


Kennzeichnend ist auch die Nähe von CDU und FDP zur industriefinanzierten Propaganda-"Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM
)" mit ihren diversen Netzwerk-Partnern wie der „Stiftung Marktwirtschaft" und den industriefinanzierten "Denkfabriken" (sh. auch hier mit „INSM").

Im Hinblick auf die häufige Verquickung von Abgeordneten-Mandaten mit dem Einsatz von „Landschaftspflegern" bei großen Partei-"Spendern" und Lobbyisten schreibt Transparency International:
 

Transparency International war wesentlich an der Erarbeitung der UN-Konvention gegen Korruption, der UNCAC, beteiligt…
168 Staaten haben die UNCAC unterzeichnet, vor drei Jahren auch Deutschland. 68 Länder haben die Konvention ratifiziert - Deutschland nicht. Dies bietet anderen Ländern den Vorwand, es auch nicht zu tun…
Der Ratifizierung steht nur eines im Wege: der § 108e des Strafgesetzbuches, der Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten viel zu einschränkend definiert. So erfasst die Abgeordnetenbestechung beispielsweise nur den Teilbereich des so genannten "Stimmenkaufs". Damit ist unklar, ab wann Spenden an Mandatsträger für deren politische Tätigkeit Anlass geben können, die Frage der „Käuflichkeit" zu überprüfen.
 

(Sh. die Vorstellung des aktualisierten Korruptionswahrnehmungs-Indexes im November 2006 unter transparency.de, 6.11.2006). Mit der Akzeptanz der typischen Verfilzungen und der mangelnden Einkommenstransparenz von Mandatsträgern in Deutschland wird also zugleich eine Ausrede geboten für die Kleptokratenregime der Dritten Welt bei der Strangulierung ihrer Volkswirtschaften, aus denen das vielfache der Entwicklungshilfe-Gelder zurückfließt auf die ausländischen Konten der Potentaten. Über den systematisch „verzerrten Pluralismus" der Neoliberalen in Propaganda-Sendungen nach Art des Christiansen-Zirkus sh. die Studie zur „Einladepolitik von Sabine Christiansen", netzpolitik.org/LobbyControl, 7.9.06.

Auch Angela Merkel biederte sich dem BDI an, indem sie dort zur Unterstützung der Kahlschlags-Rhetorik und medienwirksam Deutschland als "Sanierungsfall" bezeichnete. Das sagte sie wohl auch aus ihrer plakatierten "Liebe zu Deutschland" und nicht aus „Liebe zum BDI". Tatsächlich ist jedoch nicht Deutschland der "Sanierungsfall", sondern ihre neoliberale Koalition  wegen ihrer Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben (sh. zum Zurückrudern „Merkel sieht sich missverstanden",  tagesschau.de, 23.6.06). Zum „Sanierungsfall" sagte Peter Bofinger in seiner zurückhaltenden Art (sh. „Wirtschaftsweiser: Haushaltslage nicht dramatisieren", dradio.de, 21.6.06):
 

Mein Eindruck ist, dass wir auch etwas zur Dramatisierung neigen, wenn jetzt gesagt wird, Deutschland sei ein Sanierungsfall. Was die öffentlichen Finanzen angeht muss man sehen: Wenn man mal die G7, also die großen Industrieländer nimmt, haben wir im Jahr 2007 die zweitbeste Finanzierungsposition von den G7-Ländern und in keinem der anderen Länder wird davon geredet, dass das Land ein Sanierungsfall ist. Ich glaube wir sollten uns bei allen Problemen, die wir haben, davor hüten, die Situation überzudramatisieren.
 

Inzwischen genießen auch gewisse TV-Moderatoren bei ihren Verdummungs-Sendungen nicht nur die Protektion ihres neoliberalen Parteienklüngels, sondern werden außerdem von der Industrie „gesponsert",  z.B. Lothar Späth, Michael Rogowski (sh. unten) und Reinhold Beckmann (WWK Versicherung - sh. auch „Doppelagent Beckmann", tagesspiel.de, 26.4.06). Dementsprechend feindselig verhalten sie sich gegenüber der Linken als einziger politischer Kraft gegen ihre Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen, so  z.B. auch Beckmann (mit Björn Engholm) gegen Lafontaine in Beckmanns Sendung vom 22.6.2009.



Dass von den russischen und deutschen Profiteuren aus dem russischen und deutschen Volksvermögen mit Schröder als Galionsfigur ausgerechnet die Schweiz als Firmensitz gewählt wurde, hat sicher nicht nur mit Steuerflucht zu tun, sondern auch damit, dass dort ihre wahren Geldströme durch das Bankgeheimnis von Gnomen
bestens geheim gehalten und gesichert  werden (sh. "Gasprom ist ein Synonym für Korruption", spiegel.de, 22.12.05). Die Macht der Gnomen durch Pervertierung des Rechtsstaats-Prinzips musste der wagemutige Schweizer Soziologe Jean Ziegler auf das heftigste erfahren in etlichen existenzbedrohenden Prozessen nach seinen Enthüllungen über den Verbleib des Nazigoldes (sh. dazu „Jean Ziegler - Held der Globalisierungskritiker", DER SPIEGEL, 4/2002, S. 58-64, mit Hinweis auf Zieglers Buch von 1997 Die Schweiz, das Gold und die Toten; vgl. „Die Wege des Nazigoldes", berlinonline.de, 29.11.1997; über deutsche Beteiligte und Adolf Eichmann siehe auch Gaby Weber: „Wenn Sie das Geldwäsche nennen", taz.de, 3.7.04, gespeichert auch unter tolerantes-Sachsen.de). Dass der großartige Neoliberalismuskritiker Jean Ziegler auch von den neoliberalen Kleingeistern in Deutschland eher mit Missfallen betrachtet wird, versteht sich von selbst. Siehe auch sein Interview „Das ist täglicher Terror", welt.de, 23.1.06, mit seiner Schlussbemerkung zur Globalisierung des Neoliberalismus:
 

Für die meisten Menschen sind diese Werte der Aufklärung ewige Werte, unumstößlich wie die Demokratie. Das ist aber absolut falsch. Der Dschungel kann über uns hereinbrechen und 250 Jahre republikanische Tradition liquidieren.
 

Die Überschrift zu diesem Text lautete in den ersten Versionen noch „Steuersenkung für Besserverdiener …" (sh. Besserverdiener.htm). Aber auch die  "Besser"-Verdiener müssen ihre Steuerersparnisse meist vollständig verwenden zum Ausgleich der staatlichen Mehrbelastungen und Kürzungen, z.B. durch Erhöhung der Öko- und Mehrwertsteuer, durch drastische Einschnitte bei der Altersversorgung und im Gesundheitswesen, bei Qualität und Förderung öffentlicher Leistungen, Wegfall von zigtausend Euro Eigenheimzulage je Familie usw. Auch sie finanzieren die echten Ersparnisse für die "Best"-"Verdiener" (Minister; Abgeordnete, zumindest die mit Nebeneinnahmen, allein schon aufgrund ihrer üppigen Gratis-Versorgung; weise  „Wirtschaftsexperten" als heilige Kühe der neoliberalen "Elite"-Truppen; Verbandsfunktionäre usw.). Was über dem Einkommen von Abgeordneten und Ministern liegt (abgesehen vielleicht von besonders nützlichen Unternehmer- und Forscherleistungen), wird meist nicht "verdient", sondern lediglich aus dem Volkseinkommen abkassiert, so dass man häufig auch nicht mehr nur von Best-"Verdienern" sprechen kann. Dagegen bestand kein besonderer Anlass, „Besserverdiener" in Anführungszeichen zu setzen (sh. den Abgrenzungsversuch hier unter Besserverdiener.htm). Allerdings sind auch die Bezüge von Politiker und sonstigen Meinungsmacher dann nicht „verdient", wenn ihre Leistungen – wie in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden – vor allem der Umverteilung nach oben dienen und daher schon mit ihren angeblich ausreichenden Hartz-IV-Beträgen überbezahlt wären

Die unverdienten Einkommen ergeben sich vor allem bei der Verteilung des Volkseinkommens aus der gemeinschaftlichen Güterproduktion ("Sozialprodukt") durch Kungelei und durch den  „Leistungs"-blinden Markt, denn andernfalls  müssten die neoliberalen Desinformations-Produzenten, Politiker, Börsenzocker, Lobbyisten und  etliche best-"verdienende" "Leistungsträger" viel mehr Geld mitbringen als sie abkassieren. Besonders finanzstark ist die Nachfrage nach neoliberalen Meinungsmachern und sonstigen Volksbetrügern zur Umverteilung nach oben. Außer der Marktnachfrage hilft ihnen vor allem der Klüngel ihrer Gleichgesinnten.  Es wäre also ein Segen für die deutsche Volkswirtschaft, wenn solche Absahner und Vergötzer ihres Pseudo-Marktes in die parasitären Steueroasen abwanderten, damit sich echte Leistung hier wieder mehr lohnt und ihren Sozialauftrag erfüllen kann, aber nicht durch unverdiente Spitzeneinkommen belastet wird.

Ingenieure und Naturwissenschaftler, die man oft nur mit außergewöhnlichen Zulagen in Deutschland halten kann, liegen auch mit derartigen Zulagen kaum in dieser Einkommenskategorie. Bei Vorliegen solcher Abwanderungsangebote könnten vom Arbeitgeber auch weitere Kompensationen gezahlt werden, wenn qualifizierter Ersatz fehlt. Umzugsfähige Arbeitsplatzbeschaffer hält man durch Steuersenkungen für „Bestverdiener" sowieso nicht, weil man den deutschen Spitzensteuersatz  niemals auf das EU-subventionierte Dumping-Niveau der neuen Mitglieder absenken kann. Durch diese EU-Subventionierung des Steuerdumpings aus den Steuern der künftigen Arbeitslosen in Deutschland treibt man jetzt vielmehr solche Unternehmen verstärkt zur Verlagerung ihrer Arbeitplätze und umfrisierten Gewinne ins unmittelbar benachbarte Ausland und bezeichnet das als „Globalisierung". Die künftigen Arbeitslosen finanzieren damit zugleich die steuerverkürzenden Gewinnexplosionen in  internationalen Konzernen wie auch den Shareholder-Value der Manager-Optionen und sonstigen Groß-Profiteure (sh. hier auch Steuer-Parasitismus.htm).


Mittlerweile können sich auch viele kleinere Unternehmen dem manipulierten Verlagerungszwang nicht entziehen, weil sie sonst nach dem Umzug von Konkurrenten nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Das Steuerdumping und die Möglichkeit zur künstlichen Gewinnverlagerung bringen ihnen noch größere Vorteile als die ebenfalls attraktiven Niedriglöhne. Das Steuerdumping wirkt noch mehr bei den Großen, wenn der Anteil der Lohnkosten an ihren Gesamtkosten sich vielleicht nur noch auf 10 bis 15 Prozent beläuft. Allerdings könnte man aus Wettbewerbsgründen die Steuern der kleinen und großen Unternehmen auf das Niveau der skandinavischen Unternehmenssteuern absenken, wenn  dafür eine vollständige Steuer-Korrektur bei Gewinnausschüttungen und realen Wertzuwächsen mit den skandinavischen persönlichen Steuersätzen der Unternehmensinhaber und Anteilseigner erfolgte (sh. Einleitung).

Die Bezeichnung „unverdientes Einkommen" ("unearned income") ist im US-Einkommensteuerrecht auf Kapital- und Immobilienerträge bezogen. Jedenfalls wurde der föderale US-Spitzensteuersatz (= „Differenzsteuersatz" und hier zugleich tariflicher „Höchststeuersatz") für sogenanntes „verdientes Einkommen" erst unter dem Republikaner Richard Nixon ("Tricky Dick") abgesenkt, der vor seinem Amtsenthebungsverfahren und Rücktritt wegen des Watergate-Einbruchs noch den Allende-Sturz mit Pinochet-Nachfolge unterstützen konnte. Diese Absenkung erfolgte in den Jahren 1971 und 1972 von 70% auf 60% und 50%, während der  US-Spitzensteuersatz für „unverdientes Einkommen" noch zehn Jahre bis 1981 unverändert bei 70% blieb (sh. „Top Federal Income Tax Rates ..." und Liste der US-Präsidenten).

Die pinkgrünliche Bundesregierung wollte es gerade umgekehrt machen. Kurz vor ihrer vorzeitigen Stabübergabe an die noch hemmungslosere Nachfolgeregierung wollten die rotgrünlich Maskierten  für dieses "unverdiente Einkommen" der Couponabschneider eine Zinsabgeltungssteuer  mit einem Vorzugssteuersatz von 25% einführen sowie die Körperschaftsteuer für die Shareholder  von scheinbaren 25% auf 15% senken (sh. hier Unternehmenssteuerreform.htm). Damit wäre die Steuerbelastung der großen Couponabschneider bei den Zinspapieren mehr als halbiert gegenüber dem Spitzensteuersatz vor Regierungsantritt der Schröder-Koalition. Die Pseudochristen lassen diesen Verrat der ehemals Roten an der Sozialdemokratie natürlich nicht ungenutzt  und bringen auch diesen Coup mit ihnen  zum Abschluss (sh. hier Unternehmenssteuerreform.htm) in ihrer großen neoliberalen Koalition zur Umverteilung nach oben.

Unter der neoliberalen österreichischen ÖVP-BZÖ(=Ex-FPÖ)-Regierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seinem famosen Finanzminister Grasser gilt ebenfalls:
 

Je mehr das Einkommen mit Arbeit verbunden ist, um so höher ist die Steuer- und Abgabenlast,
 

so SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter am 21.11.05 lt. oe-journal.at, 22.11.05. Sh. auch „Umverteilung: Die oberen Sechzigtausend", profil.at 49/05, und weiter unten: „Die reichsten Österreichs sind Deutsche".

Die Bewertung einer Leistung nach bloßen Marktkriterien wird man bei nützlichen Leistungen als notwendiges Übel einer effizienten Marktwirtschaft in Kauf nehmen müssen, wenn durch entsprechende Spitzensteuersätze etwa nach dem skandinavischen Erfolgsmodell oder nach früherem US-Vorbild (vor Nixon und Reagan) ein gewisser Ausgleich geschaffen wird (z.B. bei geistigen Leistungen oder Niedrigpreisanbietern wie den Gründern von Google, eBay, Aldi und Ikea - letzterer ist allerdings Steuerflüchtling in der Schweiz). Bei schädlichen Leistungen (z.B. Gesundheitsschädigung und Wählertäuschung, auch durch neoliberale Meinungsmache, TV-Ramsch und -Klamauk als Millionengeschäft und Reklame-Vehikel) werden teilweise im Gesundheitsbereich besondere Verbrauchssteuern zum Ausgleich des volkswirtschaftlichen Schadens erhoben. Im Hinblick auf den bildungspolitischen Schaden, auch durch Infiltration, Indoktrination  und Konditionierung,  ist es allerdings schwierig, entsprechende Maßstäbe zu finden, zumal die Verdummungs-Tendenz bei Polit-Talkshows oft noch schädlicher ist als beim "Proll-TV".

Die unglaublichen Bezüge von monatlich 500.000 Euro für Burdas „Bambi"-Preisträger Stefan Raab und 800.000  Euro für Anke Engelke nach dem Prinzip „Leistung muss sich wieder lohnen" (sh. die Liste aus BILD vom 26.3.04 im politikforum.de) tragen zwar mächtig zur Volksverdummung durch Entpolitisierung bei (sh. z.B. Michael Schneider: „Die Telekratie - Über den Wert und Mehrwert des Stumpfsinns", freitag.de, 27.2.04 ). Aber sie sind weniger gefährlich als die „bescheidenen"  22.863 Euro für den Bundeskanzler oder 16.900 Euro bzw. 13.800 Euro für hohe Gewerkschaftsbosse (ebd.), wenn diese „Leistungsträger" dadurch zu Ideologen der steuerlichen Umverteilung nach oben werden oder das Ausmaß der Steuersenkung für „Bestverdiener" in den Talkshows am liebsten totschweigen. (Sh. auch in BILD: „Große Serie: Wer verdient wie viel"). Die Einkünfte der BILD-Meinungsmacher waren dort leider nicht zu finden, wohl aber die Beträge einiger Vermögensanhäufungen aus solchen  Bezügen (sh. politikforum.de, ebd.). Die Leistung der Manager lohnt sich vor allem dann, wenn sie die Unternehmensgewinne und damit den Wert ihrer persönlichen Aktienoptionen durch Massenentlassungen explodieren lassen (z.B. Josef  , vgl. Pressemitteilung verdi.de, 1.2.07) oder wenn sie, wie Jürgen Schrempp, weltweit Unternehmen zusammenkaufen und sich dafür als „Global Player" bezahlen lassen, auch wenn dadurch dauerhafte Milliarden-Verluste entstehen und schon wenige Monate nach Abschluss des Chrysler-Deals die Luftnummer erkennbar wurde (sh. den leicht glättenden Spiegel-Bericht „Eine AG, zwei Welten" vom 14.2.2007 und den Chart von boerse.de ab 1998/99, sh. hier auch Manipulations-Proporz.htm).


Der Kampf um die Indoktrinations-Hoheit geht derweil weiter mit der Vorauswahl für die Nachfolge des NDR-Intendanten Jobst Plog. Zunächst möchten die "Christlichen" einen leicht Rötlichen als Plog-Stellvertreter durchsetzen, um als Plog-Nachfolger einen der Ihren bestimmen zu können (sh. „Gekungel um Plog-Nachfolge", DER SPIEGEL 11/2007, S. 100).


Die Fragen zur Umverteilung nach oben und zu dem dafür aufgebotenen Medieneinsatz bleiben  hochaktuell durch die anhaltende „Reform"-Debatte in Deutschland mit den programmatischen Richtungsvorgaben beim „zukunftweisenden" CDU-Umverteilungs-Parteitag [7] vom 30.11. bis 2.12.03 in Leipzig, durch die weiterhin virulente flotte „Agenda ZwanzigZehn" und das vielleicht einmalige "Zeitfenster"[8]  für die großkoalitionäre Seelenverwandtschaft der SPD-„Modernisierer” mit CDU und FDP. Zu dem Parteitag siehe auch das Interview von Ulrike Herrmann mit dem Sozialethiker und Ökonomen Friedhelm Hengsbach, SJ: „Die CDU hat den Schwächeren tatsächlich den Krieg erklärt", taz.de, 1.11.2003, und zu den Angriffen gegen Hengsbach hier die Fußnote[7].  Sh. ferner sein Interview mit Arno Luik: „Schröder will den Starken gefallen, deshalb tritt er kräftig nach unten!", stern.de, 19.11.2003. Diese Interviews enthalten ein Leitmotiv für die folgenden Ausführungen zur „Steuersenkung für Bestverdiener".

Nachdem die Mehrwertsteuererhöhung und die übrigen Umverteilungen nach oben im schwarzrötlichen Koalitionsvertrag festgezurrt sind, ist die Zeit der einlullenden Töne gekommen. Dem Bundespräsidenten Horst Köhler (CDU) ist jedoch nicht zuzustimmen, wenn er in seiner  Weihnachtsansprache 2005 sagt: „Unsere Regierungspolitiker beginnen, parteipolitische Gegensätze zu überbrücken", denn in der entscheidenden Frage der Steuersenkung für "Bestverdiener" haben die  Neoliberalen von CDU und FDP mit Hilfe von PinkGilbgrün und dem Kanzler der Bosse schon in den Jahren 1989/1990 den ersten großen Durchbruch geschafft und dadurch die Vernichtung regulärer Arbeitsplätze beschleunigt.

Die fromme Botschaft wird auch nicht richtiger durch Gemeinplätze mit Geduldsappellen bis zur weiteren Arbeitsplatzvernichtung durch die Mehrwertsteuererhöhung und durch die übrigen Schröpfungen der Einkommensschwachen zur Steuerersparnis für „Bestverdiener" einschließlich Köhler mit seinem lebenslangen „Ehrensold" von ca. 213.000 Euro + Dienstwagen und Personal nach mindestens fünf Amtsjahren: „Wir können alle nicht zaubern, sondern nur arbeiten. Es wird Zeit brauchen."  Volle Zustimmung verdient allerdings sein Satz: „Ein bisschen mehr Ehrlichkeit, Anständigkeit und Redlichkeit im täglichen Umgang können uns wirklich nicht schaden". Das gilt besonders dann, wenn er auch als Appell an die Regierungsparteien und andere Neoliberale gemeint ist. Statt dessen versucht Köhler-Promoterin und -Favoritin "Angie" Merkel, das Image ihrer neoliberalen Koalition durch eine drei Millionen Euro teure Anzeigenkampagne auf Kosten der Steuerzahler aufzubessern (sh. „Offener Brief - Teure Post von Merkel", stern.de, 29.12.05).  Und Horst Köhler lobt ausdrücklich die Agenda 2010, mit der der Nettowert seines „Ehrensoldes" noch einmal um mehr als das Jahresnetto eines gut bezahlten Facharbeiters aufgestockt wird – zu Lasten der Einkommensschwachen (sh. „' Berliner Rede' im Präsidentschaftswahlkampf – Köhler droht mit Agenda 2020", taz.de, 18.6.2008). Dazu Oskar Lafontaine:

 

Für Die Linke sind das so genannte Reformen, die zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung geführt haben. Wir haben in Deutschland den größten Niedriglohnsektor aller Industriestaaten. Jeder vierte Arbeitnehmer hat keinen Jahreslohn, der höher ist als 15.000 Euro. In der Regel sind es noch weniger. Und wenn man so etwas lobt, dann hat man eben eine Auffassung von Politik, die wir nicht teilen.
 

(Sh. sein Deutschlandfunk-Interview vom 18.6.2008.)


Auch die Mitbewerberin zur Präsidentschaftswahl 2009, Gesine Schwan, gilt – wie alle Großprofiteure in der SPD - als Befürworterin der Agenda 2010.  Der herzlose Intellektualitäts-Anspruch ist sicher kein Vorzug für dieses Amt, wie man schon bei Roman Herzog sehen konnte.
 

Dagegen spürt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sehr wohl, dass zumindest die Politikverdrossenheit geschürt wird mit den wohltönenden Reden seiner Parteikollegen Horst Köhler und Angela Merkel zur Umverteilung nach oben durch Ausplünderung der Einkommensschwachen und Normalverdiener:

 

Rüttgers dazu: „Es gibt keinen Grund, die Agenda 2010 wie eine Monstranz vor sich herzutragen." Was Teile der Eliten beim Thema Reformpolitik verkündeten, produziere erst die Politikverdrossenheit, die dann beklagt werde, so der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Rüttgers kritisierte auch seine eigene Vorsitzende. Der stellvertretende CDU-Chef wies die These Angela Merkels zurück, Bildung sei die zentrale soziale Frage. „Natürlich ist für junge Leute eine optimale Ausbildung wichtig", sagte er. „Aber wenn ein 55-jähriger Lagerist seinen Job verliert, dann hat er kaum noch Chancen, durch Fortbildung eine neue Stelle zu bekommen." Solche Leute müssten durch das soziale Netz aufgefangen werden.

 

(Sh. "REFORM-FORDERUNGEN – Rüttgers attackiert Köhler", spiegel.de, 21.6.2008.)

 

Rüttgers ist aber entweder tatsächlich der "Sozialschauspieler", als den ihn Hannelore Kraft (SPD) bezeichnet hat, oder er traut sich nicht,  die steuerliche Umverteilungsbeute der neoliberalen Meinungsmacher gegen deren mediale Übermacht in Frage zu stellen (sh. auch hier mit „Sozialschauspieler" unter Gesundheitsreform.htm und Hartz-IV.htm).



Die verblüffende Ähnlichkeit der deutschen Umverteilung nach oben zur Steuersenkungspolitik der Republikaner in den USA zeigt sich in der  folgenden Anzeige aus der New York Times vom 11.2.2003. Sie richtet sich gegen die Dankeschön-Steuersenkungspläne[9] von George W. Bush vor seiner Arbeitsmarktinitiative durch Schuldenexplosion, mit der er die Steuersenkungen als angebliche „Erfolgs"-Ursache präsentiert. Die Anzeige ist unterzeichnet von mehr als 400 namhaften US-Ökonomen, darunter zehn Nobelpreisträgern:[10]


 

Erklärung der Ökonomen gegen die Steuersenkungen durch Bush


Obwohl das Wirtschaftswachstum positiv ist, hat es nicht ausgereicht, um Arbeitsplätze zu schaffen und den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Tatsächlich gibt es zurzeit im privaten Sektor um 2 Millionen weniger Jobs als zu Beginn der gegenwärtigen Rezession. Überkapazitäten, Unternehmensskandale und Ungewissheit drückten und drücken weiterhin auf das Wirtschaftswachstum.

Der Steuersenkungsplan von Präsident Bush ist nicht die Antwort auf diese Probleme. Unabhängig davon, wie man die Einzelheiten des Bush-Plans beurteilt, gibt es eine weitgehende Übereinstimmung, dass er auf eine dauerhafte Änderung der Struktur im Steuersystem abzielt und nicht auf die Schaffung von Jobs und Wachstum in der nahen Zukunft. Insbesondere die dauerhafte Senkung der Steuern auf Dividenden ist unglaubwürdig als kurzfristiger Impuls. Als Steuerreform geht die Senkung der Dividendensteuer in die falsche Richtung, da sie eher Personen als Unternehmen betrifft. Sie ist zu komplex und könnte Teil einer einkommensneutralen Steuerreform-Anstrengung sein, ist es aber nicht.

Die Verabschiedung dieser Steuerreform wird die langfristigen Aussichten für den Haushalt verschlechtern und so das geplante Haushaltsdefizit der Nation erhöhen. Diese fiskalische Verschlechterung wird die Fähigkeit der Regierung zur Finanzierung der sozialen Sicherheit und medizinischen Unterstützung ebenso vermindern wie Investitionen in Schulen, Gesundheit, Infrastruktur und Grundlagenforschung. Darüber hinaus werden die vorgeschlagenen Steuersenkungen den Unterschied in den Einkommen nach Steuer weiter erhöhen.

Ein Plan zur Konjunkturförderung sollte vielmehr auf sofortige, aber zeitlich begrenzte Erhöhung der Staatsausgaben und steuerliche Maßnahmen zur Erhöhung der Nachfrage setzen, und er sollte auch vertrauen auf sofortige, aber zeitlich begrenzte Investitionsanreize. Ein solcher Plan würde kurzfristig Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern, ohne die langfristigen Haushaltsprobleme zu verschärfen.

 

Gezeichnet u.a. von den Nobelpreisträgern für Ökonomie George Akerlof, Kenneth J. Arrow, Lawrence R. Klein, Daniel L. McFadden, Franco Modigliani, Paul A. Samuelson, Robert M. Solow, Joseph Stiglitz,  Douglass C. North und William F. Sharpe sowie von vielen anderen namhaften Ökonomen.


Der Mitunterzeichner der obigen Anzeige Joseph Stiglitz [11] und sein Koautor Peter Orszag schreiben über solche Steuerwirkungen z.B. in einem Aufsatz vom 6.11.2001:[12]
 

Wenn die Steuern z.B. um 1 $ erhöht werden, kann der Konsum um 90 Cent und das Sparen um 10 Cent abnehmen. Da aber diese Steuererhöhung den Konsum nicht um einen Dollar vermindert, ist ihre negative Wirkung auf die Wirtschaft kurzfristig gemildert. Einige Typen von Ausgabenkürzungen würden die Nachfrage in der Wirtschaft auf der Basis eins zu eins vermindern und wären daher schädlicher für die Wirtschaft als eine Steuererhöhung …

Im Bereich der Steuer- und Transferprogramme hängt die Wirkung auf die Wirtschaft vor allem von der Konsumneigung ab, also davon, wie viel von einem zusätzlich eingenommenen Dollar eher ausgegeben statt gespart wird von denen, die die Transferzahlungen erhalten oder diese Steuern zahlen. Je mehr die Steuererhöhungen oder Transferkürzungen auf Personen mit geringerer Konsumneigung konzentriert werden (also auf jene, die von jedem zusätzlich vereinnahmten Dollar weniger ausgeben und mehr sparen), umso weniger Schaden wird der geschwächten Wirtschaft zugefügt. Da Familien mit höheren Einkommen tendenziell eine geringere Konsumneigung haben als Familien mit geringerem Einkommen, liegt die unschädlichste kurzfristige Maßnahme in Steuererhöhungen, die auf Familien mit höheren Einkommen konzentriert sind. Die Verminderung von Transferzahlungen an Familien mit geringerem Einkommen schadet der Wirtschaft im allgemeinen mehr als Steuererhöhungen bei Familien mit höherem Einkommen, weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass Familien mit geringem Einkommen jegliches zusätzliche Einkommen ausgeben als bei Familien mit höherem Einkommen. Da die Empfänger von Transferzahlungen typischerweise praktisch ihr gesamtes Einkommen ausgeben, ist bei Transferkürzungen eine annähernd gleich große negative Wirkung zu erwarten wie bei einer Kürzung von Regierungsausgaben für Güter und Dienstleistungen.
 

Am stärksten wirkt also eine Arbeitsmarktinitiative durch Konsumförderung, wenn man die Schröpfung der schwächsten Haushaltseinkommen mit der höchsten Konsumquote zurücknimmt durch Erhöhung der Grundsicherung für Rentner und bei der meist unverschuldeten (bzw. Politik-verschuldeten) Arbeitslosigkeit. Dies wird von den neoliberalen Profiteure der Umverteilung nach oben selbst noch in der Finanzmarktkrise abgelehnt mit pauschalen Diffamierungen gegen die Arbeitslosen ("Aktivierung gerade der Problemgruppen") und brutalem Ignorieren der ausgeplünderten Kleinstrentner (so z.B. DIW-Chef Klaus Zimmermann, news.ad-hoc.com/ddp, 29.12.2008, der sich mit seinem Neoliberalismus schon gegen den ehemaligen DIW-Konjunkturchef Gustav Horn hervorgetan hat).

Auch die konjunkturpolitische Wirkung von weiteren „Steuersenkungen" mit „christlichen" und neoliberalen Tarifverläufen ist sehr begrenzt. Zehn Prozent der privaten Haushalte besitzen mehr als die Hälfte des gesamten privaten deutschen Volksvermögens (sh. hier Abschnitt_1b.htm und "Wohlstand für wenige", sueddeutsche.de, 21.1.2009, sowie den DIW-Wochenbericht 4/2009 vom 21.1.2009 mit einer Untersuchung für die Heinz-Böckler-Stiftung). Sie werden von den weitere Steuergeschenken nicht viel für den Konsum verwenden. Von den 47 Millionen Haushalten in Deutschland haben die Hälfte so wenig Einkommen, dass es unter dem Existenzminimum der Grundfreibeträge liegt (sh. "Hintergrund – Was bringen Steuersenkungen?", welt.de/dpa, 5.1.2009). Gerade diese Haushalte mit der höchsten Konsumquote haben also gar nichts von „Steuersenkungen". Am meisten profitiert davon die Best-"Verdiener"-Kundschaft der Neoliberalen, die den größten Teil ihrer Steuergeschenke ohnehin dem Konsumkreislauf entzieht. Zumindest dies würde vermieden durch eine teilweise Steuerfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.
 
Zur Finanzierung eignet sich am ehesten eine Rückkehr zu den Spitzensteuersätzen der Wirtschaftswunderjahre und eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze mit entsprechender Absenkung des Beitragssatzes. Hierfür und für die Transferleistungen gilt das erfolgreiche skandinavische Vorbild, z.B. mit Rentenleistungen von 120 Prozent für Geringverdiener, die in Deutschland - als sozialem Schlusslicht der Vergleichsstaaten - nur 40 Prozent ihres durchschnittlichen Lebenseinkommens erhalten (sh. "Brutto-Rentenniveau von Geringverdienern im internationalen Vergleich", Seite 2, dia-vorsorge.de, Stand OECD 2007).  Dies ist die „strikte Umsetzung des Prinzips von Leistung und Gegenleistung in der Grundsicherung" gemäß Forderung von Klaus Zimmermann (sh. oben), von dem insbesondere er für seine "Leistungen" profitiert. Hier steht also das „strikte" „Äquivalenz"-Prinzip der Neoliberalen gegen das Sozialstaatsprinzip der deutschen Verfassung - mit „Äquivalenz" der Rentenleistungen zu den Renten-Beitragsleistungen. Diese sind aber keineswegs äquivalent mit den persönlichen Leistungen der Dumping-Löhner zum Volkseinkommen, da z.B. Schwachsinn, Wählerbetrug und Absahnerei höher  „honoriert" wird als ehrliche Arbeit. - Ein anderes Beispiel ist die dänische Arbeitslosenversicherung mit 90 Prozent Leistung über vier Jahre vom letzten Einkommen (sh. Hermann Ribhegge: WS 07/08, wiwi.euv-frankfurt-o.de, besucht 31.12.2008), während in Deutschland in der Regel  schon nach einem Jahr Arbeitslosigkeit die jahrzehntelangen Ersparnisse aufgezehrt werden müssen, bevor das Umverteilungsopfer die monatlichen 351 Euro plus Sozialmiete erhält.

Hilfreich ist auch eine Senkung der Mehrwertsteuer, weil sie insbesondere den Gruppen mit der höchsten Konsumquote zugute kommt. Am verschlagensten ist die Forderung der „christ-sozialen" Best-"Verdiener" nach Senkung des Solidaritätszuschlages, weil sie am Umfang der Ost-Förderung nichts ändert, sondern vielmehr einer weiteren Senkung ihres Spitzensteuersatzes dient und weil damit - sogar noch in der Finanzmarktkrise - die Mittel für die obigen konsumwirksamen Maßnahmen verschwendet werden sollen.


Die Argumentation von Orszag und Stiglitz mit dem Nachfrageentzug von 10% steht klar im Gegensatz zur wissenschaftlich verbrämten Umverteilung nach oben in Deutschland und hat den  Vorteil, dass sie ohne die übliche Vernebelung auch für einen normalen Stimmbürger  problemlos nachvollziehbar ist.[13]

Sie gilt erst recht, wenn man die Senkung des Spitzensteuersatz für "Bestverdiener" und Einkommensmillionäre rückgängig macht, denn deren Steuerersparnis geht statistisch gesehen mit einer wesentlich höheren Quote in Finanzanlagen und Steuervermeidungsmodelle als bei den übrigen Einkommensbeziehern. Die neoliberalen Politiker und Propagandisten behaupten dagegen in den deutschen Medien, dass durch die Steuersenkung (für sie und die übrigen „Bestverdiener" bei gleichzeitigen Sozialkürzungen, also durch die dreiste Umverteilung des deutschen Volkseinkommens nach oben) die Binnennachfrage gestärkt würde.

Die Frage ist: Wie konnte es unter diesen Voraussetzungen beim konsumschwachen Waren-Exportweltmeister Deutschland überhaupt zu solchen Steuersenkungen für "Bestverdiener" kommen? Den  alles entscheidenden Gedanken von Orszag und Stiglitz findet man bei den deutschen Mainstream-Ökonomen und Meinungsmachern überhaupt nicht. Er wird von ihnen bei allem Redeschwall einfach aus skrupellosem Egoismus  krampfhaft unter der Decke gehalten. Die Ursache könnte in der Jahrhunderte oder Jahrtausende alten Tradition der System-Schranzen liegen, die in den USA noch nicht so ausgeprägt ist und hier auch eine völlig andere Einstellung zur Erbschaftsteuer begründet.

Statt dessen neigen also hier die Konformismus-Profiteure dazu, die Exportstärke kleinzureden mit dem richtigen Hinweis auf die zunehmenden Vorleistungen aus Niedriglohn- und Steuerdumpingländern (sh. BMWi-Jahreswirtschaftsbericht 2005 und SVR-Jahresgutachten 2004/05, S. 357, Ziffer 465 ff., mit dem interessanten Aspekt der „Basarökonomie"). Tatsächlich haben insbesondere kleinere Staaten wesentlich höhere Außenhandelsverflechtungen als Deutschland (sh. „Export- und Importquoten", wko.at, besucht 28.5.06, gefunden über www.wko.at > WIRTSCHAFTSSTANDORT > ZAHLEN, DATEN, FAKTEN > rechts: INTERNATIONALE DATEN > ÖSTERREICH IN DER EU ). Aber auch der aktuelle Überschuss Deutschlands beim Warenhandel ist für die Argumentation gegen die Umverteilung nach oben mehr als ausreichend. Die Produktionsverlagerung in kleinere Staaten führt allerdings gerade dort zu einem hohen Anteil der Industrieproduktion an ihrem Inlandsprodukt. Zum Beispiel lag er im Jahre 2004 in Deutschland bei 25%, im EU-Subventions-Paradies Irland aber schon bei 28,5% und in den Gewinnverschiebungs-"Oasen" Slowakei sowie  Tschechien bei 29,5% bzw. 31,5%; sh. „Wertschöpfung nach Sektoren", wko.at, besucht 23.4.06).

Als Profiteure des EU-subventionierten Steuerdumpings hatte Irland und die Slowakei an den deutschen Ausfuhren z.B. nur einen Anteil von jeweils etwa 1 Prozent (sh. "Konjunkturmotor Export", destatis.de, 30.5.2006, S. 22), aber zugleich einen maßgeblichen Einfluß auf das Steuerdumping in der gesamten EU. Von diesem kleinen Anteil an den Ausfuhren profitieren die deutschen Exporteure und Steuerflüchtlinge zum Nachteil der deutschen Arbeitnehmer, denn diese leiden vor allem unter der Umverteilung nach oben durch das Steuerdumping.


Die deutsche Exportstärke hat ihren Grund nicht zuletzt im Vertrauen auf das Logo „Made in Germany", insbesondere auf die Funktionsfähigkeit der unterschiedlichsten technischen Investitionsgüter, um Produktions-Stillstände usw. zu vermeiden. Demnach wäre es gerade hier nicht nur eine Frage des Preises, zumal eine Lohndrosselung eher die schwache Inlandsnachfrage mehr belastet, als sie das Exportvolumen erhöht und das Importvolumen vermindert (vgl. auch „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen", destatis.de
). Die Bewahrung des Logos setzt aber strengste Qualitätskontrolle voraus, besonders auch bei importierten Komponenten. Allerdings beginnt man, den guten Namen zu ruinieren, indem man in Deutschland nur noch eine Holding belässt, wie das z.B. im Fall von Grohe vorgeschlagen wurde (sh. „Der Fall Grohe liefert Zündstoff", faz.net, 27.5.05). Wenn nicht einmal die Endfertigung und damit die serienmäßige Endkontrolle einschließlich der Qualitätssicherung in Deutschland erfolgt, dann handelt es sich beim Aufdruck „Made in Germany" allerdings um Etikettenschwindel. Es wäre Wettbewerbsbetrug.

Wegen des Lohngefälles bis hin nach Ostasien wird seit Jahrzehnten schon zumindest die Fertigung von einfacheren bis komplexeren Konsumgütern immer mehr ins Ausland verlagert (sh. z.B. die unverdächtige Aussage des Vertriebspraktikers Gerhard F. Braun bei „Quergefragt",  SWR.de, 11.6.06), aber gerade deshalb benötigt das Ausland immer mehr hochspezialisierte Investitionsgüter aus Deutschland und aus anderen westeuropäischen Ländern, mit denen hier der Fertigungswettlauf um die einfacheren Konsumgüter aufrecht erhalten wird und der technologische Vorsprung noch gewahrt werden kann. Allerdings werden z.B. in China jetzt nicht nur absolut, sondern auch prozentual viel mehr Ingenieure ausgebildet als in Deutschland, was hier auch mit einem bedenklichen Wertewandel zu tun haben dürfte. Hinzu kommen noch die Studiengebühren der CDU-regierten Ländern, mit denen durch die angeblichen Hüter des Technologie-Standortes die potenziellen Technologie-Studenten abgeschreckt werden, damit die CDU-Ministerpräsidenten und ihre Mitprofiteure, auch von der FDP,  weiterhin ihre Steuergeschenke kassieren können. (Sh. "OECD-Bildungsbericht: Deutschland hinkt hinterher Mangel an Studienanfängern, Hochschulabsolventen und zu wenig Geld für die Bildung", scinexx.de, OECD, HRK, NPO, 10.9.2008.)

 
Das Logo „Made in Germany" ist also noch eine gewisse Bremse gegen die Abwanderung der exporttragenden Endproduktion in Niedriglohn- und Steuerdumping-Länder, egal ob ansonsten Kapital abwandert oder nicht. Es gibt weltweit mehr als genug Investitionskapital (sh. unten
Eine Welt voller Blasen). Hilfreicher wäre eine konjunkturgerechte Zinspolitik der Deutschen Bundesbank gewesen. Das gilt ab 2001 auch für die Europäische Zentralbank. Arbeitslose, Klein- und Normalverdiener, letztlich auch Kleinrentner,  hätten jedenfalls von einer solchen arbeitsplatzschaffenden Politik mehr als von einer Null-Inflation für ihre kaum vorhandenen Geld-Sparkonten.

Das Problem ist vor allem die fingierte Kapitalverlagerung und Gewinnverschiebung in die parasitären Steueroasen (sh. unten
). Es betrifft aber nicht unmittelbar die Produktion, sondern den ausgelaugten Staatshaushalt. Die Kapitalbesitzer werden jedoch dann auf solche Kapitalverlagerungen verzichten, wenn dadurch ihre ertragreichen Unternehmen in Deutschland gefährdet werden oder wenn das Steuerdumping unterbunden wird. Zum Thema Kapitalabwanderung darf man vor allem nicht auf irreführende Wahlpropaganda zur Umverteilung nach oben hereinfallen (sh. unten die FOCUS-Ente: „Das Kapital wandert ab").

Es gibt ihn hier gleichwohl, den Gedanken von Orszag und Stiglitz, selbst bei einigen wenigen Ökonomen, bei denen der Eigennutz des „Bestverdieners" nicht alles dominiert, und zwar in der klaren Formulierung von Heiner Flassbeck, der ihn sogar noch auf das wohlverstandene  Eigeninteresse der Unternehmer gründet (sh. seinen Artikel: „Steuersenkung - Ein Geschenk des Himmels?", WuM, 8/2003). Auch Albrecht Müller, Autor des Buchs „Die Reformlüge" und Mitverfasser der unentbehrlichen NachDenkSeiten, bezieht sich in einem taz-Interview vom 28.8.2004 bei seiner Kritik des Neoliberalismus ausdrücklich auf die „Pferdeäpfeltheorie" im Sinne von Galbraith (sh. hier "Rossäpfel-Theorie" und „Rossäpfeltheorie"). Ähnliche Gedanken verfolgt der herausragende Journalist und Buchautor Harald Schumann ("Die Globalisierungsfalle", sh. unten, und als Beispiel Schumanns eindrucksvolle Beschreibung der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben:Wer nicht richtig rechnet", tagesspiegel.de, 10.10.2004).

"Die Reformlüge" ist ein Zentralbegriff zur neoliberalen Umverteilung nach oben, denn dieser Titel kennzeichnet die Diskrepanzen zwischen der Realität, der veröffentlichten Meinung darüber und den manipulierten Wahrnehmungen der Wähler. Ansonsten reden aber auch als linksorientiert angesehene Ökonomen in Deutschland lieber über Schuldenprogramme als über den Abbau der Defizite durch Rückführung ihrer persönlichen Spitzensteuersätze auf das Niveau der Wirtschaftswunderjahre. Mit solchen verspäteten Rückführungs-Maßnahmen ließe sich eine gefährliche Durststrecke bis zu ihrer Wirksamkeit zwar nicht vermeiden, aber man sollte sich auch nicht beliebig lange über das selbst geforderte Maastricht-Defizit-Kriterium hinwegsetzen, zumal seine Einhaltung ohne diese Umverteilung nach oben überhaupt kein Problem gewesen wäre. Das gilt auch für andere EU-Länder, die sich dieser deutschen neoliberalen Umverteilungsorgie angeschlossen haben.

Unter „Neoliberalismus" (= „Neue Freiheitlichkeit") wird hier - jenseits aller historischen Beschönigungen - einfach nur die Politik und „Theorie" der Umverteilung nach oben verstanden, die daherkommt unter dem Deckmantel der persönlichen "Freiheit" als Bereicherungsfreiheit aus dem Volkseinkommen durch Ausplünderung und Versklavung anderer -, also die „Rossäpfel-Theorie" (sh. hier „Neoliberalismus" in der Einleitung bzw. unter http://www.rossaepfel-exkurse.de). Ross und viele Reiter sind damit hinlänglich benannt. Soweit überhaupt Namen genannt werden, dient das vor allem der Vorführung von typisierenden Musterbeispielen im System oder dem Aufzeigen von Lichtblicken. Man definiert also die Freiheit zur Aussaugung der Einkommensschwachen neu als „moderne" „Neo-Freiheit":
 

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hat den von Kanzlerin Angela Merkel geprägten Begriff von einer neuen Freiheit als „pervers" bezeichnet. Merkels Aufforderung, mehr Freiheit zu wagen, bedeute nichts anderes als die Freiheit von sozialer Gerechtigkeit, von Kündigungsschutz und Tarifverträgen, sagte Lafontaine auf dem Bundesparteitag der Linkspartei in Dresden.
 

Sh. web.de/dpa, 10.12.05. Aber sie versucht es nun erst einmal mit ihrem CDU-Motto: „Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit", also nicht nur „Neo-Freiheit", sondern auch "Neo-Gerechtigkeit", da man den Wählern trotz aller vorhergehenden Bemühungen der SPD-"Modernisierer" den Sinn für „soziale Gerechtigkeit"  noch nicht ganz austreiben konnte. (Sh. „CDU-Wähler gegen's Nationale", taz.de, 6.1.06, sowie „Gerechtigkeit durch Freiheit - Runderneuerung der CDU", n-tv.de, 7.1.06, und besonders Sönke Klages: „Was will die SPD heute unter sozialer Gerechtigkeit verstehen", spw.de, 4/2003, sowie Christoph Butterwegge: „Abschied von der Chancengleichheit - Wandlung des Gerechtigkeitsbegriffs: Wie der Neoliberalismus die sozialen Wertvorstellungen untergräbt", jungewelt.de, 21.11.05, wo aber der Begriff des Volkseinkommens, also z.B. seine leistungsfeindliche Primärverteilung zugunsten von bestbezahlter  Wählertäuschung, Klamauk, "Heuschrecken" und anderen derartigen "Leistungsträgern" die Argumentation noch verstärken könnte. Sh. auch das Lafontaine-Zitat: „Der Kapitalismus entfremdet nicht nur die Arbeit, er entfremdet vielmehr auch die Sprache und damit das Denken", Rede vom 14.1.06.) Welch weiter Weg zur „herrschaftsfreien Kommunikation" als ideales Kennzeichen der Demokratie bei Jürgen Habermas oder gar zu einer Art „Wohnen" und gemeinsamer „Heimat" in der Sprache bei Hans-Georg Gadamer! (Sh. auch William T. Borrie: Letting It Be: Heidegger, Leisure and Wilderness, Montana 1995).

Merkels Neo-Freiheits- und -Gerechtigkeitsphrasen klingen - wie die FDP-Blüte „NeoSozial" statt "asozial" (sh. nachdenkseiten.de) - ganz nach ihrer CDU-INSM-Parole "Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft" . Es erinnert halb zufällig an die Anzeigenkampagne des deutschnationalen Medienzars und Nazi-Wegbereiters Alfred Hugenberg im Februar 1932: „Sozial ist, wer Arbeit schafft" (sh. "Slogan aus Nazizeit", taz.de, 16.8.02). - Das Wort "Fremdarbeiter" wurde nicht nur von den Nazis gebraucht, sondern auch von den meisten Redaktionen und Organisationen, die eine enorme Hetzkampagne gegen Lafontaine an den Haaren herbeigezogen haben, weil er es auch gebraucht hat. Anders als beim plötzlich und heimtückisch tabuisierten Wort „Fremdarbeiter" mit seinen ständig schwankenden Bedeutungen (sh. hier Exkurs: „Fremdarbeiter"-Kampagne) verhält es sich schon mit einem Kampf-Slogan, möge er dienen zur Begründung der Naziherrschaft oder zur irreführenden Rechtfertigung der Umverteilung nach oben. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Stillstellungs-Slogan „Du bist Deutschland". Niemand von der neoliberale Hetzmeute gegen Lafontaine stört sich jedoch an solchen Slogans seiner Kumpanen. Willkommen ist alles, was der Umverteilung nach oben dient. Aber die Deutschen sind genug belogen worden.

Überhaupt - und abgesehen von den aktuellen Akteuren - sollte man nicht glauben, dass es Charaktere wie Hugenberg plötzlich nicht mehr gibt. Sie treten gezwungenermaßen nur anders auf mit zeitgemäßen Betrugszielen.

Der Hugenberg-Slogan  ist also nicht nur Eigenlob für Hugenberg und seine Komplizen, sondern auch für alle Arbeit-"Geber", ob mit oder ohne (soziales) Gewissen. In Falle der „Neo-Christen" bedeutet er Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung der Steuersenkungen für „Bestverdiener", das heißt in Wirklichkeit „Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben" (sh. Einleitung). Aber der Gott dieser "Christen" und Neokonservativen aller Länder ist weder "modernisiert", noch „liberalisiert" noch auf „Neo" getrimmt und kann nicht verantwortlich gemacht werden für ihren Missbrauch der „verliehenen" Freiheit zur Bewährung - ebensowenig wie Allah oder Jahwe für Missbräuche seiner Gläubigen. (Auch Naturreligionen werden von ihren Verwaltern instrumentalisiert, um Gläubige und Ungläubige zu übervorteilen und auszuplündern, z.B. durch die von Nationalisten gehüteten japanischen Kriegsgräuel im Zweiten Weltkrieg unter Hirohito als quasi Gott-Kaiser des  Schintoismus - sh. den TV-Film „Majestät!", phoenix.de,  20.12.06). Ein besonders augenfälliges Beispiel ist auch das Kastenwesen im Hinduismus.) Dabei ist das Christentum - zumindest nach seinem Ursprung - keine Religion der Eroberung und Ausbeutung, sondern die Religion der Bergpredigt.

Dass der Feldzug gegen die Konservativen trotz deren Meinungsmacht nicht erfolglos bleiben muss, haben z.B. Rüdiger Nehberg und Annette Weber gezeigt mit ihrer großartigen Aktion gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen (sh. DIE SACHE – FELDZUG GEGEN EIN TABU, arte.tv, 10.2.07).


Nach dem Projekt Weltethos des Theologen Hans Küng enthalten alle großen Weltreligionen als Kernbestandteil die „Goldene Regel", etwa nach dem deutschen Sprichwort: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andern zu".  Echte Religiosität kann sich demnach nicht in Kult, Mystizismus oder billiger persönlicher Jenseitsvorsorge erschöpfen. Sie muss vor allem gegen ihre Schänder vorgehen, die die religiösen Werte zur Umverteilung nach oben umfunktionieren und missbrauchen.
Für die Einsichtsfähigkeit der Täter und ihrer Unterstützer hierzulande wäre es jedenfalls sehr hilfreich, wenn sie einmal einige Jahre mit dem gleichen Geld auskommen müssten wie die Hartz-IV-Opfer ihrer Umverteilung nach oben (sh. hier das anekdotische Beispiel vom abgestürzten Minister unter Hartz-IV.htm).

Die Sprach- und Begriffsverdrehung der Neoliberalen hat jedenfalls Methode. Dazu Oskar Lafontaine in dem oben zitierten STERN-Interview vom 17.1.06:
 

In die Politik sei er zurückgekehrt, so Lafontaine zum stern, weil sich Deutschland in einem "Kulturkampf" befinde und er sich in „diesen neuartigen Klassenkampf" einmischen wolle. Den anderen Parteien wirft er vor, sich von der Wirtschaft treiben zu lassen, und dass die politische Sprache „durch und durch korrumpiert" sei. Der „Sprachschatz der neoliberalen Kaste" kaschiere den „Verfassungsbruch". Es sei ein "moralischer Imperativ, sich gegen diese neoliberale Walze zu wehren".
 

Eine Vorreiterin bei der Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der "Bestverdiener" ist Angela Merkel mit ihrem  "Visionär" Paul Kirchhof (Mehrwertsteuererhöhung bei Senkung des Spitzensteuersatzes auf 25% - sh. oben - und Protektion des EU-Steuerdumpings für diese Ziele). Um ihre Umverteilung nach oben zu propagieren, schwang Merkel schon lange vor der Bundestagswahl 2005 ungeniert die Neidkeule:
 

CDU-Chefin Angela Merkel hat die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nach einer EU-weiten Mindeststeuer scharf zurückgewiesen. Solche Initiativen seien ‚nicht zielführend’ und schürten ‚falsche Neid-Diskussionen’, sagte Merkel bei einem Besuch in der Slowakei am vergangenen Donnerstag. Wenn ein Land sich entscheide, die Einkommensteuer zu senken und dafür die indirekten Steuern wie die Mehrwertsteuer zu erhöhen, sei dies legitim. ‚Was wir nicht tun sollten, ist, an diesen Steuersystemen herumzumäkeln’, sagte Merkel.


"CDU-Chefin Merkel gegen CSU-Initiative für EU-weite Mindeststeuer", DER SPIEGEL 17/2004, 17.4.2004, und „Merkels K-Frage: ‚Falsche Neid-Diskussionen’", SPIEGEL ONLINE,  18.4.2004, gegen Gebühr.

Das neoliberale Steuerflucht- und EU-Subventions-Paradies Slowakei ist allerdings ein mustergültiger Mikrokosmos für die „christliche" Umverteilung nach oben: Pünktlich zum EU-Beitritt hat das Bündnis des slowakischen „Christendemokraten" Mikolas Dzurinda mit seinen konservativen Koalitionspartnern einen Einheitssteuersatz von 19% für Arm und Reich eingeführt (Einkommensteuer-Höchstsatz halbiert, Körperschaftsteuer von 35% bzw. 25% auf 19% gesenkt, Mehrwertsteuer schrittweise von minimal 10% auf 19% für alle Güter erhöht, Erbschaftsteuer und Grundsteuer ganz abgeschafft; sh. „Bratislava boomt – Roma revoltieren", nd-online.de, 28.4.04, und „Bratislava – Parlament billigt Flat Tax und Rentenumbau", tagesschau.de, 1.1.2004). Damit haben die profitierenden "Volksvertreter" eine Zweiteilung in Gewinner und Verlierer geschaffen, die ganz nach dem Geschmack ihrer deutschen Bewunderer ist. Bei den Neuwahlen am  17.6.06 haben zwar Dzurindas Zyniker viele Stimmen verloren. Aber dank ausgezeichneter Wählertäuschung haben die sozialdemokratischen Neoliberalismus-Kritiker  von Robert Fico nicht genug hinzugewonnen, um den Raubtier-Spuk zu beenden (sh. „Regierungsbildung in einem gespaltenen Land", tagesschau.de, 18.6.06).

Diese „christliche" Umverteilung nach oben wurde zum 1.1.2007 noch überboten mit einem Einheits-Steuersatz von 16 Prozent durch die neoliberalen Korruptions-Vorreiter in der rumänischen Regierung. Die Neoliberalen in Deutschland müssten vor Neid erblassen. Ein deutscher Unternehmer ist ehrlich und freut sich – stellvertretend für viele andere:
 

Das ist mehr oder weniger einfach so wie bei Kirchhof, diese Flat-Rate-Tax. Nur, dass die nicht wie bei Kirchhoff 25 Prozent ist, sondern 16 Prozent. Das heißt: Alle zahlen 16 Prozent Einkommenssteuer. Und das ist natürlich ein riesiger Unterschied zu den 46, 47 Prozent, die man in Deutschland als Personengesellschaft hat.
 

(Sh. „Nicht nur Walachei – Rumänien und das Interesse der Investoren", dlf.de, 29.10.06. Sh. dagegen „Rumänien vor dem EU-Beitritt: Korruption auf allen Ebenen", dw-world.de, 20.12.06, zur „Korruption" im Kleinen am Beispiel der 10 bis 15 Euro für einen Krankenhaus-Chirurgen. Mit seinen 300 bis 400 Euro Monatsverdienst kann er seine Familie nicht ernähren, weil das rumänischen Volkseinkommen in die Taschen der rumänischen und westeuropäischen Großprofiteure umgeleitet wird. Die meisten Rumänen verdienen weniger als 150 Euro monatlich (ebd.). Viele betreiben noch etwas Gartenbau und Kleintierhaltung.)



Seit dem Ausscheiden Lafontaines aus der pinkgrünlichen Koalition war die Rossäpfel-Theorie auch Grundlage für deren Politik (Genaueres siehe hier weiter unten). Es ist die Politik und „Theorie" des Egoismus für die verantwortlichen Profiteure anstelle des (sozialen) Gewissens. - In Artikel 38 Grundgesetz heißt es:
 

Die Abgeordneten ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich.
 

Was ist also mit „Volksvertretern" ohne dieses Gewissen, die bei Regierungsantritt schwören, dass sie "Gerechtigkeit gegen jeden üben" werden, „so wahr mir Gott helfe"?

Die Argumentation von Orszag, Stiglitz, Flassbeck und Müller gilt entsprechend, wenn man in den Begriff der "Steuern" die "sonstigen Abgaben" einschließt (insbesondere Sozialabgaben = engl. „Social Security taxes"), wie Stiglitz das auch in seinem Standardwerk zur Steuerwirkungslehre tut[14] und wie das in OECD-Statistiken und anderen internationalen Vergleichen geschieht.[15] Dafür wird hier der umfassendere Begriff  Abgaben (= „taxes") verwendet. Auf die Grundgedanken zu dem  einen Dollar wird keiner der Autoren das Urheberrecht beanspruchen, weil jeder Laie darauf kommen kann, wenn er sich nicht durch die ständige Propaganda und Ablenkungsversuche der Expertenrunden verwirren lässt.

Das gilt auch für das manchmal so genannte  „Laffer-Theorem" der Reaganomics (sh. Laffer-Kurve oder besser Laffer curve mit der Quellenangabe von Arthur B. Laffers eigenem Artikel: "The Laffer Curve..."), wonach das Steueraufkommen bei Steuersätzen von 0% und 100% trivialerweise wieder auf Null fällt und der willkürlich angenommene Verlauf der Funktion im relevanten Bereich je nach gewünschter Steuersenkung als angebliche „Selbstfinanzierungseffekt" propagiert wird. Nicht selten sind Länder mit viel höherer Steuer- und Abgabenquote als Deutschland wesentlich erfolgreicher bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ob unsere neoliberalen Politiker, Meinungsmacher, DAX-Manager und sonstige "Bestverdiener" für ihre Einkommensspitzen scheinbare 53% oder 42% oder 35% Einkommensteuer bezahlen, wird jedenfalls kaum ihren Eifer bei der Selbstbedienung beeinflussen oder etwas daran ändern, ob sie versuchen, ihren Wohnsitz in parasitäre und/oder EU-subventionierte Steuer-"Oasen" innerhalb und außerhalb der EU zu verlegen oder ihre Steuer-Bemessungsgrundlagen nach unten zu manipulieren mit getricksten Bauherrenmodellen,  Ramschfilm-Förderung,  Steuerfreiheit von großen Veräußerungsgewinnen und sonstigen staatlich angebotenen Steuervermeidungsmodellen.

Immer wieder wurde angekündigt, solche Steuerschlupflöcher zu schließen und die manipulative Verarmung von Einkommensmillionären auf Sozialhilfeniveau zu beenden, um ihnen so wieder zu einem ordentlichen Auskommen - auch auf dem Papier - zu verhelfen. Wenn man ihnen nun auch noch Steuergeschenke von jährlich mehr als 110.000 Euro pro Einkommensmillion oder mehr gewährt oder ihre Spitzensteuersätze noch weiter senken will, um sie für eine erzwungene Steuerehrlichkeit zu entschädigen, ist das eine arge Provokation gegenüber den Produzenten des deutschen Volkseinkommens. Auch weiterhin will man die Steuergeschenke für Best-"Verdiener" nicht antasten und offenbar mit den „Steuervereinfachungen" nicht die Steuerfreiheit der Wertzuwächse beseitigen oder die Absetzbarkeit der Zinsen zu ihrer Finanzierung beenden, sondern man will auf das Lamento der Abschreibungskünstler und Couponabschneider über den möglichen Verlust ihrer Privilegien hören und lediglich bei den kleinen Leuten abkassieren. Nur sie sollen von dem „Abbau der Steuervergünstigungen" oder der angeblichen „Subventionen" betroffen sein  durch Streichung der Eigenheimzulage, Kürzung der Kilometeranrechnung für den Weg zur Arbeitsstelle (Pendlerpauschale) als Werbungskosten usw. Bei allen Lippenbekenntnissen interessiert es die Profiteure offenbar überhaupt nicht, dass dadurch die Konjunktur noch weiter abgewürgt wird.

Die vorgetäuschte Bereinigung laviert sich auch um die Lobbyisten im Gesundheitswesen herum. Sie haben für die politische Landschaftspflege bei der Umverteilung nach oben eine hervorragende Bedeutung - ebenso wie die Manipulation der Ärzte zugunsten der teuersten Scheininnovations-Medikamente. Der Lohn sind die einzigartigen Umsatzrenditen der Pharma-Industrie von 25% auf Kosten der Beitragssätze ("Nimm 2, zahl 1 - die Praktiken der Pharmaindustrie", derstandard.at, 29.07.05). Auch hier zeigt sich, dass es nicht nur um Steuer- und Abgabensätze geht, sondern ganz besonders auch um gesetzliche Möglichkeiten zur ungerechtfertigten Bereicherung, die auch bei Rückkehr zu den Steuer- und Abgabesätzen der Nachkriegs-"Wirtschaftswunder"-Jahre noch eine große Lücke offen ließen.

Der norwegische Nobelpreisträger Trygve Magnus Haavelmo und kurz vor ihm der deutsche Ökonom Erich Schneider  haben den Ein-Dollar-Effekt  bereits in den Jahren 1945 und 1943 beschrieben (sh. Haavelmo-Theorem, vgl. auch Wilhelm Lorenz: makroo.de~Staatsausgabenmultiplikator, Stand 8.5.07, und die leicht verständlichen Erläuterungen zum Expansionseffekt von Transferzahlungen unter top.gymivorbereitung.ch, Stand 15.5.2007). Es geht um die konjunkturfördernde Wirkung von Einkommensteuererhöhungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Staatsausgaben um den gleichen Betrag. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass der positive Effekt nach den Beschreibungen von Orszag und Stiglitz sowie nach der Begründung von Haavelmo und Schneider nur bei Steuererhöhungen für die oberen Einkommensgruppen eintritt. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (nach der CDU-Forderung) sowie der Sozialabgaben für die unteren Gruppen würgen die Konjunktur nur noch weiter ab. Außerdem führt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu zusätzlichen Preiserhöhungen und verstärkt so die Tendenz der Europäischen Zentralbank zu Zinserhöhungen, also zu weiterer Konjunkturdrosselung.
 

Die Schönrederei der neoliberalen Koalitionäre beruft sich mit großem Medienecho auf den Konsumklimaindex der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Er zeigte gleich nach der Ankündigung der Mehrwertsteuererhöhung Ende 2005  vorübergehend ein deutlich verbessertes „Konsumklima" an, vor allem als Endspurt aufgrund der gestiegenen „Konsum- und Anschaffungsneigung" zu vorgezogenen Kaufentscheidungen (sh. hier Konsumklima-Index.htm). Im zweiten Quartal 2008 erreichte er dann aber ein Fünf-Jahres-Tief (sh. "Konjunktur: Verbraucher sparen aus Angst – Die Stimmung wird immer schlechter", abendblatt.de, 27.8.2008) durch die heftigen Auswirkungen der Umverteilung nach oben - trotz kurzer Anstoßwirkung durch die boomenden Weltkonjunktur und trotz Schaffung vieler zusätzlicher prekärer Billigjobs.


Die Tendenz zur Vernichtung von ordentlichen Arbeitsplätzen wurde übermächtig, als die Umverteilung nach oben nicht nur über die Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgen sollte, sondern als damit nach Unions-Plänen von Friedrich Merz ursprünglich auch noch eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes von 42% auf 36% verbunden war. Der Unions-Wunschkandidat für das Amt des Bundesfinanzministers, Paul Kirchhof, propagierte sogar eine Absenkung des Spitzensteuersatzes auf  einen Einheitssteuersatz von 25%!  Nicht ohne Grund wurden Friedrich Merz und Paul Kirchhof von der industriefinanzierten INSM (sh. unten) in Verbindung mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu „Reformern des Jahres" 2003 und 2004 gekürt.

Genau diese Propaganda zur Umverteilung nach oben begründet den Hauptvorwurf gegen die INSM. Es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn sie mit fairen Mitteln die Interessen der Arbeitsplatzbeschaffer vertreten. Aber dann dürften sie die Spitzensteuersätze nicht senken, sondern müssten sie erhöhen, z.B. auf skandinavisches Niveau zur Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge. So aber verraten sie auch die Interessen der Arbeitsplatzbeschaffer und nützen nur den Interessen der bestbezahlten Verbands-Ideologen, der sonstigen Meinungsmacher, Politiker und der Couponabschneider. Für die "Volksvertreter" und ihre Parteien ist es jedoch unverzeihlich, wenn sie nicht die Interessen des Volkes sondern nur ihre eigenen und die jener Lobbyisten vertreten.

Die gewaltige Umverteilung wurde dadurch eingeschränkt, dass die CDU nicht zusammen mit der FDP regieren konnte. Statt dessen musste sie mit der rechtsgewendeten SPD koalieren, die durch das Aufkommen der Linkspartei geschwächt war. Als Alibi verabschiedete die schwarz-rotgesprenkelte Koalition ein Programm  von 25 Milliarden Euro, die aber auf vier Jahre verteilt sind. Das ist also lediglich etwa ein Viertel der Mehrwertsteuererhöhung. Auch wenn man von den jährlichen 60 Milliarden Euro absieht, von denen ein großer Teil seit der pinkgrünlichen Steuerreform jährlich mehr oder weniger nach oben umverteilt wird  (sh. unten), handelt es sich insgesamt lediglich um eine weitere „Konjunkturbremse" (sh. „Die Alternativen auf dem Tisch der Linken", nd-online.de, 10.1.06, sowie Peter Hohlfeld / Gustav Horn: IMK-"Report Nr. 5/2005", über boeckler.de, und Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Leipzig (IEW) mit seiner Untersuchung von Ullrich Heilemann et al.: „KONJUNKTURVORBEHALT! ZU DEN GESAMTWIRTSCHAFTLICHEN WIRKUNGEN DES HAUSHALTSPOLITISCHEN PROGRAMMS...", sh. innovations-report.de, 12.1.06).

Für den Verzicht der CDU auf die weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes um 3 Prozentpunkte und für die lächerliche „Reichensteuer" (sh. unten) von 3 Prozentpunkten hat sich die SPD bei den Koalitionsverhandlungen - kurz gesagt - die arbeitsplatzvernichtende Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte abhandeln lassen (vgl. das Interview von Andrea Nahles (SPD)  im Deutschlandfunk unter dradio.de, 15.11.05, 7:19 h und „Bodo Ramelow: Reichensteuer ist ein Gerechtigkeits-Placebo", presseportal.de, 7.11.05, sowie den Koalitionsvertrag vom 11.11.05 mit dem schönfärberischen Titel „Gemeinsam für Deutschland - mit Mut und Menschlichkeit", gut platziert unter cducsu.de). Aber abgesehen von der Meinungsmanipulation hat in einer Demokratie jedes Volk die Regierung, die es verdient. Das haarsträubende Ergebnis wird ihm präsentiert im Koalitionsvertrag zwischen den rotmaskierten "Modernisierern" und den neoschwarzen Feudalstaatsnostalgikern. Sie würden als Führungscliquen am meisten profitieren von einer Einkommensverteilung wie in Drittweltländern mit entsprechenden Arbeitslosenquoten und Hungerlöhnen.


Falls die Bevölkerung die tatsächliche Stoßrichtung irgendwann erkennt und gegen alle deutschen Gewohnheiten einmal heftig protestieren sollte, können selbst feudalkapitalistische Repressionsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden (sh. Dietmar Henning: Koalitionsvertrag der Regierung Merkel - Kriegserklärung an die Bevölkerung
, wsws.org, 15.11.2005). Wie der später gut etablierte Martin Luther zugunsten der Feudalherren gegen das rebellierende ausgepresste "Bauernpack" wortgewaltig gewettert und die Tatsachen mit heiligem Ernst im Sinne des weltlichen Schmarotzertums verdreht hat (sh. Hubertus Mynerek: Die neue Inquisition), so verträgt sich die soziale Kälte anscheinend nicht nur mit dem Mainstream des westdeutschen „Christentums", sondern auch des ostdeutschen „Protestantismus". Bei dem eigentlich sehr charakterstarken Martin Luther liefern diese dramatischen Hetztiraden und sein Antisemitismus bezeichnende Beispiele für die weitgehende Mainstream-Treue - damals wie heute (Ausbeutungsherrschaft von Gottes Gnaden, Verfluchung derjenigen, die sich ihr und seinem religiösen Bekehrungswahn nicht beugen: „Die Juden erschienen Luther nun als ein Volk, das willentlich Gottes Liebe verschmähte", aus shoa.de, unter uncg.edu, aber auch als ein Volk, das sich der mit Luther etablierten Staatsreligion nicht unterwarf, sh. ursulahomann.de, und deshalb die korrumpierte „christliche Nächstenliebe" zu spüren bekam).

Luthers Schrift  „Von der Freiheit eines Christenmenschen" bietet nur „Worte, die da stracks wider einander sind ... von der Freiheit und Dienstbarkeit" (ebenda). Sie gewährt nur die Freiheit, sich seiner Bibelauslegung und der weltlichen „Dienstbarkeit" gläubig zu fügen (sh. Wikipedia: Ständeordnung, 9.1.06). Auch ansonsten war der „christliche" Mainstream stets für die Unterstützung jeglicher Repression zu haben - gegen die geistige wie soziale Emanzipation und für die parasitäre Rechte, frei nach dem missdeuteten Motto (sh. bibel-online.net):
 

Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
 

Verständlich wird dies eher durch den Vergleich mit dem Kamel und dem Nadelöhr oder durch den Satz: „Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt" (ebd.).

Minister und bestimmende Propagandisten behalten also voll ihre schwarzpinkgrünlichen Steuergeschenke von mehr als zehn- oder zwanzigtausend Euro jährlich. Lediglich auf Einkommens-Teile über 250.000 Euro für Alleinstehende und 500.000 Euro für Verheiratete sind die drei Prozent ab 2007 zu zahlen (sh. Koalitionsvertrag, a.a.O., Zeile 3361).

Ursprünglich wollte die CDU  aus dem mittelfristig anvisierten Einheits- und Spitzensteuersatz von 25 Prozent ihrer Kahlschlags-"Visionäre"  auch noch die Milliarden von staatlichen Sozialzuschüssen zu ihrer "Gesundheitsprämie" (= „Kopfprämie")  finanzieren - wahrscheinlich (und auch ohne Kirchhof) durch weiteren Rentenklau
und weitere Umverteilung nach oben.

Der letzte Trick war die Einbeziehung der Ein-Euro-Jobs in die Berechnungsgrundlage für die Rentenanpassungen, was an sich schon zu effektiven Rentenkürzungen hätte führen müssen. Dies wurde vom Sozialverband Deutschlands allerdings noch als ein korrekturbedürftiger „handwerklicher Fehler" verharmlost (sh. SoVD: „Der Nachholfaktor ist verfassungsrechtlich bedenklich", presseportal.de, 19.1.06). Die neoliberalen Politiker ließen sich jedoch von den neoliberalen Meinungsmachern dafür bejubeln, dass sie diesen Rentenklau durch ein Gesetz ausschließen wollten. Doch der Rentenklau ist ohnehin verfassungswidrig und findet längst statt, sowohl als Renditeklau wie auch - preisbereinigt - als Substanzklau ("verfassungsrechtlich bedenklich", sh. auch hier unter Rentenklau). Dazu Rentenexperte Bernd Raffelhüschen im Interview mit dem SPIEGEL (spiegel.de, 2.2.06):
 

Es wird ein Gesetz gegen Rentenkürzungen nomineller Art kommen, aber dieses Gesetz braucht man eigentlich gar nicht. Denn solche Rentenkürzungen sind schon aus verfassungsrechtlicher Sicht sehr heikel.
 

Bejubelt werden solche Wohltäter der Nation als "Realpolitiker" von neoliberaler Seite außerdem dafür, dass sie den Rentenklau später durch Unterlassung der gesetzlichen Rentenanpassungen nachholen wollen. Damit würden auch die letzten Renditen aus den mühsam verdienten Anwartschaften der Rentner enteignet. Aber es wird so zumindest nicht gleich augenfällig, dass auch der nachgeholte Rentenklau verfassungswidrig ist. Der Schein soll gewahrt bleiben, weil die Opfer sonst auf die Idee kommen könnten, dass für die großen Profiteure der Umverteilung nach oben deren privatisierter und zumeist unverdienter Teil aus dem Volkseinkommen nicht mehr als geheiligtes Privateigentum anzusehen wäre. Alarmierend sind solche Tricks vor allem deshalb, weil jetzt und in Zukunft auch noch andere Rentenmanipulation anstehen - mit ähnlichen Beschäftigungsformen - nicht zuletzt als Folge der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.

Paul Kirchhof ist immerhin auch Preisträger des arbeitgeberfinanzierten Netzwerks „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (sh. auch „INSM
" gegen Ende von Abschnitt 1) und der neoliberalen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.  (Zur Preisverleihung siehe die Website mit dem ebenfalls wohlklingenden aber ebenso irreführenden Namen chancenfueralle.de.) Das „bestechend Einfache" an der „Vision" dieses hochgelobten Steuer- und Verfassungsjuristen  mit wirtschaftspolitischer Nachhilfe durch die Lobby der Arbeitgeberverbände liegt vor allem darin, dass nur die erhöhten Grundfreibeträge steuerfrei bleiben, von denen die „Bestverdiener" durch die Senkung ihres Spitzensteuersatzes am meisten profitieren. Dagegen sollen insbesondere die Eigenheimzulage, die Steuerfreiheit von Nacht- und Schichtzuschlägen, Kilometerpauschalen  sowie von sämtlichen Arbeitnehmervergünstigungen und ähnliche „Subventionen" abgeschafft werden. Auch wenn man im Hinblick auf die Konjunkturwirkungen über die Verteilung der Lasten zwischen Normalverdienern und Einkommensschwachen diskutieren kann,  laufen all diese Umverteilungs-"Visionen"  hinaus auf Steuersenkungen für „Bestverdiener" zu Lasten der Normalverdiener und Einkommensschwachen sowie des Konsums und der Arbeitsplätze.


Die gemeinsame Logik der Aussagen von Orszag, Stiglitz, Haavelmo und Schneider soll hier einmal wie folgt ausgedrückt werden: Das umverteilte und privatisierte Volkseinkommen aus den Steuersenkungen für "Bestverdiener" fließt zum Großteil weder als Nachfrage für Konsum noch als echte Investitionen oder Staatsausgaben in den deutschen Wirtschaftskreislauf zurück. Es wird also dem Kreislauf entzogen. Diese Schwächung der Nachfrage kann sich naturgemäß dramatisch auf den Arbeitsmarkt auswirken.

Eine ganz ähnliche Argumentation von George Akerlof zur Umverteilung nach oben kann man nachlesen bei Spiegel-Online vom 29.7.03.[16] Akerlof, Stiglitz und A. Michael Spence erhielten im Jahre 2001 den Nobelpreis für ihre Analyse der "Märkte mit unsymmetrischer Information".[17] Die Auswirkungen solcher Informationsdefizite und Desinformationsmechanismen kann man z.B. auch am Meinungsmarkt in Deutschland und an der daraus resultierenden Umverteilung studieren.[18]

Solche Verdummungen wie die zugehörige „Theorie" werden - nach dem ewigen Muster des Zweckbündnisses zwischen weltlichen und dominierenden geistlichen Profiteuren - von den neoliberalen Meinungsmachern und ihren Sachverständigen produziert - als Hohen Voodoo-Priestern oder Medizinmännern der Umverteilung nach oben. Ihre Ideologien werden und stufenweise nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit und der „stillen Post" den Verteilungsinteressen der Nachbeter angepasst.[19] Diese kapieren zwar nicht viel, aber in den Etagen der Nutznießer doch anscheinend fast alles, was sie zu ihrem Vorteil als Scheinargumente brauchen können.

Die starke Korrelation zwischen privatem Konsum und Entwicklung der Beschäftigung zeigt sich auch in einer Untersuchung von Peter Bofinger zur Entwicklung dieser Größen von 1993 bis 1998 und von 1999 bis 2003 in ausgewählten OECD-Ländern. In dem späteren Zeitraum war sie mit dem Korrelationskoeffizienten r = 0,680 deutlich größer als die Korrelation zwischen Beschäftigungsentwicklung und Gesamtinvestitionen mit r = 0,511.[20] Allerdings war in den fünf Jahren davor der Einfluss des privaten Verbrauchs mit dem Quotientwert r = 0,877 und vor allem der Investitionen mit r = 0,840 noch wesentlich stärker. Diese Entwicklung wird u.a. an den fortschreitenden Rationalisierungsinvestitionen liegen[21] und an den Verlagerungen von personal- bzw. lohnintensiven Produktionen in Niedriglohnländer, womit im Idealfall auch Arbeitsplätze in Westeuropa erhalten oder geschaffen werden können. Sicher spielte für die Standortverlagerung auch die echte oder frisierte Verlagerung der steuerpflichtigen Konzerngewinne auf Kosten der Allgemeinheit eine Rolle – noch bevor sich das EU-subventionierte Steuerdumping[22]  und sonstiger Steuer-Parasitismus zugunsten der Konzerne und „Bestverdiener" verstärkt auswirkte.[23]

Weit über die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen gehen nach wie vor in Hochlohnländer mit entsprechender Massenkaufkraft (sh. "Ausländische Direktinvestitionen (ADI) pro Jahr", bpb.de, 2006). Andere Länder und Kontinente mit viel größerer Bevölkerungszahl wie Indien, China, Lateinamerika oder gar Afrika werden für Investoren vor allem erst in dem Maße interessant, wie dort die Konsumkraft der breiten Bevölkerung wächst und das Volkseinkommen nicht durch Parasiten abgeschöpft wird.

In Deutschland hängt zwar jeder fünfte Arbeitsplatz vom Export ab (sh. „Konjunkturmotor Export
", destatis.de, 30.5.2006, S. 7), aber die deutschen Ausfuhren gehen zu etwa zwei Dritteln in die EU (sh. ebd., S. 37). Die Globalisierung des Handels ist also nicht zu verwechseln mit der Globalisierung der Spekulation. Deren rasant steigender Umsatz hat schon im Jahre 2005 - allein durch die hochspekulativen Derivate mit 1400 Billionen Dollar - mehr als das Dreißigfache der weltweiten Wirtschaftsleistung (BIP) von etwa 40 Billionen Dollar erreicht (sh. memo.uni-bremen.de, S. 10, und bpb.de, 2006). Würde man diese staatlich geförderten parasitären Aktivitäten angemessen besteuern (Tobin-Steuer usw.) und dadurch auf die vertretbaren Kurssicherungsgeschäfte früherer Jahrzehnte zurückführen, dann könnte man mit den Steuereinnahmen sofort die Armutsprobleme der Welt lösen und die globalen Kurssicherer dazu ihren Beitrag leisten lassen. Statt dessen riskieren die wirtschaftsliberalen Extremisten in Politik, Medien, Industrieverbänden, "Forschungsinstituten" usw., dass sie Milliarden Menschen durch einen Finanzkollaps ins Elend stürzen – mit unabsehbaren politischen Folgen, nur um ihr Goldenes Kalb und ihre Profite zu sichern im Namen ihrer scheinliberalen „Freiheit" auf Kosten der existentiellen Freiheit von Milliarden anderen.


Die Untersuchungsergebnisse von Peter Bofinger widersprechen vor allem denjenigen neoliberalen Meinungsmachern, die auch heute noch ständig ihre Einkommensteuersenkungen fordern für die vorgeschobenen „Investoren"[24] - zu Lasten der Konsumenten mit hoher Konsumquote. Mit dieser eigennützigen Hortung des Volkseinkommens und -vermögens an der Spitze betreiben sie weitere Konsumdrosselung. Den tatsächlichen Investoren könnte man durch Finanzierung von "Lohnzusatzkosten" mit den früheren Spitzensteuersätzen und durch  Senkung der Mehrwertsteuer im konsumnahen Bereich zur Einschränkung der Schwarzarbeit viel besser helfen.

Statt dessen fördert man mit der dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung die Schwarzarbeit, zu der die geschröpften Klein- und Normalverdiener Zuflucht nehmen müssen. Dazu heißt es zum Beispiel in der Offenbach-Post online vom 27.10.06:
 

"Schwarzarbeit nimmt um 5 Milliarden zu"

Wissenschaftler: Mehrwertsteuererhöhung ist größtes Programm zur Förderung der Schattenwirtschaft in der Geschichte

Hamburg/Linz (dpa) - Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist nach Einschätzung eines Wirtschaftswissenschaftlers „das größte Schwarzarbeitsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik". Der Umfang der Schattenwirtschaft werde dadurch im kommenden Jahr um bis zu fünf Milliarden Euro zunehmen, sagte Friedrich Schneider, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Linz in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa...
 

Die neoliberale Meinungsproduktion für den inländischen Medien-Konsum läuft auf Hochtouren, aber beim Meinungs-Export haben auf diesem Gebiet die Bushs in den USA und ihre neoliberalen Nachahmer den größten Erfolg.

Selbst unter den neuen US-Multimilliardären gibt es einige mit genug Charakter, um gegen die Senkung ihrer persönlichen Steuern zu Lasten der „working poor"[25] zu protestieren. In ihrem Fall geht es auch um die Dividendensteuer, von deren Abschaffung sie selbst als Großaktionäre am meisten profitieren sollten. Der Investment-Guru Warren Buffett  gibt ein Beispiel, wonach er allein durch die vorläufige Abschaffung der Dividenden-Steuer seine persönlichen Steuern für einige hundert Millionen Dollar im Jahr einsparen könnte - auf Kosten seiner Empfangsdamen und der übrigen Einkommensschwachen.[26] Der Wert seiner Börsenbeteiligungen ist im Jahr 2003, dem Jahr des Zitats, von 30,5 auf 42,9 Mrd. $ gestiegen.[27]

Man hört von Warren Buffett auch immer wieder das Zitat: "Es herrscht ein Klassenkampf, und meine Klasse gewinnt". Ohne Kritik an den Zitatverwendern, aber zur Klarstellung sei hier auf den Originaltext verwiesen (sh. rossaepfel-exkurse.de). Bei der Lektüre des Briefes spürt man Buffetts Sarkasmus gegen den Gesetzgeber und gegen seine Klasse. In einem CNN-Interview vom 19.6.05 musste Buffett seinen feinen Sarkasmus vorsorglich plattmachen mit dem Zusatz „aber das sollte sie nicht".

Vielen mag es als noch bemerkenswerter erscheinen, dass der 1930 geborene  Buffett 85 Prozent seines Privatvermögens ab 2006 in die hochdotierte Wohltätigkeitsstiftung von Bill und Melinda Gates einbringt (sh. „Mega-Spende - US-Investor Buffett verschenkt sein Vermögen", spiegel.de, 25.6.06, sh. auch Wikipedia). Aber bei seinen obigen Zitaten geht es nicht „nur" um Wohltätigkeit und um zweistellige Milliardenbeträge. Sie betreffen vielmehr die Plünderung des Volkseinkommens um Billionen.

Beiden Milliardären erscheint es offenbar abwegig, den größten Teil ihres Vermögens ihren Erben zu vermachen oder gar - wie etliche deutsche Steuerflüchtlinge - in parasitäre Steueroasen zu verschieben. Dagegen betrachten die Hauptprofiteure aus dem Volkseinkommen in Deutschland eine angemessene Vermögen- und Erbschaftbesteuerung nach international üblichen Sätzen  offenbar schon als Zumutung, so z.B. auch - in anscheinend völlig argloser Weise - Günther Jauch mit seinem Einwand gegen  Peter Krämers entsprechende Forderung.-  Jauch: Das Geld sei doch schon als Einkommen versteuert. Wie Krämer denn seine Forderung einem Erben erklären wolle. Darauf der Multimillionär Krämer: „Ich würde ihm sagen: Ich habe das Geld schon versteuert, aber du noch nicht!" (sh. hier Peter Krämer).

Den neoliberalen Meinungsmachern wird die Aufrichtigkeit von Buffett unbegreiflich sein. Sie dürften nur platt anmerken, dass Buffett bei dieser Einstellung ja von sich aus seine Milliarden nach unten verteilen könnte, damit sie selbst von einer sozialen Fiskalpolitik verschont bleiben (sh. z.B. Michael Glos gegen Peter Krämer hier unter Abschnitt_1b).  Mit einem derartigen Pseudo-Ausgleich würde aber praktische keine sozial- und konjunkturpolitische Verbesserung erreicht. Mehr könnte Buffett für das Gemeinwohl tun, wenn er seine Milliarden verstärkt zur politischen Förderung einer sozialen Fiskalpolitik gegen die Neoliberalen einsetzte.

Anscheinend haben die heftigen Proteste gegen die zynischen Umverteilungspläne der Bush-Regierung (im Amt seit 1/2001) einen Mini-Erfolg gehabt. Die Besteuerung von Dividenden wurde jedenfalls nicht ganz abgeschafft, aber der föderale Spitzensteuersatz (Einkommensteuer des Bundes) und die entsprechenden Steuersätze für die übrigen „Bestverdiener" wurden noch weiter abgesenkt von maximal 39,8% in 2002 auf 36,1% ab 2003[28]. Das bedeutet z.B. für New York einschließlich Regionalsteuern einen kombinierten persönlichen Spitzensteuersatz von 41,8%  (sh. BMF: "Fachblick - Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich", Ausg. 2003, S. 23, & Ausgabe 2004,  S. 4). Zugleich wurden weitere Absenkungsstufen für die föderalen Steuern bis 2010 festgeschrieben - anscheinend zur Absicherung gegen weniger asoziale Nachfolgeregierungen. Auch damit ist man der pinkgrünlichen Agenda 2010 schon etwas voraus, obwohl der deutsche Spitzensteuersatz jetzt auf fast das gleiche Umverteilungsniveau abgesenkt wurde wie die kombinierten Steuersätze in den USA. Die föderalen[29] US-Basis-Steuersätze für Kleinverdiener (10% und 15%) wurden dagegen nicht abgesenkt

Die Dividenden werden nun in den USA nur noch mit 15 bis 20 Prozent besteuert (!) und nicht mehr mit dem  allgemeinen föderalen Spitzensteuersatz von maximal 39,8%, den Bush bis 2010  vorläufig auf 35% absenkt (sh. ctj.org). Dieser Spitzensteuersatz hatte von 1936  bis zur Regierung des Republikaners Richard Nixon (1/1969 - 8/1974) bei mindestens 70% gelegen und blieb  für „unverdiente Einkommen" auch bei 70% bis zum Regierungsantritt von Ronald Reagan (1/1981 -1/1989). Reagan tat, was die verhinderten Kahlschläger weltweit sich nicht trauten oder nicht durchsetzen konnten: Er senkte den föderalen Spitzensteuersatz für die Dauer seiner Regierungszeit mit ausufernder Staatsverschuldung und Dammbruch für den Raubtierkapitalismus auf ungeahnte 28 Prozent und wurde insofern zum  großen Leitstern der Neoliberalen in der ganzen Welt - bis hin zu „Angie" Merkels „Visionär" Paul Kirchhof. Damit erhöhte das Vorbild aller Kahlschläger zwar zunächst die Arbeitslosigkeit auf den historischen US-Wert von 9,7%, konnte sie aber durch Finanzierung seiner Steuergeschenke für „Bestverdiener" aus exzessiver Schuldenanhäufung bei entsprechender konjunktureller Blasenbildung schließlich doch auf den Stand vor seinem Regierungsantritt zurückbringen (sh. J. Weisman: „Reagan Policies Gave Green Light to Red Ink", washingtonpost.com, 9.6.04, und Bradford DeLong: „Where Did Reagan's Tax Cut Go?", Berkeley, 6.4.2000).

Unter Bill Clinton (1/1993 - 1/2001) wurde durch Steuererhöhung der Haushalt  wieder saniert mit etwa 40% Spitzensteuersatz des Bundes (plus Regionalsteuern!),  und die Arbeitslosenquote wurde weiter abgesenkt (sh. „Top Federal Income Tax Rates ...", Liste der US-Präsidenten und Historische Arbeitslosenquoten des US-Department of Labour).

Für die Dividenden gilt seit George W. Bushs Dankeschön-Politik zugunsten seiner Wahlkampf-Finanzierer nun der noch weiter herabgesetzte (ohnehin ermäßigte) Steuersatz für Spekulationsgewinne (capital gains). Dabei werden anstelle des allgemeinen maximalen föderalen Steuersatzes von 35,7% ab 2006 für die Dividenden und sonstige Kapitalerträge vorläufig nur maximal 15,7% bis 15,4% erhoben.[28] (sh. zunächst auch ctj.org).

Zwischen Bush’s „Dankeschön" und der „Spenden"-Freudigkeit besteht noch ein weiterer Zusammenhang. Dazu schreibt DER SPIEGEL 15/2007 unter der Überschrift „Big Spender" auf S. 67:
 

Seit 1976 werden die Wahlkämpfe der Präsidentschaftsaspiranten auch aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Allerdings hat es der Kongress im Lauf der Jahre versäumt, die Budgets den explodierenden Wahlkampfkosten anzupassen; das ist die Hauptursache des heutigen Problems.
George W. Bush war der Erste, der im Jahr 2000 das öffentliche System verließ und seinen Vorwahlkampf – die Primaries – allein mit privaten Spenden finanzierte. Seither gibt es kein Halten mehr. Wozu mickrige 15 Millionen Dollar vom Staat nebst strengen Auflagen, wenn auf dem freien Markt schon für Vorwahlen 250 Millionen Dollar und mehr zu haben sind?


Weil die 15 Millionen Dollar also angeblich für einen ehrlichen Wahlkampf nicht reichen, wird die Demokratie auf dem „freien Markt" an die Meistbietenden verschachert.


Für die beiden unteren Steuerklassen wurde der Dividenden-Basis-Satz von 10% auf 5% gesenkt.[30] Die vorher schon bestehenden Vorzugs-Steuersätze von 21,2% bzw. 10,6%
[28] für Wertzuwächse wurde ebenfalls auf die vorstehenden Sätze abgesenkt. Bei den Halbierungen der Dividenden- und Wertzuwachssteuer für Kleinverdiener konnten die Republikaner großzügig sein, weil in den untersten Steuerklassen bei diesem Schacher ohnehin nur wenige Dividenden und Wertzuwächse anfallen.

Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben solche Steuersenkungen auf Pump außer den üblichen Schwankungen und Strohfeuern durch Schuldenprogramme nichts gebracht[31] - im Gegensatz zur kräftigen Senkung der Arbeitslosenquote durch statistische Tricks: Praktisch ist es so, dass man in den USA nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit aus der  Arbeitslosenstatistik verschwindet, weil man keine Arbeitslosenunterstützung mehr bekommt (sh. Barbara Eisenmann: „Der amerikanische Traum", Deutschlandfunk, 1.2.05). Eine weitere Reduzierung der Arbeitslosenquote um etwa drei Prozentpunkte wird erreicht durch die extrem hohe Inhaftierungsquote bei Arbeitslosen zuzüglich massenhaften Gefängnispersonals:
 

Viele Amerikaner mußten über 15 Jahre Einkommenssenkungen hinnehmen. Dem gegenüber standen gigantische Steigerungen für die übrigen 20%. Ein Fünftel aller amerikanischen Beschäftigten arbeitet für Löhne unterhalb der Armutsgrenze, die in den USA wesentlich niedriger definiert ist als bei uns. Für amerikanische Unterschichtjugendliche gibt es nur eine Art des sozialen Aufstiegs: die Teilhabe an der organisierten Kriminalität...
3% der Erwerbsbevölkerung sitzen im Gefängnis. Das sind 6 mal so viel wie bei uns. 7% stehen direkt oder indirekt unter Justizaufsicht mit allen möglichen Bewährungsauflagen. Ein amerikanischer Ökonom interpretierte dies so, daß die Langzeitarbeitslosen Deutschlands der Gefängnisbevölkerung der USA entsprechen,
 

zitiert aus Harald Schumann: Die Globalisierungsfalle, Vortrag vom 15.12.1997. In den Jahren  2003/2004 saßen  2,2 Millionen US-Amerikaner hinter Gittern (sh. dazu und zur Entwicklung der dort genannten 1,9% entsprechend 1,3 Millionen Gefängnisinsassen für 1995: Tobias Kaiser: Rot-weiß-blaues Zahlenwunder, DIE ZEIT, 7/2004, und die Inhaftierungsquote je 100.000 Einwohner in 2003 von ca. 700 in den USA und 150 in Europa unter anglefire.com mit zahlreichen Weblinks, sowie kulturblog.de). In dieser Hinsicht „lohnt" sich  anscheinend die brutale Dankeschön-Politik zugunsten der Strippenzieher auch für die Statistik, denn in dem Maße wie das Volkseinkommen nach oben umverteilt wird, steigt der Anteil der statistisch nicht erfassten Langzeitarbeitslosen. Indem auch noch das Existenzminimum der Umverteilungsopfer an die "Bestverdiener" weitergereicht wird, geraten immer mehr Arbeitslose verständlicherweise in die Kriminalität und in die statistikfreundlichen Gefängnisse.

Ein wichtiger Faktor für Wachstum und Arbeitsmarkt ist jedoch auch die Konsum- bzw. Verschuldungsmentalität oder unvermeidliche Verschuldung von Einkommensschwachen und Normalverdienern in einigen Ländern, während in Deutschland durch begründetes Angstsparen die Sparquote weiter erhöht wurde (sh. H. Flassbeck und F. Spiecker: „Die Niederlande - Ein Vorbild für Deutschland?" Wirtschaftsdienst, Mai 2002. Durch die Kürzung und spätere Streichung der Eigenheimzulage zur Aufrechterhaltung der Steuersenkung für „Bestverdiener" wird außerdem vielen Einkommensschwachen die Beschaffung von eigenem Wohnraum unmöglich gemacht, so dass sie nunmehr verstärkt in Finanzanlagen sparen müssen.

Die Desinformation der Wähler zu den Segnungen der Steuersenkungen für "Bestverdiener" und Milliardäre schreitet seit vielen Jahren immer weiter fort (sh. "Journalismus in den USA - Die Konten der Kommentatoren", von Serge Halimi in Le Monde Diplomatique vom 16.8.96)[32]. Die Jahrtausende alte Instrumentalisierung der Religion für solche Zwecke geht jetzt hin bis zu Schulbuchaufklebern gegen die Darwinsche Evolutionstheorie.[33] Moralisierende republikanische Umverteiler wollen den Staat „schrumpfen lassen … auf eine Größe, dass wir ihn in der Badewanne ertränken können."[34] Dafür setzen sie und gleichgesinnte Medien gewaltige Finanzmittel ein. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wird das Volk nicht mehr durch Staatsterror ausgebeutet, sondern durch das Propaganda-Kapital zur gewünschten „freien" Wahlentscheidung manipuliert.[35] Nach solchem Propaganda-Krieg gegen das eigene Volk können selbst die US-Demokraten in ihrem Wahlprogramm nicht mehr die Rückkehr zum Solidarstaat, sondern nur noch einen Stopp von weiteren Umverteilungen nach oben propagieren - ähnlich wie in Deutschland nach der steuerlichen Selbstbedienungs-Orgie durch die neoliberalen „Bestverdiener".

Die Wertschätzung und Achtung der Meinungsmacher in der Bevölkerung ist zwar von 2001 bis 2005 noch weiter gesunken:  gegenüber Journalisten von 18% auf 10%, gegenüber Politikern von 10% sogar auf 6% - gleichauf mit Fernsehmoderatoren
(sh. allensbacher berichte, 2005/ Nr. 12 und  2001/ Nr.16). Aber das Wahlvolk  lässt sich von ihnen trotzdem weiter manipulieren, weil ihm kaum etwas anderes als neoliberale Irreführung vorgesetzt wird.


Der Investment-Milliardär George Soros,[36] Autor von kritischen Büchern zum Welt-Finanzsystem, entlarvt den wahren Grund der Steuersenkungen für Best-"Verdiener":
 

Sie nutzen im Grunde die Rezession für die Umverteilung des Einkommens an die Wohlhabenden… Was wir nach meiner Meinung jetzt brauchen, ist eine expansive Geldpolitik und ein temporäres Defizit, nicht ein permanentes.[37]
 

Mit dem Hinweis auf die Geldpolitik betont Soros einen Punkt, den schon etliche renommierte US-Ökonomen auch beim einseitigen Krisen-Management der der Deutschen Bundesbank kritisiert haben.

Die Rezession war also eher ein willkommener Anlass für die Bush-Regierung, ebenso wie für die deutschen Umverteiler. Tatsächlich erfolgten 54% der letzten US-Steuersenkungen zugunsten von 1% der Bevölkerung.[38] Auch der Angriff auf das World Trade Center wurde zur  Präsidentschaftswahl in 2004 für diese Politik schamlos ausgeschlachtet.[39] Das Prinzip ist dort wie hier, möglichst schnell und asozial nach oben zu verteilen, um hinterher sagen zu können, dass der Staat kein Geld mehr habe für Gemeinschaftsaufgaben und Konjunkturförderung.

Wenn die Milliardäre Buffett und Soros hier als Positivbeispiele genannt werden, bezieht sich das  mangels genauerer Recherchen zunächst nur auf ihre seltene und vielleicht die ganze Persönlichkeit kennzeichnende Charaktereigenschaft, für jedermann vernehmbar gegen ihre eigenen vordergründigen finanziellen Interessen aufzutreten,[40] denn solche Äußerungen lassen auf andere Charaktereigenschaften schließen als die Verteilung von Brosamen[41] oder die moralische Aufrüstung zur Steuersenkung für „Bestverdiener" mit "christlichen Werten", „christlicher Leitkultur" und Ablenkung durch patriotische Parolen mit dem Patriotismus der Absahner gegen den Rest des Volkes.[42] Sie wirken viel glaubhafter als jene Abzocker-"Patrioten", die traditionell auch noch das eigene Volk als Kanonenfutter für ihren Landraub- und Plünderungszüge opferten.

Die Wahrhaftigkeit gegen eigene Interessen  überzeugt auch viel mehr als die Propagierung von „moderner" oder „neuer" statt „sozialer Gerechtigkeit"[43] oder die pathetische und egoistische Selbstbeschränkung auf Naturschutz, obwohl der Mensch doch ein Teil der Natur ist.[44]  Den Charakter der Profiteure, Möchtegern-Profiteure oder ihrer beschränkten Nachbeter erkennt man dagegen am leichtesten dann, wenn sie bei Gesprächen über Steuern und Abgaben die Senkung des Spitzensteuersatzes totschweigen, schönreden oder noch weiter vorantreiben wollen oder wenn sie gar den Protest gegen die schamlose Umverteilung nach oben als „Neid" oder „Neiddebatte" usw. bezeichnen (suche bei Google mit „Neidsteuer" oder „Neid"). Indem die neoliberalen Charaktermasken die Kritiker ihrer asozialen Umverteilung in die eigenen Taschen diffamieren, hoffen sie, ihre Opfer  noch besser schröpfen zu können. Ihr Gerede von „Menschenwürde" verstummt plötzlich, wenn sie durch die Schröpfung der Ärmsten weitere Steuergeschenke ergattern können.

Man sollte sich allerdings davor hüten, den Protest von Buffett, Soros, Jim O'Neill (sh. unten), Lafontaine oder Friedrich Engels (sh. unten) nur deshalb in Frage zustellen, weil sie sich z.B. ein „Eigenheim" entsprechend ihrem Einkommen leisten. Lafontaine ist im Linksbündnis nicht der einzige Bestverdiener, der ein Ende der Steuergeschenke für „Bestverdiener" fordert. Dennoch ist es den neoliberalen Meinungsmachern gelungen, die Quote für seine meistgenannten Negativeigenschaften im Vergleich zu einer Umfrage von 1998 bis zur Bundestagswahl im Jahre 2005 drastisch zu erhöhen (sh. „Oskar Lafontaine, Image-Veränderung", Allensbach 2005 /Nr. 15).

Lichtblicke zur Rettung des Menschenbildes (sh. hier Abschnitt 16) sind auch der Schweizer Großbankier Hans J. Bär mit seinem beißend kritisch Buch "Seid umschlungen, Millionen", das er im März 2004 im Alter von 76 Jahren veröffentlichte, und der Hamburger Reeder Peter Krämer mit seiner Forderung:
 

Belasten Sie die Vermögenden, statt den Arbeitnehmern und Rentnern weitere Opfer abzuverlangen.
 

(sh. den offenen Brief seiner Gruppe in FAZ und BILD Hamburg hier unter rossaepfel-exkurse.de.) Auch Bär und Krämer haben die überraschende Gabe, dass sie unabhängig von seiner Brieftasche denken und urteilen können. Im Falle von Krämer merkt man das sofort bei seinen Interviews mit Journalisten, die das nicht können. Überraschend ist diese Forderung nämlich nur, weil sie von einem Bestverdiener kommt, denn nach den geschilderten Erfahrungen tendieren viele Zeitgenossen fälschlich dazu, dass sie allenthalben nur skrupellosen Egoismus und Charakterlosigkeit erwartet, was natürlich auch als Freibrief für eigenes Verhalten missverstanden werden könnte. Die eher selbstverständliche Forderung Krämers gab daher Anlass für einen Exkurs, der wegen seiner Länge hier den ohnehin strapazierten Argumentationsfluss sprengen würde und daher ausgelagert werden musste (sh. rossaepfel-exkurse.de).

Bevor ein sozialer Ausgleich geschaffen werden kann, muss sich der Kampf zunächst gegen die  Wählertäuschung und Demokratie-Verhöhnung durch die neoliberalen Propagandisten richten. Gerade der Protest von Bestverdienern gegen die Steuersenkung für Bestverdiener beweist, dass nicht nur „Neid" die Ursache für die Empörung über diese asoziale Umverteilung sein kann und dass es auch Menschen gibt, die nicht nur entlang ihren eigenen Vorteilen denken können, die ihren persönlichen Vorteil und den ihrer Sippe nicht über alles stellen.  Der Protest der ärmeren Umverteilungsopfer ist in jedem Fall gerechtfertigt, allein schon wegen der Arbeitsplatzvernichtung durch die Umverteilung nach oben, ganz gleich ob man ihnen „Neid" unterstellt oder nicht.

Auch Jim O'Neill, Chef-Volkswirt der „weltweit größten Investmentbank" [45] Goldman Sachs und damit zweifellos mehr als ein Besserverdiener, hat kein Verständnis für die Umverteilung nach oben durch die deutschen neoliberalen Propagandisten. Er fordert für Deutschland eine "phantasievolle Fiskalpolitik":
 

O'Neill: "Weil die Reichen von ihrem Einkommen relativ weniger für Konsum ausgeben als die Armen, muss die Fiskalpolitik bei den unteren Einkommensgruppen ansetzen. Dieser Aspekt wird von vielen deutschen Ökonomen und Politikern vernachlässigt."[46]
 

Er traute seinen Ohren nicht, als er die Mainstream-Ökonomen aus der deutschen Provinz hörte:
 

Ich war vor ein paar Wochen in Berlin. Da ging es um ein effizienteres Steuersystem, das das Wachstum fördert. Erst dachte ich, ich habe die Vorschläge nicht richtig verstanden. Doch bald wurde mir das absurde Verständnis von Makroökonomie klar. Wir haben tatsächlich ernsthaft diskutiert, ob man nicht die Unternehmensteuern senken und im Gegensatz die Umsatzsteuer anheben sollte. Da haben die Unternehmerverbände gute Lobby-Arbeit geleistet. Aber dass es überhaupt diskutiert wird, ist wirtschaftspolitisch nicht zu Ende gedacht. Dann können sich die deutschen Konsumenten noch weniger kaufen. Eine höhere Umsatzsteuer würde der Volkswirtschaft endgültig den Garaus machen.
 

Der Ökonom O'Neill urteilt also botmäßig milde, als ob die Umsatzsteuererhöhung zugunsten der Steuersenkung für Volksbetrüger und andere „Bestverdiener" nicht durch deren asoziale Raffgier bestimmt wäre. Er sieht aber als Praktiker eines ganz klar: Bei der Steuersenkungs-"Disputation"[48] geht es den neoliberalen Best-"Verdienern" in Wirklichkeit nicht um Probleme der ökonomischen Theorie und schon gar nicht des Gemeinwohls, sondern sie ist nur "Lobby-Arbeit",  egoistischen Ideologie und Meinungsmache. Kein Argument oder Scheinargument ist ihnen zu weit hergeholt, um die Umverteilung zu ihren Gunsten mit Zähnen und Klauen zu verteidigen und weiter zu forcieren. Die Neoliberalen sind keineswegs „Liberale" (= Freiheitliche), auch wenn sie sich so nennen. Es sind nur Egoisten, denn sie setzen ihre mediale Macht und Ellenbogen-Freiheit auf Kosten der Freiheit von anderen ein. Bei der Gesetzgebung fordern sie allenthalben "Liberalisierung" und „Deregulierung", um auch für die Primärverteilung das „Gesetz" des wirtschaftlich Stärkeren durchzusetzen. Das führt insbesondere durch ungebremst anwachsende unvorstellbare Spekulationsblasen auf den globalen Finanzmärkten erst wieder im Jahre 2008 zu riesigen Banken-Pleiten, die leicht in einer neuen Welt-Wirtschafskrise gipfeln können  – mit großen Gefahren für die Demokratien. Aber die Wirtschaftsliberalen konnten ja sogar von den Diktaturen profitieren und lehnen selbst die Spekulations-Dämpfung durch die Börsenumsatzsteuer ab. Mit einem Prozent Börsenumsatzsteuer könnten in Deutschland außerdem noch jährlich ca. 40 Milliarden Euro eingenommen und etwa 500.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. (Sh. "500.000 Arbeitsplätze durch Börsenumsatzsteuer", tagesspiegel.de, 11.1.2007). Statt dessen erhöhen die Neoliberalen lieber die Mehrwertsteuer, zuletzt um ca. 25 Milliarden Euro jährlich, zu Lasten der Massenkaufkraft und vernichten dadurch Arbeitplätze.



Nicht nur O’Neill, Stiglitz und die zahlreichen US-Ökonomen verdeutlichen die völlig konträren Wirkungen von Mehrwertsteuererhöhungen und Erhöhungen des Spitzensteuersatzes für den Arbeitsmarkt. Sogar die deutschen bestbezahlten „Experten" der Umverteilung nach oben mögen die voraussichtliche Vernichtung weiterer Arbeitsplätze durch eine Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland nicht bestreiten. Sie wollen aber aus Egoismus nicht die Alternative der Rückkehr zu ihren früheren Spitzensteuersätzen begreifen.
 
Um dem Volk diese angebliche Alternativlosigkeit einzuhämmern, werfen sie ständig beides  in einen Topf, z.B. mit der Online-Frage zur Sendung: „Unter den Linden" vom 15.5.06 mit dem Moderator Hartmann von der Tann: "Verhindern Steuererhöhungen den Konjunkturaufschwung? JA - NEIN"
, ein typisches Manipulationsbeispiel, denn ein solches Ausmaß an Ignoranz bei Meinungsmachern ist einfach nicht vorstellbar.
In vorderster Front unter den Meinungsmachern bei der Begriffsverwirrung zur Umverteilung in die eigenen Taschen steht auch die FDP mit ihrer Galionsfigur Guido Westerwelle. Zur Verstärkung der Desinformation ließ man in der Sendung den Honorar-Professor Michael Hüther (sh. auch hier Abschnitt_1b.htm), Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft und INSM-"Botschafter" gegen Gregor Gysi antreten (sh. Video-Aufzeichnung).

Hüther nutzte teilweise Argumente, die man als Nicht-Ökonom in einer solchen Sendung nur schwer widerlegen kann. Gegen Gysis Hinweis auf den Kreislaufentzug der Steuergeschenke für "Bestverdiener" behauptete Hüther nach dem üblichen Schema, dass kein Geld für den Kreislauf verloren gehe. Diese Finte folgt der meist falsch verstandenen Erstsemester-Gleichung für die geschlossene Volkswirtschaft: „Sparen = Investitionen", weil die Auslandsbeziehungen von den neoliberalen Ideologen bei Bedarf geflissentlich unterschlagen werden (sh. Arthur Schopenhauer: Eristik, Kunstgriffe 29, 3 u.a.). Nach den so verbreiteten Vorstellungen  dürfte es in den USA mit ihren Sparquoten nahe Null kaum noch Investitionen geben (sh. „The economics of saving...", economist.com, 7.4.05, und „Household saving rates", OECD 2006). Aber obwohl Gysi kein Ökonom ist, konnte er gegen die durchsichtige Argumentation von Hüther bestens bestehen.

Die vereinfachte Gleichung I(nvestitionen, netto) = S(paren) ist außerdem typisch für ökonomische Interpretationsprobleme, weil sie einerseits auf buchhalterischer Definition in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beruht mit X – M = Exporte – Importe = 0 und G – T = Staatsausgaben – Steuern = 0. Bei Werten ungleich Null gilt die Definition S =  I + (G-T) + (X-M) „ex  post". Andererseits kann diese Gleichung aber auch als Gleichgewichtsbedingung und Verhaltensannahme für die realen Werte „ex ante" aufgefasst werden (in Abhängigkeit z.B. vom Realzins), weil die rein buchhalterische Identität auch Investitionen auf überquellende Lager einschließt.


Fast wortgleich gegen die Stärkung der Konsumnachfrage und zur Umverteilung nach oben in die eigenen Taschen äußerten sich Hüther zusammen mit den „„
INSM-Botschaftern" Thomas Straubhaar (HWWA-Präsident), Bernd Raffelhüschen (Vorstandsmitglied der „Stiftung Marktwirtschaft") und weitere 250 Wirtschaftsprofessoren in ihrem „Hamburger Appell" kurz vor der Bundestagswahl 2005 für eine neoliberale Wahlanzeigen-Kampagne der Arbeitgeber-finanzierten INSM (Sicherungskopie sh. hier: Text & Liste). Zu den Steuergeschenken für die agitierenden "Bestverdiener" als angebliche Investitionsnachfrage oder sonstige konjunkturwirksame Nachfrage in Deutschland siehe auch Herrmann Remsperger (Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank): „Globale Ersparnisströme, Bretton Woods II und dunkle Materie", Bremen, 1.4.2006, u.a. S. 7, mit Sicherungskopie hier).  Ob man das derzeitige Absinken der Sparquote in den meisten Industrieländern auf deren sinkende Nachfrage nach Investitionskapital zurückführt oder umgekehrt (sh. oben „Household saving rates…"): Die Steuersenkung für die „Bestverdiener" und die Umverteilung nach oben in Deutschland wird hier nur die Konsumnachfrage noch weiter schwächen und den Einkommensschwachen die Mittel entziehen für ihren extrem steigenden Spar- und Vorsorgebedarf.

Die INSM wuchert in den Anzeigen mit dem Argument: „250 Professoren – 10 Thesen – 1 Meinung … Der Hamburger Appell ist ein Aufruf von 250 Wirtschaftsprofessoren für eine konsequente Reformpolitik … Zehn Experten äußern sich mit ihren Thesen zur aktuellen Lage". Diese zehn plakativen Experten-Äußerungen der Bestbezahlten kann man eher als Verpackungs-Slogans bezeichnen, die üblicherweise als unbestrittener Vorspann von konjunkturschädlichen Forderungen nach weiteren Steuersenkungen für „Bestverdiener" herhalten müssen. Der bezweckte Eindruck auf die ebenfalls neoliberale oder nachbetende und naive Meinungsbildungs-Maschinerie wurde jedoch nicht verfehlt, wie die Foren zeigen (sh. z.B. myblog.de und wiwi-treff.de). Von Gewerkschaften oder SPD hört man zwar Gegenstimmen, aber das übrige kritische Denken in Deutschland ist weitgehend vom Mainstream überwuchert (sh. immerhin die „Gegenrede" von Jürgen Hoffmann im „Hattinger Kreis" – mit Sicherungskopie hier, weil als PDF-Datei schon nicht mehr erreichbar, und die verständlicherweise nonchalante, aber trotzdem verdienstvolle „Übersetzung" von Harald Wozniewski).

Mitunterzeichner für die INSM waren auch die Professoren Clemens Fuest (Mitglied im Kronberger Kreis der neoliberalen „Stiftung Marktwirtschaft"), Hans-Werner Sinn und Stefan Homburg (sh. unten). Bei den übrigen Mitunterzeichnern lässt sich oft nicht vermuten, ob sie den Text überhaupt richtig gelesen und die lobbyistischen Hintergründe durchschaut haben oder leichtfertig waren wie manche "Prominente", die ihr Mitmachen bei der Kampagne „Du bist Deutschland" später bereut haben.

Im Grunde gibt es auf alle elf Proklamationen des "Bestverdiener"-Appells als Antwort nur den Hinweis auf den einen Dollar von Orszag und Stiglitz. Mit seiner Rückführung und mit der Anhebung der deutschen Steuerquote auf das mittlere Niveau von Großbritannien ließen sich – wie hier beschrieben – ihre Konjunkturförderungs-Vorschläge im wesentlichen finanzieren. Allerdings müssten sie auf ihre konjunkturschädlichen Steuergeschenke verzichten. Das weisen die neoliberalen Meinungsmacher aber dort wie stets zurück, indem sie auf die Arbeitsplatzbeschaffer zeigen: „Hohe Arbeitskosten und hohe Steuerlasten mindern unternehmerische Gewinne und damit unmittelbar die Investitionsbereitschaft", als ob der Mehrzahl der Arbeitsplatzbeschaffer mit der teilweisen Steuerfinanzierung ihrer Sozialversicherungsbeiträge nicht viel besser gedient wäre als mit der Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent, den sie in den allermeisten Fällen gar nicht erreichen (sh. unten)!

Selbst Thomas Straubhaar, Chef des Instituts HWWI, der hier als Neoliberaler mehrfach hervorzuheben war, fordert die Steuerfinanzierung von sozialen „Grundsicherungsmodellen", auch wenn er als Mittelloser damit nur auf Sozialhilfeniveau versorgt würde und als Verfechter der Umverteilung nach oben gar kein Geld dafür einplanen kann:


Seine Forderung: „Die enorm hohen Belastungen durch die Lohnnebenkosten treiben einen breiten Keil zwischen Brutto und Netto. Das muss sich ändern, indem die beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme durch steuerfinanzierte Grundsicherungsmodelle ersetzt werden."
 

(Sh. die BILD-Aktion mit Hans Werner Sinn und anderen:  „Arbeitslose mehr fordern", bild.de, 11.2.2008, sowie dort den Link zum Rest der Aktion: "Bild berichtete" > „Wo bleibt der Anreiz für Arbeit?", bild.de, 11.2.2008.)


Der „Gemeinwohl"-Appell der Neoliberalen wirft noch einmal ein krasses Schlaglicht auf die Lage der universitären Wirtschaftsideologie in Deutschland (sh. auch nachdenkseiten.de
), besonders dann, wenn man ihn dem obigen Appell der mehr als 400 US-Ökonomen gegen die gleichgerichtete Umverteilung durch die Bush-Regierung gegenüberstellt.

O'Neill fordert also für Deutschland vor allem die Stärkung der Konsumnachfrage und liegt insoweit auf der Linie der Nachfragetheorie von John Maynard Keynes (1883 – 1946), steht also im Gegensatz zu den neoliberalen Anhängern der Angebotstheorie.

Zu dem theoretischen Richtungsstreit siehe auch den hervorragenden journalistischen Beitrag von Stephan Kaufmann in der Berliner Zeitung: "Wissenschaft – Geringe Nachfrage – Weltweit erlebt die Lehre des Ökonomen Keynes einen Aufschwung. Nur in Deutschland werden seine Anhänger an den Rand gedrängt".[49] Dieser Richtungsstreit wird von den Profiteuren  jedoch lediglich zur Ablenkung  von ihrer Selbstbedienung durch Steuersenkung für „Bestverdiener" usw. verwendet.

Die immer noch angesehene Berliner Zeitung (von Gruner+Jahr/Bertelsmann/Liz Mohn, dann kurzfristig Holtzbrinck und seit 1.12.05) wurde Ende 2005 übernommen von den "Optimierungs"-Investoren um den Briten David Montgomery, sh. welt.de, 1.12.05
. Danach wurde die Startseite bunt wie bei der Bildzeitung und kräftig animiert. Man muss sich durch allerlei Klamauk hindurchklicken, bis man zum Informationsteil kommt. Aber schon vor dieser Übernahme gab es neoliberale Tendenzen. Das zeigt der Artikel des leitenden Redakteurs Christian Bommarius über die Hartz-IV-Opfer,  "Anweisungen an Hundehalter", „sächsischen Leinenzwang",  "Revolutionsbuchhalter" sowie „ein paar hundert" verregnete und „johlende" Demonstranten mit "entfesseltem Protest"  im „Zeltchen" mit Lafontaine am 14.6.05 in Chemnitz. Ein Zufallstreffer ist die Stimmungsmache des Lokalredakteurs  Jan Thomsen in seinem Artikel: „Keine Hilfe vom lauten Lafontaine", berlinonline.de, 12.6.06, der auch noch großspurig als „Analyse" bezeichnet wird.

Besonders aktiv und niveaulos in den Kampagnen für den Neoliberalismus und gegen Lafontaine ist auch DER SPIEGEL. Wer nicht an die Entstellung von Tatsachen durch Meinungsmacher in deren Eigeninteresse glaubt, wird hier wie anderswo im Wahlkampf fast täglich eines Besseren belehrt,  z.B. in C. C. Malzahns SPIEGEL-"Bestverdiener"-Version von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", SPIEGEL ONLINE 20.7.05, oder in dem „Bericht" von Markus Feldenkirchen: „Der rote Panther", in: DER SPIEGEL, 27/2005, S. 45, der nach der schamlosen Umverteilung  zugunsten der SPIEGEL- Redakteure nur „wütende oder ... sturzbetrunkene Gesichter" bei Lafontaines Rede in Chemnitz sehen konnte. Dass Lafontaine solche Umverteilungen als „soziale Schweinereien" bezeichnet, ist für den linientreuen SPIEGEL-Journalisten eine "Mischung aus Verfolgungswahn und Größenwahn" - und weiter: „Oskar Lafontaine hätte wohl selbst nicht gedacht, dass er einmal so tief herabsteigen würde", ebd. - Was ist bloß aus  dem SPIEGEL geworden?
 

Zu seiner Arbeit im Berliner SPIEGEL-Büro des Aust-"Kronprinzen" Gabor Steingart schreibt der ehemalige SPIEGEL-Wirtschaftsredakteur Oliver Gehrs:
 

"Die Währung des Spiegel ist Angst", zitiert Steingart den Reporter einer Wochenzeitung, „Angst nach innen und Angst nach außen." Er findet den Satz sehr treffend...
D
as mit der Angst nach innen jedoch stimmt uneingeschränkt. „Einmal im Jahr werden alle ans Fenster gerufen, dann wird eine Leiche auf den Hof geschmissen, und alle schauen, wer da liegt", sagt ein eher unängstlicher Redakteur.
Wer Aust kritisiert hat, ist gegangen, und nicht mal seine Stellvertreter, von Augstein einst mit viel Macht ausgestattet, wagen noch Widerspruch...
 

und zur Ideologie von Steingart heißt es weiter:
 

Die Lohnnebenkosten müssen runter, die Sozialausgaben gekappt und der Föderalismus weitgehend abgeschafft werden.
 

(Sh. „Hoch zu Ross- Der Chefredakteur von Deutschland", taz.de, 12.3.05). Die Wikipedia charakterisiert die Manipulations-Übertragung von oben nach unten, wenn sie zu Gabor Steingart schreibt (Stand 3.12.06):
 

1995 wurde er vom neuen Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust zum Ressortleiter Wirtschaft in Hamburg befördert. In dieser Funktion sammelte Steingart wiederum neoliberal orientierte Wirtschaftsredakteure um sich...
Kritische Beobachter wie etwa Roger Willemsen sehen in Steingart die Verkörperung eines Wandels des SPIEGELs seit den 1990ern hin zu neokonservativen und neoliberalen Themen. Unter Steingart wurde die Chefredaktion durchgehend mit Wirtschaftsjournalisten besetzt. Der SPIEGEL nehme unter Steingart zunehmend einseitig die Perspektive der Wirtschaft auf, ehemalige Sozialkritik käme kaum noch vor...
Steingart wird als möglicher Nachfolger von Stefan Aust als Spiegel-Chefredakteur gehandelt.
 

Der Ausblick auf die Fortsetzung des neoliberalen Kurses nach Aust läßt nur hoffen, dass DIE ZEIT als letzte halbwegs neutrale Print-Alternative einer wöchentlichen Informations-Aufbereitung auf  ihrem Kurs bleibt oder ihren kritischen Journalismus noch weiter entwickelt.

Seitdem die Spiegel-Redakteure durch Augsteins Beteiligungs-Schenkung (sh. „Der Widerspenstigen Lähmung
", zeit.de, 17.11.05) und testamentarische Mehrheitsverfügung zu entscheidenden Miteigentümern des Verlages geworden sind, steht die Gewinnbeteiligung daraus anscheinend für viele von ihnen im Vordergrund. Daher ist neben ihrem eigenen Einkommensteuersatz anscheinend das Wohlwollen der großen Anzeigenkunden immer mehr zum Maßstab ihrer Berichterstattung geworden.

Das SPIEGEL-Beispiel kann sicher auch zum Verständnis der Meinungsmache und Herrenreiter-Attitüde in anderen Medien beitragen. Die Senkung der „Lohnnebenkosten" durch Beendigung der konjunkturschädlichen rosagilbgrünen Steuergeschenke an Steingart und die übrigen „Bestverdiener" wäre allerdings sehr hilfreich für den Arbeitsmarkt. Anscheinend hat Steingart auch den oben zitierten Markus Feldkirchen in sein Berliner Büro zur Verstärkung geholt, wo Feldkirchen - in 2003 noch beim Tagesspiegel - jetzt im Impressum erscheint. Das könnte Anlass geben, sich einmal die Artikel von Steingart und seinen übrigen Mitarbeitern genauer anzuschauen. Inzwischen ist Steingart wegen seines „unverhohlenen Pro-Merkel-Kurses" jedoch bei den Gesellschaftern selbst unter Druck geraten (sh. Oliver Gehrs: „Aust im Nacken", taz.de., 31.10.05).

Schon seit dem Wahlsieg des Schröder-Lafontaine-Bündnisses am 27.9.1998 bis zum Rücktritt von Lafontaine im März 1999 hat DER SPIEGEL unter dem Chefredakteur Stefan Aust maßgeblich an der Steuersenkung  für seine „Bestverdiener" mitgewirkt, indem er sich an der Kampagne der neoliberalen Propagandisten gegen Lafontaine beteiligte und so die Umverteilung nach oben durch den hochgejubelten Kanzler der Bosse und seinen Tross unterstütze (sh. z.B. die SPIEGEL-Artikel in den Monaten vor dem Rücktritt von Lafontaine).

Diese hatte er auch den neoliberalen Meinungsmachern noch einmal recht deutlich in Aussicht gestellt, unter anderem in einem Interview mit der Zeitschrift „Die Woche". Das Handelsblatt titelte und schrieb am 1.9.1995:
 

SPD / Entscheidung Scharpings findet Beifall der Fraktion. CDU: Schroeders Entlassung bringt nur eine Atempause.

Vor allem die SPD-Linke zeigte am Donnerstag Genugtuung ueber die Entlassung Gerhard Schroeders als wirtschaftspolitischer Sprecher. Schroeder werde in der Bundespolitik keine Rolle mehr spielen, erklaerte ihr Sprecher, Eberhard Kuehlwein…

 

Anlass für den neuen Konflikt war ein Interview Schroeders in der Zeitung „Die Woche". Darin hatte der niedersächsische Ministerpräsident sich erneut eine Kanzlerkandidatur für 1998 offen gelassen und zudem erklärt, es gehe nicht mehr um sozialdemokratische oder konservative Wirtschaftspolitik, sondern um moderne oder unmoderne.

 

(Sh. Handelsblatt.com, Nr. 169 vom 1.9.1995, Seite 06, letzte Hervorhebung vom Verfasser.)

 

Wegen dieses angekündigten Abschieds von der Sozialdemokratie durch den Kanzler der Bosse sahen die neoliberalen Meinungsmachern mit dem großen Kapital im Hintergrund (Bild, BamS und Glotze) eine einmalige Chance, die SPD für ihre Umverteilung nach oben einzuspannen. Sie jubelten den Kanzler der Bosse deshalb dermaßen hoch, dass die verbleibenden Sozialdemokraten in der SPD sich auf ihn trotz all seiner anti-sozialdemokratischen Losungen als Zugpferd einließen und Oskar Lafontaine mit allerlei Zusicherungen als Garant für den Erhalt der Stimmen von links missbrauchten. Solche Rationalisierungen der Gier von Abkassierern konnte Schröder sich angeblich wissenschaftlich verbrämen lassen durch seinen Referatsleiter für Wirtschaft und Ökonomen Alfred Tacke, der ebenfalls nach einigen Winkelzügen sein Schäfchen bei einem begünstigten Energiekonzern ins Trockene gebracht hat (sh. "Abschied von der alten Tante", DER SPIEGEL 37/1995, 11.9.1995, und hier Pro7Sat1.htm#Tacke). Lafontaines eigentlicher Fehler war es, sich als SPD-Parteichef auf solche Leute mit ihrer neoliberale Meute von profitierenden Meinungsmachern einzulassen.  Er musste dies sehr bald erkennen.


Den tatsächlichen Inhalt der Lafontaine-Rede in Chemnitz hat zum Glück der Video-Filmer Olaf Berzins aufgenommen  und ihn in vier Teil-Dateien zum Download abgespeichert bei Indymedia.org unter - ein großes Verdienst des informierenden Journalismus gegen den gemeinschaftsschädlichen Meutejournalismus. (Die erste Datei konnte nach dem Herunterladen durch ZIEL SPEICHERN auf der Festplatte mit dem RealPlayer erst abgespielt werden, nachdem die Endung ~.ogg durch ~.rm ersetzt wurde.) Allein dieses Video bringt jedenfalls mehr Aufschluss als die Desinformation ganzer Sammlungen von Christiansen, SPIEGEL, FOCUS (sh. unten) usw. Im ARD-Christiansen-Archiv findet man aus ihrem Talk-Theater ohnehin nur handverlesene Zitate, die die Umverteilung nach oben zumindest nicht ernsthaft in Frage stellen dürfen. Ansonsten muss man sich mit ihren großartigen Selbstdarstellungen auf den Webseiten nach Art der Champus-Schickimicki-Benefiz-Veranstaltungen wohltätig abspeisen lassen (z.B.  "UNICEF-Botschafterin", "Eine Frau redet Klartext", "Sabine Christiansen: Die Fakten" usw.), mit denen die selbstgeadelten Spender durch ihren steuerlichen Verteilungs-Lobbyismus für sich den UNICEF-Kindern in der Dritten Welt viel mehr entziehen, als sie ihnen an Brosamen anbieten.

Zur SPIEGEL-Journalistik in Wirtschaftsfragen sh. auch die NachdenkSeiten.de, z.B. „Hinweis - Der Spiegel - dümmer geht's nimmer", 18.6.05; oder : „Propaganda-Maschine der Neoliberalen - Hat das ZDF diese Gleichschaltung nötig?", ebd., 8.6.05; oder zum Manager-Magazin aus dem SPIEGEL-Verlag: "Hinweis: Manager-Magazin - dümmer geht's nimmer", ebd., 7.6.05; oder Albrecht Müller: „Wie 'Der Spiegel' zu dem wurde, was er ist"). Möglicherweise sind nach dem Tod von Rudolf Augstein viele Redakteure durch erhöhte laufende Gewinnauszahlungen aus ihren allzu großzügig geschenkten Unternehmensbeteiligungen von Besserverdienern zu "Bestverdienern" geworden und konnten das charakterlich nicht verkraften, so dass die besagte Herrenreiter-Mentalität Einzug gehalten hat (sh. oben die Reiterstatue von "August dem Starken" und zur Gesellschafterstruktur: Rudolf Stöber: „Das Mediensystem in der Bundesrepublik Deutschland", uni-leipzig.de).

Dagegen berichteten z.B. ausgerechnet DIE WELT und das ZDF, ja sogar der FOCUS von „begeisterten" 8.000 Zuhörern in Chemnitz und „Beifallsstürmen". Die Veranstalter sprachen allerdings selbst „nur" von „mindestens 4.000 Kundgebungsteilnehmern" (lt. freiepresse.de, Chemnitz). Aber wenn es (nach anderen Aussagen) auch nur halb so viele waren, so wären es doch jedenfalls mehr als die geschmähten „paar hundert" gewesen.

Drei Tage nach dieser Demonstration der neuen Linken  hat die große Koalition der neoliberalen Umverteiler und Selbstbediener  die Galgenfrist bis zum Absturz in Hartz IV für über 55 Jährige mit jahrzehntelangen Einzahlungen immerhin wieder  verlängern wollen  auf die ursprüngliche 32 Monate (sh. Bundestag beschließt ..., ndrinfo.de, 17.6.05) - mit verräterischer Eile, obwohl die CDU/CSU am Vortag noch gegen die Verlängerung war (sh. Union kritisiert Kurs der SPD, n-tv.de, 16.6.05). Die vereinigte Linke wirkte also schon ohne Bundestagsmandat
, aber nur bis zum Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU, in dem sich die "Christlichen" doch wieder mit der Begrenzung auf 18 Monat durchsetzen konnten (sh. „Arbeitslosengeld I wird für Ältere doch nicht verlängert", welt.de, 3.11.2005. - Ab 1.1.2008 erhalten es 58jährige und ältere für 24 Monate nach mindestens 24 Versicherungsmonaten sh. Wikipedia: Arbeitslosengeld_I.)

Die Kritik an der Ausplünderung älterer Arbeitsloser wurde im November 2006 von Jürgen Rüttgers (CDU) wiederholt und von seinen „Christen"-Freunden wiederum zurückgewiesen mit der Generations-hetzerischen Heuchelei, dass ein Mehr für die Alten zu einem Weniger für die Jungen führe - also nicht zu einer Kürzung der unglaublichen Steuergeschenke für die bestbezahlten Volksverdummer
(sh. hier Gesundheitsreform.htm)
Es wundert nicht, dass auch Ruck-Präsident Roman Herzog (CDU) als Großprofiteur solcher Steuer-Geschenke davon ablenkt. Dafür erweckt er bei BILD den Eindruck, dass am Ende „die Älteren die Jüngeren ausplündern" (sh. „Roman Herzog warnt vor Rentner-Demokratie", bild.de, 11.4.2008). Statt der beleidigenden 1,1 Prozent Rentenerhöhung für drastische Kaufkraftverluste - nach 45 Jahren ehrlicher Arbeit - erhält er schon nach fünf Jahren Dienstzeit als Präsident daraus - und für die Fortsetzung seiner neoliberalen Propaganda - einen jährlichen "Ehrensold" von mehr als 200.000 Euro plus Dienstwagen, Chauffeur, Sekretärin usw., und das bis zum Lebensende. Zwar hatte er recht, dass man den „Gürtel enger schnallen" müsse und dass dafür ein „Ruck" durch Deutschland gehen müsse, jedenfalls in bezug auf sich selbst und die übrigen Profiteure der Umverteilung nach oben  (sh. hier Linksbuendnis.htm). Aber offenbar hat er diese Forderung doch nicht an sich und  die Hörer seiner Rede im Berliner Luxushotel Adlon gerichtet, sondern an Einkommensschwache und Mittelschicht, die zu seinen Gunsten ausgeplündert werden. (Hier lässt sich sogar der FOCUS zitieren: Sh. "Generationenkonflikt – Geißler wirft Herzog Beleidigung der Rentner vor", focus.de, 14.4.2008.) Selbst Jürgen Rüttgers begreift mittlerweile:


"Es wird volkswirtschaftlich nicht funktionieren, dass wenige Menschen im Arbeitsprozess viele Rentner finanzieren". Wenn die Politik Beschlüsse mit Auswirkungen auf die Rente fasse, zu denen es keine Beitragseinnahmen gebe, „dann muss sie die Steuermittel aufbringen, um das zu finanzieren", sagte der CDU-Politiker dem Bonner „General-Anzeiger".


(Sh. de.reuters.com, 13.4.2008, und "Eine Frage der Gerechtigkeit", dradio.de, 12.4.2008).  Das bringt ihm zwar heftige Kritik ein von der neoliberalen CDU-Kundschaft, aber wahrscheinlich hat er gar nicht seine und deren Steuergeschenke gemeint, sondern wieder einmal die Mehrwertsteuer zu Lasten der Ärmsten und Normalverdiener.  Auch Horst Seehofer lässt gelegentlich ahnen, was die CDU/CSU nach ihrem missbrauchten christlichen Namen sein könnte (sh. "Seehofer: Renten sollen wie Löhne steigen – 'Die Rentenformel muss wieder eine Vertrauensformel sein'", linie1-magazin.de, 12.4.2008).


Nach einigem Zögern ist auch Angela Merkel auf die Rüttgers-Kritik an der „sozialdemokratischen" Ausplünderung älterer Arbeitsloser  eingeschwenkt. Offenbar hat sie erkannt, dass ihre Pseudochristen auf diese Weise die Schein-Sozialdemokraten von der SPD  bestens vorführen können mit deren  Agenda 2010 (sh. „Müntefering schimpft über 'Sauerei von Rüttgers'", welt.de, 10.11.06). Man hängt sich hier heuchlerisch an die Forderung der WASG und tut so, als würde man sie erfüllen. Nachdem die Umfragewerte der CDU von Juni 2005 bis November 2006 von mehr als 45 Prozent auf weniger als 30 Prozent eingebrochen sind (sh. SPIEGEL-ONLINE-Umfrage-Barometer), will man plötzlich den Arbeitslosen mit langer Beitragszahlungsdauer eine Scheinlösung bieten, indem man gerade einmal ein halbes Jahr Bezugsdauer hinzu gibt. Offenbar will man dies tückischerweise tatsächlich von den jüngeren Arbeitslosen finanzieren lassen, um von den eigenen Steuergeschenken abzulenken. (Sh. dagegen weiter unten das Beispiel Dänemark mit einem Arbeitslosengeld von 90% für maximal vier Jahre und einer Arbeitslosenquote, die nicht einmal halb so hoch ist wie die Quote in Deutschland. Allerdings gibt es dort einen Spitzensteuersatz von 59 Prozent - vgl.  Bundesfinanzministerium: „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2006", S. 66, Tabelle 5)

Das dänische strenge Prinzip „Fordern und Fördern" kann aber nicht funktionieren bei der deutschen  Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben.
  Schon deshalb kommt für die Neoliberalen auch kein Arbeitslosengeld von 90 Prozent auf maximal vier Jahre in Frage. Bei einer solchen Arbeitslosenunterstützung und gleichzeitiger Arbeitsplatzvernichtung hätte die Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 2006 z.B. nicht einen Überschuss von 11,2 Milliarden Euro verbuchen können  Bei der deutschen Arbeitslosenquote von etwa 10 Prozent hätte man dann auch nicht den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5% auf 4,2% senken können. (Zum Überschuss und zur Beitragssenkung sh. z.B. "Arbeitsmarkt - Arbeitsagentur hat 11,2 Milliarden Euro übrig", faz.net, 29.12.06). Dann hätten sich die neoliberalen "Besserverdiener" unter den Meinungsmachern auch nicht freuen können über eine spürbare Senkung ihres Arbeitnehmeranteils zur Arbeitslosenversicherung. Dazu heißt es in BILD vom 4.1.06:
 

So viel kriegen Sie jetzt netto MEHR!
Mehr Netto im neuen Jahr! Arbeitnehmer können sich jetzt schon auf ihren Januar-Gehaltszettel freuen! Sie bekommen mehr ausbezahlt, weil die Sozialbeiträge unter dem Strich sinken. Das bringt im Jahr bis 540 Euro nette mehr… 
 

Für die BILD-Redakteure werden die 540 Euro mit Sicherheit erreicht. Für die Kleinverdiener bringt die Senkung ihres Beitrages zur Arbeitslosenversicherung bei gleichzeitiger Erhöhung ihres Krankenversicherungsbeitrages jedoch längst nicht genug zum Ausgleich der zusätzlichen Belastungen, die ihnen durch die Mehrwertsteuererhöhung usw. aufgebürdet werden. Bezahlt wird die Zeche durch die Rentner, Studenten, Arbeitslosen und alle Einkommensschwachen.

Die Neoliberalen, d.h. die „modernen" „Freiheitlichen" im Sinne ihrer wirtschaftlichen Bereicherungs-"Freiheit" aus dem Volkseinkommen zu Lasten der wirtschaftlichen Freiheit von anderen,[50] haben also hierzulande bei den Meinungsmachern immer noch eindeutig die Oberhand. Sie berufen sich auf die „Monetaristen", „Neoklassiker" und den liberalen Ökonomen Adam Smith (1723 – 1790). Ihren  Feldzug für ihre Umverteilung nach oben führen sie angeblich zugunsten der „Investoren", denn die investieren nur in neue Arbeitsplätze, wenn sie ordentlich verdienen. Die Nachfrage nach den zusätzlichen Produkten werde dann schon von selbst kommen, nämlich durch die Arbeitseinkommen aus den neuen Arbeitsplätzen.

Die "Investoren" investieren also - angeblich wegen ihrer gesenkten Spitzensteuersätze - schon einmal vorweg in zusätzliches Angebot mit zusätzlichen Arbeitsplätzen durch Produktion auf Lager - voll Vertrauen darauf, dass die Nachfrage dafür schon irgendwann wieder kommen wird und sie dann ihre Lager wieder räumen können. Oberflächlich betrachtet sieht es aus wie bei der Frage nach der Henne und dem Ei.  Im Anfang war also Henne, die das Ei legt und nicht das Ei, aus dem die Henne entsteht. In Wirklichkeit geht es aber bei der Angebots-"Theorie" um eine Rechtfertigungs-Ideologie für die Umverteilung nach oben. Eine passende „Theorie" oder Rechtfertigung haben die Profiteure  in der Ideologiegeschichte stets gefunden, um diese Umverteilung  in ihre eigenen Taschen "wissenschaftlich" zu verbrämen. (Sh. auch den Abschnitt "Wirtschaftspolitische Ueberlegungen - Sparen als Voraussetzung zum Investieren?" in dem DIW-Wochenbericht 1-2/97, als außerdem der Geldüberfluss und der Zinseinbruch noch nicht die Ausmaße des Jahres 2007 erreicht hatten.)

Statt dieser zuversichtlichen Produktion auf Lager brächte der von oben zurückgeholte eine Euro zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge von Unternehmen und Beschäftigten tatsächlich einen Wachstumsimpuls durch den daraus folgenden zusätzlichen Konsum und die Senkung der "Lohnzusatzkosten". Dieser Wachstumsimpuls erfolgte quasi extern, das heißt ohne Henne-Ei-Leerlauf.  Ohne die zusätzliche Nachfrage und ohne die gleichzeitig erfolgende Senkung ihrer „Lohnzusatzkosten" hätten die Unternehmen überhaupt keine Veranlassung zu Neueinstellungen. Erst aus dieser zusätzlichen Nachfrage ergeben sich auch Investitionen in neue Arbeitsplätze anstelle der reinen Finanzinvestitionen von anderen „Bestverdienern" oder der Arbeitsplatzvernichtungs-Investitionen zur notwendigen Kosteneinsparung. Außerdem würde mit dieser Korrektur ein Zeichen gesetzt gegen die künstliche Aufblähung von Sach- und Finanzwerten durch die globale spekulative Geldschwemme, da viele sogenannte "Investoren" mit ihren längst nicht mehr konsumierbaren Einnahmen und billigen Krediten zur Spekulation in Wertpapieren, Auslandsimmobilien und Warentermingeschäften kurzfristig mehr Kasse machen als durch arbeitsplatzschaffende Investitionen (sh. „Eine Welt voller Blasen", DER SPIEGEL 13/2005). Das überquellende billige Geld treibt zugunsten der Großaktionäre und Options-Profiteure zu Fusionsfieber, Massenentlassungen, Kursexplosionen und lockt Heuschreckenschwärme aller Art zum Abfraß des Volkseinkommens. „Nach Berechnungen des Datenanbieters Thomson Financial wurden im April weltweit Übernahmen im Wert von 626 Mrd. Dollar angekündigt. Die bisherige Höchstmarke lag bei 518 Mrd. Dollar und stammt aus dem Januar 2000" (sh. „Zahl der Übernahmen auf Rekordniveau", welt.de, 2.5.2007).

Dagegen erfolgt die arbeitsplatzschaffende (Sach-)Investition in ein Betriebsgebäude bei dessen Bau und nicht durch Kursexplosionen, auch nicht bei seiner späteren Verwertung durch eine Leasing-Gesellschaft oder in den Jahrzehnten der Hypotheken-Tilgung.

Mit Keynesianismus, Neoklassik bzw. Monetarismus hat das eigentlich nicht mehr zu tun als neo-christliche Schlagworte mit dem Christentum oder fundamentalistische Parolen mit dem Islam,[51] aber mit dieser Position konnte man die Keynesianer in den entscheidenden Gremien (z.B. Sachverständigenrat) und an etlichen Universitäten nahezu mundtot machen. O'Neill will vernünftigerweise weder als strikter Anhänger der Nachfragetheorie, noch der Angebotstheorie, sondern als „Pragmatiker" argumentieren. Auf den Einwand der Interviewer: „Keynes ist tot" sagte O'Neill:
 

Adam Smith ist auch tot. Und wenn die deutschen Ökonomen weiterhin so kategorisch denken, wird auch die deutsche Wirtschaft demnächst tot sein (sh. a.a.O., Fußnote 46).
 

In der deutschen angebotstheoretischen Provinz ist die Theorie der Umverteilung nach oben noch lange nicht tot, sondern herrschende Ideologie. Die neoliberalen Meinungsmacher in Deutschland werden sich hüten, ihren theoretischen Rückstand zu den USA diesmal so schnell aufzuholen, wie sie ihren theoretische Vorsprung  zu Zeiten von Milton Friedman, Ronald Reagan und Margaret Thatcher aufgegeben haben. Damals konnten sie durch ihre Beflissenheit bei der Überbrückung dieses Time-Lags die dreiste Umverteilung zu ihren Gunsten begründen. In den USA haben die oberen 1% der Einkommensbezieher mit solcher Politik ihren Anteil am Gesamteinkommen bis zum Jahr 2000 auf 17% steil erhöhen können, nicht zuletzt auch durch Zunahme der Billig-Jobs. In Großbritannien und Kanada war es ähnlich (sh. Weltsozialbericht 2005The Inequality Predicament 2005", UN/DESA, S. 108, vorgestellt 25.8.05 lt. UN News Center). Deutschland ist mit der Umverteilungspolitik seit PinkGilbgrün auf dem besten Weg dorthin.
 
Adam Smith zeigt sich aber noch lebendig, wenn er zu den Gesetzesvorschlägen solcher Lobbyisten sagt, dass man sie nicht nur gewissenhaft, sondern auch äußerst misstrauisch prüfen müsse:

Sie kommen von einer Gruppe von Menschen, deren Interesse niemals genau mit dem öffentlichen Interesse übereinstimmt, die im allgemeinen darauf aus sind, die Öffentlichkeit zu täuschen und sogar Druck auf sie auszuüben...,
sh. Adam Smith: „An Enquiry Into the Nature and Causes of the Wealth of Nations", Chapter XI, letzter Satz, übersetzt vom Verfasser. Dies ist jedoch auch ein wichtiger Grund, warum die "unsichtbare Hand" des waltenden Marktes von Adam Smith nicht funktioniert. Der tief religiöse Moralphilosoph und Ökonom Smith konnte nicht voraussehen, dass diese idealistische "unsichtbare Hand" ideologisch instrumentalisiert werden würde zu dem, was Franz Segbers beschreibt als "Religion des Marktes - Neoliberalismus contra soziale Marktwirtschaft"; sh. auch Wolfgang Palaver: "Kapitalismus als Religion" mit Bezug auf das gleichnamige Fragment von Walter Benjamin aus dem Jahre 1921.  Zur „unsichtbaren Hand" schreibt Joseph Stiglitz etwas zugespitzt mit Bezug auf die "unsymmetrischen Informationen" (sh. oben bei Fußnote 14):
Die unsichtbare Hand von Adam Smith war unsichtbar, weil es sie nicht gab...
Was wir tun können, ist die Verbesserung der Information, damit es mehr Beobachtung und Kontrolle gibt...
Solange die [Informations-]Mängel nicht zu groß sind, werden traditionelle [Ökonomie-]Modelle einen Schimmer von Information bieten. [Aber] diese Theorie ist nicht robust... Sehr kleine [Informations-]Defizite können zu monumentalen Katastrophen führen.
(Sh. A. J. Korytoski: „Lauret discusses information, globalization", 3.6.2002, The Amherst Student Online, übersetzt vom Verfasser. „Lauret" ist Kurzform von Laureate. Zu den Gastvorlesungen von Stiglitz am Amherst College gibt es auch einige Audio Clips unter http://www.amherst.edu/news/audio/stiglitz/). - In Deutschland beruht die herrschende neoliberale Politik der Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben im wesentlichen auf Informationsmängeln, wie sie Adam Smith in seinem obigen Zitat beschreibt und wie sie auch anhand der obigen Zitate von Orszag und Stiglitz deutlich werden.
 

Die „waltende Hand" der Neoliberalen verliert ihren gierigen Wudu-Zauber durch folgendes Zitat, das John Maynard Keynes zugeschrieben wird und seinem Durchblick durchaus entsprechen dürfte:

 

Der Kapitalismus basiert auf dem verblüffenden Glauben, dass niederträchtige Menschen die niederträchtigsten Dinge tun zum größten Wohle der Allgemeinheit.

 

(Sh. Michael Albert: Moving Forward, S. 128: „Capitalism is the astounding belief that the most wickedest of men will do the most wickedest of things for the greatest good of everyone", übersetzt vom Verfasser.)


Wie das egoistische Gezerre um das angebliche Gemeinwohl und die angeblich unumstößlichen „wissenschaftlichen Erkenntnisse" der Wissenschafts-Notzüchtiger tatsächlich abläuft, erhellt aus folgendem Erfahrungsbericht des ehemaligen Finanzministers Oskar Lafontaine (sh. Vorabdruck aus seinem Buch „Politik für alle" in: DIE WELT, 13.3.2005):
 

Meine Rechtfertigung, den Mund aufzumachen und mich einzumischen, beziehe ich daraus, dass neben meinem privaten sozialen Engagement alle meine Vorschläge zur Steuer- und Sozialpolitik zu einer stärkeren Belastung der Besserverdienenden, zu denen ich gehöre, führen. Diese Haltung verschafft einem in diesen Kreisen keine Sympathie, sondern sie stößt auf Ablehnung und Spott.

Das erfuhr ich immer wieder, wenn ich in politischen Gremien für die Beibehaltung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent kämpfte. Besonders allergisch auf den Spitzensteuersatz reagierten Medienvertreter, deren Einkommen das der Politiker in einer Reihe von Fällen bei weitem übertrifft. Mittlerweise wurde der Spitzensteuersatz deutlich gesenkt, und diejenigen unter den Journalisten, die gut verdienen, gehören vielfach zu den eifrigsten Befürwortern der neoliberalen Reformen …
 

Schließlich musste sich Lafontaine doch aus überstrapazierter Kompromissfähigkeit hinter das SPD-Wahlprogramm von 1998 stellen, worin nach dem Willen der neoliberalen Schröder-Mehrheit der Spitzensteuersatz von 53% zunächst nur auf  49% abgesenkt werden sollte - zum Vorteil der Politiker, sonstigen Meinungsmacher und der übrigen "Bestverdiener" - bei gleichzeitiger  Pseudo-Entlastung  für Klein- und Normalverdiener durch Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 "angesichts der schwierigen Finanzlage" zunächst nur auf 21,9 Prozent ("SPD-Programm für die Bundestagswahl 1998" lt. Beschluss des außerordentlichen Parteitages der SPD vom 17. April 1998 in Leipzig, S. 27 oben).

Einige Monate nach der Wahl senkte die Schröder-Mannschaft trotz „der schwierigen Finanzlage" unter Druck der Neoschwarzen und der neoliberalen Medien den Spitzensteuersatz tatsächlich auf 42% und musste deshalb zur Wahrung des Scheins auch den Eingangssteuersatz auf 15% senken. Damit erreichte man zum Ende der pinkgrünlichen Regierung ein Haushaltsdefizit von weit mehr als den zunächst zugegebenen 35 Milliarden Euro (sh. unten).  Lafontaine wäre ebenso unglaubwürdig geworden wie seine neoliberalen Parteigenossen, wenn er sich als Finanzminister auch noch diese Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozent hergegeben hätte, statt empört von seinen Ämtern zurückzutreten (sh. zu den damaligen internationalen Kampagnen gegen Lafontaine auch die Ausführungen nach Linksbuendnis.htm#Rupert_Murdoch). Er konnte aus nächster Nähe sehen, was sich unter dem Kanzler der Bosse gleich nach Regierungsantritt abspielte - jenseits aller Verzerrungen durch die profitierenden neoliberalen Meinungsmacher und ohne den Filter zur Irreführung der SPD-Basis.
 

Diese weitgehende Einnordung der SPD-Basis gegen Lafontaine konnte in Ostdeutschland nicht gelingen. Die Chemnitzer Neue Presse schreibt am 2.5.07 zum Empfang für Lafontaine am 1. Mai 2007 in Zwickau:

 

Tosender Applaus für SPD-Austritt

Von Gegnern als „Populist" beschimpft, von Zwickaus 4500 Mai-Demonstranten mit tosendem Applaus begrüßt: der vom SPD-Partei- zum Chef der linken Bundestagsfraktion gewandelte Oskar Lafontaine.
 

Solche Meldungen findet man in den neoliberalen Medien überhaupt nicht. Aber ihre Hetzkampagnen wie bei Lafontaines Rede vom 14.6.2005 in  Chemnitz (sh. oben) konnten sie wohl niemandem mehr verkaufen, auch wenn sich der FOCUS redliche Mühe gibt mit der dicken Schlagzeile: „Söder empfindet Linkspartei als Schande" (sh. focus.de, 1.5.2007).  Weiter heißt es dort:
 

CSU-Generalsekretär Markus Söder wirft den Gewerkschaften eine Annäherung an die Linkspartei.PDS vor.

Der 1. Mai stehe "für einen neuen, unseligen Pakt zwischen den SED-Nachfolgern und dem DGB", sagte Söder am Dienstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ddp. Er fügte hinzu: „Dieses tiefrote Bündnis ist eine historische Schande für jeden freien Gewerkschaftler – gerade weil die SED Gewerkschaftsmitglieder verfolgt und eingesperrt hat."
 

Es hilft nichts, wenn Markus Söder bei jeder unpassenden Gelegenheit seine Diffamierungs-Floskel „Luxus-Lafontaine" verhökert und versucht, das Linksbündnis als Fortsetzung des SED-Regimes darzustellen. Nach diesem Schema könnte man seine „christlich-soziale" Union als Fortsetzung der Ausbeutungsherrschaft von „Gottes Gnaden" für den Luxus Weniger bezeichnen (sh. „Söder will 'Hartz-IV' kürzen", zeit.de, 21.4.2007, und hier  weiter unten „Wahlergebnisse" nach Regionen und Konfessionen). - Söders „Schande" zeigt aber, dass das Linksbündnis mit der Annäherung an die Gewerkschaften auf dem richtigen Wege ist, da deren Mitglieder und Arbeitnehmer von allen übrigen Parteien verraten wurden und die Gewerkschaften nicht noch mehr Mitglieder verlieren wollen.

Das Interesse an Söder beschränkt sich hier eher auf seine typische Rolle im faulen Spiel, die nach wenigen Auftritten schon ein Gesamtbild erkennen lässt.
Selbst vor der Demontage des Bundespräsidenten schrecken Söder, sein Ministerpräsident Edmund Stoiber und viele weitere „Christliche" nicht zurück, wenn es um ihr Weltbild als Recht(s)denkende geht. So sagte der ehemalige Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz zur scheinbar erfolgreichen CSU- und MedienKampagne gegen einen Gnadenerlass durch den Bundespräsidenten Köhler zugunsten von Christian Klar (sh. das DLF-Interview
mit Mahrenholz vom 7.5.2007):


Das Bedauerliche an dieser Entscheidung ist eben nur, dass diese lauten und überlauten Stimmen, die seit Wochen, um nicht zu sagen seit Monaten immer in dieselbe Richtung gingen und jetzt - Markus Söder wurde eben schon erwähnt - bis hin zur möglichen Drohung einer Nicht-Wiederwahl gegangen sind, dass dieses ganze Konzert der Stimmen den Bundespräsidenten beschädigt hat, weil man sagen könnte er hat sich am Ende dann doch dem Druck gebeugt. Das hat er meines Erachtens nicht getan…

 

24 Jahre würden der Gerechtigkeit ja auch Genüge tun. Es gibt Mörder, die sehr viel weniger gebüßt haben. Es gibt viele tausendfache Judenmörder, die weniger gebüßt haben, und da hat sich merkwürdigerweise niemand aufgeregt.

 

Wieso denn auch, wo doch die "Christlichen" gleich nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Reihen mit den gewendeten Nazis verstärkt haben!


Kennzeichnend für die Irreführungen durch die neoliberalen Meinungsmacher ist auch folgende Behauptung von Söder in einem DLF-Interview
vom 4.7.2004:
 

Schauen Sie Dänemark an, ein Beispiel: Dort sinkt das Arbeitslosengeld innerhalb von einem Jahr unheimlich schnell runter, und zwar beginnt es im ersten Monat mit 90 Prozent und geht dann runter auf zehn Prozent des letzten Einkommens. Also eine ganz andere Situation. Folge davon: Mehr Arbeit.
 

Tatsächlich werden die 90 Prozent jedoch über vier Jahre bezahlt [87] , wenn man dem Arbeitslosen keine Arbeit anbieten kann. Aber bei dem dänischen Spitzensteuersatz von 59 Prozent und der weitgehenden Steuerfinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge gibt es kaum Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben und ist die Arbeitslosenquote dort nur halb so hoch wie in Deutschland.
 

Zur Hetze der Neoliberalen gegen Oskar Lafontaine sagte der engagierte Sozialethiker Friedhelm Hengsbach (SJ) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 27.6.2007:

 

Es liegt nah, dass politische Gegner so reagieren, weil sie sich plötzlich in die Enge gedrängt fühlen. Und zwar nicht moralisch oder persönlich, sondern politisch. Eine solche Übersprungshandlung, die Flucht aus der politischen Bedrohung heraus in die Emotional- oder Personalebene ist zunächst verständlich.

 

Dies scheint zu milde, denn nach dem Gesagten führt doch gerade die moralische und persönliche Entlarvung der neoliberalen Meinungsmacher zu deren Hetzkampagnen, viel mehr als ihre politische Beeinträchtigung.


Selbst Hans-Hermann Tiedje, früherer Chefredakteur der „Bild"-Zeitung und ungenierter Vorkämpfer für die Umverteilung nach oben, meinte in einer Diskussions-Runde bei Sandra Maischberger:
 

Er halte Oskar Lafontaine für "paktfähig". „Ich habe mehrfach Absprachen mit ihm gehabt. Die sind einfach eingehalten worden." Er könne verstehen aber nicht billigen, dass Lafontaine 1999 "einfach weggerannt" sei, weil er „die Schnauze voll" hatte „von einem Laden", in dem er „ständig hintergangen" wurde.
 

(Sh. „Menschen bei Maischberger", daserste.de, 28.11.06, mit Video.) Dass Tiedje den plötzlichen Abgang Lafontaines „nicht billigen" kann, hängt wohl auch damit zusammen, dass ihn der Wählerbetrug an des ausgeplünderten Klein- und Normalverdienern kaum in dem Maße empörte wie jetzt der Verzicht auf eine weitere Senkung seines Spitzensteuersatzes zu deren Lasten.

Die Versprechungen an die „Bestverdiener" wurden also übererfüllt, während die Einkommensschwachen auf allen Ebenen die Zeche zahlen - trotz Schein-Ersparnissen für einige. Auch Franz Müntefering hat sich inzwischen auf diesem Kurs als Parteivorsitzender verschleißen lassen, um gleich danach als Arbeitsminister sein Unwesen zu treiben:  Schon in der Schröder-Regierung war Müntefering mitverantwortlich für den Verrat an der Sozialdemokratie und für die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben. Aber angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen hielt er den verzweifelt nach Arbeit Suchenden entgegen: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen"! (Sh. "HARTZ IV – Arbeiten fürs Essen", zeit.de, 10.5.2006.) Damit sichert er sich gewiss die Sympathie der übrigen neoliberalen Meinungsmacher. Aber wie schon in der Weimarer Republik zu Zeiten von Friedrich Ebert gilt für die ehemaligen SPD-Mitglieder und -Wähler die Erkenntnis: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!" (Sh. en.wikipedia: Friedrich_Ebert, Stand 9.5.2009).
 

Sehr schnell fand das SPD-Establishment in dem gefälligen und „pragmatischen" Matthias Platzeck einen neuen Parteivorsitzenden für die alte Linie, denn der kündigte (lt. DLF-Kommentar) gleich an: „Mit mir wird es keinen Linksruck in der SPD geben". Sein Nachfolger, Kurt Beck, wird bei den schwarzrötlichen Koalitionären auch kaum etwas Sinnvolles erreichen.

Wenn Lafontaine nun wieder an die verratenen Grundsätze der Sozialdemokratie gegen den Neoliberalismus erinnert, schießt man aus allen Rohren gegen ihn, so auch nicht zuletzt die „Bestverdiener" beim SPIEGEL und im Folgenden auch die ansonsten renommierte SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:
 

Lafontaines Problem: Seine wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen werden in Deutschland von kaum einem anerkannten Ökonomen geteilt. Schlimmer noch: sie werden vielfach belächelt. … Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch eine Angebotspolitik, also eine Förderung der Arbeit gebenden Unternehmen, hielt er stets für einen Irrweg, die Thesen weltweit anerkannter Ökonomen für "Geschwätz". Stattdessen wollte er die Nachfrage stärken und insbesondere die "kleinen Einkommen" entlasten, um so über verstärkten Konsum für Wirtschaftswachstum zu sorgen.[52]
 

Mit den „weltweit anerkannten Ökonomen" kann es nicht weit her sein, wenn man die obigen Äußerungen von O'Neill, Buffett, Soros, Orszag und Stiglitz sowie den 400 US-Ökonomen betrachtet. Aber bei den neoliberalen Wirtschaftsjournalisten sieht es noch trüber aus als bei den prominenten deutschen Ökonomen, mögen sie auch noch so viel „lächeln". Dazu haben sie bei ihren Bezügen meist auch allen Grund. Richtig ist aber, dass die Grundüberzeugungen von Lafontaine speziell in Deutschland „von kaum einem anerkannten Ökonomen geteilt" werden. Armes Deutschland!

Zur Sicherung ihrer Steuergeschenke und zur Andienung an ihre Karriere-Förderer sind solche "Ökonomen" auch gern bereit, den kleinen Nachfrage- und Steuereinnahmeboom kurz vor der dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung der Umverteilung nach oben kurzerhand auf den Segen ebendieser Umverteilung zurückzuführen:
 

Neue Zahlen des Finanzministeriums deuten an, dass sich die Struktur durch die Steuersenkungen der rot-grünen Ära kräftig verschoben hat. Viele Geringverdiener zahlen gar keine Steuern mehr, vor allem aber wurden viele Topverdiener kräftig entlastet. Ist das nun gut für die Wirtschaft und ist es gerecht? Die Gerechtigkeitsfrage kann im Steuerrecht nie nur unter reinen Verteilungsaspekten gesehen werden. Sorgt eine Steuersenkung für mehr Wirtschaftswachstum und höhere Einnahmen des Staates, dann ist damit auch den Geringverdienern geholfen. Der Effekt tritt sicher nicht immer ein, aber doch erstaunlich oft, wie das Beispiel Österreich zeigt. Und es liegt nahe, dass Schröders und Eichels Steuersenkung heute mit Zeitverzögerung den Aufschwung stützt."
 

(Aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lt. DLF-Wirtschaftspresseschau vom 31.10.06, 13:55h, evt. dort noch als Flash verfügbar; sh. dazu auch hier weiter oben das GfK-Getrommel.) Auch die Arbeitsplatzvernichtung durch die sonstigen Schröpfungen der einkommensschwachen Konsumenten zur Finanzierung der Steuersenkung für „Bestverdiener" werden hier tunlichst ignoriert. Man mag es kaum glauben, auf welchem Niveau auch die SÜDDEUTSCHE vielfach in ihrem Wirtschaftsteil angekommen ist. Auch an diesem Beispiel sieht man außerdem, wie solche Indoktrination verstärkt wird durch die Redaktionsbesetzung der übrigen Medien, hier also der DLF-Wirtschaftspresseschau.

Immerhin sind sich aber 42% der deutschen Ökonomen einig, dass sie sich „in grundsätzlichen Fragen" nicht einig sind. Weitere knapp 42% von ihnen zweifeln an ihrer Einigkeit (sh. „Ökonomen-Umfrage Teil 1", ftd.de, 10.5.06, „Bilderserie: Die Ergebnisse der Exklusiv-Umfrage", Bild 2: „Sind sich Ökonomen in grundsätzlichen Fragen einig?", Antworten: „Stimme nicht zu": 41,9%, „Stimme etwas zu": 41,5%, „Stimme stark zu": 15,8%; sh. hier Oekonomen-Umfrage.htm).
 

Zur Gleichschaltung der Wissenschaft siehe zum Beispiel das Interview von SeaGarden.de (Mai 2006) mit dem Lügenforscher und emeritierten Universitäts-Professor Wolfgang Reinhard:
 

SeaGarden: Wenn wir nun die heutige Wissenschaftswelt betrachten, spielt Vermarktung, die Einwerbung von Drittmitteln eine immer größere Rolle. Was bedeutet das für die Wissenschaft: Muss sie mitspielen oder gibt es eine Alternative?

Wolfgang Reinhard: Ich fürchte nein, aber wissen Sie, ich bin ja froh, dass ich aus dem Geschäft raus bin. Ehrlich gesagt, ich war in dieser Hinsicht immer ein bisschen skeptisch. Jede Wissenschaft ist eine Art soziales System, sowohl die Wissenschaft als solche, als auch die einzelnen Fächer. Jedes System geht mit Abhängigkeiten formeller und informeller Art einher. Man ist als Wissenschaftler also Zwängen ausgesetzt und einem beträchtlichen Konformitätsdruck, gerade, wenn man Karriere machen will. Je höher nun der Druck, desto größer die Gefahr der Unaufrichtigkeit, im Extremfall der Fälschung von Ergebnissen...
Es hat sich ja auch ein neuer Professorentyp heraus entwickelt: Früher gab es Gelehrte, heute zunehmend Macher.
 

Auch im Journalismus geht es um Geld, Werbe-"Drittmittel", Selbstvermarktung, Konformismus, Opportunismus, Karriere, Unaufrichtigkeit bis hin zum "Extremfall" der Fälschung. Es lohnt sich, den neoliberalen Tendenz-Journalismus hier noch einmal an zwei Beispielen etwas näher zu betrachten. Der Bericht stammt von Günter Wallraff, der sich vor fast 30 Jahren unter falschem Namen bei BILD Hannover als Redakteur einstellen ließ (sh. „Günter Wallraff im Interview über BILD", Interviewer: Jakob Schmidt für die readers-edition.de der netzeitung.de, 11.7.06:
 

Schmidt: Sie haben immer wieder Dinge geäußert wie: „BILD ist ein Lügenblatt und sogar der Mülleimer ist zu schade dafür”…

Wallraff: Das sind jedoch keine Meinungsurteile, sondern gerichtlich legitimierte Tatsachenbehauptungen. So darf jeder heute BILD eine "professionelle Fälscherwerkstatt” und das „Zentralorgan des Rufmordes” nennen. Man muss sich klarmachen, dass die - im wahrsten Sinne des Wortes - über Leichen gehen. Ich habe Abschiedsbriefe gelesen von Menschen, über die BILD schändlich berichtet hatte. Darin stand oft, dass sie es mit dieser Schmach einfach nicht mehr ausgehalten hätten.
 

Der Bericht ist so haarsträubend, dass man ihn besser im Zusammenhang lesen sollte. (Sh. dazu auch das Interview der Frankfurter Rundschau vom 26.6.01 mit Günter Wallraff und dem früheren BILD-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje, worin Tiedje versucht, die Vorwürfe auf vergangene Zeiten zu beschränken. Sh. ferner hier z.B. Pro7Sat1.htm und unter Linksbuendnis.htm die Anstachelung der BILD-Leser zum „Wut-Brief", um die steuerliche Umverteilung nach oben im Jahre 2004 zu beschleunigen, nicht zu vergessen die neuesten Ablenkungs-Kampagnen der Großprofiteure  gegen den Mini-Nutznießer „Florida-Rolf", gegen Oskar Lafontaine,  Sibel Kekilli und viele andere Rufmordopfer.)

Typisch für die gesamte neoliberale Meinungsmache ist auch ein Focus-Artikel vom 22.5.05, kurz vor der NRW-Wahl, der von vielen Medien einschließlich der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 22.5.05 als „zuverlässige Quelle" sinngemäß übernommen wurde:
 

Das Kapital wandert ab

Im ersten Quartal dieses Jahres sind Mittel im Rekordwert von 150,4 Milliarden Euro ins Ausland geflossen.
Das berichtet FOCUS unter Berufung auf Erhebungen der Deutschen Bundesbank. Damit haben sich die Netto-Kapital-Exporte im Vergleich zum ersten Vierteljahr 2004 fast verdoppelt. Ähnlich hohe Abflüsse hatte die Bundesbank zuletzt während der kurzen Amtszeit von Oskar Lafontaine (SPD) als Bundesfinanzminister registriert.
 

Diese völlig schiefe und tendenziöse Darstellung wurde lediglich richtiggestellt durch einen Leserbrief (sh. Nachdenkseiten, 24.5.05). Man kann dessen Zahlenangabe nachvollziehen im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Mai 2005,   X.- Außenwirtschaft,  S. 71*, (1,9 Megabyte), unter den Werten für das erste Vierteljahr 2005. Dieser Leser lässt sich nicht einseifen(!) und schreibt:
 

Der jüngste Monatsbericht der Deutschen Bundesbank weist für diesen Zeitraum einen Saldo aller statistisch erfassten Kapitalbewegungen von 19,3 Milliarden Euro aus. Für das Gesamtjahr 2004 lag dieser Saldo bei 100 Mrd. Euro. Ein Anstieg ist also nicht erkennbar. Die Kapitalbilanz ist der Gegenposten zur Leistungsbilanz. Somit  folgt aus den hohen Exportüberschüssen Deutschlands im Warenverkehr zwingend ein negativer Saldo der Kapitalbilanz.
 

Diese Definitionen lernt der Student der Wirtschaftswissenschaften schon im ersten Semester als Ergebnis der doppelten Staatsbuchführung (sh. M. Göcke: „Zahlungsbilanz", Wikipedia: „Zahlungsbilanz" und Deutsche Bundesbank:  „Geld & Geldpolitik", 2004/2005). Zum Netto-Kapitalexport im weiteren Sinne gehört auch  eine Erhöhung der Devisen-Reserven durch die Zentralbank  (sh. Monatsbericht a.a.O., S. 52). Der Focus-Chefredakteur und mediale FDP-Aktivist Markwort wandte sich zwar bei Christiansen am 12.6.05 mit großer Geste gegen „Beleidigungen und Schmähungen", fand sie „unwürdig und stillos". Das galt aber anscheinend nicht, wenn sie sich gegen Lafontaine und die Linken richten, denn denen warf er „nationalen Sozialismus" vor (sh. Christiansen TV), obwohl die Linken doch als einzige im Weimarer Parlament gegen den Nationalsozialismus aufgetreten sind - gegen die Opportunisten und Karrieristen. Auch damals galt die wichtige Erfahrung von Marianne Birthler: "Die Frage danach, wie und warum Menschen zu Verrätern werden und andere sich selbst und ihren Mitmenschen treu bleiben, stellt sich zudem in allen Gesellschaften, die Diktaturen überwunden haben" (sh. „Reaktionen auf den Oscar für  'Das Leben der anderen'", tagesschau.de, 26.2.07). Aber bei aller wirkungslosen Meinungsfreiheit des Einzelnen gibt es im Kapitalismus auch eine höchst wirksame Demokratur des gleichgerichteten Medien- und Proporzkapitals mit seinen Söldnern und „wissenschaftlichen" Einrichtungen. Nach dem Ende der DDR wurden etliche wohl weitgehend zu Unrecht beschuldigt, besonders von jenen, die im Kapitalismus zu Recht beschuldigt werden müssten. Die menschenverachtende Wählertäuschung zeigt sich heute im Neoliberalismus zwar auf andere Weise, aber es kann doch nicht sein, dass man aus deren  unglaublichen Exzessen unter den Rechten im Dritten Reich und in den Jahrtausenden vorher nichts gelernt hat!

Solche fundamentalen Geschichtskenntnisse sind jedoch anscheinend viel unwichtiger als das pseudo-philologische Studium der Wort-Verwendungen im „Dritten Reich", womit lauernde Neoliberale die Kritik an ihrer egoistischen Ideologie begierig zur Nazipropaganda uminterpretieren, um sich so einen handlichen Knüppel gegen ihre Kritiker zu verschaffen. Schon früher wurden die aufbegehrenden Linken von den Rechten diffamiert mit Parolen „Für Kaiser, Gott und Vaterland" (sh. „Rede des Lehrers Kantorek" in: D. Endeward/F. Hellberg: „Im Westen nichts Neues", S. 103) oder „für Führer und Vaterland" (sh. LTI-Phrasen von Victor Klemperer), mit denen die indoktrinierte Jugend als Kanonenfutter für die Profiteure verheizt wurde. Bei der Sinnverdrehung will man sich auch keinesfalls mit der folgenden Definition aus dem sechsbändigen Duden (Mannheim, 1976) begnügen:
 

Fremdarbeiter, der (veraltend): ausländischer Arbeiter; Gastarbeiter: als Kellner arbeiten spanische F. (SPIEGEL 29, 1966, 72); Noch nicht ein Jahr war vergangen seit dem Ende des Krieges, seit der Befreiung der F. (Mostar, Unschuldig 153).
 

Hervorhebung vom Verfasser. Zum Begriff "Fremdarbeiter" siehe aber im Spiegel-Interview  mit Gregor Gysi die Äußerung des SPIEGEL-Interviewers, passend zur Kampagne gegen Lafontaine: „Das ist Nazi-Deutsch" (SPIEGEL 25/2005, 38 f.). Damit kritisiert der SPIEGEL ungewollt und zu Unrecht seinen eigenen DUDEN-Sprachgebrauch aus der Zeit, als er noch nicht auf der Neoliberalismus-Welle mitschwamm.

Zu weiteren Einzelheiten der „Fremdarbeiter"-Kampagne gegen Lafontaine sh. hier "Linksbuendnis.htm
(1)".

Viel interessanter als die angebliche Kapitalflucht nach der Irreführungs-Propaganda des FOCUS wäre eine Aufklärungskampagne zur Verlagerung von Investitionskapital und steuer-frisierendem Kredit-Kapital aufgrund des EU-subventionierten Steuerdumpings, das von den Neoliberalen so vehement verteidigt wird als geheimer Hebel zur Senkung ihrer persönlichen Steuersätze. Nun wollten sie auch noch die EU-Verfassung missbrauchen, um ihr Dumping  darin möglichst unbemerkt zu zementieren. Dafür sahen die Lobbyisten eine ausgezeichnete Chance, weil die meisten EU-Bürger kein besonderes Interesse haben, eine Verfassung von etlichen hundert Seiten voller verborgener Fallstricke auch nur auszugsweise zu studieren, zumal dann, wenn sie auf deren Annahme oder Ablehnung sowieso keinen Einfluss haben. Als Wähler müssen sie sich beim gegenwärtigen System der Listenwahl einfach auf den erträumten Anstand und die vermeintliche Kompetenz der überbezahlten Eurokraten-Mehrheit und ihrer neoliberalen Regierungen verlassen, auch wenn es immer schwerer fällt.

Tatsächlich könnten die Unternehmer mit einer teilweisen Steuerfinanzierung der Arbeitgeberanteile aus ihrem Anteil an den jährlich umverteilten ca. 60 Milliarden Euro[53] und aus dem Schließen der Steuer-Schlupflöcher für Einkommensmillionäre und internationale Konzerne  wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen als angeblich mit einer Steuersenkung für "Bestverdiener" oder Scheininvestoren.

Allein die zusätzliche Senkung des Spitzensteuersatzes um einen Prozentpunkt von 43% auf 42% ab 1.1.2005 sollte nach dem „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes (Steuersenkungsergänzungsgesetz StSenkErgG)" (Bundesrats-Drucksache 469/00 v. 18.8.00, Anlage, Seite 5)  immerhin etwa 2,4 Mrd. Euro jährlich kosten.  Es muss hier nicht untersucht werden, welcher Anteil aus den jährlichen Steuerreformkosten von 60 Milliarden Euro durch Steuersenkungen für „Bestverdiener" dem Konsum und der Nachfrage weitgehend entzogen wird und welcher Anteil zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes im internationalen Wettbewerb erforderlich war. Vielmehr wären der deutsche Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt am besten gestärkt worden, wenn man den größten Teil der jährlichen 60 Milliarden Euro  für die Senkung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung verwendet hätte. Auch die Arbeitgeberanteile ließen sich drastisch vermindern, wenn man durch eine international übliche Steuerquote die Sozialabgabenquote senkte (sh. etwas weiter unten).

Selbst von den Neoliberalen werden die hohen „Lohnzusatzkosten" für Klein- und Normalverdiener als Hauptstandortnachteil bezeichnet. - Die Unternehmenssteuersätze hätte man zur Standortförderung auch aufkommensneutral durch Schließen von Schlupflöchern senken können – unter anderem durch Besteuerung der tatsächlichen Gewinne und von Scheingeschäften bei Gewinnverschiebungen ins Ausland, die außerdem noch steuerliche gefördert werden. Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes beim Exportweltmeister Deutschland gehört außerdem, dass der schwache Konsum gestärkt wird. Dies hätte man ebenfalls durch die teilweise Steuerfinanzierung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung aus den obigen 60 Milliarden Euro erreichen können.


In Wirklichkeit hat diese Umverteilung nach oben seit ihrer stufenweisen Umsetzung im Laufe der letzten Jahre für den deutschen Arbeitsmarkt bei verbesserter Weltkonjunktur eine deutliche relative Verschlechterung gebracht. Auch absolut gesehen war die
Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahre 2004 mit fast 10% höher als zu Beginn der ersten Steuersenkungsstufe, denn die Arbeitslosenquote lag im Jahr 1999 bei 8,4% und im Jahr 2000 bei 7,8%.[54] Im Gleichen Zeitraum ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten weiter zurückgegangen von 27,5 Millionen im Juni 1999 auf 26,2 Millionen im Juni 2005, darunter die Vollzeit-Arbeitsverhältnisse von 23,8 auf 21,8 Millionen (sh.  pub.arbeitsamt.de, Stand 9.3.06). Auch daran zeigt sich, dass man die Steuersenkung für Meinungsmacher und sonstige „Bestverdiener" rückgängig machen muss, um das verschenkte Geld zur Absenkung der arbeitsmarktbelastenden Sozialversicherungsbeiträge zu verwenden. Auf diese Weise ließe sich auch die Umwandlung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen in prekäre Arbeitsverhältnisse abbremsen und die Ausblutung der Sozialkassen verhindern.

Dagegen lag die Arbeitslosenquote in Großbritannien im Jahre 2004 bei 4,7% und die Steuerquote dort bei 29,4% (Anteil der staatlichen Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt), während Deutschland mit 20,4% die niedrigste Steuerquote von den 15 westeuropäischen EU-Staaten hatte (sh. BMF-Monatsbericht Februar 2006, S. 115) – trotz der 80 Milliarden Euro, die Deutschland jährlich für die deutsche Einheit aufwendet. (Etliche neue EU-Staaten in Osteuropa können sich eine niedrigere Steuerquote leisten, weil sie entsprechende EU-Subventionen erhalten.)

Interessant ist dabei, dass z.B. in Großbritannien und in den USA die vermögensbezogenen Steuern in 2002 etwa 12 Prozent des Gesamtsteueraufkommens ausmachten, während es in Deutschland weniger als 2,5 Prozent waren (sh. OECD: „Revenue Statistics ... 1965-2004",  S. 78, „Table 23 - Taxes on property (4000) as percentage of total taxation", und zur Aufteilung dieser Steuern auf die einzelnen Bemessungsgrundlagen ebenda auf Seite 98/99 die Tabelle 38, Position 4000).  In der Tabelle 39 auf Seite 100 findet man schließlich das Gesamtaufkommen der vermögensbezogenen Steuern als Prozentsatz des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes im Jahre 2004. Hier sieht man, dass dieser Prozentsatz in Deutschland gerade einmal 0,9% betrug, während er in Großbritannien bei 4,3% lag. Diese 4,3 – 0,9 = 3,3% vom Bruttoinlandsprodukt würden in Deutschland Steuermehreinnahmen gegen die Arbeitsplatzvernichtung durch Umverteilung nach oben von 0,033 * 2200 Milliarden = ca. 73 Milliarden Euro betragen (zum BIP sh. wko.at).  Bei der zusammenfassenden Betrachtung der Substanzsteuern muss man sich nicht auf die umstrittene Vermögensteuer beschränken, sondern kann auch den Vergleich der Erbschaftsbesteuerung und der übrigen Substanzsteuern mit den Quasi-Vollbeschäftigungs-Volkswirtschaften einbeziehen, so dass die neoliberalen Volksbetrüger hier weniger von einem Punkt auf den nächsten ausweichen können.

Gerade auch im Hinblick auf internationale Vergleiche macht es wenig Sinn, wenn die Wikipedia die Ertragsteuern zu den Besitzsteuern zählt (sh. „Steuer", Stand 25.2.07), die Vermögensteuer gar als "Verkehrssteuer" bezeichnet und eine Umfrage präsentiert (Stichwort „Vermögensteuer")  mit folgendem Wortlaut:
 

Wieviel Prozent Vermögensteuern (ohne Freigrenze) sollte der Staat erheben, um andere Steuern zu senken und um dem Sozialabbau entgegenzuwirken (Staatskonsum, Bürgerversicherung, Bürgergeld,...)
 

wo dann Alternativen von 0% bis zu progressiven 9% vorgeschlagen werden. Man kann die Vermögensteuer nicht ohne die Erbschaftsteuer und die übrigen Substanzsteuern betrachten. Aber auch die Sozialabgaben und die Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung der riesigen Steuergeschenke für "Bestverdiener" bei den Ertragsteuern müssen mit einbezogen werden. Natürlich sind auch die Steuerschlupflöcher zu schließen (sh. hier insbesondere Unternehmenssteuerreform.htm).

Der deutsche Rekord bei der niedrigsten  Steuerquote erklärt sich dadurch, dass Deutschland von den 15 westlichen EU-Staaten eine der höchsten Sozialabgabenquoten hat (= Differenz zwischen Steuerquote und Abgabenquote (letztere sh.  BMF-Monatsbericht Februar 2006, S.  116). Deutschland finanziert also den Staat weit mehr über die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber als die meisten anderen Länder der EU15. Die Sozialversicherungsbeiträge werden aber nur für die Arbeitnehmereinkünfte im unteren und mittleren Einkommensbereich erhoben, so dass die Einkünfte der Meinungsmacher und sonstigen „Bestverdiener" von diesen Abgaben weitgehend ausgenommen bleiben und die Konsumknebelung sich insofern auf die Arbeitnehmer mit dem geringsten Einkommen und der höchsten Konsumquote konzentriert.

Die rotgrünliche Steuersenkung um 60 Milliarden Euro jährlich besteht zwar hauptsächlich aus Steuergeschenken, die durch sonstige Mehrbelastungen der Einkommensschwachen weitgehend an die „Bestverdiener" weitergeleitet wurden, auch wenn diese das natürlich bestreiten. Aber es sind darin jedenfalls auch etwa 10 Milliarden Euro enthalten, die den Klein- und Normalverdiener bei der „Riester-Rente" zum Teilausgleich ihrer Rentenkürzungen zurückgegeben werden.

Mag man also den Anteil der konjunkturschädlichen Geschenke für Meinungsmacher und sonstige „Bestverdiener" an den 60 Milliarden höher oder auch etwas niedriger ansetzen, so bleibt doch die Tatsache, dass Deutschland trotz bzw. gerade wegen der niedrigsten Steuerquote eine der höchsten Arbeitslosenquoten in der EU15 hat,
denn gerade wegen dieser niedrigen Steuerquote bleibt für die konjunkturfördernden Staatsausgaben kein Geld mehr übrig. Gerade deshalb ist die Sozialabgabenquote so hoch, und gerade diese verursacht die hohe Belastung der Löhne im unteren und mittleren Bereich – zu Lasten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der Arbeitsplätze.

Dagegen hätte Deutschland mit der um 9 Prozentpunkte höheren Steuerquote von Großbritannien zusätzliche Steuereinnahmen von 0,09 * 2.215,7 = rund 200 Mrd. Euro jährlich. Das reichte zu einer erheblichen Teil- Finanzierung der Arbeitnehmeranteile und der von den Arbeitgebern beklagten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.
Auch wenn man die "bereinigte" Steuerquote des Sachverständigenrates von 22,1% für 2004 annimmt (sh. SVR-Jahresgutachten 2005/06, Viertes Kapitel, Seite 255, Tabelle 25), so hatte Deutschland immer noch die niedrigste Steuerquote der EU15, und es bleibt zu den 29,4% von Großbritannien immer noch eine Differenz von 7,3 Prozentpunkten entsprechend 0,073 * 2.215,7 = ca. 160 Mrd. Euro. (Die 2.215,7 Euro per 2004 wurden entnommen aus den ausgezeichneten internationalen Vergleichen der Wirtschaftskammer Österreich, sh. dort die Tabelle „Wirtschaftsleistung", Stand 22.2.06). Durch die höhere Steuerquote könnte man die Sozialabgabenquote senken und damit tatsächlich einmal den ansonsten nur beschworenen Selbstfinanzierungseffekt erreichen.

Die niedrige Steuerquote auf Kosten der hohen Sozialabgaben-Quote ist auch ein wichtiger Grund für die Richtigkeit der ZEW-Feststellung: "OECD-Steuerquoten ungeeignet zur Beurteilung von Investitionsstandorten" (sh. ZEWnews September 2004). Im Hinblick darauf überrascht es nicht, dass Schweden und Dänemark mit ihren viel höheren Spitzensteuersätzen und Steuerquoten bei der „effektiven Steuerbelastung" der Unternehmen (u.a. mit Sozialabgaben) wesentlich besser platziert sind als Deutschland. Es ist allerdings fraglich, ob ZEW-Direktor Wolfgang Franz dafür auf seine pink-grünlichen Steuergeschenke verzichten möchte oder seinen großen staatlichen und privaten Finanziers einen derartigen Verzicht zumutet (sh. hier "Voodoo-Ökonomie").
 

Schon aus den obigen 200 oder 160 Mrd. Euro könnte gut die Hälfte der Sozialversicherungsabgaben bezahlt werden, ohne dass sich die Steuer- und Abgabenquote über das mittlere Niveau von Großbritannien hinaus erhöhte. Die Hälfte der Sozialabgaben wären etwa 20 Prozentpunkte vom Bruttolohn bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Je Prozentpunkt erwartet man 100.000 bis 150.000 zusätzliche Arbeitplätze, so dass allein schon die 20 Prozentpunkte zwei bis drei Millionen zusätzliche Arbeitplätze ergeben könnten. Statt dessen würgt man die Konjunktur mit der Mehrwertsteuererhöhung weiter ab (sh. dazu den Umkehrschluss weiter unten und folgendes Zitat aus: „Weise: Beitragssatzsenkung schafft bis zu 300.000 neue Arbeitsplätze", vwdgroup.de, 23.3.06):
 

Die von der Bundesregierung geplante Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung kann nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) bis zu 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen. In einem Gespräch mit Dow Jones Newswires sagte der Vorstandsvorsitzende der BA, Frank-Jürgen Weise, „ein Prozentpunkt Reduzierung der Arbeitslosenversicherung zur Hälfte bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern wirkt sich nach einem Jahr mit 100.000 bis 150.000 Arbeitsplätzen aus". Die Bundesregierung will die Beiträge ab dem 1. Januar 2007 um zwei Prozentpunkte zurückführen.

Dass eine Beitragssatzsenkung in diesem Ausmaß Arbeitsplätze schaffe, sei die Erwartung von Wissenschaftlern „und das ist auch berechtigterweise die Erwartung der Politik" erklärte Weise. Es bleibe allerdings abzuwarten, „ob die Wirtschaft auch nach diesem Modell tickt".

Zugleich räumte Weise ein, dass noch Unklarheiten über die Finanzierung eines Teils der geplanten Beitragssenkung bestehen. Ein Prozentpunkt soll nach dem Willen der Bundesregierung aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer gegenfinanziert werden, den zweiten Prozentpunkt soll die BA aus eigener Kraft aufbringen. Dafür fehlen ihr allerdings nach eigenen Angaben noch 1,8 Mrd. EUR.
 

Wenn schon durch die Finanzierung  über die konjunkturdrosselnde Mehrwertsteuererhöhung bis zu 150.000 zusätzliche Arbeitsplätze je Prozentpunkt geschaffen werden können, wie viel mehr Millionen Arbeitsplätze müssten sich dann über eine Steuerfinanzierung nach britischem Vorbild schaffen lassen - bei britischen Mehrwertsteuersätzen von (5% und 17,5% in 2005 - sh. Mehrwertsteuersätze, S. 3)! 

Oskar Lafontaine gebührt das Verdienst, dass er den Einnahmeverzicht aufgrund der deutschen Dumping-Steuerquote im Anschluss an den Jahreswirtschaftsbericht 2006 der Bundesregierung öffentlich bezifferte (sh. seine Rede vom 26.1.2006: "Umverteilung von unten nach oben bremst das Wachstum"), denn diese Belastungsverschiebung auf Kosten des Konsums und der Arbeitsplätze ist unmittelbar im Zusammenhang zu sehen mit der hohen Arbeitslosenquote und niedrigen Steuerquote in Deutschland im Vergleich mit den völlig entgegengesetzten Quoten z.B. in Großbritannien.

Schon Jahre vorher wurde von ihm und etlichen Neoliberalismus-Kritikern auf die niedrige Steuerquote in Deutschland hingewiesen. In der besagten Rede bezog sich Lafontaine bei der Berechnung aber doch nicht auf die 9 Prozent, sondern auf eine Abweichung von 6 Prozent bei der Abgabenquote. In der „Abgabenquote" (= "Fiskalquote")  sind die Steuer- und Sozialabgabenquote zusammengefasst (also „kumuliert" – sh. unten die Formulierung von Christoph Böhr). Mit den 6 Prozent kommt man auf einen staatlichen Einnahmeverzicht von etwa 0,06 * 2.215,7 = 130 Milliarden Euro jährlich statt der obigen 200 Milliarden Euro. Die 130 Milliarden Euro sind aber für die obige Argumentation nicht relevant.

Ähnliche Berechnung von Steuergeschenken im Zeitvergleich hatte schon der Politologe Hans Eißel vorgenommen zu seiner Aussage:
 

Würde die Regierung die Unternehmensgewinne und großen Vermögen heute im gleichen Umfang besteuern wie 1990, dann hätte sie Mehreinnahmen von 81 Milliarden Euro.
 

Zitiert aus Wolfgang Uchatius: „Wo stehen die Reichen?", zeit.de, 23.9.04.  Von Dieter Eißel findet man zu diesem Thema interessante ZIP-Dateien auf seiner Webseite.

Lafontaines Argumentation mit der Steuerquote hat jedoch den Vorteil, dass sie sofort nachvollziehbar ist und sofort die Beziehung zur Sozialversicherungsquote zeigt. Auch bei seiner Diskussion mit Christoph Böhr (CDU) in der Sendung „Das Duell" (n-tv.de, 20.2.06, 22.10 Uhr) fragte Lafontaine, warum man auf die 130 Milliarden Euro verzichte. Damit fühlte sich zunächst einmal der Moderator und bestbezahlte Meinungsmacher Heiner Bremer zu Recht angesprochen. Mit Bremer hat der RTL-Sender von Liz Mohn über n-tv einen verlässlichen FDP-Mann engagiert, der sich auch schon in einer Spitzenposition bei  Friede Springer und ihren „Meinungs-Direktoren" bewährt hat. Er agitierte bei seinem TV-Publikum einmal wieder heftig gegen „laufende Steuererhöhungen", obwohl der Steuersatz für seine Einkommensspitzen gerade viel zu großzügig gesenkt worden war - auf weniger, als man einem Durchschnittsverdiener an Steuern und Sozialbeiträgen abzieht:
 

Lafontaine: Und diese 130 Milliarden nehmen andere Länder ein, finanzieren damit ihre Sozialsysteme, finanzieren damit ihre öffentlichen Investitionen, finanzieren damit ihre hervorragende Ausbildung, ihre hervorragende Forschung; wir verzichten auf all das, weil wir einer Ideologie gefolgt sind, die also völlig neben der Sache liegt, die Arbeitslosigkeit immer weiter steigert …
Bremer: Wenn ich das richtig verstehe, heißt das doch – oder bin ich da naiver Laie – dass wir das Sozialsystem, so wie wir es gewohnt sind, gut erhalten können, wenn wir laufend die Steuern erhöhen.
Lafontaine: … wenn wir dieselbe Steuer- und Abgabenquote haben wie unsere europäischen Nachbarn.
Bremer: Die sind aber teilweise höher.
Lafontaine: Ja.
Bremer: Allerdings! Und irgendwo muss das Geld ja herkommen? Ist das neue Gerechtigkeit?

 

So lieferte Bremer in seiner wöchentlichen FDP-Propaganda-Sendung ganz nebenbei ein typisches Beispiel für die Spontaneität in den simplen Reflexen der neoliberalen Meinungsmacher. In jungen Jahren - weniger arriviert -  galt Bremer in seiner FDP noch als „Linker" und machte vor seinem Engagement bei Springer und Mohn eine lange Zwischenstation bei der Zeitschrift stern (sh. Heiner Bremer). Zugleich liefert er einen weiteren Beleg für die Richtigkeit des erweiterten Eingangszitats von Galilei und für die Funktionalität der allmählichen Etablierung bei den meisten Meinungsmachern. Andererseits zeigt sich, warum die Neoliberalen gegen die starken Argumente von Lafontaine nur noch mit ihren massenhaften Diffamierungen weiter kommen (sh. z.B. hier in Abschnitt 1 und in Linksbuendnis.htm).


Christoph Böhr fiel dann zu diesem Argument nur etwas Unzusammenhängendes und kaum Verständliches ein. Er redete - in seiner gefälligen Art - einfach von anderen Lohnniveaus in den übrigen EU-Ländern und wich schließlich in seiner Antwort sofort ausgiebig auf Hartz IV aus, wohl um von dem unwiderlegbaren Verteilungsskandal wegzukommen, das Thema herunterzuspielen,  von dem Machtmissbrauch zugunsten seiner großen Profiteure abzulenken auf unerwünschte Hartz-IV-Gestaltungen der Umverteilungsopfer und um Lafontaine auf das neue Reizthema zu vergattern. Zunächst wurde aber noch einmal der Anschein erweckt, als ob er und Bremer nicht am selben Strang gegen Lafontaine zögen:
 

Böhr: Das geht jetzt ein bisschen drunter und drüber, glaube ich.
Bremer: Nein, nein. Das ist 'ne klare Linie.
Böhr: Ja, ja, ja. Aber er hat sozusagen die kumulierten Beträge genannt: Abgabenquote und Steuerquote unserer Nachbarn. Aber da gibt’s ja sehr unterschiedliche Lohnniveaus beispielsweise zwischen Italien, Portugal, Frankreich, Großbritannien. Also das alles zu kumulieren, glaube ich, führt uns nicht auf den richtigen Weg. Ich will nur eine Bemerkung noch machen zu der Kürzung des Arbeitslosengeldes im Rahmen von Hartz IV.
 

Das Problem für Böhr besteht also offenbar darin, dass nicht nur die Steuer- und Sozialabgabenquoten „kumuliert" werden (sh. oben), sondern dass man zur Berechnung von Durchschnittswerten auch noch die Einzelwerte der jeweiligen Länder zusammenzählen ("kumulieren") muss. Anscheinend will er die niedrige Steuerquote in Deutschland darauf zurückführen, dass es in Deutschland ein höheres Lohnniveau gibt als in den meisten anderen EU-Ländern. Dann müsste jedoch Deutschland eher eine höhere und nicht eine niedrigere Steuerquote haben als die übrigen.

Die Ideologie-Fabrikanten von Bertelsmann
(sh. oben) haben ihre Ziele bei der Meinungsmache deutlich werden lassen - nicht nur mit ihrer Heiner-Bremer-Agitation bei n-tv (über RTL beteiligt), sondern auch mit den Indoktrinations-Sendungen „Späth am Abend"  und „Rogowski Chefsache!".  Als neuen Geschäftsführer für diese Vertretung der Kapitalinteressen mit neoliberalen Stammgästen bestellten sie Anfang 2003 Johannes Züll (sh. „Fiese Philosophie", taz.de, 24.4.04; seit 9/03 Heiner Bremer; seit 8/06: Moderator Lothar Späth, CDU, INSM-"Botschafter", engagiert über einen Steuerflucht- und Private-Equity-Fonds für Großanleger (sh. „In 'Heuschrecken'-Fonds investieren", boerse.ard.de, 17.5.05). Seit Juli 2005 ist auch INSM-"Botschafter" und Ex-BDI-Präsident Michael Rogowski als Moderator bei Bertelsmanns n-tv, ebenfalls engagiert über einen Finanzdienstleister). Typisch war die Rogowski-Sendung vom 19.3.06 mit zwei Gästen: dem Drogeriekettenbesitzer Götz Werner als Apostel des „bedingungslosen Grundeinkommens" durch drastische Mehrwertsteuererhöhung bei Abschaffung der Einkommensteuer für ihn und die übrigen „Bestverdiener" (Einkommensteuer, Erbschaftsteuer usw.) sowie mit den altbekannten Platitüden der FDP, vertreten durch Hermann Otto Solms, zur „Steuervereinfachung" als Vehikel zur Senkung des Spitzensteuersatzes für ihn und seine Kundschaft auf 35 Prozent  Der große Kapitaleinsatz  gegen die Linke zur Umverteilung nach oben und zur massenhaften Wählertäuschung trug für die FDP jedenfalls nachhaltig Früchte bei den Umfrage-Werten (sh. SPIEGEL-Umfrage-Barometer seit der vorgezogenen Bundestagswahl vom 18.9.2005).

Götz Werner hätte neben seiner Einkommensteuerfreiheit  noch den persönlichen Vorteil, dass seine mehr als zwanzigtausend Drogerie-Angestellten weitgehend vom Staat bezahlt würden über dieses bedingungslose Grundeinkommen, denn wenn dieses sich wegen seiner anvisierten 50 Prozent Mehrwertsteuer z.B. auf 1500 Euro belaufen müsste, dann brauchte er nur noch ein paar hundert Euro je Arbeitnehmer draufzuzahlen, um genug Grundeinkommensempfänger zur Arbeite bei ihm zu motivieren. In bezug auf seine persönlichen Vorteile und auf die Schröpfung der Ärmsten durch die schockierende Mehrwertsteuer waren seine Erklärungen in der Diskussionsrunde bei Maischberger längst nicht so klar wie seine Talkshow-erprobte Propaganda für diese Umverteilung nach oben „zugunsten der Freiheit" (sh. Video: "Revolution: Nie mehr arbeiten! Geld für alle!", daserste.de, 2.5.2006).  Man konnte aber doch sofort erkennen, warum er seine Einkommensteuer ganz abschaffen möchte und statt dessen lieber einen winzigen Bruchteil davon als Mehrwertsteuer zahlen will, zumal dann, wenn seine Gewinne durch die staatlichen Lohnzahlungen explodieren. Außerdem wird bei diesem „Modell" besonders deutlich, warum die neoliberalen Lobbyisten im Eigeninteresse eher für Kombilöhne oder staatliche Lohnzuschüsse eintreten und sich gegen Mindestlöhne sträuben, angeblich „im Interesse der Arbeitsplätze".

Gregor Gysi hat dieser halb naiven Bauernfängerei in einer anderen Maischberger-Sendung eine ganz klare Absage erteilt (sh. "Angst vor Abstieg – wer kann von seinem Job noch leben?", daserste.de, 13.2.2007). Oskar Lafontaine war auch nicht dafür, fand aber mit Recht den Teil der Idee interessant, dass der unfreiwillig Arbeitslose oder sozial Schwache nicht mehr um seine Existenz bangen muss. Das müsste er wohl tatsächlich nicht, wenn eine wirklich „bedarfsorientierte" Grundsicherung für Rentner und unfreiwillige Arbeitslose deutlich über dem heutigen Stand gebracht und finanziert würde durch Rückkehr von Götz Werner und den neoliberalen Meinungsmachern zu ihren früheren Spitzensteuersätzen, wie es DIE LINKE fordert. Wenn jedoch die Neoliberalen solche Ideen umsetzen mit 50 Prozent Mehrwertsteuer und weiteren Schröpfungen der Ärmsten, dann wären selbst 1500 Euro monatlich kaum mehr als ihre heutigen Sätze für Hartz-IV-Opfer oder für staatlich bezuschusste Mindestrenten.
 

Einstweilen betreibt man diese Umverteilung nach oben auch dadurch, dass immer mehr "working poor" zugunsten der großen Profiteure und ihrer neoliberalen Söldner in die Altersarmut gedrängt werden durch Dumpinglöhne und Lohnersatzleistungen ("Nettoersatzquoten"), mit denen Deutschland im internationalen Vergleich der Industrieländer zu den Schlusslichtern dieser Einkommenskategorie gehört (sh. die Studie der OECD:  DRV-Schriften Band 61, Ausgabe 2005, „Renten auf einen Blick…", S. 43, mit den heutigen Werten, die noch weit über den beschlossenen zukünftigen deutschen Werten liegen, sowie  Dieter Staadt: „Verkannt und verkürzt", Freitag.de, 24.8.2007, und hier den Artikel „Rentenklau".)



Statt die simple Wirkung des umverteilten einen Dollars zu begreifen (sh. oben), wollen die schwarzrötlichen Koalitionäre nach ihrer Regierungsbildung im November 2005 zunächst einmal 35 Milliarden Euro klientelschonend von den einkommensschwachen Konsumenten abschöpfen - nach dem Willen der „Christlichen" auch noch durch Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte zum 1.1.2007 (sh. „Union droht mit Abbruch der Gespräche", welt.de, 27.10.05). Bei Verzicht auf die Steuersenkung für „Bestverdiener" und Verminderung der Sozialabgabenquote durch Erhöhung der Steuerquote auf ein international übliches Niveau (sh. oben)  wäre die Arbeitslosenquote gewiss schon deutlich gesenkt und damit das laufende Staatsdefizit weitgehend beseitigt worden. Mit der jetzt diskutierten Brutalisierung der Umverteilung nach oben wird das Defizit nach Erhöhung der Mehrwertsteuer mittelfristig tendenziell noch größer, weil sich damit die Probleme auf dem Arbeitsmarkt verschärfen.




Fortsetzung siehe  Abschnitt 1, Teil 2

 

 

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